BT-Drucksache 16/12849

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht

Vom 5. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12849
16. Wahlperiode 05. 05. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk,
Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem
Staatsangehörigkeitsrecht

A. Problem

Mit der Einführung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Ge-
burt im Inland (§ 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes) ist unter der ehe-
maligen rot-grünen Bundesregierung ein entscheidender Schritt zur Anpassung
des Staatsangehörigkeitsrechtes an die Realitäten eines Einwanderungslandes
getan worden. Dieser wichtige Reformschritt ist jedoch mit einem entscheiden-
den Mangel behaftet. Die betroffenen jungen Menschen werden mit Erreichen
der Volljährigkeit vor die Wahl gestellt, sich zwischen der deutschen und ande-
ren Staatsangehörigkeiten, die sie mit der Geburt über die Abstammung erwor-
ben haben, zu entscheiden. Dies ist integrationspolitisch kontraproduktiv und
verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Überdies belastet es auch die Be-
hörden mit der Durchführung unsinniger und aufwändiger Verwaltungsver-
fahren. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Streichung des Options-
zwangs Deutschland auf das normale europäische und internationale Niveau
heben würde, was sich auch daran zeigt, dass damit ein von Deutschland erklär-
ter Vorbehalt zum Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit
entfallen könnte.

B. Lösung

Streichung des Optionszwangs.

C. Alternativen

Eine Streichung des Erwerbsgrundes in § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeits-
gesetzes, wie sie bisweilen vorgeschlagen wird, ist keine Alternative. Der Er-
werbsgrund wird dringend benötigt, damit im Einwanderungsland Deutschland

die Erwerbsregeln der Staatsangehörigkeit den Notwendigkeiten einer demokra-
tisch verfassten Gesellschaft entsprechen.

D. Kosten

Das Gesetz führt zu einer deutlichen Reduzierung von Bürokratiekosten, da Ver-
waltungsverfahren überflüssig werden und behördliche Registrierungen und
Speicherungen entfallen können.

aa) In der Nummer 5 wird das Komma durch das
Wort „oder“ ersetzt.

bb) Die bisherige Nummer 6 wird gestrichen.

cc) Die bisherige Nummer 7 wird zur Nummer 6.

b) In Absatz 2 wird die Angabe „7“ durch die Angabe
„6“ ersetzt.

2. § 29 wird gestrichen.

3. In der Klammer in § 33 Absatz 2 Nummer 1 wird die Pas-
sage nach dem Wort „Geschlecht“ bis einschließlich zum
Wort „kann“ gestrichen.

4. § 34 wird gestrichen.

5. In § 38 Absatz 2 Satz 4 wird der dem Wort „Staatsange-
hörigkeit“ folgende Satzteil wie folgt gefasst:

„nach § 30 Absatz 1 Satz 3 ist gebührenfrei.“

Artikel 2

Das Passgesetz vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537), zu-
letzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 26. Februar
2008 (BGBl. I S. 215), wird wie folgt geändert:

geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2007
(BGBl. I S. 1566), wird wie folgt geändert:

1. In § 2 wird der Absatz 1a gestrichen.

2. In § 2a wird das Komma am Ende der Nummer 4 durch
einen Punkt ersetzt und die Nummer 5 wird gestrichen.

Artikel 4

Das Melderechtsrahmengesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1342), zu-
letzt geändert durch Artikel 26b des Gesetzes vom 20. De-
zember 2007 (BGBl. I S. 3150), wird wie folgt geändert:

In § 2 Absatz 2 wird die bisherige Nummer 4 gestrichen und
die bisherigen Nummern 5 bis 8 werden zu den Nummern 4
bis 7.

Artikel 5

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 5. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Drucksache 16/12849 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem
Staatsangehörigkeitsrecht

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetz-
blatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1 veröffentlichten be-
reinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Ge-
setzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158), wird wie folgt
geändert:

1. § 17 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

1. In § 5 wird der bisherige Absatz 5 gestrichen und der bis-
herige Absatz 6 wird zu Absatz 5.

2. In § 21 Absatz 2 wird am Ende der Nummer 15 das Kom-
ma durch einen Punkt ersetzt und die Nummer 16 wird
gestrichen.

Artikel 3

Das Gesetz über Personalausweise in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 21. April 1986 (BGBl. I S. 548), zuletzt

gesellschaftspolitischer Fortschritt, mit dem das Recht an
die elementaren Notwendigkeiten eines Einwanderungslan-
des angepasst wurde. Dies gilt insbesondere für die Einfüh-
rung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt im
Inland (ius soli oder Geburtsrecht). Dieses Element ist un-
verzichtbar, weil es dafür sorgt, dass nicht zu viele Menschen
aus dem Kreis der Staatsangehörigen ausgeschlossen blei-
ben, die zur aktiven Teilnahme auch an allen Wahlen berech-
tigt sind. Das Geburtsrecht ist daher für die deutsche Demo-
kratie unter den Bedingungen eines Einwanderungslandes
zwingend notwendig.

