BT-Drucksache 16/252

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/88- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

Vom 14. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/252
16. Wahlperiode 14. 12. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/88 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seiner Entscheidung vom 3. März 2004
(1 BvF 3/92) festgestellt, dass die bisherige Rechtsgrundlage für die präventive
Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt – die
§§ 39 und 41 des Außenwirtschaftsgesetzes – mit Artikel 10 des Grundgesetzes
(GG) unvereinbar ist. Es hat den Gesetzgeber aufgefordert, den verfassungswid-
rigen Zustand unter Nutzung seines Gestaltungsspielraums zu beseitigen.

Dies ist mit dem „Gesetz zur Neuregelung der präventiven Telekommunikations-
und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt und zur Änderung der Investi-
tionszulagengesetze 2005 und 1999“ vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3603)
geschehen. Offen blieb die Frage, ob Regelungen zum Schutz des Kernbereichs
der persönlichen Lebensgestaltung geschaffen werden müssen. Deshalb wurden
die Regelungen bis zum 31. Dezember 2005 befristet.

Mit seiner Entscheidung vom 27. Juli 2005 (1 BvR 668/04) hat das Bundesver-
fassungsgericht die Anforderungen an den Schutz des Kernbereichs der privaten
Lebensgestaltung bei Eingriffen in Artikel 10 des Grundgesetzes (GG) bestimmt.
Zur Umsetzung dieser Anforderungen sollen die erforderlichen Regelungen so-
wohl im Zollfahndungsdienstgesetz als auch in den weiteren Bundesgesetzen,
die als Eingriff in Artikel 10 GG eine Telekommunikationsüberwachung vor-
sehen, parallel geschaffen werden. Den Regelungen präventiven Telekommuni-
kations- und Postüberwachung kommt in der Systematik der Exportkontrolle und
Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eine wichtige
Rolle zu. Die Entstehung einer Regelungslücke sollte deshalb vermieden werden.

B. Lösung
Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung, mit dem die Regelungen
für die präventive Telekommunikations- und Postüberwachung für den Außen-
wirtschaftsbereich durch das Zollkriminalamt um eineinhalb Jahre verlängert
werden.

Drucksache 16/252 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Verlängerung der Regelungen für die präventive Telekommunikations- und
Postüberwachung für den Außenwirtschaftsbereich durch das Zollkriminalamt
um nur ein halbes Jahr oder Verlängerung um ein Jahr mit weiteren Änderungen
des Zollfahndungsdienstgesetzes.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/252

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf – Drucksache 16/88 – mit folgender Maßgabe, im Übrigen
unverändert anzunehmen:

,Artikel 1
Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

wird wie folgt gefasst:

In § 47 des Zollfahndungsdienstgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I
S. 3202), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2004
(BGBl. I S. 3603) geändert worden ist, wird die Angabe „31. Dezember 2005“
durch die Angabe „30. Juni 2007“ ersetzt.‘

Berlin, den 14. Dezember 2005

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

stimmten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und DIE
LINKE., gegen die Ablehnung stimmte die Fraktion

fangreiche Abstimmung mit den Ländern erforderlich, doch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; die Fraktion der FDP enthielt
sich der Stimme.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, dass ihrer Auffassung
nach bereits das geltende Zollfahndungsdienstgesetz verfas-
sungswidrig sei und es nicht hinnehmbar sei, ein verfas-

beantragten die Koalitionsfraktionen eine Verlängerung der
in § 47 des Zollfahndungsdienstgesetzes enthaltenen Befris-
tung nicht um zwei Jahre wie im Gesetzentwurf der Bundes-
regierung gefordert, sondern um eineinhalb Jahre. Diese
Fristverlängerung sei ausreichend, aber auch notwendig, um
die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unter Beteili-
Drucksache 16/252 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Joachim Stünker, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic und
Hans-Christian Ströbele

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/88 in seiner 4. Sitzung am 30. November 2005 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem
Rechtsausschuss und zur Mitberatung dem Innenausschuss
und dem Finanzausschuss überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 2. Sitzung am
14. Dezember 2005 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen der FDP und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu emp-
fehlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussemp-
fehlung anzunehmen. Den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP lehnte der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Den Änderungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnte der Innenaus-
schuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Der Finanzausschuss hat die Vorlage in seiner 3. Sitzung am
14. Dezember 2005 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tion der FDP und bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu
empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 2. Sitzung am
14. Dezember 2005 abschließend beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN beschlossen, den Gesetzentwurf entspre-
chend dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD mit der in der Beschlussempfehlung enthaltenen
Maßgabe anzunehmen. Der Ausschuss hat den Änderungs-
antrag der Fraktion der FDP mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und DIE LINKE., gegen die Stimmen
der Fraktion der FDP bei Enthaltung der Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Ebenfalls ab-
gelehnt hat der Rechtsausschuss den Änderungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die Ablehnung

