BT-Drucksache 16/2784

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - 16/2555 Nr. 2.115 - Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (einschl. 11818/06 ADD 1 und ADD 2) KOM (2006) 399 endg.; Ratsdok.-Nr. 11818/06

Vom 27. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2784
16. Wahlperiode 27. 09. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 16/2555 Nr. 2.115 –

Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und
zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem
Bereich (einschl. 11818/06 ADD1 und ADD2)
KOM (2006) 399 endg.; Ratsdok. 11818/06

A. Problem

Gegenstand der geplanten Verordnung ist eine Harmonisierung der Kollisions-
normen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und für das anwendbare
Recht im Falle einer Ehescheidung oder einer Trennung bei Ehen mit interna-
tionalem Bezug. Hierdurch soll eine größere Rechtssicherheit und Berechenbar-
keit für die betroffenen Ehepaare und für die Gerichte erreicht werden. Im Rah-
men eines Testlaufs, der auf Anregung der Konferenz der Ausschüsse für
Gemeinschafts- und Europaangelegenheiten der Parlamente der Europäischen
Union (COSAC) durchgeführt wird, ist zu prüfen, ob der Verordnungsentwurf
den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit entspricht. Innerhalb
von sechs Wochen soll hierzu Stellung genommen werden.

B. Lösung

Feststellung, dass keine Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der gemein-
schaftsrechtlichen Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit be-
stehen. Diese Feststellung wird im Falle der Annahme der Beschlussempfehlung
als Stellungnahme des Deutschen Bundestages an die Europäische Kommission,
an das Europäische Parlament und an den Rat übermittelt.

Die vorliegende Beschlussempfehlung bezieht sich ausschließlich auf die Frage
der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Eine spätere Befassung mit anderen
inhaltlichen Punkten des Verordnungsvorschlags bleibt vorbehalten.

Einstimmigkeit im Ausschuss
C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Voraussichtlich kein oder nur geringer zusätzlicher finanzieller oder bürokra-
tischer Aufwand.

Drucksache 16/2784 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Bundestag stellt fest, dass der Vorschlag der EU-Kommission für eine Ver-
ordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hin-
blick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften
betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich – KOM (2006) 399 endg.;
Ratsdok. 11818/06 – keinen Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der
gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnis-
mäßigkeit begegnet.

2. Im Übrigen bleibt der Verordnungsvorschlag einer späteren Befassung vor-
behalten.

Berlin, den 27. September 2006

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Ute Granold
Berichterstatterin

Dirk Manzewski
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Mechthild Dyckmans
Berichterstatterin

Sevim Dag ˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

Verordnungsvorschlag soll das nationale Kollisionsrecht nun
harmonisiert werden. Hiermit soll für die Zukunft sicherge-

stütze. Die Kommission ziehe die Artikel 61 Abs. c, 65, 67
EG heran. Diese Bestimmungen verliehen der Gemeinschaft
stellt werden, dass ein und dieselbe Ehe in allen Mitglied-
staaten nach dem gleichen, vorhersehbaren Recht geschie-
den und die Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerichten“
verringert werden kann. Hauptanknüpfungspunkt des Ver-

eine nicht ausschließliche Kompetenz zu Maßnahmen der
justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüber-
schreitenden Bezügen, soweit diese für das reibungslose
Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich seien. Nach
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2784

Bericht der Abgeordneten Ute Granold, Dirk Manzewski, Christine Lambrecht,
Mechthild Dyckmans, Sevim Dagdelen und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des
Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im
Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Ein-
führung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht
in diesem Bereich – KOM (2006) 399 endg.; Ratsdok.
11818/06 – wurde mit Drucksache 16/2555 vom 8. Septem-
ber 2006 gemäß § 93 Abs. 1 GO dem Rechtsausschuss zur
federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union und dem Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung
überwiesen.

II. Inhalt der Vorlage

Durch die geplante Verordnung sollen für Ehepaare mit in-
ternationalem Bezug (z. B. ein gemischt-nationales Ehepaar
oder ein deutsches Ehepaar, das in Italien lebt) innerhalb der
EU harmonisierte Kollisionsnormen eingeführt sowie Rege-
lungen der internationalen Zuständigkeit geändert werden.
Sie enthält zum einen Neuregelungen zur internationalen
Zuständigkeit bei Scheidung oder Trennung ohne Auflösung
des Ehebandes, also zur Bestimmung des Mitgliedstaates,
dessen Gerichte hierfür zuständig sein sollen (a). Zum ande-
ren beinhaltet die geplante Verordnung eine Harmonisierung
der Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten für Ehescheidun-
gen und Ehetrennungen (b).

a) Hauptanknüpfungspunkt für die Regelungen zur interna-
tionalen Zuständigkeit soll eine nunmehr mögliche, von den
Ehegatten innerhalb eines gewissen Rahmens zu treffende
Gerichtsstandsvereinbarung sein. Ehegatten, die die Ehe-
scheidung oder ein Trennungsverfahren ohne Auflösung des
Ehebandes beantragen möchten, können einvernehmlich in
Schriftform festlegen, dass ein Gericht oder die Gerichte ei-
nes bestimmten Mitgliedstaates zuständig sind, sofern ein
enger Bezug zu diesem Mitgliedstaat gegeben ist. Nach der
Begründung des Verordnungsvorschlags soll die mit der
Neuregelung verbundene größere Parteiautonomie den Ehe-
gatten mehr Rechtssicherheit bieten und die Situation für sie
berechenbarer machen; zudem soll der Zugang zu den Ge-
richten verbessert werden. Fehlt eine Gerichtsstandsverein-
barung der Ehegatten, so bestimmt sich die internationale
Gerichtszuständigkeit weitgehend in gleicher Weise wie
nach den bisher geltenden Bestimmungen der sog. Brüssel-
IIa-Verordnung (Verordnung(EG) Nr. 2201/2003).

b) In einem weiteren Kapitel enthält der Verordnungsvor-
schlag Regelungen zum anwendbaren Recht. Bislang gibt es
hierzu keine gemeinschaftsrechtlichen Regelungen. Mit dem

Rahmens (Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat). Bei-
spielsweise kommt das Recht des Staates in Frage, in dem
die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen
Aufenthalt hatten, sofern einer von beiden dort noch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat. Durch eine Beschränkung der
Rechtswahl soll ausgeschlossen werden, dass die Wahl auf
eine Rechtsordnung fällt, zu der das Ehepaar keinen oder nur
einen geringen Bezug hat. Fehlt eine Rechtswahlvereinba-
rung der Ehegatten, so bestimmt sich das anwendbare Recht
nach einer Reihe von Anknüpfungspunkten, die auf die An-
wendung derjenigen Rechtsordnung abzielen, zu der das
Verfahren den engsten Bezug hat.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 18. Sitzung vom 27. September 2006 die
Vorlage beraten und einstimmig empfohlen, keine Bedenken
hinsichtlich der Wahl der Rechtsgrundlage, der Einhaltung
des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes geltend zu machen. Er habe den Verordnungs-
vorschlag im Hinblick auf die Wahl der Rechtsgrundlage,
das Subsidiaritätsprinzip und den Verhältnismäßigkeits-
grundsatz überprüft. Er unterstütze den Vorschlag aufgrund
des beabsichtigten Fortschritts im Hinblick auf die Rechtssi-
cherheit und Rechtsklarheit bei internationalen Scheidungs-
fällen und die angestrebte Stärkung der Privatautonomie
durch die neu geschaffene Gerichtsstand- und Rechtswahl.