Der Optionszwang, der von den Betroffenen verlangt, sich
mit der Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit zu ent-
scheiden, ist jedoch zu streichen. Es ist integrationspolitisch
kontraproduktiv, Menschen, die von ihrer Geburt an Teil die-
ser Gesellschaft sind, dazu zu zwingen, mit ihrer Volljährig-
keit eine Entscheidung zu treffen, die ihre Zugehörigkeit in
Frage stellt. Im Moment sind zwar nur relativ wenige junge
Menschen vom Optionszwang betroffen (Erwerb der Staats-
angehörigkeit nach § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes –
StAG), aber schon bald werden jedes weitere Jahr in dem der
Optionszwang gilt, jedoch cirka 40 000 weitere Betroffene
dazukommen (Erwerb nach § 4 Absatz 3 StAG). Es tickt
mithin eine integrationspolitische Zeitbombe.

Auch unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung ist die
bisherige Optionsregelung problematisch. Bei anderen
Staatsangehörigen, die sich in einer vergleichbaren Situation
befinden (z. B. Kinder, die aus binationalen Partnerschaften
stammen), gibt es eine derartig bedingte Staatsangehörigkeit
nicht. Die Regelung ist daher nicht nur in Hinblick auf den
allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 des Grund-
gesetzes – GG) bedenklich, sondern liegt zumindest in der
Nähe – da sie an Abstammung und Herkunft anknüpft –
eines Verstoßes gegen die strikten Differenzierungsverbote
des Artikels 3 Absatz 3 GG. Überdies hat das Bundesverfas-
sungsgericht hervorgehoben, dass ein verbotener (Artikel 16
Absatz 1 GG) Entzug der Staatsanghörigkeit vorliegen kann,
wenn Maßnahmen, die zum Verlust der Staatsangehörigkeit
führen, „die – für den Einzelnen und für die Gesellschaft
gleichermaßen bedeutsame – Funktion der Staatsangehörig-
keit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehö-
rigkeit beeinträchtigen“ (Urteil des Zweiten Senats vom
24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04). Der Optionszwang könnte

eintritt), durchaus als Beeinträchtigung dieser wichtigen
Funktion der Staatsangehörigkeit zu sehen sein.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass kein Staat der Welt
– außer Deutschland – einen derartigen Optionszwang kennt,
obwohl viele Staaten Elemente des ius soli in ihrem Staats-
angehörigkeitsrecht nutzen. Deshalb musste Deutschland
einen Vorbehalt zum Europäischen Übereinkommen über
die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II S. 579) erklären. In-
soweit sei daran erinnert, dass nach Artikel 29 des genannten
Abkommens die Staaten gehalten sind, einen Vorbehalt zu-
rückzunehmen, „sobald die Umstände dies zulassen“. Im
vorliegenden Fall gebieten diese Umstände, wie dargelegt,
den Optionszwang zu streichen und den Vorbehalt aufzuhe-
ben.

Hinzuweisen ist darauf, dass weitere Änderungen im Staats-
angehörigkeitsrecht erforderlich sind, um insbesondere die
Einbürgerung zu erleichtern. An den entsprechenden Forde-
rungen, die die Antragsteller bereits im Deutschen Bundes-
tag zur Diskussion gestellt haben, wird festgehalten. Der
vorliegende Entwurf beschränkt sich jedoch auf die Beseiti-
gung des Optionszwangs, da – angesichts des Widersinns
dieser Regelung – darauf zu hoffen ist, dass zumindest über
diese notwendige Maßnahme ein Konsens erzielt werden
kann.

B. Einzelbegründung

Die entscheidende Änderung stellt die Streichung des Op-
tionszwangs in § 29 StAG dar (Artikel 1 Nummer 2).

Bei den weiteren Änderungen in den Artikeln 1, 2, 3 und 4
handelt es sich um Folgeregelungen. Dabei ist darauf hinzu-
weisen, dass die Streichungen auch belegen, welcher Auf-
wand gegenwärtig von den Behörden wegen des Options-
zwangs betrieben wird. Besonders ist anzumerken, dass die
Antragsteller durch die Streichung in § 33 StAG (Artikel 1
Nummer 3) nicht die dort allgemein geregelte Datei als ge-
rechtfertigt anerkennen, da für die dort vorgesehene zentrale
Speicherung weiterhin kein Grund besteht. Die Antragsteller
wollten den vorliegenden Entwurf jedoch nicht mit der allge-
meinen Diskussion um dieses Register belasten.

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12849

Begründung

A. Allgemeines

Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes durch die ehe-
malige rot-grüne Bundesregierung war ein entscheidender

wegen der dargelegten unterschiedlichen Behandlung ver-
gleichbarer Gruppen, aber auch wegen der langen Schwebe-
zeit (Betroffene werden vielfach schon an Wahlen teilge-
nommen haben, bevor der Verlust der Staatsangehörigkeit

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.