sungsgerichts, sowohl hinsichtlich repressiver als auch hin-
sichtlich präventiver Überwachungsmaßnahmen. Es stelle
sich die Frage, ob die vom Bundesverfassungsgericht aufge-
stellten Grundsätze für den so genannten großen Lauschan-
griff auch für Maßnahmen nach Artikel 10 des Grundgeset-
zes (GG) gelten. Hierzu sei festzuhalten, dass es um das
Schutzgut des Artikels 1 GG gehe, den Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung, der abwägungsfest sei. Dieses
Schutzgut werde unabhängig von der Art des Eingriffs ge-
schützt. Da somit wegen des gleichen Schutzgutes dieselben
Ausgangsvoraussetzungen bestünden, seien auch die zu er-
greifenden Maßnahmen absolut identisch. Die Vorkehrun-
gen, die für die akustische Wohnraumüberwachung getroffen
werden müssten, seien auch für andere Formen des Eingriffs
anzuwenden. Spätestens mit der Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 zum niedersächsi-
schen Polizeigesetz, in der ebenfalls festgestellt worden sei,
dass hinreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Ein-
griffen in den absolut geschützten Kernbereich privater
Lebensgestaltung erforderlich seien, sei klar, dass das Zoll-
fahndungsdienstgesetz verfassungswidrig sei. Da auch ein
befristeter Verfassungsbruch ein Verfassungsbruch sei, gehe
es nicht an, dieses Gesetz zu verlängern.

Die Fraktion der SPD entgegnete, dass das Gesetz zur Neu-
regelung der präventiven Telekommunikations- und Post-
überwachung durch das Zollkriminalamt und zur Änderung
der Investitionszulagengesetze 2005 und 1999 im Dezember
des Jahres 2004 gründlich geprüft und diskutiert worden sei.
Damals sei erörtert worden, ob die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts zur Wohnraumüberwachung eins zu
eins auf die präventive Telekommunikations- und Postüber-
wachung übertragen werden könne. Das vor einem Jahr ver-
abschiedete Gesetz entspreche den Vorgaben der Verfassung.
Dass in der Zwischenzeit das Bundesverfassungsgericht mit
Urteil vom 27. Juli 2005 die Regelungen des niedersächsi-
schen Polizeigesetzes zur vorbeugenden Telefonüberwa-
chung für nichtig erklärt habe, sage lediglich etwas über eben
dieses Gesetz aus. Das Zollfahndungsdienstgesetz sei in dem
betreffenden Bereich sehr viel detaillierter und präziser aus-
gestaltet als das niedersächsische Polizeigesetz. Ziel sei es,
den gesamten Bereich der Telefonüberwachung insgesamt
und zusammenhängend zu überarbeiten. Diese Überarbei-
tung solle auf der Grundlage nicht nur der Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch des seinerzeit
eingeholten Gutachtens des Max-Planck-Instituts erfolgen.
Zwar würden diese Bereiche von unterschiedlichen Ministe-
rien federführend betreut und seien darüber hinaus auch um-
sungswidriges Gesetz zu verlängern. Zu Abhörmaßnahmen
gebe es inzwischen drei Entscheidungen des Bundesverfas-

gung verschiedener Ressorts der Bundesregierung und der
Länder umzusetzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/252

