BT-Drucksache 16/12999

Digitale Kluft schließen - Zehntausende Arbeitsplätze schaffen

Vom 13. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12999
16. Wahlperiode 13. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Dr. Petra Sitte,
Dr. Lothar Bisky, Werner Dreibus, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katrin Kunert, Ulla Lötzer,
Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Volker Schneider (Saarbrücken)
und der Fraktion DIE LINKE.

Digitale Kluft schließen – Zehntausende Arbeitsplätze schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Zeiten der tiefsten Wirtschaftskrise lässt die Bundesregierung die Chance
verstreichen, durch einen breit angelegten Ausbau von schnellen Breitband-
Internetanschlüssen die digitale Kluft in Deutschland zu schließen und massiv
Arbeitplätze zu schaffen. Dabei könnten durch eine großangelegte Breitband-
Infrastrukturoffensive nicht nur unmittelbar neue Aufträge für die krisen-
geschüttelte Bauindustrie und viele neue Arbeitsplätze bei der Verlegung der
Glasfaserkabel geschaffen werden. Auch die Breitbandnutzung selbst hätte
positive Beschäftigungseffekte: In einer Studie im Auftrag des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie (2006) heißt es: „In den kommenden
fünf Jahren lässt sich ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von 46 Milliarden
Euro erzielen – vorausgesetzt, es werden jetzt die richtigen Schritte unternom-
men, um die Breitbandnutzung zu fördern (…) Bis 2010 können insgesamt
265.000 neue Arbeitsplätze entstehen.“

Die Bundesregierung verspricht seit Jahren, allen ländlichen Räumen Zugang zu
schnellen Internetanschlüssen zu verschaffen. Im März 2008 sagte der Staatsse-
kretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Hartmut Schauerte,
zum Problem der mangelnden Breitbandversorgung: „Es wäre gelacht, wenn wir
das Thema nicht (…) binnen zwölf Monaten im Wesentlichen gelöst haben“.
Rund 14 Monate später ist das Problem noch nicht einmal ansatzweise gelöst.

Tatsächlich hat sich die „Breitbandkluft“ unter der jetzigen Bundesregierung
noch verschärft: Während weiter Hunderttausende von Haushalten auf dem
Land nicht einmal veraltete Übertragungsraten von 128 Kilobit pro Sekunde
(kbit/s) nutzen können, werden die Internetanschlüsse in Ballungszentren immer
schneller: Waren „herkömmliche“ DSL-Anschlüsse noch rund 15- bis 30-mal
schneller als die in ländlichen Räumen vorhandenen ISDN- oder Modem-Ver-
bindungen, stehen in Großstädten heute oft Übertragungsraten von 50 Megabit
pro Sekunde (Mbit/s) zur Verfügung – diese Anschlüsse sind fast 800-mal
schneller als eine ISDN-Verbindung.

Die Maßnahmen der Bundesregierung zum Breitbandausbau in der Fläche
waren und sind zaghaft und erfolglos:

● Das kürzlich aufgelegte Konjunkturpaket II – mit dem großspurig Investitio-
nen in den Breitbandausbau angekündigt wurden – enthält keinen einzigen
Euro, der speziell für neue Breitbandnetze vorgesehen ist.

Drucksache 16/12999 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Die Hoffnung der Bundesregierung, mit einer Lockerung der Regulierung
durch die Bundesnetzagentur könnten die Gewinne von Breitbandnetz-Be-
treibern gesteigert und Anreize zum Netzausbau geschaffen werden, hat sich
nicht erfüllt. Die Bundesnetzagentur hat stattdessen den Preis für die Nutzung
des Telekom-Anschlussnetzes für Konkurrenten gesenkt. Die Deutsche Tele-
kom AG befürchtet dadurch enorme Einnahmeausfälle und kündigte im
Gegenzug an, weniger in den Breitbandausbau in der Fläche zu investieren
als geplant.

● Der Breitbandatlas der Bundesregierung wurde wegen mangelnder Aussage-
kraft selbst von deren Sympathisantinnen und Sympathisanten verlacht.

● Die Vergabe von Fördergeldern war eine wirkungslose Strategie, die zudem
schlecht umgesetzt wurde – von den rund 16,7 Millionen 2008 zur Verfügung
gestellten Euro wurden weniger als 3,4 Prozent tatsächlich für den Breit-
bandausbau genutzt.

Mittlerweile verliert Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes weltweit den
Anschluss: Das Wachstum auf dem DSL-Markt hat sich hierzulande im vergan-
genen Jahr spürbar verlangsamt. Legten sich 2006 und 2007 noch jeweils etwa
4,5 Millionen Haushalte erstmals einen Breitbandanschluss per DSL oder Fern-
sehkabel zu, waren es 2008 nur noch 3,3 Millionen. Beim Anteil der Bevölke-
rung, der einen Breitbandanschluss nutzt, liegt Deutschland in der Europäischen
Union (EU) nur auf Platz neun.

Während in Deutschland noch nicht einmal langsame Übertragungsraten von
128 kbit/s flächendeckend zur Verfügung stehen, arbeitet Südkorea mittlerweile
an der vollständigen Versorgung mit fast 8 000-mal schnelleren Anschlüssen,
die Übertragungsraten von einem Gigabit pro Sekunde bieten. In Australien will
der Staat ein eigenes Glasfasernetz aufbauen und dafür umgerechnet 22 Mrd.
Euro investieren.

So lange das deutsche Breitbandnetz kein staatliches Netz ist, muss dafür ge-
sorgt werden, dass die privaten Netzbetreiber den flächendeckenden Ausbau aus
Gewinnen in Ballungszentren finanzieren. Die Bundesregierung hätte hierzu
schon längst auf europäischer Ebene für eine Ausweitung der Universaldienst-
Regelungen auf Breitbandanschlüsse drängen und den gesetzlich festgeschrie-
benen Universaldienst in Deutschland, der bislang jedem Haushalt einen
Telefonanschluss garantiert, auf schnelle Internetanschlüsse ausweiten müssen.
In Frankreich und Großbritannien wird bereits eine entsprechende Lösung vor-
bereitet.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ihr Versprechen, für flächendeckende Versorgung mit schnellen Internet-
anschlüssen zu sorgen, endlich wahr zu machen. Das heißt:

● ihre konzeptionslose Breitbandstrategie komplett zu überarbeiten und effek-
tive Investitionen in den flächendeckenden Glasfaserausbau voranzutreiben –
auch, um sofort konjunkturelle Impulse zu setzen und Arbeitsplätze neu zu
schaffen;

● ihren Widerstand gegen die Ausweitung des Universaldienstes aufzugeben
und Internetanschlüsse mit Übertragungsraten von zwei Mbit/s für alle Haus-
halte in Deutschland gesetzlich zu garantieren.

Berlin, den 12. Mai 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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