Sein Votum hat er wie folgt begründet: Nach dem Subsidia-
ritätsprinzip werde die Gemeinschaft in den Bereichen, die
nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fielen, nur tätig,
sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maß-
nahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend er-
reicht werden könnten und daher wegen ihres Umfangs oder
ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene ausgeführt
werden könnten (Artikel 5 Abs. 2 EG). Nach dem Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatz dürften die Maßnahmen der Gemein-
schaft nicht über das für die Erreichung der Ziele des EG-
Vertrages erforderliche Maß hinausgehen (Artikel 5 Abs. 3
EG). Beide Prinzipien würden im Protokoll Nr. 21 zum EG-
Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidia-
rität und der Verhältnismäßigkeit (sog. Subsidiaritätsproto-
koll) näher erläutert.

a) Zunächst sei die Wahl der Rechtsgrundlage zu untersu-
chen, da das Subsidiaritätsprinzip als Kompetenzausübungs-
regel nur zur Anwendung komme, wenn sich die Maßnahme
auf eine nicht ausschließliche Gemeinschaftskompetenz
ordnungsvorschlags ist insoweit die Entscheidung der Ehe-
gatten für ein bestimmtes Recht innerhalb eines gewissen

Artikel 65 Abs. b EG könnten hierzu auch Regelungen zur
Vereinheitlichung von Kollisionsnormen zählen, wie sie mit

Drucksache 16/2784 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dem vorliegenden Verordnungsvorschlag beabsichtigt seien.
Die von der Kommission gewählte Rechtsgrundlage sei so-
mit einschlägig; es solle aber umfassender erläutert werden,
inwiefern eine Regelung zum anwendbaren Recht und dem
Gerichtsstand in Scheidungssachen tatsächlich für das Funk-
tionieren des Binnenmarktes erforderlich sei.

b) Das Subsidiaritätsprinzip setze zunächst voraus, dass die
Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme durch die
Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden könnten.
Nach den Leitlinien des Subsidiaritätsprotokolls sei dies der
Fall, wenn der betreffende Bereich transnationale Aspekte
aufweise, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht
ausreichend geregelt werden könnten oder wenn alleinige
Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegen Anforderungen des
EG-Vertrages verstoßen würden. Der Verordnungsvorschlag
beziehe sich ausschließlich auf Scheidungsfälle bzw. die
Trennung ohne Auflösung des Ehebandes mit internatio-
nalem Bezug, weise also transnationale Aspekte auf. Er
betreffe nicht rein inländische Ehekonstellationen, greife
also nicht in die Kompetenz der Mitgliedstaaten in diesem
Bereich ein. Die Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerichten“
und die Rechtsunsicherheit, die durch einander wider-
sprechendes Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten entstehen
könne, mache eine Regelung auf EU-Ebene sinnvoll. Dies
habe sich auch in den Beiträgen zum Grünbuch vom
14. März 2005 – KOM (2995) 82 endg. – gezeigt. Damit sei-
en die Ziele der Maßnahme wegen ihres Umfangs oder ihrer
Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreichbar als
auf mitgliedstaatlicher Ebene. Die vom Subsidiaritätsproto-
koll in diesem Zusammenhang verlangten deutlichen Vor-
teile einer Gemeinschaftsmaßnahme im Vergleich zu Maß-
nahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten sei gegeben.

c) Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfe eine
Maßnahme der Gemeinschaft nicht über das zur Erreichung
der Ziele erforderliche Maß hinausgehen. Sie müsse nach
Art, Umfang und Intensität geeignet und erforderlich sein.
Das Subsidiaritätsprotokoll fordere, dass bei Maßnahmen
der Gemeinschaft so viel Raum für nationale Entscheidun-
gen bleiben müsse, wie dies im Einklang mit dem Ziel der
Maßnahme und den Anforderungen des Vertrages möglich
ist.

Die Verordnung sei geeignet, eine für alle Mitgliedstaaten
einheitliche Lösung und damit die beabsichtigte Rechtssi-
cherheit zu erzielen. Alternative Regelungsformen würden
dieses Ziel nicht erreichen: Eine Zusammenarbeit der Mit-
gliedstaaten auf dem Gebiet des internationalen Familien-
rechts sei angesichts der tatsächlichen Unterschiede der
Rechtsordnungen schwer vorstellbar. Die als andere Ein-
griffsform denkbare Richtlinie würde den Mitgliedstaaten
zwar bei der Wahl der Form und der Mittel Entscheidungs-
spielraum einräumen, zugleich aber die mit der Verordnung
angestrebte Rechtssicherheit in Frage stellen. Da hier ein
einheitliches Kollisionsrecht angestrebt werde, müsste eine
entsprechende Richtlinie so detailliert ausfallen, dass die er-
hoffte Schonung der Spielräume der Mitgliedstaaten nicht
eintreten würde. Die Verordnung sei auch erforderlich, denn
bisher existiere keine Regelung, die zu den angesprochenen
Zielen führen könne. Das materielle Scheidungs- und Schei-
dungsfolgenrecht der Mitgliedstaaten werde nicht unmittel-

einer Gerichtsstandsvereinbarung und die Rechtswahl der
Eheleute möglicherweise in einer zunehmenden Zahl von
Fällen das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwenden
müßten. Im Ergebnis sei auch der Verhältnismäßigkeits-
grundsatz ausreichend berücksichtigt.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 17. Sitzung vom 20. September 2006 die Vorla-
ge beraten und empfohlen, unter den Gesichtspunkten der
Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit keine Bedenken
gegen den Vorschlag geltend zu machen. Der Ausschuss be-
grüße die Zielsetzung, mit harmonisierten Kollisionsnormen
zur Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht in Ehesa-
chen die Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für die be-
troffenen Ehepaare zu stärken. Bei familienrechtlichen Strei-
tigkeiten mit internationalem Bezug sei eine nationale
Rechtsordnung nicht in der Lage, die Belange umfassend zu
regeln. Auch unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit
bestünden aus Sicht des Ausschusses keine Bedenken. Der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend habe
als mitberatender Ausschuss die Prüfung der Vorlage auf
spezifisch gleichstellungs- und familienpolitische Gesichts-
punkte konzentriert. Solche seien jedoch im Hinblick auf die
hier angestellte Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeits-
kontrolle nur am Rande betroffen. Davon zu trennen sei eine
inhaltliche Prüfung der Vorlage, zu der ein gesondertes
Votum vorbehalten bleibe.

IV. Beratung im Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss hat den Verordnungsvorschlag – be-
zogen auf die Prüfung der Subsidiarität und Verhältnismä-
ßigkeit – in seiner 25. Sitzung am 27. September 2006 ab-
schließend beraten. Er hat einstimmig entschieden, dem
Plenum den Beschluss zu empfehlen, dass der Verordnungs-
vorschlag keinen Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der
gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Subsidiarität und
der Verhältnismäßigkeit begegnet und im Übrigen eine spä-
tere Befassung mit anderen Punkten vorbehalten bleibe.

Die Beratung des Verordnungsvorschlags erfolgte im Rah-
men eines Testlaufs zur Subsidiaritäts- und Verhältnismäßig-
keitsprüfung, der auf Anregung der COSAC stattfand. Der
Deutsche Bundestag wurde gebeten, innerhalb einer Sechs-
wochenfrist eine Stellungnahme an die Europäische Kom-
mission, an das Europäische Parlament und an den Rat abzu-
geben, ob der Verordnungsvorschlag den in Artikel 5 des
EG-Vertrages (EGV) und im Protokoll über die Anwendung
der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
(im Folgenden: Protokoll) enthaltenen Anforderungen ge-
nügt. Der Rechtsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der
Verordnungsvorschlag diesen Anforderungen entspricht.

1. Ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip ist von den
Ausschussmitgliedern einvernehmlich aus folgenden Erwä-
gungen verneint worden:

Nach den in Nummer 5 des Protokolls enthaltenen Leitlinien
entspreche die geplante Verordnung, die auf der Grundlage
von Artikel 61 Abs. c EGV und Artikel 65 EGV im Wege
der konkurrierenden Kompetenz der EU erlassen werden
soll, den Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips. Bei den
Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts handele
bar angetastet. Zu beachten sei allerdings, dass die Gerichte
eines Mitgliedstaates durch die neu geschaffene Möglichkeit

es sich um einen Rechtsbereich, für den transnationale
Aspekte kennzeichnend seien. Das Kollisionsrecht der Mit-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/2784

gliedstaaten unterscheide sich erheblich voneinander. Da es
keine Gemeinschaftsnormen über das in Scheidungssachen
anzuwendende Recht gebe, wendeten die Gerichte derzeit
ihr nationales Kollisionsrecht an. Die internationale Zustän-
digkeit sei zwar in der sog. Brüssel-IIa-Verordnung geregelt;
diese Regelung habe sich jedoch insofern als unzureichend
erwiesen, als sie mehrere alternative Gerichtsstände zur Ver-
fügung stelle mit der Folge, dass die Gerichte mehrerer Mit-
gliedstaaten zuständig sein könnten.