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN räumte ein,
dass geplant gewesen sei, eine Gesamtlösung für die ver-
schiedenen Bereiche der Telekommunikationsüberwachung
zu schaffen. Sie hielt aber fest, dass dem verfassungsrechtli-
chen Gebot zu wirksamem Überwachungsschutz des priva-
ten Kernbereichs eher entsprochen werde, wenn dies bereits
jetzt bezüglich der Überwachung durch den Zoll umgesetzt
werde. Dies sei auch aus den Urteilen des Bundesverfas-
sungsgerichts und den Beratungen deutlich geworden, die
nach Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung der prä-
ventiven Telekommunikations- und Postüberwachung im
Dezember 2004 geführt wurden. Es spreche zwar einiges da-
für, eine Gesamtlösung anzustreben. Wenn aber ganz große
Lösungen ins Auge gefasst würden, bestehe die Gefahr, dass
gar nichts passiere. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN schlage daher vor, neben einer Verlängerung der
Vorschriften um nur ein Jahr bereits die beiden Urteile des
Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung zu bringen und
den Kernbereich der Privatsphäre – eingeschränkt im Ver-
hältnis zur Wohnraumüberwachung – zu schützen. Weiterhin
solle der Schutz der Berufsgeheimnisträger bereits jetzt wie
bei der Wohnraumüberwachung geregelt werden. Nachfra-
gen hätten ergeben, dass auch bisher keine Notwendigkeit
bestanden habe, im Bereich beispielsweise von Ärzten und
Anwälten Maßnahmen zur präventiven Telekommunika-
tionsüberwachung vorzunehmen. Dies könne daher auch ge-
setzlich nachvollzogen werden. Ein ersatzloses Auslaufen
der Regelungen, wie von der Fraktion DIE LINKE. vorge-
schlagen, sei angesichts der Zielrichtung des Zollfahndungs-
dienstgesetzes, der Verhinderung und der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen, nicht vorstellbar. Die Möglich-
keit, hier präventiv vorzugehen, dürfe den Ermittlungsbehör-
den nicht aus der Hand geschlagen werden. Dass die Bürger
vor schrankenloser Telefonüberwachung geschützt werden
müssten, ergebe sich aus Artikel 1 GG; wie dieser Schutz
ausgestaltet sein müsse, sei abhängig davon, ob eine
Maßnahme den Schutzbereich des Artikels 10 oder des Arti-
kels 13 GG berühre. Diesen Vorgaben werde der folgende
Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gerecht:

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 wird wie folgt gefasst:

Das Zollfahndungsdienstgesetz vom 16. August 2002 (BGBl.
I 3202), geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. Dezem-
ber 2004 (BGBl. I 3603) wird wie folgt geändert :

1. § 23 a Absatz 4 letzter Satz wird gestrichen.

2. In § 23 a werden nach Absatz 4 folgende Absätze 4 a und
4 b eingefügt:

„(4 a) Beschränkungen nach Absatz 1, 3 oder 4 dürfen
nicht angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher
Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwa-
chenden Sendungen oder Telekommunikation sowie zu
dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinan-
der, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äuße-
rungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
zuzurechnen sind, erfasst werden. Sendungen oder Tele-
kommunikation gemäß Absatz 1 aus Betriebs- oder Ge-
schäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich

Straftaten und Äußerungen, mittels derer Straftaten be-
gangen werden.

(4 b) Das Öffnen und Einsehen von Sendungen gemäß
Absatz 1 ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich
während dessen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äuße-
rungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
zuzurechnen sind, erfasst werden. Aufzeichnungen über
solche Äußerungen auch aus Telekommunikationsüber-
wachung sind unverzüglich zu vernichten oder zu lö-
schen. Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht
verwertet werden. Die Tatsache der Erfassung der Daten
und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Ist eine Maß-
nahme nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf sie unter
den in Absatz 4 a genannten Voraussetzungen fortgeführt
werden. Im Zweifel ist über die Unterbrechung oder Fort-
führung der Maßnahme nach Satz 1 unverzüglich eine
Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; § 23 b Abs. 5
gilt entsprechend. Soweit ein Verwertungsverbot nach
diesem Absatz in Betracht kommt, hat die Staatsanwalt-
schaft unverzüglich eine Entscheidung des anordnenden
Gerichts über die Verwertbarkeit der erlangten Erkennt-
nisse herbeizuführen. Soweit das Gericht eine Verwert-
barkeit verneint, ist dies für das weitere Verfahren bin-
dend.“

3. § 23 a Abs. 5 erhält folgende Fassung:

„(5) In den Fällen des § 53 der Strafprozessordnung
sind Beschränkungen nach Absatz 1, 3 oder 4 unzulässig;
ergibt sich während oder nach Durchführung der Be-
schränkung, dass ein Fall des § 53 vorliegt, gilt Absatz 4 b
Satz 2 bis 6 entsprechend. In den Fällen der §§ 52 und 53a
dürfen aus einer Beschränkung nach Absatz 1, 3 oder 4
gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn
dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des zugrunde
liegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis
zu den in Absätzen 1 bis 3 genannten Zwecken steht. Sind
die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten einer
Beteiligung oder einer Begünstigung, Strafvereitelung
oder Hehlerei verdächtig, so sind Satz 1 und 2 nicht anzu-
wenden.“

4. In § 23 b wird nach Absatz 4 folgender Absatz 5 angefügt:

„(5) Das anordnende Gericht ist über die Ergebnisse
der Beschränkungen nach § 23 a Abs. 1, 3 und 4 zu unter-
richten. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht
mehr vor, so hat das Gericht den Abbruch der Maßnahme
anzuordnen, sofern der Abbruch nicht bereits durch die
Staatsanwaltschaft veranlasst wurde. Die Anordnung des
Abbruchs der Maßnahme kann auch durch den Vorsitzen-
den erfolgen.“

