BT-Drucksache 16/14019

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/13925, 16/13986, 16/13995- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundsregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union

Vom 8. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14019
16. Wahlperiode 08. 09. 2009

Änderungsantrag
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Dr. Thea Dückert, Jürgen Trittin, Renate
Künast, Fritz Kuhn, Jerzy Montag, Manuel Sarrazin, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth
(Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 16/13925, 16/13986, 16/13995 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit
von Bundsregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 Nummer 3 wird wie folgt geändert:

1. § 3 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a) Satz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 3 werden nach dem Wort „Union“ folgende Wörter ange-
fügt:

„sowie Vorschläge, Initiativen und Empfehlungen für sonstige ver-
bindliche Rechtsakte des Europäischen Rates, des Rates, der Kommis-
sion und der EZB“.

bb) In Nummer 4 werden die Wörter „für die Europäische Kommission“
gestrichen.

cc) Am Ende des Satzes 1 werden der Punkt durch ein Komma ersetzt und
folgende Nummer 15 angefügt:

„15. Vorschläge und Initiativen für Beschlüsse im Rahmen der Ge-
meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik einschließlich der Vor-
schläge und Initiativen für Schritte zur Festlegung einer Euro-
päischen Verteidigungspolitik nach Artikel 42 Absatz 2 Unterab-
satz 1 Satz 1 des Vertrages über die Europäische Union.“

b) Satz 2 wird gestrichen.

2. In § 4 Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

„Dies schließt Vorhaben im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicher-
heitspolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
ein.“

Drucksache 16/14019 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Der bisherige § 8 wird gestrichen.

4. Der § 9 wird zu § 8, § 10 wird zu § 9, § 11 wird zu § 10 und § 12 wird zu § 11.

Berlin, den 8. September 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

A. Allgemeines

Der Entwurf grenzt bisher die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
(GASP) und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) aus
dem Vorhabenbegriff aus und sieht stattdessen in diesen Bereichen nur be-
schränkte Informationsrechte des Parlamentes vor (§ 8). Diese Regelung ist
nicht sachgerecht. Mit ihr würde sich die Lage gegenüber dem Rechtszustand
unter Geltung der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bundestag und der
Bundesregierung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäi-
schen Union (BBV) sogar punktuell verschlechtern.

Dem Vorhabensbegriff kommt nach der Systematik des Gesetzes eine zentrale
Steuerungsfunktion zu. Nicht nur die Unterrichtungspflichten (§ 4: Begriff des
„Vorhabens“ in Absatz 1 und 3), die Übersendung von Dokumenten und Be-
richtspflichten (§ 5: Verweis auf § 4), die förmliche Zuleitung (§ 6: Begriff des
Vorhabens in Absatz 1), die Zuleitung von Berichtsbögen und umfassender Be-
wertung (§ 7: Begriff des Vorhabens in Absatz 1), sondern sogar die Pflicht der
Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben (§ 9: Begriff des Vorhabens in Absatz 1), hängen davon ab, dass ein Vor-
haben vorliegt. Eine Ausgrenzung der genannten Bereiche aus dem Vorhabens-
begriff beschränkt also die Parlamentsrechte nominell sehr schwerwiegend,
auch wenn aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die einfach-
gesetzliche Regelung die verfassungsrechtliche Rechtsposition des Deutschen
Bundestages aus Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) nicht beschränkt.

Dieser schwerwiegende Eingriff könnte politisch nur dann gerechtfertigt sein,
wenn es in den genannten Bereichen tatsächlich ganz erhebliche Besonderheiten
gäbe, die es ausschlössen, dass das Parlament hier über klar bestimmte Angele-
genheiten umfassend und frühzeitig informiert werden muss. Solche Besonder-
heiten gibt es nicht. Zwar ist der Bundesregierung zuzugeben, dass sie im Be-
reich der Außenpolitik nach dem Grundgesetz eine starke Rolle hat. Sie ist je-
doch auch schon im Allgemeinen in der Außenpolitik nicht autonom, sondern
der Kontrolle des Parlamentes unterworfen. Überdies bedarf ihr Handeln nach
dem Grundgesetz dann der parlamentarischen Zustimmung, wenn es um den
Abschluss politischer Verträge oder um Verträge auf dem Gebiet der Bundes-
gesetzgebung geht (vgl. Artikel 59 Absatz 2 GG). Mithin lässt sich vereinfacht
sagen, dass nach dem Grundgesetz immer dann, wenn im Außenverhältnis we-
sentliche rechtliche Bindungen begründet werden, eine Mitwirkung des Parla-
mentes erforderlich ist. Dies schließt es aus, den Vorhabensbegriff so zu fassen,
dass noch nicht einmal Beschlüsse aus den genannten Bereichen hierunter fal-
len, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Solche Beschlüsse gibt es aber
in diesen Bereichen durchaus. So bestimmt Artikel 28 Absatz 2 des Vertrages
über die Europäische Union (EUV) für Beschlüsse über operative Maßnahmen,
dass diese „für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorge-
hen binden sind“. Es ist daher nicht akzeptabel, diese Beschlüsse aus dem Infor-
mationsregime des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14019