Das im EU-Vertrag enthaltene Ziel, die Vereinbarkeit der
in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und
Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten zu
fördern, könne nur mit einer Regelung auf EU-Ebene er-
reicht werden, die die Zuständigkeitsnormen und die Nor-
men über das anzuwendende Recht harmonisiere. Die der-
zeitige Rechtslage führe zu Problemen für die Unionsbürger,
weil vor allem die Rechtssicherheit nicht hinreichend ge-
währleistet sei. Diese Probleme dürften sich mit Blick auf
die zunehmende Mobilität der Unionsbürger noch vergrö-
ßern. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die derzeit stark
voneinander abweichenden Kollisionsnormen durch Maß-
nahmen der informellen Zusammenarbeit zwischen den Mit-
gliedstaaten aneinander angeglichen werden könnten.

Bei der Beratung im Rechtsausschuss bestand auch Einigkeit
darüber, dass Vorschriften auf EU-Ebene mit harmonisierten
Kollisionsnormen im Vergleich zu Maßnahmen auf der
Ebene von Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich brin-
gen würden. Harmonisierte Kollisionsnormen führten für die
betroffenen EU-Bürger zu einer größeren Rechtssicherheit
und Berechenbarkeit hinsichtlich der Zuständigkeit und des
anzuwendenden Rechts. Zudem dürfte sich nach einer
Harmonisierung die Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerich-
ten“ verringern. Die im Verordnungsvorschlag vorgesehene
Möglichkeit einer Gerichtsstandswahl bei Ehescheidungs-
verfahren und bei Trennungsverfahren sowie die Regelung
von Restzuständigkeiten für Ehesachen, bei denen die Ehe-
gatten in einem Drittstaat lebten, führten zu einer Verbesse-
rung des Zugangs zu den Gerichten.

2. Die Mitglieder des Rechtsausschusses stellten bei der Be-
ratung einvernehmlich fest, dass der Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit durch die geplante Verordnung nicht ver-
letzt wird.

Die vorgeschlagene Regelung auf Gemeinschaftsebene er-
scheine als grundsätzlich richtige Maßnahme, um eine
Harmonisierung der Kollisionsnormen im Interesse der Bür-
gerinnen und Bürger zu erreichen. Mit ihr werde die durch
„Rom I“ (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen von
1980 und Vorschlag für eine Rom-I-Verordnung vom
Dezember 2005) und „Rom-II“ (im Mitentscheidungsver-
fahren befindlicher Vorschlag für eine Verordnung über das
auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht) eingeleitete Angleichung der Kollisionsnormen des
Internationalen Privatrechts fortgesetzt.

Zur Wahl der Rechtsform wurde hervorgehoben, dass eine
Richtlinie weniger stark in die Regelungskompetenz der
Mitgliedstaaten eingreife als eine Verordnung und daher als
Regelungsform grundsätzlich vorzuziehen sei. Gegen die
Rechtsform der Verordnung bestünden jedoch bei der ge-
planten Verordnung unter dem Blickwinkel des Verhältnis-

durch klare und einheitliche Vorschriften erreicht werden.
Bei der Beratung bestand auch Einigkeit darüber, dass die
Ziele der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit gefährdet
wären, wenn man den Mitgliedstaaten einen Ermessens-
spielraum bei der Umsetzung der Bestimmungen einräumen
würde.

Einvernehmlich wurde festgestellt, dass die geplante Verord-
nung den Entscheidungsspielraum des nationalen Gesetz-
gebers nicht über Gebühr einschränke. Sowohl bei den
Zuständigkeitsregelungen als auch bei der Frage des an-
wendbaren Rechts handele es sich um „technische“ Rechts-
normen. Die Regelung des materiellen Rechts bleibe weiter-
hin dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Schließlich
werde das Verfahren der Ungültigerklärung einer Ehe wegen
seiner engen Verknüpfung mit dem materiellen Recht der
Mitgliedstaaten nicht in die geplante Verordnung einbezo-
gen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastung
und des mit der geplanten Verordnung verbundenen Verwal-
tungsaufwands sahen die Mitglieder des Rechtsausschusses
den vorliegenden Verordnungsentwurf als angemessen an.
Bei der Beratung wurde darauf hingewiesen, dass eine Har-
monisierung der Kollisionsnormen zu einer Vereinfachung
bei der Rechtsanwendung führen dürfte. Für die Bürgerinnen
und Bürger ergebe sich aller Voraussicht nach kein zusätz-
licher finanzieller Aufwand.

3. Bei der Beratung wurde zur Kenntnis genommen, dass die
EU-Kommission den Verordnungsvorschlag anhand des
Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnis-
mäßigkeit geprüft und das Ergebnis der Prüfung nachvoll-
ziehbar begründet habe.

Mit Blick auf den Aufwand der vorzunehmenden Prüfung
und die Notwendigkeit, eine gründliche und zugleich zügige
Durchführung des Prüfungsverfahrens zu gewährleisten,
wurde einvernehmlich hervorgehoben, dass sich die Sechs-
wochenfrist als zu kurz erwiesen habe. Im Übrigen bestehe
innerhalb des Deutschen Bundestages Klärungsbedarf be-
züglich der künftigen Ausgestaltung des Verfahrens der Sub-
sidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung von Rechtset-
zungsvorhaben der EU.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, dass eine Ein-
schaltung der nationalen Parlamente im Vorfeld einer EU-
Verordnung oder einer EU-Richtlinie sinnvoll und notwen-
dig sei. Die Erfahrungen mit dem vorliegenden Testlauf hät-
ten gezeigt, dass innerhalb des Parlaments Verfahrensfragen
und auch die Frage der Federführung für künftige Subsidia-
ritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen zu klären seien.
Im Übrigen müsse im Hinblick auf Ehen zwischen deutschen
Staatsbürgern und Angehörigen von so genannten Drittstaa-
ten eine Regelung angestrebt werden, die einen Wettlauf um
das zuständige Gericht vermeide.

Die Fraktion der SPD stellte fest, dass die Einbindung der
nationalen Parlamente in einer späten Phase eines EU-Recht-
setzungsverfahrens – wie dies bei der EU-Verordnung zur
Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige
Forderungen der Fall gewesen sei – nicht ausreiche. Eine
frühzeitige Einbindung des Deutschen Bundestages sei da-
her überfällig. Innerhalb des Deutschen Bundestages gehe es
mäßigkeitsprinzips ausnahmsweise keine Bedenken, denn
eine Harmonisierung der Kollisionsregelungen könne nur

um eine praktikable Ausgestaltung des Verfahrens für eine
Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dies gelte

Drucksache 16/2784 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vor allem auch für die Frage, an welcher Stelle die Vorberei-
tung einer solchen Prüfung erfolgen solle.

Die Fraktion der FDP vertrat die Auffassung, dass für die
Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ein ganz
spezielles Verfahren institutionalisiert werden sollte. Hierbei
sei auch festzulegen, wie die Vorbereitung der Prüfung durch
den Rechtsausschuss bzw. einen anderen Fachausschuss
erfolgen solle. Gerade bei kleinen Fraktionen seien hierfür
keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden. Gleichwohl sei
eine frühzeitige Einbindung des Parlaments sehr wichtig,
weshalb die Mittel für die Durchführung der Subsidiaritäts-
prüfung bereitgestellt werden müssten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machte darauf
aufmerksam, dass die Sechswochenfrist, die an den Entwurf
des Verfassungsvertrags angelehnt sei, rechtlich nicht bin-

dend sei. Sie teile die Auffassung der anderen Fraktionen,
dass diese Frist zu kurz bemessen sei, und rege an, dass der
Deutsche Bundestag einen Vorschlag für eine angemessene
Frist mache. Die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeits-
prüfung solle unter rechtlichen Gesichtspunkten erfolgen. Es
sei eine Struktur notwendig, die dies im parlamentarischen
Rahmen ermögliche.

