BT-Drucksache 16/14128

Rechtliche Auseinandersetzungen zum Ausschluss von Grundsicherungsbeziehenden bei der Abwrackprämie

Vom 9. Oktober 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14128
16. Wahlperiode 09. 10. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Klaus Ernst, Dr. Dietmar
Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz
Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katja Kipping, Michael Leutert, Dorothee Menzner,
Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtliche Auseinandersetzungen zum Ausschluss von
Grundsicherungsbeziehenden bei der Abwrackprämie

Bei der Umsetzung der mittlerweile ausgelaufenen Abwrackprämie – offiziell
Umweltprämie – hat die Bundesregierung durch ihre Rechtsauffassung Bezie-
hende von Grundsicherungsleistungen – insbesondere Hartz-IV-Berechtigte –
faktisch ausgeschlossen. Die Bundesregierung hat die Auffassung vertreten,
dass die Abwrackprämie als Einkommen bei der Bedarfsermittlung der Hilfe-
berechtigten anzurechnen sei (u. a. Bundestagsdrucksache 16/11845, S. 38).

In der Rechtsprechung hat nun das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG)
dieser Rechtsauffassung widersprochen (Beschluss L 2 AS 315/09 B ER). Die
Abwrackprämie sei laut der maßgeblichen Richtlinie eine „zweckbestimmte
Einnahme“, deren Zweck in der Förderung der Verschrottung alter und dem
Absatz neuer Personenwagen liege. Diese Zweckbestimmung kann aber – so
das LSG – „nur erreicht werden, wenn diese den Zuwendungsbetrag nicht vor-
rangig vor den ansonsten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch gewährten
Leistungen für die Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen müssen. Denn
dann würde der Prämienbetrag wirtschaftlich dem Träger der Grundsicherungs-
leistungen zugute kommen und nicht den Hilfedürftigen“. Für einen gewollten
Ausschluss von Grundsicherungsbeziehenden gebe es in der Richtlinie keinen
Hinweis. Daher „erstreckt sich die erkennbare Zweckbestimmung auch auf
diesen Personenkreis“. Das LSG widerspricht auch dem Argument, dass die
wirtschaftliche Lage unverhältnismäßig begünstigt würde. Dem sei entgegen-
zuhalten, dass die staatliche Prämie wirtschaftlich betrachtet in die Bezahlung
eingehe, ohne für andere Zwecke zur Verfügung zu stehen. Schließlich sei im
konkreten Fall auch keine Verwertung des Vermögens zuzumuten, da der Wert
des PKW unterhalb der Angemessenheitsgrenze von 7 500 Euro liege. Das
Landessozialgericht kommt demnach mit überzeugenden Argumenten zu der
Einsicht, dass die Abwrackprämie nicht als Einkommen angerechnet werden
darf.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In wie vielen Fällen haben Träger der Grundsicherung eine erhaltene Ab-
wrackprämie als Einkommen der Hilfeberechtigten angerechnet?

2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Anzahl der Hilfeberechtigten, die
auf Grund der in den Medien berichteten Rechtsauffassung der Bundesregie-
rung auf den Erwerb eines Neu- oder Jahreswagens mit Förderung durch die
Abwrackprämie verzichtet haben?

Drucksache 16/14128 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Wie viele Widerspruchsverfahren und Klagen vor den Sozialgerichten gab
es insgesamt zu dem Komplex Anrechnung der Abwrackprämie auf Grund-
sicherungsleistungen, und wie viele Verfahren sind derzeit noch offen?

4. Welche Urteile mit welchem Inhalt sind der Bundesregierung zu diesem
Sachverhalt bekannt?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, die überzeugende Argumentation des
Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt zu übernehmen und klarzustellen,
dass die Abwrackprämie nicht als Einkommen angerechnet werden darf,
und wenn nein, warum nicht?

6. Wie hoch wären die zusätzlichen öffentlichen Ausgaben, wenn in allen lau-
fenden Verfahren die Nichtanrechenbarkeit der Abwrackprämie anerkannt
würde?

Berlin, den 9. Oktober 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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