5. In § 47 wird die Angabe „2007“ durch die Angabe „2006“
ersetzt.

Begründung:

A. Allgemeines:

1. Mit dem „Siebten Gesetz zur Änderung des Außenwirt-
schaftsgesetzes“ vom 28.2.1992 (BGBl. I, S. 372) wurde das
Zollkriminalamt ermächtigt, zur Verhinderung schwerwie-
gender Kriegswaffen- und Ausfuhrdelikte das Brief-, Post-
privater Lebensgestaltung zuzurechnen. Das Gleiche gilt
für Sendungen oder Telekommunikation über begangene

und Fernmeldegesetz zu beschränken. Die Ermächtigung
war ursprünglich bis zum 31.12.1994 befristet. Sie wurde

Drucksache 16/252 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

danach mehrfach verlängert (zum 31.12.1996, 31.12.1999,
31.12.2002 und 31.12.2004).

Die Regelungen der präventiven Telekommunikations- und
Postüberwachung durch das Zollkriminalamt im Außenwirt-
schaftsgesetz (§§ 39, 41 AWG) sind vom Bundesverfassungs-
gericht mit seiner Entscheidung vom 3.3.2004 für verfas-
sungswidrig erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht
hat zu einer möglichen neuen Regelung angemerkt:

„Der Gesetzgeber wird unter Nutzung seines Gestaltungs-
spielraums zu entscheiden haben, auf welche Weise er den
verfassungswidrigen Zustand beseitigt. Entscheidet er sich
für Überwachungsmaßnahmen zur Straftatenverhütung im
Außenwirtschaftsverkehr auf neuer Rechtsgrundlage, wird
er bei einer Neuregelung außerdem die Grundsätze zu beach-
ten haben, die der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juli 1999
(BVerfGE 100, 313) und vom 3. März 2004 (1 BvR 2378/98
und 1 BvR 1084/99) niedergelegt hat. Zu sichern ist insbe-
sondere ein hinreichender Rechtsschutz für sämtliche Betrof-
fenen gegenüber der Datenerhebung und Weiterverwertung,
aber auch bei der Vernichtung nicht mehr benötigter oder
rechtswidrig erhobener Daten, ferner die Kennzeichnung der
erhobenen Daten bei der Verwendung zu weiteren Zwecken.
Durch die Befristung der Geltungsdauer der §§ 39 bis 41
AWG in § 51 AWG hat der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck
gebracht, dass es sich nicht um eine endgültige Regelung
handelt. Bis zum Ablauf der vorgesehenen Frist am 31. De-
zember 2004 ist die gegenwärtige Rechtslage noch hinnehm-
bar.“

2. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der präventiven Telekom-
munikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminal-
amt vom 21.12.2004 (NTPG, BGBl I, S. 3603) ist der Gesetz-
geber der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts
bisher nicht vollständig nachgekommen. Zwar wurden die
Eingriffsbefugnisse des Zollkriminalamtes im Zollfahn-
dungsdienstgesetz neu und verfassungskonform ausgestaltet,
jedoch sah sich der Bundestag in der Kürze der Zeit nicht in
der Lage, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob und in
welcher Weise die Grundsätze der Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der priva-
ten Lebensgestaltung vom 3.3.2004 (1 BvR 2378/98 und
1 BvR 1084/99) für die präventiven Eingriffsbefugnisse des
Zollkriminalamtes Anwendung finden müssen. Deshalb wur-
den die neuen Regelungen im Zollfahndungsdienstgesetz
wiederum bis zum 31.12.2005 befristet.

3. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom
27.7.2005 (1 BvR 668/04) vorstehende Frage anlässlich der
verfassungsrechtlichen Überprüfung entsprechender Befug-
nissen zur präventiven Überwachung des Fernmeldever-
kehrs im niedersächsischen Polizeigesetz (Nds. SOG) dahin
bejaht, dass dabei „hinreichende Vorkehrungen zur Vermei-
dung von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich
privater Lebensgestaltung“ erforderlich seien : u.a. „Siche-
rungen, dass Kommunikationsinhalte des höchstpersönli-
chen Lebensbereichs nicht verwertet und dass sie unverzüg-
lich gelöscht werden, wenn es ausnahmsweise zu ihrer
Erhebung gekommen ist.“

Solche Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung können bereits jetzt geschaffen werden, oh-
ne die i.ü. gemäß § 47 geltende Befristungsdauer auszu-

scheint. Dies sieht der vorliegende Antrag in Ziffer 1. vor;
flankierend wird in Ziffer 3. die Unterrichtung des anordnen-
den Gerichts von Ergebnissen sowie teilweise Verlauf der
Beschränkungen vorgesehen, um deren vorzeitigen raschen
Abbruch zu ermöglichen, wenn sich währenddessen heraus-
stellt, dass ausschließlich besonders geschützte Kommunika-
tion betroffen ist.