Schließlich wurde einvernehmlich festgehalten, dass mit der
vorgelegten Beschlussempfehlung lediglich eine Aussage
zur Frage der Vereinbarkeit der geplanten Verordnung mit
den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßig-
keit gemacht werde. Eine darüber hinausgehende inhaltliche
Bewertung des Verordnungsvorschlages sei damit nicht ver-
bunden. Eine diesbezügliche Stellungnahme bleibe vorbe-
halten.

Berlin, den 27. September 2006

Ute Granold
Berichterstatterin

Dirk Manzewski
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Mechthild Dyckmans
Berichterstatterin

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/2784

Anlage

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 17.7.2006
KOM(2006) 399 endgültig

2006/0135 (CNS)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in
Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in

diesem Bereich

(von der Kommission vorgelegt)

{SEK(2006) 949}
{SEK(2006) 950}

Drucksache 16/2784 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

BEGRÜNDUNG

1) AUSGANGSPUNKT UND ZIELE DES VORSCHLAGS

10 Der Vertrag von Amsterdam sieht die schrittweise Verwirklichung eines Raums der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vor. Zu diesem Zweck sollen unter anderem
Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergriffen
werden. Gemäß Artikel 65 EG-Vertrag handelt es sich dabei um Maßnahmen mit
grenzübergreifendem Bezügen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des
Binnenmarkts erforderlich sind. Gemäß Artikel 65 Buchstabe b gehören hierzu
Maßnahmen, die die „Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden
Kollisionsnormen“ fördern, ebenso wie „Vorschriften zur Vermeidung von
Kompetenzkonflikten“.

Durch die Harmonisierung von Kollisionsnormen wird die gegenseitige Anerkennung
von gerichtlichen Entscheidungen vereinfacht. Wenn die Gerichte der Mitgliedstaaten
dieselben Kollisionsnormen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts in einer
bestimmten Sache anwenden, stärkt dies das gegenseitige Vertrauen in die
gerichtlichen Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten1

Der Europäische Rat hat bereits zweimal auf die Problematik des anwendbaren Rechts
in Ehesachen hingewiesen. 1998 regte er an, binnen fünf Jahren nach Inkraftreten des
Vertrages von Amsterdam die Möglichkeit des Erlasses eines Rechtsaktes zum
anwendbaren Recht in Ehesachen zu prüfen2. Im November 2004 schließlich forderte
er die Kommission auf, für 2005 ein Grünbuch zu den Kollisionsnormen in
Scheidungssachen vorzulegen3.

120 Hintergrund

Die zunehmende Mobilität der Bürger in der Europäischen Union hat zu einer
Zunahme von Ehen mit einer internationalen Komponente geführt. Hierin
eingeschlossen sind Fälle, bei denen die Ehegatten nicht dieselbe Staatsangehörigkeit
besitzen oder nicht in demselben Mitgliedstaat wohnhaft sind oder gemeinsam in
einem Mitgliedstaat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Angesichts
der hohen Scheidungsrate in der Europäischen Union betrifft die Frage des
anwendbaren Rechts und der gerichtlichen Zuständigkeit Jahr für Jahr nicht wenige
Bürger. Abschnitt 3 der beigefügten Folgenabschätzung enthält eine Statistik zur Zahl
der internationalen Eheschließungen und Ehescheidungen in der Europäischen Union.

Bestehende Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet

Eine Regelung zum anwendbaren Recht in Ehesachen fehlt derzeit im

1 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, angenommen am 30.11.2000, ABl. C 12 vom 15.1.2000,
S. 1.

2 Wiener Aktionsplan, vom Europäischen Rat am 3. Dezember 1998 angenommen, Abl. C 19 vom
23.1.1999, S.1.

3 Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union, vom
Europäischen Rat am 4./5. November 2004 angenommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/2784

Gemeinschaftsrecht. Der erste im Bereich des Familienrechts angenommene Rechtsakt
- die Verordnung (EG) Nr. 1347/20004 - enthält Vorschriften zur gerichtlichen
Zuständigkeit und zur Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen
Entscheidungen in Ehesachen sowie von aus Anlass von Ehesachen ergangenen
Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der
Ehegatten. Die Frage des anwendbaren Rechts wurde hingegen ausgeklammert.

Auch die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates5, durch die die Verordnung (EG)
Nr. 1347/2001 mit Wirkung vom 1. März 2005 aufgehoben wurde, brachte
diesbezüglich keine Veränderungen. Die Frage des anwendbaren Rechts wurde
während der Beratungen über diese Verordnung nicht weiter erörtert; vielmehr wurden
die Ehesachen betreffenden Vorschriften praktisch unverändert in die Verordnung
(EG) 1347/2000 übernommen.

Die Verordnung (EG) 2201/2003 ermöglicht es Ehegatten, zwischen mehreren
möglichen Gerichtsständen zu wählen. Wurden die Gerichte eines Mitgliedstaates mit
einer Ehesache befasst, bestimmt sich das anwendbare Recht nach den innerstaatlichen
Kollisionsnormen dieses Mitgliedstaates, die jedoch ganz unterschiedliche
Anknüpfungspunkte aufweisen.

In den meisten Mitgliedstaaten bestimmt sich das anwendbare Recht nach einer Reihe
von Faktoren, die die größtmögliche Gewähr dafür bieten sollen, dass sich das
Verfahren nach der Rechtsordnung richtet, mit der es den engsten Bezug aufweist.
Andere Mitgliedstaaten wiederum wenden auf Ehesachen systematisch ihr eigenes
Recht („lex fuori“) an.

Ziele des Vorschlags

Der vorliegende Vorschlag soll einen klaren, möglichst umfassenden Rechtsrahmen für
Ehesachen in der Europäischen Union liefern, der in Bezug auf Rechtssicherheit,
Berechenbarkeit, Flexibilität und Zugang zu den Gerichten bedarfsgerechte Lösungen
anbietet.

Derzeit kann es bei Verfahren in Ehesachen mit internationaler Komponente zu
Komplikationen kommen. Der Umstand, dass die innerstaatlichen Rechtsordnungen
sowohl in Bezug auf die materiellrechtlichen Bestimmungen als auch in Bezug auf die
Kollisionsnormen stark voneinander abweichen, schafft Rechtsunsicherheit. Wegen der
großen Unterschiede zwischen den Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten sowie deren
Komplexität können Ehepaare mit internationalem Hintergrund nur schwer
voraussagen, welches Recht für sie in Ehesachen gilt. In den meisten Mitgliedstaaten
haben die Ehegatten bei einer Scheidung nicht die Möglichkeit, selbst zu wählen, nach
welchem Recht sich das Verfahren richten soll. Dies kann dazu führen, dass eine

4 Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die
elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. L 160 vom 30.06.2000, S.
19.

5 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die
elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABl. L 338 vom
23.12.2003, S.1.

Drucksache 16/2784 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Rechtsordnung zur Anwendung kommt, zu der die Ehegatten nur eine lose Verbindung
haben, und dass das Ergebnis den legitimen Erwartungen der Bürger nicht gerecht
wird. Außerdem kann die gegenwärtige Regelung einen „Wettlauf zu den Gerichten“
zwischen den Ehegatten auslösen, wobei jeder versucht, das Gericht als erster
anzurufen, um zu erreichen, dass sich das Verfahren nach einer bestimmten, den
eigenen Interessen zuträglichen Rechtsordnung richtet. Schließlich gewährleisten die
geltenden Vorschriften keinen hinreichenden Zugang zu den Gerichten.

