BT-Drucksache 16/13596

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Vom 30. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13596
16. Wahlperiode 30. 06. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Claudia Roth (Augsburg),
Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn,
Hans-Christian Ströbele, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts

A. Problem

Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Ände-
rung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe, homo- und hetero-
sexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und an dem Ehehindernis der
Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. Dieser Zustand stellt eine konkrete und
symbolische Diskriminierung von Minderheiten aufgrund ihrer sexuellen Iden-
tität dar. Darüber hinaus sind gleichgeschlechtliche Paare trotz Einführung des
Instituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahre 2001 in einer Reihe
von Rechtsbereichen noch immer gegenüber der Ehe benachteiligt. Dies betrifft
das Dienstrecht des Bundes und der meisten Bundesländer, das Steuerrecht, das
Adoptionsrecht, das Ausbildungs-, Ausbildungsförderungs- und Berufsrecht
sowie einzelne Punkte des sozialen Leistungsrechts und des Sozialversiche-
rungsrechts sowie in klarstellender Weise das Asylverfahrensrecht.

B. Lösung

Es wird durch Ergänzung von § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
klargestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen kön-
nen. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser
gesetzlichen Neuregelung unberührt.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Die für gleichgeschlechtliche Paare vorgeschlagenen Regelungen im Bereich

der Einkommensteuer, Grunderwerbsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer
und der beamtenrechtlichen Regelungen werden zu Mehrausgaben der öffent-
lichen Haushalte führen. Diese sind jedoch nur in geringem Umfang zu erwar-
ten, da bereits von der Institution der eingetragenen Lebenspartnerschaft bislang
eher zurückhaltend Gebrauch gemacht wird. Sichere Schätzungen sind nicht
möglich, da über die Sozialstruktur der künftigen gleichgeschlechtlichen Ehen
zu wenig bekannt ist.

Artikel 2

Änderung von Bundesgesetzen

(1) Lebenspartnerschaftsgesetz

1. In das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001
(BGBl. I S. 266), das zuletzt durch … geändert worden
ist, wird folgender Abschnitt 5 eingefügt:

„Abschnitt 5
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe

§ 20a

Eine Lebenspartnerschaft wird in eine Ehe umgewan-
delt, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner
gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesen-
heit erklären, miteinander eine Ehe auf Lebenszeit führen
zu wollen. Die Erklärungen können nicht unter einer Be-
dingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden. Die
Erklärungen werden wirksam, wenn sie vor dem Standes-
beamten abgegeben werden.“

Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe
und ihre Beurkundung

(1) Die Lebenspartner haben bei der Umwandlung
ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe das Bestehen der
Lebenspartnerschaft durch öffentliche Urkunden nachzu-
weisen.

(2) Für die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in
eine Ehe gelten die §§ 11 und 12 Absatz 1 und 2 Num-
mer 1 bis 3 sowie die §§ 14 bis 16 entsprechend.“

(3) Transsexuellengesetz

§ 7 Absatz 1 Nummer 3 des Transsexuellengesetzes vom
10. September 1980 (BGBl. I S. 1654) wird gestrichen.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2010 in Kraft.

Berlin, den 30. Juni 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Drucksache 16/13596 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

§ 1353 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in
der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002
(BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert
durch … wird wie folgt gefasst:

„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder glei-
chen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

2. Der bisherige Abschnitt 5 wird Abschnitt 6.

3. Der bisherige Abschnitt 6 wird Abschnitt 7.

(2) Personenstandsgesetz

Das Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I
S. 122), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie
folgt geändert:

1. Kapitel 4 erhält folgende Überschrift:

„Begründung der Lebenspartnerschaft und Umwandlung
einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe“.

2. Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:

㤠17 a

benspartnerschaft. In der Bevölkerung wird heute nicht mehr
Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetz-
zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden. Die
Eingehung einer Ehe und die Begründung einer Lebenspart-
nerschaft werden unterschiedslos als „heiraten“ bezeichnet.

buchs)

Es wird durch Einfügung der Wörter ,,von zwei Personen
verschiedenen oder gleichen Geschlechts“ in § 1353 Absatz 1
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13596

Begründung

A. Allgemeines

Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) bestimmt: „Ehe
und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staat-
lichen Ordnung.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts wird durch diese Vorschrift u. a. die Ehe als
Institut garantiert. Der Gesetzgeber muss deshalb die we-
sentlichen, das Institut der Ehe bestimmenden Strukturprin-
zipien beachten. Diese Strukturprinzipien hat das Bundes-
verfassungsgericht aus den vorgefundenen, überkommenen
Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des
Artikels 6 Absatz 1 GG und anderen Verfassungsnormen
hergeleitet. Allerdings wird die Ehe durch Artikel 6 Absatz 1
GG nicht abstrakt gewährleistet, sondern in der verfassungs-
geleiteten Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der
gesetzlichen Regelung maßgeblich zum Ausdruck gelangen-
den Anschauungen entspricht.

Nach dem traditionellen Eheverständnis kam der Ge-
schlechtsverschiedenheit der Ehegatten prägende Bedeutung
zu. Ebenso galt sie lange Zeit als notwendige Voraussetzung
der Ehe im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 GG, so dass gleich-
geschlechtlichen Partnerschaften vom Ehebegriff ausge-
schlossen waren (BVerfG NJW 1993, 3058; BVerfGE 105,
313, 345f = NJW 2002, 2543; BVerwGE 100, 287, 294 =
NVwZ 1997, 189). Bei der Verabschiedung des Grundgeset-
zes galt Homosexualität grundsätzlich als sittenwidrig und
wurde in § 175 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) mit einem
strafrechtlichen Verbot belegt. Selbst eine Anerkennung
von Homosexuellen als verfassungsrechtlich schützenswerte
Minderheit war zu dieser Zeit jenseits der Vorstellungswelt
über alle Parteigrenzen hinweg. Erst im Zuge der Aufhebung
des strafrechtlichen Totalverbots von männlicher Homo-
sexualität im Jahre 1969 änderte sich die rechtliche Praxis und
nahm schrittweise die gesellschaftliche Stigmatisierung ab.

Seit einiger Zeit gibt es nun hinreichende Anhaltspunkte für
einen grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständ-
nisses, die angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzge-
bers die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Perso-
nen gleichen Geschlechts verfassungsrechtlich zulassen. Die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt einen
Bedeutungswandel zu, wenn entweder neue, von der gesetz-
lichen Regelung nicht erfasste Tatbestände auftauchen oder
sich Tatbestände durch Einordnung in die Gesamtentwick-
lung verändert haben (BVerfGE 2, 380, 401 = NJW 1953,
1137; BVerfGE 45, 1, 33 = NJW 1977, 1387). Im Ergebnis
kann sich die Bedeutung einer Verfassungsrechtsnorm ohne
Veränderung ihres Textes ändern. Die Grenze liegt allerdings
in Sinn und Zweck der Verfassungsnorm, was im Falle des
Artikels 6 Absatz 1 GG einen erheblichen Wertewandel zu-
lässt.

Erstens erfolgte der grundlegende Wandel des Eheverständ-
nisses infolge der Einführung des Rechtsinstituts der Le-

bei Ehegatten und bei Lebenspartnern davon, dass sie „ver-
heiratet“ sind. Die Bevölkerung geht zudem wie selbstver-
ständlich davon aus, dass Ehegatten und Lebenspartner die-
selben Pflichten und Rechte haben, obwohl das tatsächlich
nur für die Pflichten zutrifft.

Zu diesem Wandel des Eheverständnisses hat der Gesetz-
geber durch das Gesetz zur Änderung des Transsexuellen-
gesetzes vom 19. Juni 2009 (BGBl. I S. …) mit beigetragen.
Durch dieses Gesetz ist § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transse-
xuellengesetzes ersatzlos gestrichen worden, weil das Bun-
desverfassungsgericht die Vorschrift für nichtig erklärt hatte
(BVerfGE 121, 175). Sie ließ die rechtliche Änderung des
Personenstands bei einem verheirateten Transsexuellen nur
zu, wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen. Auf das Ur-
teil des Bundesverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber
auch anders reagieren können. Das Bundesverfassungsge-
richt hatte ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt zu
bestimmen, dass das als „Ehe“ begründete Rechtsverhältnis
zwar mit gleichen Rechten und Pflichten, aber unter anderem
Etikett weitergeführt wird. Damit sollte es dem Gesetzgeber
ermöglicht werden, die strikte Verschiedengeschlechtlich-
keit der Ehe zu verteidigen. Diesem Gesichtspunkt hat der
Gesetzgeber keine entscheidende Bedeutung beigemessen
und durch die Streichung des § 8 Absatz 1 Nummer 2 des
Transsexuellengesetzes gleichgeschlechtliche Ehen zugelas-
sen. Es gibt infolgedessen in Deutschland schon jetzt legale
gleichgeschlechtliche Ehen.