B. Zu den Regelungen im Einzelnen :

Zu 1. (Streichung des § 23a Abs.4 S.3)

Die für Abgeordnetenpost in § 23a Abs.4 S.3 geltende Privi-
legierung ist auf Grund der vorgeschlagenen Neuregelung
des § 23 a Abs.5 obsolet geworden und muss gestrichen wer-
den.

Zu 2. (§ 23 a Abs. 4 a, 4 b)

Entsprechend § 100 c Abs. 4 StPO bei der Wohnraumüber-
wachung soll auch bei der Post- und Fernmeldekontrolle
durch das ZKA der Kernbereich privater Lebensgestaltung in
verfassungsrechtlicher gebotener Weise geschützt werden
(vgl. Urteil des BVerfG vom 27.7.2005, 1 BvR 668/04). An-
ders als bei der Wohnraumüberwachung soll die Post- und
Fernmeldekontrolle erst dann ausgeschlossen sein, wenn po-
sitive Anhaltspunkte vorliegen, dass der genannte Kernbe-
reich betroffen ist. Anders als bei der Gesprächsaufzeich-
nung im Rahmen einer Wohnraumüberwachung wird hier
beim Überwachen und Aufzeichnen von Telekommunikation
durch das ZKA wegen der auf der Hand liegenden techni-
schen Schwierigkeiten kein begleitendes Mithören daraufhin
gefordert, ob das Telefonat o.ä. ausschließlich den geschütz-
ten privaten Kernbereich betrifft. Hingegen soll beim Öffnen
und Einsehen von Brief- und Postsendungen durch das ZKA
eine dahingehende Verlaufskontrolle – da technisch möglich
– stattfinden.

Zu 3. (§ 23 a Abs. 5)

Der Schutz des Vertrauensverhältnisses von berufsbedingt
Zeugnisverweigerungsberechtigten (z.B. Geistlichen, Ärzten,
Rechtsanwälten etc) gegenüber ihren Patienten, Mandanten,
Klienten etc. wird ausgestaltet wie bei der Wohnraumüber-
wachung in § 100 c Abs. 6 und 7 StPO sowie ähnlich wie bei
der Verwertung von Telekommunikations-Verbindungsdaten
in § 100 h Abs. 2 StPO. Ebenso wie bei der Wohnraumüber-
wachung wird auch ein nachträgliches Verwertungsverbot
für diesbezügliche Überwachungserkenntnisse geschaffen,
deren Herkunft aus geschützten Vertrauensverhältnissen erst
nach Durchführung der Überwachung offenbar wird.

Zu 4. (§ 23 b Abs.5)

Das anordnende Gericht ist – entsprechend § 100 d Absatz 4
StPO für die Wohnraumüberwachung – über die Ergebnisse
der Beschränkungen zu unterrichten, um deren vorzeitigen
Abbruch vor Ende der Anordnungsdauer zu ermöglichen.

Zu 5. (§ 47)

Die Geltungsdauer des Gesetzes soll nur um ein Jahr statt um
zwei Jahre befristet verlängert werden.

a) Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen im Bundestag waren sich nämlich schon bei Verab-
schiedung des NTPG am 3.12.2004 einig, dass ein Jahr not-
wendig und aber auch ausreichend sei für die Prüfung, ob
schöpfen, welche zur Prüfung und Umsetzung weiterer
verfassungsrechtlich gebotener Regelungen notwendig er-

der sich aus der Menschenwürde ergebende absolute Schutz
des Kerns der privaten Lebensgestaltung es notwendig

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/252

macht, die neuen Eingriffsbefugnisse des Zollkriminalamtes
im Zollfahndungsgesetz weiter einzuschränken.