Mit der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Bezug auf die gerichtliche
Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Ehesachen wird Folgendes bezweckt:

x Größere Rechtssicherheit und Berechenbarkeit

Der Vorschlag führt harmonisierte Kollisionsnormen für die Ehescheidung und die
Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ein, damit die Ehegatten bereits im Voraus
wissen, nach welchem Recht sich ein Verfahren in Ehesachen richtet. Vorgeschlagen
wird eine Regelung, deren Hauptanknüpfungspunkt die Gerichtsstandsvereinbarung
der Ehegatten ist. Die Wahl beschränkt sich allerdings auf Rechtsordnungen, zu denen
die Ehe einen engen Bezug aufweist. Damit wird ausgeschlossen, dass die Wahl auf
exotische Rechtsordnungen fällt, zu denen die Ehegatten wenig oder gar keinen Bezug
haben. Bei fehlender Gerichtsstandsvereinbarung bestimmt sich das anwendbare Recht
nach einer Reihe von Anknüpfungspunkten, die die Gewähr dafür bieten, dass sich das
Verfahren nach der Rechtsordnung richtet, zu der es den engsten Bezug aufweist. Für
Ehepaare und Rechtspraktiker bedeutet dies mehr Rechtssicherheit und
Berechenbarkeit.

x Mehr Flexibilität durch Einführung einer begrenzten Parteiautonomie

In Ehesachen ist für das Prinzip der Parteiautonomie derzeit wenig Platz. Die
einzelstaatlichen Kollisionsnormen sehen in der Regel nur eine Lösung für einen
bestimmten Sachverhalt vor, z.B. die Anwendung des Rechts, dessen
Staatsangehörigkeit beiden Ehegatten gemeinsam ist, oder die Anwendung des Recht
des Gerichtsstandes. Der vorliegende Vorschlag sorgt insofern für mehr Flexibilität, als
er den Ehegatten bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit gibt, im Falle einer
Scheidung oder einer rechtlichen Trennung ohne Auflösung des Ehebandes a) das
anwendbare Recht und b) das zuständige Gericht zu bestimmen. Insbesondere bei einer
Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen kann es von Vorteil sein, wenn sich die
Ehegatten diesbezüglich untereinander einigen können. Dabei wird Vorsorge getroffen,
dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind.

x Rechtsweggarantie

Ebenfalls verbessert werden soll bei Verfahren in Ehesachen der Zugang zu den
Gerichten. Die Möglichkeit der Gerichtsstandswahl bei Ehescheidungsverfahren und
Trennungsverfahren ohne Auflösung des Ehebandes („Prorogation“) soll die
Beschreitung des Rechtsweges in den Fällen erleichtern, in denen die Ehegatten nicht
dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. Die Prorogation soll auch dann gelten, wenn das
Paar in einem Drittland lebt. Ferner soll durch den Vorschlag der Zugang zur
Gerichtsbarkeit speziell auch im Falle gemischtstaatlicher Ehen sichergestellt werden,
bei denen die Eheleute in einem Drittland leben. Im Interesse der Rechtssicherheit
enthält der Vorschlag eine einheitliche, erschöpfende Regelung der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/2784

Restzuständigkeiten, um den Rechtsweg in Ehesachen auch denjenigen Ehegatten
offen zu halten, die in einem Drittstaat leben, das Verfahren aber in einem
Mitgliedstaat abwicklen möchten, zu dem sie einen engen Bezug haben.

x Verhinderung eines „Wettlaufs zu den Gerichten“

Schließlich wird auch das Problem des „Wettlaufs zu den Gerichten“ angegangen, bei
dem einer der Ehegatten die Scheidung zuerst einreicht, um sicherzugehen, dass sich
das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die vor allem seine Interessen schützt.
Dies kann dazu führen, dass eine Rechtsordnung zur Anwendung kommt, zu der der
Verfahrensgegner nur einen losen Bezug hat oder die seine Interessen nicht genügend
berücksichtigt. Außerdem werden Versöhnungsbemühungen dadurch erschwert und es
bleibt nur wenig Zeit, um vermittelnd einzugreifen. Durch die Einführung
harmonisierter Kollisionsnormen dürfte die Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerichten“
deutlich geringer werden, da jedes in der Gemeinschaft angerufene Gericht das auf der
Grundlage gemeinsamer Vorschriften bestimmte Recht anwenden würde.

140 x Vereinbarkeit mit den anderen Politikbereichen und Zielen der Union

Der Vorschlag steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die
insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als allgemeine
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt wurden. Er soll vor allem die
uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 47 der Charta verankerten Rechts auf ein
faires Verfahren gewährleisten.

2) ANHÖRUNG INTERESSIERTENR KREISE UND FOLGENABSCHÄTZUNG

x Anhörung interessierter Kreise

211 Die Kommission legte am 14. März 2005 ein Grünbuch zum anwendbaren Recht und
zur gerichtlichen Zuständigkeit in Scheidungssachen vor6. Darin werden die
Unzulänglichkeiten der derzeitigen Lage beschrieben und verschiedene mögliche
Vorgehensweisen aufgezeigt., nämlich Aufrechterhaltung des Status quo,
Harmonisierung der Kollisionsnormen, begrenzte Rechtswahlmöglichkeit durch die
Eheleute, Änderung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 2201/20 des Rates genannten
Anknüpfungspunkte für die gerichtliche Zuständigkeit, Änderung von Artikel 7 der
Verordnung Nr. 2201/20 des Rates betreffend die Restzuständigkeit, begrenzte
Möglichkeit der Gerichtsstandswahl, begrenzte Möglichkeit der Verweisung eines
Falles und letztendlich eine Kombination aus diesen möglichen Lösungen.

Die Kommission erhielt rund 65 Reaktionen auf das Grünbuch7.

In seiner Stellungnahme vom 28. September 2005 zu dem Grünbuch begrüßte der
Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die Initiative der Kommission.

Am 6. Dezember 2005 veranstaltete die Kommission eine öffentliche Anhörung. Eine

6 KOM(2005) 82 endg.

Drucksache 16/2784 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sachverständigensitzung fand am 14. März 2006 in Brüssel statt. Diskussionsgrundlage
bildete ein von den Kommissionsdienststellen verfasstes Arbeitspapier.

212 In den Stellungnahmen ist sich die Mehrheit darin einig, dass für mehr Rechtssicherheit
und Berechenbarkeit gesorgt, bis zu einem gewissen Grad die Parteiautonomie
eingeführt und ein Wettlauf zu den Gerichten verhindert werden muss. Einige Akteure
äußerten die Sorge, die Harmonisierung der Kollisionsnormen könnte dazu führen,
dass die Gerichte ausländisches Recht anwenden müssten, was die Verfahren
zusätzlich in die Länge ziehen und teurer machen könnte.

Die Ergebnisse der Anhörung wurden bei der Ausarbeitung des vorliegenden
Vorschlags berücksichtigt.

x Einholung und Nutzung von Expertenwissen

229 Externes Expertenwissen war nicht erforderlich.

230 x Folgenabschätzung

Die Kommission hat eine Folgenabschätzung vorgenommen, die diesem Vorschlag
beigefügt ist. Dabei wurden folgende Alternativen in Betracht gezogen: (i)
Aufrechterhaltung des Status quo, ii) verstärkte Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedstaaten, (iii) Harmonisierung der Kollisionsnormen verbunden mit einer
begrenzten Wahlfreiheit für Ehepaare in Bezug auf das anwendbare Recht, (iv)
Änderung der Vorschrift der Verordnung (EG) Nr. 2201/20 des Rates über die
allgemeine gerichtliche Zuständigkeit, (v) begrenzte Einführung der Möglichkeit der
Gerichtsstandsvereinbarung und (vi) Änderung der Vorschrift der Verordnung (EG)
Nr. 2201/2003 des Rates über die Restzuständigkeit.

Die Folgenabschätzung zeigt, dass zur Bewältigung der verschiedenen Probleme eine
Kombination aus mehreren Maßnahmen erforderlich ist. Der Bericht favorisiert eine
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates dergestalt, dass die
Kollisionsnormen harmonisiert werden, die Ehegatten bis zu einem gewissen Grad die
Möglichkeit erhalten, das anwendbare Recht und den Gerichtsstand frei zu wählen, und
die Frage der Restzuständigkeit in Artikel 7 neu geregelt wird.

231 Der Bericht mit der Folgenabschätzung ist ist einsehbar unter
http://europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/news_consulting_publ
ic_en.htm.

7 Abrufbar unter
http://europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/news_consulting_public_en.htm.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/2784

3) RECHTLICHE ASPEKTE

x Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag ist Artikel 61 Absatz c EG-Vertrag, der der
Gemeinschaft die Befugnis überträgt, Maßnahmen im Bereich der justiziellen
Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Artikel 65 zu ergreifen.

