BT-Drucksache 16/1646

Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr im europäischen Binnenmarkt

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1646
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Otto Bernhardt, Eduard Oswald, Leo
Dautzenberg, Georg Fahrenschon, Klaus-Peter Flosbach, Olav Gutting, Manfred
Kolbe, Hartmut Koschyk, Patricia Lips, Hans Michelbach, Dr. Norbert Röttgen,
Peter Rzepka, Norbert Schindler, Christian Freiherr von Stetten, Antje Tillmann,
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Nina Hauer, Ingrid Arndt-Brauer, Lothar Binding
(Heidelberg), Gabriele Frechen, Petra Hinz (Essen), Dr. Hans-Ulrich Krüger, Ute
Kumpf, Joachim Poß, Florian Pronold, Ortwin Runde, Bernd Scheelen,
Olaf Scholz, Reinhard Schultz (Everswinkel), Jörg-Otto Spiller, Simone Violka,
Lydia Westrich, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr im europäischen Binnenmarkt

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt und unterstützt die Bestrebungen der EU-
Kommission, einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr im
europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Im Fokus müssen dabei wettbewerbs-
orientierte und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen stehen. Nicht nur
für die Wirtschaft, sondern insbesondere auch für die Privatkunden ist eine
unkomplizierte und kostensparende Handhabung aller Systeme des grenz-
überschreitenden Zahlungsverkehrs wichtige Voraussetzung für die Nutzung
aller Angebote, die der europäische Binnenmarkt bietet.

Es ist ein Rechtsrahmen erforderlich, der effiziente, sichere und kundenge-
rechte Zahlungsverfahren für den Zahlungsverkehr im gesamten Binnen-
markt unterstützt.

Den Rechtsetzungsakten der EU für den Zahlungsverkehr muss allerdings
ein subsidiärer Charakter zukommen. Die Schaffung eines effektiven Bin-
nenmarktes für den Zahlungsverkehr in der Europäischen Union sollte in
erster Linie auf marktgestützten Anforderungen basieren. Rechtsakte der EU
für den Zahlungsverkehr sollten sich darauf beschränken, Rechtssicherheit
für die neuen Infrastrukturen der Marktteilnehmer zu garantieren und nur
dort zum Tragen kommen, wo Maßnahmen der Selbstregulierung infolge

der rechtlichen Komplexität etwa im grenzüberschreitenden Lastschriftver-
kehr, nicht greifen und wegen der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten eine
EU-Regulierung zur Rechtsvereinheitlichung erforderlich ist. Darüber hin-
aus gehört es, wie in Maastricht vereinbart, zu den Aufgaben des europäi-
schen Systems der Zentralbanken, das reibungslose Funktionieren der Zah-
lungssysteme zu fördern.

Drucksache 16/1646 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auf der operativen Ebene soll der Banken- und Finanzdienstleistungssektor
– über den European Payments Council (EPC) als Koordinationsstruktur der
europäischen Kreditwirtschaft – seine bereits weit gediehenen Aktivitäten
fortsetzen, europäische Standards, Formate und Infrastrukturen für alle
grenzüberschreitenden Zahlungssysteme im Binnenmarkt (Überweisung,
Karte, Lastschrift) auszuarbeiten und hierfür bindende Vereinbarungen für
alle in die Zahlungskette eingeschalteten Zahlungsdienstleister zu schaffen.

Beispielhaft dafür ist das Vorhaben, ein neues europäisches Lastschriftver-
fahren zu entwickeln. Es könnte dieser Zielsetzung u. a. dadurch Rechnung
tragen, dass es den Widerspruch des Zahlungspflichtigen gegen eine Last-
schrift grundsätzlich in demselben Umfang zulässt, wie dies gegenwärtig im
deutschen Einzugsermächtigungsverfahren der Fall ist. Unserer Auffassung
nach ist es hierbei besonders wichtig, dass der europäische Verbraucher vor
missbräuchlichen Lastschriften wirksam und hinreichend geschützt wird.

Auch auf dem Gebiet der Überweisung hat die Zusammenarbeit der europä-
ischen Kreditwirtschaft im European Payments Council bereits Früchte ge-
tragen. So ist beispielsweise durch die sog. Credeuro-Konvention zum
Nutzen von Unternehmen und Verbrauchern sichergestellt, dass in der EU
Überweisungen die Bank des Empfängers innerhalb von 3 Tagen erreichen
müssen.

II. Der am 1. Dezember 2005 vorgelegte Richtlinienvorschlag über Zahlungs-
dienste im Binnenmarkt entspricht in wesentlichen Regelungsbereichen
nicht den Vorstellungen des Deutschen Bundestages.

