BT-Drucksache 16/1259

Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo

Vom 20. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1259
16. Wahlperiode 20. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Dr. Uschi Eid,
Ute Koczy, Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Alexander Bonde, Thilo Hoppe, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo

Die Vereinten Nationen haben die Europäische Union im Dezember 2005 um
eine temporäre Unterstützung ihrer Friedensmission MONUC in der Demokra-
tischen Republik Kongo gebeten, um zur Absicherung der dortigen Parlaments-
und Präsidentschaftswahlen, die voraussichtlich im Juli/August 2006 stattfin-
den werden, beizutragen. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt,
dieser Bitte nachzukommen und planen eine zeitlich befristete Unterstützungs-
mission unter deutsch-französischer Führung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund zahlreicher riva-
lisierender und z. T. bewaffneter Gruppen sowie des Wahlboykottaufru-
fes die gegenwärtige innenpolitische Situation in der Demokratischen
Republik Kongo und in den einzelnen Krisenregionen?

b) Welche Erwartungen werden mit den Wahlen verbunden?

c) Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko, dass es im Vorfeld bzw.
nach Beendigung der Wahlen in Kinshasa oder ausgewiesenen Krisen-
regionen zu Straßenprotesten bis hin zu gewaltsamen bewaffneten Aus-
einandersetzungen kommt?

2. Wie lautet nach aktuellem Planungsstand der präzise Auftrag für eine EU-
Mission in der Demokratischen Republik Kongo, und wie ist die Aufga-
benverteilung mit der kongolesischen Polizei, der Armee (FARDC) und
MONUC nach jetzigem Planungsstand?

3. a) Aus welchen Gründen besteht die Bundesregierung auf einer klaren zeit-
lichen Befristung von vier Monaten (Enddate) und nicht auf einem ergeb-
nisorientierten, zeitlich flexiblen Einsatz, z. B. bis zur Einsetzung einer
legitimierten Regierung (Endstate-Regelung)?
b) Wie will die Bundesregierung einen fristgerechten Abzug begründen,
wenn vor Ort die Unterstützung dringend gebraucht würde?

c) Ermuntert eine klare zeitliche Befristung Unruhestifter nicht dazu, den
Abschluss des Wahl- und Regierungsbildungsprozesses hinauszuzögern?

Drucksache 16/1259 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Aus welchen, aus der Situation in der Demokratischen Republik Kongo
abgeleiteten, Gründen haben sich die Bundesregierung bzw. die Europäi-
sche Union gegen eine größer angelegte Mission und nach Prüfung des
„Optionenpapiers“ der EU-Erkundungsmission für die Entsendung einer
Mission mittlerer Größe bzw. gegen die anderen Optionen entschieden?

5. Wie viele Soldaten und welche Fähigkeiten werden von den beteiligten
EU-Staaten für die EU-Mission zur Verfügung gestellt, und wo sollen diese
Kräfte jeweils stationiert sein?

6. Welche Verstärkungs- und Unterstützungskräfte stehen in den Heimat-
ländern der Entsendestaaten oder Nachbarstaaten auf Abruf bereit?

7. Trifft es zu, dass die Bundesregierung beabsichtigt, das Mandat für die
Bundeswehr auf Kinshasa zu begrenzen?

Wenn ja, in welchem Verhältnis steht dieser Vorbehalt zu der Anfrage der
Vereinten Nationen an die EU?

Inwieweit ist vorgesehen, dass EU-Kräfte, etwa zur Rettung von Wahl-
beobachtern oder zur Unterstützung der MONUC, auch außerhalb Kin-
shasas zum Einsatz kommen können?

8. Verfügt die Bundeswehr nach Auffassung der Bundesregierung über aus-
reichende personelle und materielle Ressourcen für eine EU-Kongo-Mis-
sion, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies im Zusammen-
hang mit Aussagen des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages,
Reinhold Robbe, dass die Bundeswehr ihre Belastungsgrenzen inzwischen
erreicht habe?

