BT-Drucksache 16/12995

Naturlandschaft Senne erhalten - Beteiligungsrechte beim Ausbau des Truppenübungsplatzes gewährleisten

Vom 13. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12995
16. Wahlperiode 13. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Ute Koczy, Britta Haßelmann, Winfried Nachtwei, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Thilo Hoppe,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Naturlandschaft Senne erhalten – Beteiligungsrechte beim Ausbau des
Truppenübungsplatzes gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Naturlandschaft in der Senne gehört mit ihren mehr als 5 000 Tier- und
Pflanzenarten, davon über 1 000 Arten der Roten Liste, zu den besonders schüt-
zenswerten Naturräumen in Deutschland. Seit über einem Jahr liegen Pläne der
britischen Rheinarmee auf dem Tisch, den 112 km2 großen Truppenübungsplatz
Senne (nördlich von Paderborn) erheblich intensiver und für Jahrzehnte weiter
nutzen zu wollen. Hierfür soll es ab 2009 einschneidende bauliche Veränderun-
gen geben.

Die geplanten Bauten (Kampfdörfer) auf dem Übungsgelände gefährden in
erheblicher Weise die einmalige Naturlandschaft der Senne, die durch das bis-
herige militärische Sperrgebiet erhalten werden konnte. Forderungen aus der
Region, nach Abzug der Briten einen Nationalpark Senne zu begründen, würden
einen deutlichen Rückschlag erleiden und müssten für Jahrzehnte auf Eis gelegt
werden. Außerdem müsste sich die Bevölkerung auf erhöhten Lärm und auf ver-
schärfte Nutzungseinschränkungen einstellen müssen.

Zur Begründung einer in Aussicht gestellten Genehmigung für die Verbesserung
der britischen Übungsmöglichkeiten in Deutschland ließ die Bundesregierung
verlauten: „Die Baumaßnahmen dienen unmittelbar der Landesverteidigung“
(Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Bau von zusätzlichen
Kampfdörfern und Panzerstraßen auf dem Truppenübungsplatz Senne in Nord-
rhein-Westfalen“ von Ute Koczy, Britta Haßelmann, Winfried Nachtwei u. a.;
Bundestagsdrucksache 16/10801). Durch die schwer nachvollziehbare Feststel-
lung des Bundesministeriums der Verteidigung, bei den Ausbauplänen der vor
allem außerhalb Europas eingesetzten britischen Streitkräfte handele es sich um
Maßnahmen, die der unmittelbaren Landesverteidigung Deutschlands dienen,
sollen die Beteiligungsrechte der betroffenen Kreise und Kommunen einge-

schränkt und ausgehebelt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● klarzustellen, dass die geplanten Baumaßnahmen durch die Britische Rhein-
armee nicht „unmittelbar der Landesverteidigung dienen“;

Drucksache 16/12995 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● auf die Verantwortlichen der Britischen Rheinarmee einzuwirken, von den
Erweiterungsplänen Abstand zu nehmen;

● dafür Sorge zu tragen, dass Kommunen und Kreise bei Baumaßnahmen auf
Militärgelände ihre legitimierten Beteiligungsrechte wahrnehmen können;

● dafür Sorge zu tragen, dass im Planungsprozess die Abwägung mit den
Belangen der Senne-Anwohner gewährleistet ist. Dazu gehört ein Wider-
spruchs- und Klagerecht der Betroffenen;

● Bauvorhaben auf Militärgelände nicht mehr in reinem Anhörungsverfahren
zu genehmigen, sondern die Zuständigkeitsrechte der lokalen Behörden (in
diesem Fall Bau- und Umweltrecht) zu beachten und einzuhalten;

● im konkreten aktuellen Fall der erweiterten militärischen Nutzung der Senne
das Verfahren bis zur abschließenden Klärung der Beteiligungsrechte der be-
troffenen Kreise und gegebenenfalls der Ausübung dieser Rechte ruhen zu
lassen und

● solange genehmigungsrechtliche Maßnahmen zu unterlassen.

Berlin, den 13. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die britischen Streitkräfte planen den Ausbau des von ihnen genutzten Truppen-
übungsplatzes in der Senne, einer einmaligen Natur- und Kulturlandschaft zwi-
schen Bielefeld, Detmold und Paderborn in Nordrhein-Westfalen. In den kom-
menden 3 Jahren sollten u. a. der Bau von weiteren 6 Übungseinheiten für den
Häuserkampf, sog. Kampfdörfer, neue Schießbahnen, Übungshäuser für Schieß-
übungen und ein Höhlenkomplex erfolgen. Darüber hinaus sollten zusätzlich auf
einer Länge von ca. 40 km und einer Breite von 13 m Panzerstraßen betoniert
werden, um einen ganzjährigen Übungsbetrieb zu ermöglichen. Mittlerweile ha-
ben die britischen Streitkräfte ihre Planungen überarbeitet. Anvisiert sind jetzt
zwei Schießhäuser und vier Übungsdörfer und vier vorgeschobene Stützpunkte.
Entfallen sind die Planungen von Höhlenkomplexen und asphaltierten Straßen.

Nach Aussage der britischen Streitkräfte ist der Zweck der geplanten Baumaß-
nahmen die Vorbereitung britischer Soldaten auf ihre Auslandseinsätze u. a. in
Afghanistan. Die britischen Streitkräfte haben erklärt, dass sie den Truppen-
übungsplatz in der Senne weitere 27 Jahre nutzen wollen und ihn zum wichtigen
Zentrum der Ausbildung ihrer Soldaten machen wollen. Andere Übungsstand-
orte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sollen dafür geschlossen wer-
den.

Die Verwirklichung des britischen COE-Projektes (COE = Contemporary Ope-
ration Environment) in Deutschland würde das Ökosystem im Fauna-Flora-
Habitat- und Vogelschutzgebiet der Senne in erheblichem Ausmaß schädigen.
Immerhin gibt es über 5 000 Tier- und Pflanzenarten, davon über 1 000 Arten der
Roten Liste auf dem 112 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz. Die
Nationalparkwürdigkeit des Gebietes wäre gefährdet.

Statt der bisher ca. 4 000 britischen Soldaten soll die 3- bis 4-fache Anzahl in
der Senne üben. Diese Nutzungsintensivierung wäre nicht nur für Flora und

Fauna schädlich, auch die Menschen der umliegenden Region und Anrainer-
gemeinden würden durch zunehmenden Lärm bei Schieß- und Hubschrauber-

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betrieb und durch Kettenfahrzeuge auf Betonpisten (derzeit Sandpisten) zusätz-
lich beeinträchtigt und gestört. Für die angrenzenden Erholungs- und Kurorte
wäre dies ein existenzbedrohender, herber Rückschlag.

Die geplante Errichtung so genannter Kampfdörfer in der Senne berührt nach-
haltig Belange des Natur- und des Lärmschutzes sowie der touristischen Ent-
wicklung. Damit greift die beschriebene Baumaßnahme in originäre Zuständig-
keiten der betroffenen Kreise ein.

Durch die nicht nachvollziehbare Feststellung des Bundesministeriums der Ver-
teidigung, bei den Plänen der britischen Streitkräfte handele es sich um Maßnah-
men, die der Landesverteidigung dienen, sollen die Interessen der Bürgerinnen
und Bürger vor Ort als nachrangig eingestuft und die Beteiligungsrechte der
Kreise ausgehebelt werden.

Zwanzig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist es darüber hinaus fragwür-
dig, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für Nutzungsplanungen auf militäri-
schen Liegenschaften noch dem heutigen Stand des materiellen Planungsrechtes
entsprechen.

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