Artikel 65 überträgt der Gemeinschaft Legislativbefugnisse im Bereich der justiziellen
Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit dies für
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Artikel 65
Buchstabe b erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Maßnahmen, die die
Vereinbarkeit von Kollisionsnormen und Vorschriften über die gerichtliche
Zuständigkeit fördern.

Der Vorschlag betrifft Vorschriften über den Gerichtsstand und das anwendbare Recht,
die nur bei Sachverhalten mit internationaler Komponente zum Tragen kommen, z.B.
wenn die Ehegatten in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaft sind oder nicht
dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. Das Erfordernis des grenzüberschreitenden
Bezugs in Artikel 65 ist somit erfüllt.

Die Gemeinschaftsorgane haben bei der Frage, ob eine Maßnahme für das reibungslose
Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, einen bestimmten
Ermessensspielraum. Der vorliegende Vorschlag erleichtert das ordentliche
Funktionieren des Binnenmarktes durch Beseitigung der Hemmnisse für den freien
Verkehr von Personen, die aufgrund der unterschiedlichen Regelung der Frage des
anwendbaren Rechts und der gerichtlichen Zuständigkeit in Ehesachen in den
Mitgliedstaaten derzeit Problemen ausgesetzt sind.

x Subsidiaritätsprinzip

Die Ziele des vorliegenden Vorschlags lassen sich von den Mitgliedstaaten nicht im
Alleingang verwirklichen, sondern bedürfen einer Aktion auf Gemeinschaftsebene zur
Festlegung gemeinsamer Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und das
anwendbare Recht. Um im Interesse der Bürger Rechtssicherheit zu schaffen und eine
überschaubare Situation herzustellen, müssen überall dieselben Zuständigkeitsregeln
und Kollisionsnormen gelten. Ein einseitiges Vorgehen der Mitgliedstaaten würde
diesem Ziel zuwiderlaufen. In der Frage des in Ehesachen anzuwendenden Rechts gibt
es derzeit keine internationalen Übereinkünfte, die das Verhältnis zwischen
Mitgliedstaaten regeln würden. Die öffentliche Anhörung und die Folgenabschätzung
haben gezeigt, dass die Probleme, die mit diesem Vorschlag angegangen werden
sollen, größeren Umfangs sind und jährlich Tausende von Bürgern betreffen. Aufgrund
der Art und der Tragweite des Problems lassen sich die Ziele daher nur auf Ebene der
Gemeinschaft verwirklichen.

Drucksache 16/2784 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

x Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Der vorliegende Vorschlag ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar,
da er sich auf das für die Erreichung des Ziels unbedingt erforderliche Mindestmaß
beschränkt. Die vorgeschlagene Regelung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts
und des Gerichtsstands gelten für die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung
des Ehebandes, nicht aber für die Ungültigerklärung einer Ehe.

Für die Bürger ist der Vorschlag aller Voraussicht nach mit keinem und für die
Behörden nur mit einem geringen zusätzlichen finanziellen oder bürokratischen
Aufwand verbunden.

x Wahl des Rechtsinstruments

Dem Wesen und den Zielen des Vorschlags nach kommt als Rechtsinstrument nur die
Verordnung in Frage. Das Erfordernis der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit
verlangt nach klaren, einheitlichen Vorschriften. Die vorgeschlagene Regelung zur
Bestimmung des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstands sind so ausführlich und
präzise, dass eine Umsetzung in innerstaatliches Recht überflüssig ist. Die Ziele der
Rechtssicherheit und Berechenbarkeit wären gefährdet, wenn den Mitgliedstaaten bei
der Durchführung dieser Bestimmungen ein Ermessensspielraum bliebe.

4) AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt.

5) ZUSATZINFORMATIONEN

x Vereinfachung

Der Vorschlag führt zu einer Vereinfachung der Verwaltungsverfahren für EU-Bürger
und für mit der Materie befasste Kreise.

Insbesondere die Harmonisierung der Kollisionsnormen würde Privatpersonen und
Rechtskreisen das Leben erleichtern, die dann das anwendbare Recht anhand eines
einzigen Bündels von Vorschriften bestimmen können, das das Kollisionsrecht von
vierundzwanzig Mitgliedstaaten ablösen würde.

Der Vorschlag reiht sich in das fortlaufende Programm der Kommission zur
Aktualisierung und Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts ein.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/2784

x Ausführliche Erläuterung des Vorschlags

Kapitel II - Zuständigkeit

Artikel 3a

Diese Vorschrift gibt Ehegatten bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit, im Falle
einer Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in gegenseitigem
Einvernehmen das zuständige Gericht zu bestimmen (Gerichtsstandsvereinbarung).
Damit wird eine Analogie zu Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003
hergestellt, wonach sich die Parteien unter bestimmten Bedingungen in Verfahren
betreffend die elterliche Verantwortung auf das zuständige Gericht einigen können.

Die größere Parteiautonomie bietet den Ehegatten mehr Rechtssicherheit und macht die
Situation für sie berechenbarer. Nach gegenwärtigem Recht ist es Ehegatten nicht
gestattet, in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit nur einer von beiden
besitzt, die Scheidung zu beantragen, wenn kein weiterer Anknüpfungspunkt gegeben
ist. Die neue Vorschrift wird den Zugang zu den Gerichten für gemischtstaatliche
Ehepaare erleichtern, weil sie künftig die Zuständigkeit eines Gerichts oder der
Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbaren können, dessen Staatsangehörigkeit eine der
beiden Parteien besitzt. Diese Möglichkeit steht Ehegatten, die einem Mitgliedstaat
leben, ebenso offen wie in einem Drittstaat lebenden Ehepaaren. Ehegatten, die sich
auf ein zuständiges Gericht einigen, haben gemäß Artikel 20a überdies auch die
Möglichkeit, das anwendbare Recht zu bestimmen.

Um sicherzustellen, dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst
sind, müssen dabei allerdings bestimmte Formalien eingehalten werden,

Die Möglichkeit der Bestimmung des zuständigen Gerichts gilt nicht für Verfahren zur
Ungültigerklärung einer Ehe. Hier ist eine Parteiautonomie nicht angebracht.

Artikel 4 und 5 werden im Sinne der neuen Vorschrift über die Möglichkeit der
Gerichtsstandsvereinbarung geändert.

Artikel 6 wird gestrichen. Die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass diese Vorschrift
Verwirrung stiften kann. Sie ist außerdem überflüssig, da in den Artikeln 3, 4 und 5
beschrieben wird, unter welchen Umständen ein Gericht die ausschließliche
Zuständigkeit besitzt, nämlich wenn einer der Eheleute seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder Staatsangehöriger eines
Mitgliedstaats ist bzw. im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein "domicile"
im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat.

Artikel 7

Artikel 7 verweist in Fällen, in denen die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort
nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben oder nicht dieselbe
Staatsangehörigkeit besitzen, bis jetzt auf die einzelstaatlichen
Zuständigkeitsvorschriften. Allerdings gehen diese Vorschriften von unterschiedlichen
Anknüpfungspunkten aus und bieten, selbst wenn die Ehegatten einen engen Bezug zu
dem betreffenden Mitgliedstaat aufweisen, nicht immer die Gewähr für einen

Drucksache 16/2784 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wirksamen Zugang zu den Gerichten. Dies kann dazu führen, dass kein Gericht in der
EU oder in einem Drittstaat für die Bearbeitung eines Antrags auf Ehescheidung,
Ehetrennung oder Ungültigkeitserklärung der Ehe zuständig ist. Ferner kann es
praktische Probleme bei der Anerkennung einer Scheidung in einem Mitgliedstaat
geben, da die in einem Drittstaat erlassene Entscheidung nicht gemäß der Verordnung
(EG) Nr. 2201/2003, sondern nur nach den nationalen Bestimmungen oder etwaigen
internationalen Übereinkommen in einem Mitgliedstaat anerkannt wird.