und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union
(EuZBBG) auszunehmen. Gleiches gilt für Übereinkommen, welche die Euro-
päische Union z. B. in diesem Bereich schließt. Hier wäre nach Artikel 59 Ab-
satz 2 GG die Mitwirkung des Deutschen Bundestages erforderlich, wenn das
Abkommen allein von der Bundesrepublik Deutschland geschlossen würde.
Dies macht zumindest eine umfassende Information des Deutschen Bundestages
erforderlich, wenn derartige Abkommen von der Europäischen Union geschlos-
sen werden. Dies gilt für Abkommen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik sogar in ganz besonderer Weise, da hier auch eine Mitwirkung
des Europäischen Parlaments beim Abschluss der Abkommen nicht vorgesehen
ist (vgl. Artikel 218 Absatz 6 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäi-
schen Union – AEUV). Dieses demokratische Defizit erfordert es, zumindest
den Deutschen Bundestag frühzeitig zu informieren, damit dieser ggf. durch
eine Stellungnahme Einfluss nehmen kann.

Besonders hervorzuheben ist, dass die allgemeinen Informationspflichten des
EUZBBG auch für Schritte zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gelten
müssen. Die Anhörung hat aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
insoweit zwar ergeben, dass das Bundesverfassungsgericht hinreichend klarge-
stellt hat, dass die Bundeswehr auch im Rahmen der europäischen Zusammen-
arbeit Parlamentsarmee bleibt. Grundsätzlich jeder Einsatz der Bundeswehr be-
darf der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages. Hingewiesen
sei auf folgende Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes:

„Der konstitutive Parlamentsvorbehalt für den Auslandseinsatz der Streitkräfte
besteht auch nach einem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fort. Der Ver-
trag von Lissabon überträgt der Europäischen Union keine Zuständigkeit, auf
die Streitkräfte der Mitgliedstaaten ohne Zustimmung des jeweils betroffenen
Mitgliedstaates oder seines Parlaments zurückzugreifen.“ (Absatz-Nr. 381)

„Ohne parlamentarische Zustimmung ist ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte
unter dem Grundgesetz grundsätzlich nicht zulässig; nur ausnahmsweise ist die
Bundesregierung – bei Gefahr im Verzug – berechtigt, vorläufig den Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zu beschließen, damit die Wehr- und Bündnisfähigkeit der
Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentsvorbehalt nicht in Frage ge-
stellt werden.“ (Absatz-Nr. 383)

Zusätzlich hat das Bundesverfassungsgericht sichergestellt, dass eine Europäi-
sche Verteidigungspolitik nach Artikel 42 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 2 des
Vertrages über die Europäische Union nur nach entsprechenden Entscheidungen
der deutschen Gesetzgebungsorgane beschlossen werden kann. Diese Forderung
des Bundesverfassungsgerichtes ist durch § 3 Absatz 3 des Integrationsverant-
wortungsgesetzes (IntVG) Rechnung getragen (Bundestagsdrucksache 16/
13923).

