BT-Drucksache 16/14012

Freigrenzen im SGB II erweitern - Erhöhung des Schonvermögens und Anrechnungsfreiheit für Ferienjobs

Vom 8. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14012
16. Wahlperiode 08. 09. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Dr. Barbara Höll,
Katja Kipping, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Elke Reinke, Volker Schneider
(Saarbrücken), Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

Freigrenzen im SGB II erweitern – Erhöhung des Schonvermögens und
Anrechnungsfreiheit für Ferienjobs

I. Der Bundestag stellt fest:

Die aktuelle politische Debatte dokumentiert, dass die Anrechnungsfreigrenzen
im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende –
(SGB II) erweitert werden müssen.

Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien wollen die Altersvorsorge
für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II verbessern. In seltener
Übereinstimmung fordern sie in ihren Wahlprogrammen, das Schonvermögen
für die Altersvorsorge im SGB II deutlich zu erhöhen. Obwohl es leichte Diffe-
renzen zwischen den jeweiligen Vorschlägen gibt, überwiegt das gemeinsame
Kernanliegen. Die Arbeitslosigkeit wird durch die Krise steigen und immer
mehr Menschen werden gezwungen sein, ihr mühsam Erspartes vorrangig zur
Existenzsicherung einzusetzen, statt für das Alter Vorsorge zu treffen. Es gibt
daher dringenden Handlungsbedarf, um die Folgen der Krise für die Bevölke-
rung zu begrenzen.

Heranwachsende Schulkinder nutzen vielfach die Schulferien für Ferienjobs.
Bei Schulkindern in Bedarfsgemeinschaften von SGB-II-Beziehenden werden
die Einkommen – jenseits der anrechnungsfreien Beträge – angerechnet. Im Er-
gebnis erhält die Bedarfsgemeinschaft weniger Leistungen nach dem SGB II.
Die Erträge der Erwerbsarbeit kommen letztlich nicht den Kindern und Jugend-
lichen zu Gute, sondern der öffentlichen Hand. Der Ferienjob ist daher für die
Kinder ein Nullsummenspiel. Er lohnt sich gerade für diejenigen nicht, die
ganz besonders auf ihn angewiesen sind. Hartz-IV-Schulkinder werden dadurch
gegenüber anderen Kindern zusätzlich benachteiligt. Die geltende Regelung
demotiviert und demütigt Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien.

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen,

die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend einen Gesetzentwurf mit
folgendem Regelungsinhalt vorzubereiten:

1. das Schonvermögens zur Alterssicherung im SGB II wird deutlich erhöht
und

Drucksache 16/14012 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. die Anrechnung von Einkommen aus Ferienjobs von Schülerinnen und
Schülern wird ausgeschlossen.

Berlin, den 8. September 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

1. Alle Parteien im Deutschen Bundestag wollen das Vermögen für die Alters-
vorsorge im SGB II besser schützen. Die Gesetzesänderung ist dringlich,
denn die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise wird im Herbst dieses Jahres
endgültig den Arbeitsmarkt erreichen. Die Bundesregierung geht von einem
massiven Anstieg der Erwerbslosigkeit bis 2010 auf jahresdurchschnittlich
4,6 Millionen aus. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) landet
ein erheblicher Teil der neuen Erwerbslosen unmittelbar in Hartz IV – trotz
vorheriger Beschäftigung (regelmäßige Monatsberichte der BA). Die Betrof-
fenen müssen verarmen, um einen Leistungsanspruch zu bekommen. Um zu
verhindern, dass durch die Krise Vermögen für die Altersvorsorge unwieder-
bringlich vernichtet werden, ist unmittelbar gesetzgeberisches Handeln not-
wendig.

2. Einkommen aus Ferienjobs werden bei Kindern und Jugendlichen, die in
einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft leben, angerechnet und reduzieren die
Arbeitslosengeld-II-Leistungen. Die Einkommen der Kinder und Jugend-
lichen entlasten lediglich die öffentlichen Haushalte. Kinder und Jugend-
liche werden in eine Mithaftung für die Hilfeberechtigung ihrer Eltern ge-
nommen.

Die Anrechnung der Ferienjobs auf die Hartz-IV-Leistungen diskriminiert
Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Haushalten. Während andere Kinder
und Jugendliche über ihre Einkünfte aus Ferienjobs beliebig verfügen
können – etwa für Reisen, soziale Aktivitäten, kulturelle, musische oder
politische Bildung, die Anschaffung von Computern oder Musikinstrumen-
ten etc. –, verbleibt Kindern und Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien fast
nichts.

Die Anrechnung von Einkommen aus Ferienjobs wirkt für die Kinder und
Jugendlichen aus Hartz-IV-Haushalten demotivierend. Aufgrund der ge-
kürzten Unterstützung wird ihnen der Eindruck vermittelt, dass sich Leis-
tung für sie nicht lohnt und bei ihnen nicht erwünscht ist.

Die Eigeninitiative junger Schülerinnen und Schüler muss honoriert werden.
Die Anrechnung von Einkommen aus Ferienjobs muss daher explizit im Ge-
setz ausgeschlossen werden.

Politikerinnen und Politiker der Bundestagsfraktionen haben die aktuelle
Regelung kritisiert und eine baldige Korrektur in Aussicht gestellt (vgl. Sen-
dung „Hart aber fair“ vom 26. August 2009 in der ARD). Diesen Konsens
gilt es im Interesse der betroffenen Schulkinder umzusetzen.

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