BT-Drucksache 16/12806

Rechtsextreme in der Europäischen Union und die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009

Vom 28. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12806
16. Wahlperiode 28. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Monika Lazar, Jürgen Trittin,
Rainder Steenblock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechtsextreme in der Europäischen Union und die Wahlen
zum Europäischen Parlament 2009

Wenn zwischen dem 4. und 7. Juni 2009 ein neues Europäisches Parlament ge-
wählt wird, wollen Nationalisten und Rechtspopulisten aus der Europäischen
Union mit einer Internationale der Nationalen antreten.

Rechtsextreme, nationalistische und faschistische Gruppen in der Europäischen
Union vernetzen sich zunehmend über nationale Grenzen hinweg: zum so ge-
nannten AntiIslamisierungskongress in Köln am 19. Dezember 2008 mobili-
sierte das Bündnis „pro Köln“ Rechte und Rechtsextreme aus mehreren euro-
päischen Ländern. Auch in diesem Jahr ist wieder ein Antiislamisierungs-
kongress geplant, der bereits europaweit beworben wird. Die Aufmärsche zum
Jahrestag der alliierten Bombardierung Lübecks im März 1942 und Dresdens im
Februar 1945 nutzten Rechtsextreme, um sich länderübergreifend zu vernetzen.
In Dresden nahmen am Aufmarsch am 13. Februar 2009 Teilnehmende der
militanten schwedischen „Widerstandsbewegung“, der spanischen „Bewegung
Soziale Republik“, des tschechischen „Narodni Odpor“ und dutzende britische,
italienische, französische, portugiesische und niederländische Neonazis teil.

Die „European National Front“ mit Mitgliedern aus der NPD und den rechten
Parteien aus Rumänien, Griechenland, Frankreich und Litauen traf sich Anfang
Februar 2009, um die „Rolle der patriotischen Kräfte“ in Europa zu koordinie-
ren.

Dabei existieren innerhalb der transnational rechtsextremistischen Szene zwei
Hauptrichtungen: Zum einen die traditionell völkisch, national argumentieren-
den Parteien wie die französische Front National oder in Ungarn Jobbik, die mit
Gründung der ungarischen Garde internationale Aufmerksamkeit erzeugte.

Zum anderen rechtspopulistische Parteien, die ihrem menschenverachtenden
Kern einen bürgerlichen Anstrich geben wollen. Etwa in Belgien der Vlaams Be-

lang, in Österreich die FPÖ und BZÖ sowie in Norwegen die Fremskrittspartiet.

Gemeinsam haben die Gruppen menschenverachtende und undemokratische
Ideologien, nationalistische, antisemitische, homophobe, rassistische und chau-
vinistische Hasspropaganda sowie das gemeinsame Feindbild einer vermeint-
lichen „Islamisierung“. Hauptangriffspunkt ist dabei das so genannte interna-
tional agierende Großkapital. Sie wollen die parlamentarische Plattform für

Drucksache 16/12806 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

antidemokratische und menschenverachtende Ziele benutzen und national be-
stimmte so genannte Volksgemeinschaften aufbauen.

Bisher haben interne Konflikte und mangelnde gemeinsame Programmatik zur
Auflösung rechtsextremer Zusammenschlüsse im Europäischen Parlament ge-
führt:

Die rechtsextremistische Abgeordnetengruppe „Identität, Tradition, Souveräni-
tät“ im Europäischen Parlament verlor ihren Status als Fraktion und die finan-
zielle Unterstützung von über 1 Mio. Euro jährlich, nachdem sechs Abgeordnete
am 14. November 2007 nach internen Konflikten ihren Austritt angekündigt hat-
ten. Die personelle Schwelle des Fraktionsstatus war damit unterschritten. Die
französische Front National bildete von 1989 bis 1994 eine gemeinsame Frak-
tion mit den deutschen Republikanern und dem Movimento Sociale Italiano. In-
terne Querelen beendeten die Zusammenarbeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über internationale Vernet-
zungsaktivitäten europäischer rechtsextremer Gruppen und Parteien?

2. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr für die freiheitlich demokra-
tische Grundordnung Deutschlands ein, und wie will sie dieser Gefahr be-
gegnen?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die von rechtsextremen Gruppierungen
ausgehende Gefahr für den Prozess der europäischen Integration ein?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über internationale Vernet-
zungsaktivitäten rechtsextremer Gruppen und Parteien in Deutschland?

5. Inwiefern kooperieren die Innen- und Justizbehörden sowie die Geheim-
dienste der EU-Mitgliedstaaten untereinander, und inwiefern findet eine
Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen statt, um auf diese Ver-
netzungsaktivitäten zu reagieren?

6. In welcher Form bezieht die Bundesregierung Aufklärung über rechtsext-
reme Gruppierungen, die zu den Europawahlen antreten wollen, in ihre „In-
fotour“ zu den Wahlen zum Europäischen Parlament ein?

7. Inwieweit werden bei der Ansprache von Erst- und Nichtwählerinnen/-wäh-
lern durch die Bundesregierung die Aktivitäten rechtsextremer Parteien wie
der NPD sowie rechtsextremer Parteien aus anderen EU-Mitgliedstaaten
berücksichtigt?

8. Welche Aktivitäten plant die Bundesregierung, um die Wahlbeteiligung an
den Wahlen zum Europäischen Parlament am 7. Juni zu erhöhen?

9. Inwieweit hat die Bundesregierung den bundesweiten EU-Projekttag an
Schulen am 9. März 2009 genutzt, um Schülerinnen/Schüler vor der anste-
henden Europawahl auf die möglichen Konsequenzen und Gefahren eines
Einzugs rechtsextremer Parteien ins Europäische Parlament hinzuweisen?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Aktivitäten des
Zusammenschlusses europäischer rechtsextremer Parteien, der European
National Front, bezüglich der anstehenden Wahl des Europäischen Par-
laments und insbesondere der deutschen Mitgliedspartei NPD?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ergebnisse des
Treffens der European National Front bestehend aus der NPD und rechts-
extremistischen Parteien aus Rumänien, Griechenland, Frankreich und
Litauen Anfang Februar 2009?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12806

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Vernetzungsaktivi-
täten weiterer Mitglieder der European National Front wie La Falange aus
Spanien, Noua Dreapt aus Rumänien, Forza Nuova aus Italien, Renouveau
Francais aus Frankreich und die polnische Nationale Wiedergeburt Polens
mit der deutschen NPD und weiteren rechtsextremistischen Gruppen in
Deutschland im Hinblick auf die Europawahlen?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Vernetzungsaktivi-
täten rechtsextremistischer Gruppen und Parteien, die nicht in der European
National Front organisiert sind, mit der deutschen NPD und weiteren
rechtsextremistischen Gruppen in Deutschland, wie der Initiative Pro Köln,
im Hinblick auf die Europawahlen (zum Beispiel die belgische Vlaams Be-
lang sowie Gruppen und Parteien weiterer EU-Mitgliedstaaten)?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Pläne rechtsextremis-
tischer Parteien in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten, gemein-
same Wahlkampagnen zu organisieren, und welche Erkenntnisse hat die
Bundesregierung speziell über die Pläne der italienischen Forza Nuova, die
zur European National Front gehört, eine gemeinsame Kampagne mit der
FPÖ zu organisieren?

15. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass sich im Europäischen
Parlament „technische“ Fraktionen bilden, deren Gemeinsamkeit im Ge-
gensatz zu den politischen Fraktionen keine programmatische ist, sondern
das Streben nach finanzieller Unterstützung?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die rechtsextremen Bewegungen in
Ungarn wie die „Ungarische Garde“ und „Jobbik“ vor dem Hintergrund der
ungarischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2011?

17. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Bestre-
ben der „Kontinent Europa Stiftung“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die
europäischen Rechten besser miteinander zu vernetzen?

18. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der Zeitschrift „Nation und
Europa“ in diesem Kontext ein?

Wie bewertet die Bundesregierung den Stellenwert dieser Zeitung innerhalb
der deutschen rechtsextremen Szene?

19. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der NPD innerhalb der euro-
päischen transnationalen rechtsextremen Bewegung ein?

Berlin, den 28. April 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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