BT-Drucksache 16/3471

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/2300, 16/2302, 16/3106, 16/3123, 16/3124, 16/3125- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007 (Haushaltsgesetz 2007) hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Vom 20. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3471
16. Wahlperiode 20. 11. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Sevim
Dag˘delen, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Jan Korte, Katrin Kunert, Michael Leutert,
Dorothee Menzner, Kersten Naumann, Wolfgang Neskovic, Dr. Ilja Seifert,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/2300, 16/2302, 16/3106, 16/3123, 16/3124, 16/3125 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007
(Haushaltsgesetz 2007)

hier: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Die Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland
hat Besorgnis erregende Dimensionen erreicht. Kontinuierlich steigende
Zahlen rechtsextremer Straf- und Gewalttaten, anhaltende Wahlerfolge der
extremen Rechten und die Eroberung öffentlicher Räume in Städten und
Regionen sind unübersehbare Anzeichen einer neuen Qualität.

2. Demokratische Kultur und das friedliche Zusammenleben der Menschen sind
gefährdet. Seit 1990 sind bis zu 130 Menschen durch Angehörige der rechten
Szene getötet worden. Die Debatten um so genannte No-Go-Areas und die
Dominanz der extremen Rechten in ganzen Regionen belegen die Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit vor allem durch die Entwicklung des
Rechtsextremismus.

3. Die Sondermittel des „Programms zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ wer-
den umgewidmet und für die nachhaltige Stärkung und Entwicklung von
Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in der
Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.
4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die für das „Programm zur Stärkung
der Inneren Sicherheit“ auf drei Jahre bereitgestellten Mittel in der Gesamt-
höhe von 132 Mio. Euro für ein „Programm zur Stärkung der öffentlichen
Sicherheit und Kultur gegen den Rechtsextremismus“ umzuwidmen. Für das
Haushaltsjahr 2007 sollen dabei folgende Schritte eingeleitet werden:

a) Der Bund gründet mit einem Starthaushalt von 10 Mio. Euro ein For-
schungsinstitut „Rechtsextremismus in Deutschland und Europa“, das

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neben der Erforschung von Ursachen des zunehmenden Rechtsextremis-
mus auch Vorschläge zu seiner Bekämpfung entwickelt.

b) Eine neu zu gründende Nationale Beobachtungsstelle Rechtsextremismus,
Rassismus und Antisemitismus soll mit einem Etat von 5 Mio. Euro die
unabhängige Beobachtung rechtsextremer, rassistischer und antisemiti-
scher Entwicklungen in Deutschland wahrnehmen.

c) Das Finanzvolumen des neuen Bundesprogramms „Jugend für Vielfalt,
Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlich-
keit und Antisemitismus“ wird auf 38 Mio. Euro verdoppelt, um eine
flächendeckende Arbeit von Initiativen und Programmen zu ermöglichen.

d) Die bisher über das Bundesprogramm Civitas geförderten Strukturpro-
jekte Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, Beratung für Opfer
rechtsextremer Gewalt und Netzwerkstellen werden an eine geeignete
Stiftung oder Institution angebunden und für die nächste drei Jahre mit
einer jährlichen Finanzierung von 10 Mio. Euro versehen. Mit diesen zu-
sätzlichen Mitteln wird eine Ausweitung der Ansätze auf ausgewählte
Regionen Westdeutschlands ermöglicht.

Berlin, den 20. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

1. Mit Datum vom 10. Oktober 2006 legte das Bundesministerium des Innern
ein „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit vor“. Danach erhalten
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Bundeskriminalamt (BKA), Bun-
despolizei (BPol) und Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstech-
nik (BSI) in den nächsten drei Jahren jeweils 44 Mio. Euro. Pressemeldungen
ist zu entnehmen (Handelsblatt 10. Oktober 2006) dass die Grundlage des
Programms eine Finanzzusage des Bundesministers der Finanzen, Peer
Steinbrück an Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble ist. Diese
Finanzzusage besteht zusätzlich zu der für den Einzelplan 06 für das Jahr
2007 in diesem Bereich bereits vorgesehenen Steigerung von 1,8 Prozent, das
sind 80 Mio. Euro.

2. Obwohl das Programm die Innere Sicherheit stärken soll, dient es in seiner
gegenwärtigen Ausrichtung ausschließlich der Finanzierung des Kampfes
gegen den „islamistischen Terrorismus“. Über Ursachen und Ausmaß der Be-
drohung durch diesen Terrorismus bestehen im Parlament unterschiedliche
Meinungen. Um Art, Zweck und Umfang präventiver Aufgaben dabei muss
deshalb weiter parlamentarisch gestritten werden. Es entspricht aber weder
wissenschaftlichen noch politischen noch haushalterischen Grundsätzen,
ohne eine unabhängige wissenschaftliche und bürgerrechtliche Evaluierung
der bereits bestehenden umfangreichen Anti-Terror-Gesetze erneut Steuer-
mittel in Aktivitäten zu stecken, deren Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit
nicht belegt sind und die sich systematisch der Kontrolle und Bewertung
durch das Parlament entziehen. Damit würde die Weigerung der Bundes-
regierung, eine unabhängige Evaluierung in Auftrag zu geben, nicht nur hin-
genommen, sondern mit einem beispiellosen Ausbauprogramm geradezu be-
lohnt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3471

3. Zeitgleich mit der Finanzierungszusage für das Sonderprogramm werden im
Haushalt Möglichkeiten der Finanzierung der bisherigen Programme gegen
Rechtsextremismus gesucht. Monatlich über 1 000 Straftaten, darunter je-
weils eine große Zahl von Gewalttaten gegen Leib und Leben von Bürgerin-
nen und Bürgern dieses Landes, Rassismus und Antisemitismus schlagen bei
vielen Gelegenheiten gefährliche Wellen. Die jüngsten Wahlergebnisse ha-
ben ein bisher nicht vorstellbares Ausmaß an verfestigten und politisch mo-
bilisierbaren rechtsextremistischen politischen und ideologischen Versatzstü-
cken ans Licht gebracht. Eine Weiterführung der bisherigen Strategie mit
routinemäßiger Aufklärung und andere Aktivitäten auf dem bisherigen Ni-
veau sind keine angemessene Reaktion. Erforderlich sind stattdessen außer-
ordentliche Anstrengungen kultureller, politischer, bildungsmäßiger und so-
zialpolitscher Art mit nachhaltiger Wirkung. Sie müssen personell, konzepti-
onell und finanziell weit über die bisherigen Aufwendungen hinausgehen.
Dafür hat die Bundesregierung bisher keine Vorschläge vorgelegt.

Eine Umwidmung der Mittel aus dem „Programm zur Stärkung der Inneren
Sicherheit“ in ein „Programm zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit und
Kultur gegen Rechtsextremismus“ wäre ein deutliches Zeichen an die Öffent-
lichkeit, dass die Gefahr deutlicher als bisher gesehen und bekämpft wird und
damit dringend erforderlich, sinnvoll und angemessen.

Die für das Jahr 2007 vorgeschlagenen Beträge entsprechen in der Summe
der im ursprünglichen Programm vorgesehenen.

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