Der Vorschlag enthält eine einheitliche, erschöpfende Regelung der Restzuständigkeit,
die an die Stelle der einzelstaatlichen Regelungen der Restzuständigkeit tritt, um den
Rechtsweg auch denjenigen Ehegatten offen zu halten, die in einem Drittstaat leben,
aber einen engen Bezug zu einem bestimmten Mitgliedstaat aufweisen, dessen
Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie eine Zeit lang ihren gewöhnlichen
Aufenthaltsort hatten. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist identisch mit dem
der Vorschrift über die allgemeine Zuständigkeit in Artikel 3 und gilt für
Ehescheidungen, Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes und
Ungültigkeitserklärungen.

Artikel 12

Artikel 12 wird geändert, um sicherzustellen, dass ein von den Ehegatten gemäß
Artikel 3a gewähltes Scheidungsgericht auch in Fragen der elterlichen Verantwortung,
die mit dem Scheidungsantrag in Verbindung stehen, Zuständigkeit besitzt, wenn die in
Artikel 12 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. die Zuständigkeit muss
insbesondere dem Wohle des Kindes dienen.

Kapitel IIa Anwendbares Recht bei Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung
des Ehebandes

Die Kommission schlägt die Harmonisierung der Kollisionsnormen für
Ehescheidungen und Ehetrennungen vor. Hauptanknüpfungspunkt soll dabei die
Entscheidung der Ehegatten für ein bestimmtes Recht sein. Die Möglichkeit der
Rechtswahl ist beschränkt auf Rechtsordnungen, zu denen die Ehegatten durch ihren
letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, sofern einer von beiden noch dort
aufhältig ist, oder die Staatsangehörigkeit eines der beiden Ehegatten einen engen
Bezug aufweisen, sowie auf das Recht des Staates eines vorangegangenen
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes und auf die lex fori.

In den Stellungnahmen zu dem Grünbuch wurde mehrheitlich die Auffassung
vertreten, die Kollisionsnormen sollten sowohl für die Ehescheidung als auch die
Ehetrennung gelten, da die Ehetrennung in vielen Fällen ein notwendiger Vorläufer der
Scheidung sei. Die Mitgliedstaaten, die die Ehetrennung anerkennen, wenden auf die
Ehescheidung und die Ehetrennung dieselben Kollisionsnormen an. Im Gegensatz dazu
sprachen sich die meisten Befragten gegen eine Ausweitung dieser Regelung auf die
Ungültigerklärung einer Ehe aus, weil bei diesem Sachverhalt ein unmitelbarer Bezug
zur Gültigkeit der Ehe besteht und das maßgebliche Recht in der Regel das Recht am
Ort der Eheschließung (lex loci celebrationis) oder das Heimatrecht der Ehegatten (lex
patriae) ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/2784

Artikel 20a

Die einzelstaatlichen Kollisionsnormen sehen mehrheitlich nur eine Lösung für einen
bestimmten Sachverhalt vor. Der Vorschlag will den Ehegatten mehr Flexibilität
einräumen und ihnen die Möglichkeit der Rechtswahl im Falle einer Ehescheidung
oder Ehetrennung lassen. Die Wahlmöglichkeiten sind auf die Rechtsordnungen
beschränkt, zu denen die Ehegatten einen engen Bezug haben. Die Regelung beinhaltet
zudem einige Formvorschriften, durch die sichergestellt werden soll, dass sich die
Parteien der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind.

Artikel 20b

In Ermangelung einer Rechtswahl bestimmt sich das anwendbare Recht nach einer
Reihe von Anknüpfungspunkten, wobei an erster Stelle der gewöhnliche Aufenthaltsort
der Ehegatten steht. Diese einheitliche Regelung gewährleistet eine größere
Rechtssicherheit und Berechenbarkeit. Durch die Einführung harmonisierter
Kollisionsnormen dürfte die Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerichten“ deutlich
geringer werden, da jedes in der Gemeinschaft angerufene Gericht das auf der
Grundlage gemeinsamer Vorschriften bestimmte Recht anwenden würde.

Da der wichtigste Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthaltsort der Ehegatten
bzw. in Ermangelung eines solchen ihr letzter gemeinsamer Aufenthaltsort ist, sofern
noch eine Partei dort aufhältig ist, dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle das
Recht des angerufenen Gerichts zum Tragen kommen. Die aus der Anwendung
ausländischen Rechts herrührenden Probleme werden daher gering sein.

Artikel 20c

Obwohl nicht explizit im Text der Verordnung erwähnt, soll diese universal anwendbar
sein, d.h. die Kollisionsnormen können auf das Recht eines Mitgliedstaates oder auch
eines Drittlandes verweisen.

Verweisen die Kollisionsnormen auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates, kann das
Europäische Justizielle Netz in Zivil- und Handelssachen den Gerichten dabei helfen,
sich mit dem ausländischen Recht vertraut zu machen.

Artikel 20d

Wäre die Möglichkeit der Rück- oder Weiterverweisung gegeben, wäre damit das Ziel
der Rechtssicherheit wieder in Frage gestellt. Verweisen die einheitlichen
Kollisionsnormen auf eine bestimmte Rechtsordnung, bedeutet dies, dass die
materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Rechts zum Tragen kommen, aber nicht
dessen Rechtsätze zum Internationalen Privatrecht.

Artikel 20e

Die Gerichte können sich mit Hilfe der Ausnahmeregelung der ‚ordre public’ über die
Bestimmungen des ausländischen Rechts, auf das die Kollisionsnormen verweisen,
hinwegsetzen, wenn die Anwendung dieses ausländischen Rechts in einem bestimmten
Fall gegen die öffentliche Ordnung (‚ordre public’) am Ort des angerufenen Gerichts
verstößt. Mit dem Ausdruck ‚offenkundig unvereinbar’ soll klargestellt werden, dass
die öffentliche Ordnung nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden darf.

Drucksache 16/2784 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Besonderer Status des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks

Das Vereinigte Königreich und Irland beteiligen sich nicht an der Zusammenarbeit in
Angelegenheiten gemäß Titel IV des EG-Vertrags, es sei denn, sie teilen gemäß Artikel
3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten
Königreichs und Irlands mit, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser
Verordnung beteiligen möchten.

Dänemark wirkt gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische
Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten
Protokolls über die Position Dänemarks an der Annahme dieser Verordnung nicht mit;
die Verordnung ist daher für diesen Staat nicht verbindlich und ihm gegenüber nicht
anwendbar -

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/2784

2006/0135 (CNS)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in
Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in

diesem Bereich

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf
Artikel 61 Buchstabe c) und Artikel 67 Absatz 1,

auf Vorschlag der Kommission8,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments9,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses10,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts aufzubauen und weiterzuentwickeln, in dem der freie
Personenverkehr gewährleistet ist. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums erlässt die
Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in
Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen
Maßnahmen.

(2) Eine Regelung zum anwendbaren Recht in Ehesachen fehlt derzeit im
Gemeinschaftsrecht. Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.
November 2003 regelt Fragen der Zuständigkeit und der Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die
elterliche Verantwortung, nicht aber die Frage des anwendbaren Rechts.

(3) Auf seiner Tagung am 11. und 12. Dezember 1998 in Wien hatte der Europäische Rat
die Kommission aufgefordert, die Möglichkeit des Erlasses eines Rechtsaktes zum
anwendbaren Recht in Ehesachen zu prüfen. Im November 2004 erging an die
Kommission die Aufforderung, für 2005 ein Grünbuch zu Kollisionsnormen in
Ehesachen vorzulegen.

8 ABl. C […] vom […], S. […].
9 ABl. C […] vom […], S. […].
10 ABl. C […] vom […], S. […].

Drucksache 16/2784 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

(4) In Erfüllung ihres politischen Auftrags legte die Kommission am 14. März 2005 ein
Grünbuch zum anwendbaren Recht und zur gerichtlichen Zuständigkeit in
Scheidungssachen vor. Das Grünbuch leitete eine breit angelegte Anhörung zu
möglichen Lösungen der Probleme ein, die beim jetzigen Sachstand auftreten können.

(5) Die Verordnung soll einen klaren, möglichst umfassenden Rechtsrahmen für
Ehesachen in der Europäischen Union liefern, der in Bezug auf Rechtssicherheit,
Berechenbarkeit, Flexibilität und Zugang zu den Gerichten den Bürgern
bedarfsgerechte Lösungen anbietet.