9. Hat die EU im Rahmen der Berlin-Plus-Regelung die NATO um Unter-
stützung bei der Planung eines Einsatzes in der Demokratischen Republik
Kongo gebeten bzw. hat die Bundesregierung in der EU/NATO eine solche
Unterstützung gefordert?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wieso ist es nicht zu einer NATO-Unterstützung gekommen?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Frage eigener militärischer Planungs-
kapazitäten der EU mittelfristig bzw. im Rahmen der deutschen EU-
Ratspräsidentschaft auf die Tagesordnung zu setzen?

Wenn ja, mit welcher Zielsetzung?

Wenn nein, warum nicht?

11. a) Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um auf der
Grundlage des G8-Afrika-Aktionsplans (Kapitel I) mit der Friedens-
und Sicherheitskommission der Afrikanischen Union zu beraten, wie
afrikanische Spezialisten zum Zwecke des Wissenstransfers in die EU-
Mission einbezogen werden können?

b) Was unternimmt die Bundesregierung im Rahmen der EU, um eine stär-
kere Einbindung der afrikanischen Staaten beim Stabilisierungsprozess
in der Demokratischen Republik Kongo zu erreichen?

12. Wie ist der Demobilisierungsprozess von Kindersoldaten vorangeschritten,
und in welchen Regionen besteht nach Einschätzung der Bundesregierung
eine reelle Möglichkeit, mit Kindersoldaten konfrontiert zu werden?

Inwieweit werden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr darauf vorbe-
reitet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1259

13. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung die politische Neutralität
der Mission gewährleistet werden, und wie kann dies der kongolesischen
Bevölkerung glaubwürdig vermittelt werden?

Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung verhindert werden, dass
eine EU-Mission in der kongolesischen Bevölkerung als einseitige Partei-
nahme für Präsident Joseph Kabila gewertet wird?

14. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen der EU – jen-
seits der Entsendung von Bundeswehrsoldaten – zur Stabilisierung des
Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach einer Nachregistrie-
rung von Wählern, um Anhängern von zivilen Oppositionsgruppen doch
noch die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen?

16. Welche Maßnahmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
der EU-Militärmission geplant, um auch den zivilen Oppositionsgruppen
einen fairen Wahlkampf zu ermöglichen?

17. a) Welche Anzahl von zivilen Wahlbeobachtern hält die Bundesregierung
für notwendig, um eine angemessene Überwachung des Wahlprozesses
garantieren und ein entsprechendes Vertrauen in das Wahlergebnis her-
beiführen zu können?

b) Wie viele einheimische, wie viele deutsche und wie viele EU-Wahl-
beobachter sind vorgesehen, und hält die Bundesregierung diese Anzahl
für ausreichend?

18. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die EU die gesamte Spannbreite
der Wirkungsmöglichkeiten von Gemeinsamer Außen- und Sicherheits-
politik der EU (GASP) und Europäischer Sicherheits- und Verteidigungs-
politik (ESVP), inklusive eines Einsatzes von zivilen Polizei- oder Gen-
darmeriekräften, geprüft, und wenn nein, aus welchen Gründen nicht bzw.
wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die EU nach Kenntnis der Bundesregie-
rung gekommen?

19. Ist die EU-Mission eingebettet in eine Gesamtstrategie der Bundesregie-
rung und der EU für nachhaltige Entwicklung in der Demokratischen Re-
publik Kongo und Nachbarstaaten in Zentralafrika, und wenn ja, wie sieht
diese aus?

20. Welche bilateralen und multilateralen Aktivitäten plant die Bundesregie-
rung, auch nach Abzug der EU-Interimstruppe, um den Demokratisie-
rungsprozess in der Demokratischen Republik Kongo zu unterstützen?

21. a) Wann wird die Bundesregierung eine/n „Persönliche/n G8-Afrika-Be-
auftragte/n der Bundeskanzlerin“ berufen?

b) Wie soll der eingeleitete NEPAD-Reformprozess (NEPAD: Neue Part-
nerschaft für Afrikas Entwicklung) im Rahmen dieses Amtes begleitet,
und wie soll die Förderung partnerschaftlicher Beziehungen mit Afrika
in einem ressortübergreifenden Ansatz gewährleistet werden?

22. a) Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Umsetzung
der vom Europäischen Rat im Dezember 2005 verabschiedeten Afrika-
strategie?

b) Welche weiteren Aktivitäten sind in diesem Zusammenhang seitens der
Bundesregierung geplant?

Berlin, den 20. April 2006
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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