So erklärte der Siegfried Kauder, MdB für die CDU/CSU-
Fraktion am 3.12.2004 im Bundestag: „Wir, die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion wollen das eine Jahr, das uns bleibt, nut-
zen, um uns Gedanken über die Verfassungsmäßigkeit des
Gesetzes zu machen.“

Hans-Christian Ströbele, MdB erklärte dort für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen: „Wir haben uns aber nicht darüber
verständigen können, ob – darauf haben Sie bereits hinge-
wiesen – das Parallelurteil des Bundesverfassungsgerichts
zum großen Lauschangriff auch hier einschlägig ist, ob also
der Kernbereich der Lebensführung auch bei solchen Maß-
nahmen gesetzlich geschützt werden muss. Um diese Frage
ausführlich zu diskutieren und zu klären, wollen wir eine
Evaluation und eine Anhörung durchführen. Daher haben
wir dieses Gesetz nochmals befristet. Die Zeit bis zum Ende
dieses Jahres hat einfach nicht ausgereicht, eine wirklich
verfassungsfeste Formulierung zu finden. Die Zeit, eine sol-
che Formulierung zu finden, müssen wir uns im nächsten
Jahr nehmen. Ich bin froh darüber, dass die Befristung kurz
ist. Dadurch stehen wir unter Handlungsdruck.“

Joachim Stünker, MdB erklärte für die SPD-Fraktion: „Mit
der erneut gefundenen Befristung nehmen wir aber auch uns
selber in die Pflicht, hier weiterzuarbeiten und weitere Fein-
arbeit zu leisten, um in diesem sensiblen Bereich der Grund-
gesetzartikel 1 und 2 – Schutz der Persönlichkeitsrechte –
und 10 – Post- und Fernmeldegeheimnis – im Ergebnis sat-
telfeste rechtsstaatliche Lösungen zu finden.“

Für die FDP-Fraktion erklärte Rainer Funke, MdB, dass die
FDP bereit sei mitzuwirken, ein verfassungsrechtlich zwei-
felsfreies Gesetz zu schaffen. Diesbezügliche Änderungsan-
träge zum überarbeiteten Regierungsentwurf stellte die
FDP-Fraktion weder in den Ausschüssen noch in der 2. Le-
sung im Plenum des Bundestages (vgl. BT-Drs. 15/4416, S.
19; Sten. Prot. 15/146 vom 3.12.2004, S. 13673 B -13678 D).

b) Aufgrund der vorgezogenen Wahlen zum Deutschen Bun-
destag am 18. September 2005 war eine umfassende Neu-
regelung der bis zum 31.12.2005 befristeten gesetzlichen
Bestimmungen nicht möglich. Eine weitere befristete Weiter-
geltung der Vorschriften ist erforderlich, weil anderenfalls
eine wichtige Maßnahme zur Exportkontrolle und Verhinde-
rung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht
mehr zur Verfügung stünde.

Die von der Bundesregierung vorgesehene Fortgeltung der
bisherigen Regelungen in §§ 23 a bis f und §§ 45 und 46 des
Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG) durch Verlängerung
der Frist bis zum Jahre 2007 ist aber zu lang und in der Sache
nicht gerechtfertigt. Sie ist auch im Gesetzentwurf der Bun-
desregierung BT-Drs. 16/88 nicht begründet.

Es ist aber möglich, binnen eines Jahres die erforderlichen
Regelungen – soweit sie nun nicht bereits in diesem Antrag
vorgesehen sind – sowohl im Zollfahndungsdienstgesetz als
auch in den weiteren Bundesgesetzen, die als Eingriff in
Art.10 GG eine Telekommunikationsüberwachung vorsehen
oder in sonstiger Weise (heimliche Ermittlungsmethoden al-
ler Art) den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung be-
rühren können, parallel zu schaffen. Da es sich um den

Die Fraktion der FDP hielt fest, dass die missliche Situation
bereits im Jahr 2004 geschaffen wurde, als das Gesetz zur
Neuregelung der präventiven Telekommunikations- und
Postüberwachung befristet wurde. Bereits damals sei Gele-
genheit gewesen, die Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts vom März 2004 auszuwerten und umzusetzen. Nun
gelte es, diese ebenso wie die Vorgaben aus dem Urteil vom
Juli 2004 genau zu prüfen und in einem fundierten und
umfassenden Gesetzgebungsverfahren einen verfassungs-
konformen Zustand herzustellen, der länger trage und das
berücksichtige, was in den Urteilen an Vorgaben für die Tele-
fonüberwachung enthalten sei. Da die Bundesregierung diese
durchaus komplexen Überlegungen sicherlich schon ange-
stellt habe, sei die Fraktion der FDP der Auffassung, dass
eine Verlängerung der Geltungsdauer der Regelungen im
Zollfahndungsdienstgesetz um ein halbes Jahr notwendig,
aber auch ausreichend sei. Nur so werde der erforderliche
Zeitdruck aufrechterhalten, der eine zügige Durchführung ei-
nes ausführlichen Gesetzgebungsverfahrens sicherstelle. Die
Fraktion der FDP stellte daher folgenden Änderungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 wird wie folgt gefaßt:

In § 47 des Zollfahndungsdienstgesetz vom 16. August 2002
(BGBl. I S. 3202), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Geset-
zes vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3603), wird die Anga-
be „31. Dezember 2005“ durch die Angabe „30. Juni 2006“
ersetzt.