Die antragstellende Fraktion hat dabei darauf wertgelegt, in der Anhörung inten-
siv zu überprüfen, ob auch schon die Schritte auf dem Weg zur Festlegung einer
Europäischen Verteidigungspolitik in die entsprechende Regelung des § 3 Ab-
satz 3 IntVG einbezogen werden sollen. Das einhellige Ergebnis der Anhörung
war, dass dies verfassungsrechtlich nicht erforderlich und auch im Übrigen nicht
sinnvoll ist. Auf der anderen Seite hat die Anhörung jedoch gezeigt, dass auch
schon Schritte auf dem Weg zu einer Gemeinsamen Verteidigungspolitik we-
sentliche Auswirkungen haben können; so etwa die Aufstellung gemeinsamer
militärischer Einheiten mit einheitlichen Befehlsstrukturen. Es ist daher sicher-
zustellen, dass der Deutsche Bundestag von derartigen Vorhaben frühzeitig
Kenntnis erhält, um ggf. mit Stellungnahmen auf die Bundesregierung einwir-
ken zu können. Sowohl die umfassenden Informationspflichten (§ 4 ff.) wie
auch das Stellungnahmerecht (vgl. § 9 Absatz 1) bindet das EUZBBG in der
Fassung des vorliegenden Entwurfs nämlich daran, dass ein „Vorhaben“ vor-
liegt. Es ist daher zwingend geboten, die Schritte auf dem Weg zu einer Gemein-
samen Verteidigungspolitik in den Vorhabenbegriff des § 3 zu integrieren.

Drucksache 16/14019 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Insgesamt ist damit eine sachgerechte Einbeziehung von Vorhaben aus GASP
und GSVP in den Vorhabensbegriff erforderlich und damit auch die unsinnigen
Beschränkungen und Sonderregelungen des Gesetzentwurfs in diesem Bereich
zu streichen.

Im Einzelnen

Zu Nummer 1

Mit der Ergänzung in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 (Buchstabe a, Doppelbuch-
stabe aa) wird ein Vorschlag von Prof. Dr. Armin von Bogdandy aus der Anhö-
rung aufgegriffen. Dieser umfasst auch Maßnahmen aus der GASP (vgl. Stel-
lungnahme von Prof. Dr. Armin von Bogdandy).

In § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 (Buchstabe a, Doppelbuchstabe bb) wird die
Beschränkung auf Verhandlungsmandate an die Europäische Kommission be-
seitigt, da sie offensichtlich nur dazu dient, den Kreis der Verhandlungsmandate
unsachgemäß zu beschränken. Die antragstellende Fraktion bedauert es sehr,
dass im Bereich von GASP und GSVP noch nicht einmal in diesem eindeutigen
Punkt eine Einigung mit den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD mög-
lich war. Für die Beschränkung auf Verhandlungsmandate, die der Europäischen
Kommission erteilt werden, besteht kein sachlicher Grund. Vielmehr triff Arti-
kel 218 AEUV (anders als Artikel 207 Absatz 3 für die gemeinsame Handels-
politik) keinerlei zwingende Festlegung, wem das Mandat zu erteilen ist. Die
entsprechende Regelung lautet vielmehr: „dieser (der Rat) erlässt einen Be-
schluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und über die
Benennung, je nach dem Gegenstand der geplanten Übereinkunft, des Verhand-
lungsführers oder des Leiters des Verhandlungsteams der Union“. Insbesondere
die Verwendung des Terminus „Verhandlungsteam“ macht klar, dass nicht zwin-
gend die Europäische Kommission Verhandlungsführer sein muss. So verhan-
delt z. B. derzeit nicht die Europäische Kommission, sondern die schwedische
Ratspräsidentschaft das SWIFT-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten
an die USA. Die Einschränkung auf der Europäischen Kommission erteilte Ver-
handlungsmandate ist demnach aufzuheben.

Die neue Nummer 15 (Buchstabe a Doppelbuchstabe cc) greift einen Formulie-
rungsvorschlag auf, den der Wissenschaftliche Dienst der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gemacht hatte und stellt zusätzlich besonders klar, dass auch über
Schritte auf dem Weg zu einer Europäischen Verteidigungspolitik frühzeitig zu
informieren ist.

Gestrichen wird ferner der Satz 2 des § 3 Absatz 1 (Buchstabe b) mit dem Vor-
haben aus der GASP und GSVP ausdrücklich aus dem Vorhabensbegriff ausge-
schlossen werden sollten.

Zu Nummer 2

Die Regelung entspricht der materiellen Lage unter Geltung der BBV.

Zu Nummer 3

Der Sonderregelung bedarf es nach Integration der GASP und GSVP in den Vor-
habensbegriff nicht mehr.

Zu Nummer 4

Folgeänderungen

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