Es ist zwar zu begrüßen, dass die Europäische Kommission entgegen ihrer
ursprünglichen Ankündigung darauf verzichtet hat, in ihrem Vorschlag tech-
nische Regelungen zu europäischen Standards und Formaten zu schaffen.
Damit akzeptiert die EU-Kommission, dass diese Arbeit auch weiterhin von
den Zahlungsdienstleistern selbst, d. h. in eigener Verantwortung und zuge-
schnitten auf die jeweiligen Bedürfnisse des Marktes, erledigt werden muss.

Aber in den übrigen Regelungsbereichen muss der Vorschlag dem Gedanken
der Subsidiarität stärker Rechnung tragen. Der Regelungsumfang sollte en-
ger gefasst werden. Die Vorgaben für die Erbringung und Nutzung von Zah-
lungsdiensten könnten auf unnötige Details verzichten; sie gehen vielfach
über die Regelung des zwingend Notwendigen hinaus und treffen für dieje-
nigen Zahlungssysteme wie etwa die Standardüberweisung Regelungen, die
auch ohne staatliche Vorgaben bereits jetzt funktionieren und in Zukunft
ohne großen Regulierungsaufwand in ganz Europa angewendet werden kön-
nen.

Bewährte nationale Zahlungssysteme stellen kein Hemmnis für einen effizi-
enten grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr dar. Etwa 99 Prozent aller
Zahlungen in den Mitgliedstaaten haben aktuell keinen grenzüberschreiten-
den Charakter. Auch in Zukunft ist davon auszugehen, dass der Kunde
grenzüberschreitende Zahlungsdienstleistungen seltener nutzen wird als An-
gebote für Inlandszahlungen. Verfahren für rein nationale Zahlungsvor-
gänge, die sich grundsätzlich bewährt haben und kostengünstig angeboten
werden, müssen deshalb erhalten bleiben können.

Außerdem ist eine Gemeinschaftskompetenz der EU zur Regelung rein in-
nerstaatlicher Zahlungsvorgänge noch nicht vollständig geklärt. Ob natio-
nale Zahlungssysteme in grenzüberschreitenden Zahlungssystemen mittel-
fristig aufgehen, sollte nicht durch Rechtsetzungsakte der EU vorgegeben
werden. Die Etablierung des neuen Rechtsrahmens für den europäischen
Zahlungsverkehr sollte nicht zu mehr Kosten für die Kunden führen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1646

Darüber hinaus würde der Vorschlag bei der neu zu schaffenden Instituts-
gruppe der Zahlungsdienstleister im Aufsichtsregime zu Privilegierungen
gegenüber im Zahlungsverkehr seit langem tätigen Kreditinstituten führen,
die sich aufgrund einer deckungsgleichen Risikosituation (Liquiditätsrisi-
ken, operationelle Risiken) kaum rechtfertigen lassen. Ebenfalls hält der
Deutsche Bundestag eine präzisere Abgrenzung der Tätigkeit von Zahlungs-
dienstleistern von Aktivitäten der Kreditinstitute für notwendig, die nach
den Bankenrichtlinien nur Kreditinstituten vorbehalten sind (Einlagen-, Kre-
dit-, Garantiegeschäft). Eine vereinfachte Aufsicht für Unternehmen, die das
Finanztransfergeschäft durchführen (Remittance Services) und Unterneh-
men, die Kreditkarten emittieren oder das Lastschriftverfahren anbieten,
sollte es deshalb im Interesse des Schutzes der Stabilität von Zahlungssyste-
men für die Wirtschaft und des Vertrauens der Bürger in verlässliche Sys-
teme für den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht geben.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in den kommenden Ratsverhandlungen die oben dargestellten Überle-
gungen als Richtschnur aufzugreifen und sich dabei von folgenden
Grundsätzen leiten zu lassen:

● Rechtsetzungsakte der EU im Zahlungsverkehr müssen subsidiär
sein und sich primär auf die diskriminierungsfreie Gewährleistung
des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs beschränken;

● der neue Rechtsrahmen soll die Grenzen des EU-Rechtsraumes be-
rücksichtigen und bewährte innerstaatliche Zahlungsvorgänge nicht
beeinträchtigen;

● der Wettbewerb zwischen Anbietern von Zahlungsdienstleistungen
soll dem Prinzip „gleiche Risiken, gleiche Vorschriften“ folgen. Es
darf kein Aufsichtsgefälle zwischen Kreditinstituten und Zahlungs-
dienstleistern entstehen;

● grundsätzlich sollte sich die weitere Regulierung auf die Harmoni-
sierung des unbaren Zahlungsverkehrs konzentrieren und gegenüber
der Verwendung von Bargeld den Grundsatz der Neutralität des Zah-
lungsmittels wahren;

2. den Finanzausschuss über neue Entwicklungen in den Ratsverhandlun-
gen auf dem Laufenden zu halten.

Berlin, den 31. Mai 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.