Schließlich bieten die Rechtsordnungen anderer Länder wei-
tere Anhaltspunkte dafür, dass das Konzept der Geschlechts-
verschiedenheit der Ehegatten überholt ist. So wurde in den
Niederlanden, in Belgien, Kanada, Spanien, Südafrika, Nor-
wegen und Schweden die Zivilehe für Personen gleichen Ge-
schlechts eingeführt. Darüber hinaus haben die Höchstge-
richte der US-Bundesstaaten Hawaii, Massachussetts ebenso
wie jene der kanadischen Provinzen British Columbia,
Ontario und Quebec sowie Südafrikas die Beschränkung der
Zivilehe auf verschiedengeschlechtliche Paare als Verlet-
zung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erkannt.

Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
stellt sich die Frage, ob es einen Bedarf dafür gibt, das
Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft weiter
für Neueintragungen offen zu halten – auch angesichts des-
sen, dass es bislang zwar die gleichen Pflichten wie die Ehe
beinhaltet, nicht aber die vollen Rechte (z. B. im Steuer-
recht). Binnen einen Jahres nach Inkraftteten dieses Gesetzes
soll diese Frage evaluiert und etwaiger gesetzlicher Hand-
lungsbedarf geprüft werden.

B. Einzelbegründung
Man macht auch keinen Unterschied mehr zwischen „ver-
heiratet“ und „verpartnert“, sondern spricht unterschiedslos

Satz 1 BGB klargestellt, dass auch gleichgeschlechtliche
Personen eine Ehe eingehen können.

Drucksache 16/1359 destag – 16. Wahlperiode

6 – 4 – Deutscher Bun

Zu Artikel 2 (Änderung von Bundesgesetzen)

Zu Absatz 1 (Lebenspartnerschaftsgesetz)

Durch Einführung eines neuen Abschnitts soll den bereits
eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern er-
möglicht werden, eine Ehe zu schließen, ohne dass sie zum
einjährigen Getrenntleben und zur darauf folgenden Auf-
hebung der Lebenspartnerschaft gezwungen werden, was ei-
ne unbillige Härte darstellen würde.

Zu Absatz 2 (Personenstandsgesetz)

1. Der neue Überschrift des Kapitels 4 entspricht dessen um
den § 17a (Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in
eine Ehe und ihre Beurkundung) ergänzten Inhalt.

2. Absatz 1 bestimmt, dass die Lebenspartnerinnen und
Lebenspartner das Bestehen ihrer Lebenspartnerschaft
durch öffentliche Urkunden nachweisen müssen, um die
Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe an-
zumelden. Absatz 2 schreibt ferner vor, dass für das Ver-
fahren die Bestimmungen des Personenstandsgesetzes
zur Eheschließung (Kapitel 3 Abschnitt 1) mit wenigen
Ausnahmen entsprechend gelten. Zu den Ausnahmen
zählen der Verzicht auf die Prüfung der Ehevoraussetzun-
gen nach § 13 sowie der Verzicht auf den Nachweis der
Auflösung bisheriger Ehen und Lebenspartnerschaften,
die bereits vor der Begründung der Lebenspartnerschaft
erfolgten.

Zu Absatz 3 (Transsexuellengesetz)

In § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG wird bestimmt, dass bei
Transsexuellen, die nach erfolgter Vornamensänderung eine
Ehe eingehen, die Vornamensänderung automatisch unwirk-
sam wird. Mit dieser Regelung sollte der Anschein einer
gleichgeschlechtlichen Ehe verhindert werden. Mit der Öff-
nung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist der gesetz-
geberische Grund für diese Regelung entfallen, so dass auch
§ 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG ersatzlos zu streichen ist.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Im Hin-
blick auf nötige Vorarbeiten bei den Standesämtern soll es
für den 1. Januar 2010 bestimmt werden.

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