Begründung
Der Deutsche Bundestag hat am 3. Dezember 2004 das
Gesetz zur Neuregelung der präventiven Telekommunikati-
ons- und Postüberwachung beschlossen und damit die
Durchführung von Überwachungsmaßnahmen zur Strafta-
tenverhütung im Außenwirtschaftsverkehr neu ausgestaltet.
Die Neuregelung wurde notwendig, weil das Bundesverfas-
sungsgericht mit Beschluß vom 3. März 2004 (1 BvF 3/92)
über die Befugnisse des Zollkriminalamtes, Sendungen, die
dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen, zur
Verhütung von Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz
(AWG) oder dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu öffnen und
einzusehen sowie die Telekommunikation zu überwachen und
aufzuzeichnen, entschieden hat. Nach Auffassung des Ge-
richts sind die §§ 39, 40 und 41 AWG mit Art. 10 GG unver-
einbar. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber
aufgefordert, die Mängel, insbesondere hinsichtlich der Be-
stimmtheit der Vorschriften, zu beseitigen. Das Gericht hat
dem Gesetzgeber dafür eine Frist gesetzt bis zum 31. Dezem-
ber 2004.

Der Deutsche Bundestag hat die Regelungen im Zollfahn-
dungsdienstgesetz zur Durchführung von Überwachungs-
maßnahmen befristet bis zum 31. Dezember 2005. Der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung sieht eine Verlängerung
der Reglungen für die präventive Telekommunikations- und
Postüberwachung für den Außenwirtschaftsbereich durch
das Zollkriminalamt um weitere zwei Jahre vor. Das Bundes-
verfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 3. März 2004
deutlich darauf hingewiesen, daß bei der Neuregelung der
§§ 39-41 AWG die Grundsätze zu beachten sind, die der
Senat in seinem Urteil zur akustischen Wohnraumüber-
Schutz der Grundrechte in ihrem Kernbereich handelt, ist
Eile geboten.

wachung (1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99) niedergelegt
hat. Damit sind insbesondere die Grundsätze zur Beachtung

Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitender unantastbarer Kernbereich
privater Lebensgestaltung zu beachten ist. Ausgehend von
der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach im Fal-
le der Neuregelung der präventiven Telekommunikations-
überwachung im AWG auch die Grundsätze zu beachten
sind, die der Senat in seinen Urteilen zum Gesetz zu Artikel
10- Grundgesetz (BvR 2226/94) und zu Art. 13 GG niederge-
legt hat, wurde der Gesetzgeber verpflichtet, diese verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben auch im Bereich der präventiven
polizeilichen Telekommunikationsüberwachung, die Gegen-
stand des Zollfahndungsdienstgesetzes ist, zu beachten. Am
27. Juli 2005 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelun-
gen des Niedersächsischen Polizeigesetzes zur vorbeugen-
den Telefonüberwachung für nichtig erklärt (1 BvR 668/04).
Auch hier hat das Bundesverfassungsgericht erneut auf die
Erforderlichkeit von Vorkehrungen zur Vermeidung von Ein-
griffen in den absolut geschützten Kernbereich privater
Lebensgestaltung hingewiesen. Das Gericht hat für die Tele-
kommunikationsüberwachung verlangt, daß aufgrund des
Risikos, daß die Abhörmaßnahme Kommunikation aus dem
Kernbereich privater Lebensgestaltung erfaßt, sie allenfalls
bei einem besonders hohen Rang des gefährdeten Rechtsguts
und einer hohen Intensität der Gefährdung hinzunehmen ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem ausreichende
Sicherungen verlangt, damit Kommunikationsinhalte des
höchstpersönlichen Bereichs nicht verwertet und sie unver-
züglich gelöscht werden, wenn es ausnahmsweise zu ihrer
Erhebung gekommen ist. Das Zollfahndungsdienstgesetz be-
rücksichtigt diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
nicht. Das Absehen von jeglicher kernbereichsschützender
Regelung in dem Gesetz ist mit einem hohen verfassungs-
rechtlichen Risiko verbunden. Bei den im Zollfahndungs-
dienstgesetz enthaltenen Eingriffsbefugnissen handelt es sich
um präventive Maßnahmen, bei denen es an einem abge-
schlossenen oder in Verwirklichung begriffenen strafbaren
Handeln fehlt. Es besteht daher ein erhebliches Risiko, daß
die Überwachungsmaßnahmen an ein Verhalten anknüpfen,
das sich im Nachhinein als strafrechtlich irrelevant erweist.
Daher müssen die gesetzlichen Ermächtigungsvorschriften
rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich einwandfrei ausge-
staltet sein. Eine Verlängerung des Gesetzes um zwei Jahre
bis zum 31. Dezember 2007 ist daher unvertretbar und ihr
kann nicht zugestimmt werden. Schnellstmöglich müssen die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden.
Deshalb kann angesichts der Zielrichtung des Zollfahn-
dungsdienstgesetzes gegen die Herstellung von Massenver-
nichtungswaffen und von konventioneller Rüstung nur eine
Verlängerung bis zum 30. Juni 2006 in Betracht kommen. Die
Zeit reicht aus, das Gesetzgebungsverfahren, das die Vorga-