(6) Für mehr Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sorgt die Verordnung
dadurch, dass sie den Ehegatten die Möglichkeit einräumt, sich im Falle einer
Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes auf die Zuständigkeit
eines Gerichts zu einigen. Die Parteien erhalten überdies eine begrenzte Wahlfreiheit
in Bezug auf die Rechtsordnung, nach der die Ehescheidung oder Ehetrennung
vollzogen werden soll. Diese Möglichkeit besteht nicht, wenn eine für Ehe ungültig
erklärt werden soll, da ein unmittelbarer Zusammenhang mit den
Gültigkeitsvoraussetzungen für diese Ehe besteht. In diesem Fall wäre eine
Parteiautonomie unangebracht.

(7) In Ermangelung einer Rechtswahl führt die Verordnung im Interesse der
Rechtssicherheit und Berechenbarkeit und zur Vermeidung eines Wettlaufs zu den
Gerichten harmonisierte Kollisionsnormen ein, die sich auf bestimmte
Anknüpfungspunkte stützen. Die Anknüpfungspunkte sind so gewählt, dass
sichergestellt ist, dass die Ehescheidungs- oder Ehetrennungsverfahren nach einer
Rechtsordnung erfolgen, zu der die Ehe einen engen Bezug aufweist.

(8) Aus Gründen des öffentlichen Interesses ist die Einführung einer Ausnahmregelung
gerechtfertigt, wonach die Anwendung ausländischen Rechts in einer bestimmten
Sache versagt werden kann, wenn damit offenkundig gegen der öffentlichen Ordnung
am Ort des angerufenen Gerichts verstoßen würde.

(9) Die Vorschrift über die Restzuständigkeit wird geändert, um im Falle
gemischtstaatlicher Ehen, bei denen die Eheleute in einem Drittland leben, den Zugang
zu den Gerichten zu erleichtern und die Situation berechenbarer zu machen. Die
Verordnung führt daher eine harmonisierte Vorschrift zur Restzuständigkeit ein, die es
Ehepaaren unterschiedlicher Staatsangehörigkeit gstattet, ein Gericht in einem
Mitgliedstaat anzurufen, zu dem sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres
letzten gemeinsamen Wohnsitzes einen engen Bezug haben.

(10) Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird geändert, um sicherzustellen,
dass ein von den Ehegatten gemäß Artikel 3a gewähltes Scheidungsgericht auch in
Fragen der elterlichen Verantwortung, die mit dem Scheidungsantrag in Verbindung
stehen, Zuständigkeit besitzt, wenn die in Artikel 12 der Verordnung genannten
Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. die Zuständigkeit vor allem dem Kindeswohl dient.

(11) Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird daher entsprechend geändert.

(12) Da die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme, nämlich größere Rechtssicherheit
und Flexibilität und verbesserter Zugang zu den Gerichten in Ehesachen mit
internationalem Hintergrund, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/2784

verwirklicht werden können und infolge ihrer Tragweite besser auf
Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, darf die Gemeinschaft gemäß dem in Artikel 5
des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Gemäß dem an
gleicher Stelle verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung
nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(13) Die vorliegende Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und
Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt wurden. Sie
dient insbesondere der uneingeschränkten Wahrung des in Artikel 47 der Charta
verankerten Rechts auf ein faires Verfahren.

(14) [Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position
des Vereinigten Königreichs und Irlands haben die genannten Mitgliedstaaten
mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung
beteiligen möchten.]

(15) Dänemark wirkt gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische
Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten
Protokolls über die Position Dänemarks an der Annahme dieser Verordnung nicht mit.
Diese Verordnung ist daher für diesen Mitgliedstaat nicht verbindlich und ihm
gegenüber nicht anwendbar -

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird wie folgt geändert:

(1) Der Titel erhält folgende Fassung:

„Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren
betreffend die elterliche Verantwortung sowie über das anwendbare Recht in
Ehesachen“.

(2) Folgender Artikel 3a wird eingefügt:

“Artikel 3a

Gerichtsstandsvereinbarung bei Ehescheidungen und Trennungen ohne Auflösung

des Ehebandes

1. Ehegatten, die die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des
Ehebandes beantragen möchten, können einvernehmlich festlegen, dass ein
Gericht oder die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates zuständig sind,
sofern ein enger Bezug zu diesem Mitgliedstaat gegeben ist. Dies ist dann der
Fall, wenn

(a) einer der in Artikel 3 genannten Zuständigkeitsgründe zutrifft oder

Drucksache 16/2784 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

(b) dieser Mitgliedstaat der letzte gemeinsame gewöhnliche
Aufenthaltsort der Ehegatten während mindestens drei Jahren war
oder

(c) einer der Ehegatten die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats
besitzt bzw. im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein
bzw. ihr „domicile“ im Hoheitsgebiet dieser Staaten hat.

2. Die Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform und ist von den
Ehegatten spätestens bei Anrufung des Gerichts zu unterzeichnen.

(3) In den Artikeln 4 und 5 wird der Verweis auf „Artikel 3“ durch den Verweis auf die
„Artikel 3 und 3a“ ersetzt.

(4) Artikel 6 wird gestrichen.

(5) Artikel 7 erhält folgende Fassung:

„Artikel 7

Restzuständigkeit

Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat
und fehlt es an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats bzw. im
Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands an einem „domicile“ im Hoheitsgebiet
dieser Staaten, in folgenden Fällen dennoch die Gerichte eines Mitgliedstaates
zuständig:

(a) Die Ehegatten hatten ihren früheren gemeinsamen gewöhnlichen
Aufenthaltsort für mindestens drei Jahren im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats oder oder

(b) einer der Ehegatten besitzt die Staatsangehörigkeit dieses
Mitgliedstaats bzw. hat im Fall des Vereinigten Königreichs und
Irlands sein bzw. ihr „domicile“ im Hoheitsgebiet dieser Staaten.“

(6) In Artikel 12 Absatz 1 wird der Verweis auf „Artikel 3“ durch den Verweis auf die
„Artikel 3 und 3a“ ersetzt.

(7) Es wird folgendes Kapitel IIa eingefügt:

KAPITEL IIa

Anwendbares Recht bei Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes

Artikel 20a

Rechtswahl durch die Parteien

1. Die Ehegatten können bei Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des
Ehebandes einvernehmlich das anwendbare Recht bestimmen. Folgende
Rechtsordnungen kommen hierfür in Frage:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/2784

(a) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren letzten
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von
beiden dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,

(b) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten
besitzen, oder - im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands - in
dem sie ihr gemeinsames "domicile" haben,

(c) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten während mindestens fünf
Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten,

(d) das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Antrag gestellt wird.

2. Eine Rechtswahlvereinbarung bedarf der Schriftform und ist von beiden
Ehegatten spätestens bei Anrufung des Gerichts zu unterzeichnen.

Artikel 20b

Anwendbares Recht in Ermangelung einer Rechtswahl durch die Parteien

In Ermangelung einer Rechtswahl gemäß Artikel 20a richtet sich das
Scheidungsverfahren oder Verfahren zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes
nach dem Recht des Staates,

(a) in dem die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt
haben, oder ersatzweise

(b) in dem die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen
Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder ersatzweise

(c) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen bzw. - im Falle
des Vereinigten Königreichs und Irlands - in dem sie ihr gemeinsames
"domicile" haben, oder ersatzweise

(d) in dem der Antrag gestellt wird.

Artikel 20c

Anwendung ausländischen Rechts

Ist das Recht eines anderen Mitgliedstaates anwendbar, kann sich das Gericht über
das Europäische Justizielle Netz in Zivil- und Handelssachen sachdienliche
Informationen beschaffen.

Artikel 20d

Ausschluß der Rück- und Weiterverweisung

Unter dem nach dieser Verordnung anwendbaren Recht eines Staates sind die
Rechtsnormen dieses Staates unter Ausschluss derjenigen des Internationalen
Privatrechts zu verstehen.

Drucksache 16/2784 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Artikel 20e

Ordre Public

Die Anwendung einer Bestimmung des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts
kann nur bei einem offenkundigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des
Staates des angerufenen Gerichts versagt werden.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der
Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab 1. März 2008.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Rates

Der Präsident

[…]

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