Die Fraktion der CDU/CSU bekräftigte, dass sich die Arti-
kel 10 und 13 des Grundgesetzes hinsichtlich der Qualität des
Schutzes erheblich voneinander unterscheiden. Artikel 10
Grundgesetz weise lediglich einen einfachen Gesetzesvorbe-
halt auf, während ein Eingriff in Artikel 13 Grundgesetz ei-
nem qualifizierten Gesetzesvorbehalt unterliege. Der Grund-
rechtsgesetzgeber habe zwischen dem Hineinlauschen in
eine Wohnung und dem Abhören eines Telefonates eindeutig
unterschieden. Auch das Bundesverfassungsgericht habe
sich in seinen beiden zeitgleichen Entscheidungen zum
„Großen Lauschangriff“ und zum Zollfahndungsdienstge-
setz nicht wechselseitig auf das jeweils andere Urteil bezo-
gen. Vielmehr seien beide Maßnahmen gesondert und quali-
fiziert betrachtet worden. Gegen die Vorstellung der Fraktion
DIE LINKE., die Regelungen zur präventiven Telekommu-
nikations- und Postüberwachung im Zollfahndungsdienstge-
setz einfach auslaufen zu lassen, spreche auch eine Betrach-
tung vom Ergebnis her. Denn wenn es diese Rechtsgrundlage
für derartige präventive Maßnahmen nicht mehr gäbe, könn-
ten die Maßnahmen der Telefonüberwachung unter dem Ge-
sichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB
durchgeführt werden. Im Ergebnis wären dann ähnliche Ein-
griffe möglich. Ziel der Fraktion der CDU/CSU werde es
sein, den im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vor-
gesehenen Zeitraum von eineinhalb Jahren möglichst nicht
auszuschöpfen, sondern bereits vorher zu einer gründlich
erörterten und umfassend angelegten neuen Regelung zu
kommen.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Die vom Ausschuss empfohlene Änderung des Gesetzent-
wurfs wird wie folgt begründet:

Nunmehr wird eine Fristverlängerung von 18 Monaten als
ausreichend aber auch als notwendig erachtet, um die Vorga-
ben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Von den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene
gesetzliche Regelungen und dadurch auch verschiedene Res-
sorts der Bundesregierung betroffen. Bezüglich des Zoll-
fahndungsdienstgesetzes ist federführend das Bundesminis-
terium der Finanzen, für das G10-Gesetz ist federführend das
Bundesministerium des Innern und die Regelungen betref-
fend das Strafverfahren liegen im Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums der Justiz. Aufgrund der weitreichen-
den Folgen sind neue gesetzliche Regelungen auch eng mit
den Ländern abzustimmen. Für die Abstimmung zwischen
den beteiligten Ressorts der Bundesregierung sowie für die
parlamentarische Beratung wird ein Zeitraum von 18 Mona-
ten als notwendig angesehen.

Berlin, den 14. Dezember 2005

Siegfried Kauder
(Villingen-
Schwenningen)

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter
Drucksache 16/252 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Menschenwürde und zum Kernbereich privater Lebens-
gestaltung gemeint. Ausgangspunkt der Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichts ist die von ihm in ständiger
Rechtsprechung getroffene Feststellung, daß bei jeder staat-
lichen Beobachtung ein aus der Menschenwürdegarantie des

ben des Bundesverfassungsgerichts sowohl aus dem Be-
schluss vom 3. März 2004 als auch aus dem Urteil vom
27. Juli 2005 umfänglich berücksichtigt und geeignete Vor-
kehrungen zum Schutz des unantastbaren Bereichs privater
Lebensgestaltung trifft, abzuschließen.
Berichterstatter

Beschlussempfehlung und Bericht

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