BT-Drucksache 16/12436

Humanitäre Katastrophe in Sri Lanka verhindern

Vom 25. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12436
16. Wahlperiode 25. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Thilo Hoppe, Ute Koczy, Marieluise Beck
(Bremen), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Humanitäre Katastrophe in Sri Lanka verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die seit rund 25 Jahren anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen in
Sri Lanka zwischen den „Befreiungstigern von Tamil Eelam“ (LTTE) und der
Regierung haben bislang mehr als 70 000 Menschen das Leben gekostet. Der
bewaffnete Konflikt zwischen den Regierungstruppen in Sri Lanka und den
Truppen der LTTE spitzt sich nunmehr dramatisch zu. Bis zu 170 000 Zivi-
listinnen und Zivilisten sollen auf einem Gebiet von nur 50 km2 zusammen-
gepfercht sein, auf welches die Kämpfer der LTTE zurückgedrängt worden sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für einen sofortigen Waffenstillstand zwischen der Regierung
Sri Lankas und der LTTE einzusetzen, damit es den Zivilistinnen und Zivi-
listen ermöglicht wird, die Kampfzone zu verlassen;

2. beide Konfliktparteien mit Nachdruck dazu aufzufordern, die Vorschriften
des humanitären Völkerrechts einzuhalten und den Schutz der Zivilistinnen
und Zivilisten zu gewährleisten;

3. beide Konfliktparteien dringend aufzufordern, humanitären Hilfsorganisa-
tionen sowie Journalistinnen und Journalisten ungehinderten Zugang zu den
umkämpften Gebieten sowie den Flüchtlingslagern zu gewährleisten;

4. die Regierung Sri Lankas zu drängen, mit den Staaten und Organisationen,
die bei einer Evakuierung von Zivilistinnen und Zivilisten aus den Kampf-
gebieten helfen wollen, zu kooperieren;

5. die Regierung Sri Lankas unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass den
Menschen in den Flüchtlingslagern Zugang zu einer medizinischen und

hygienischen Grundversorgung, ausreichenden Nahrungsmitteln und saube-
rem Wasser ermöglicht werden muss;

6. die Regierung Sri Lankas zu drängen, gegenüber den Flüchtlingen, die von
der Regierung Sri Lankas verdächtigt werden, Kämpferinnen und Kämpfer
der LTTE zu sein, rechtsstaatliche Verfahren anzuwenden, die Menschen-
rechtsstandards einzuhalten und dabei ein unabhängiges Monitoring durch
die Vereinten Nationen zu gewähren;

Drucksache 16/12436 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
7. sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft mit Nachdruck für interna-
tionale Friedensverhandlungen unter Einbeziehung der tamilischen Minder-
heit einzusetzen;

8. sich an die Regierungen Chinas, Indiens und Pakistans mit der dringenden
Aufforderung einer Unterstützung der Waffenstillstandsforderung zu wen-
den und sie zu einer Mitwirkung bei der Verhandlung eines Friedenspro-
zesses aufzufordern;

9. sich in der EU mit Nachdruck bis auf weiteres für die Aussetzung aller
Zollpräferenzen für Sri Lanka einzusetzen;

10. sich bei der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank bis auf
weiteres für die Aussetzung von Zusagen der Entwicklungskooperation
einzusetzen.

Berlin, den 25. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Viele der Zivilistinnen und Zivilisten im Kampfgebiet sind schwer verwundet,
fast alle ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Nahrung oder medizinischer
Versorgung. Sie werden von der LTTE als Geiseln und menschliche Schutz-
schilde benutzt, und die Regierungstruppen feuern weiterhin mit unverminder-
ter Kraft in das umkämpfte Gebiet und nehmen den Tod der Zivilistinnen und
Zivilisten dabei in Kauf. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein seit
Januar 2009 mehr als 2 300 Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden und
mehr als 6 500 Menschen zum Teil schwer verletzt worden.

Die Menschen, die sich aus dem Kampfgebiet retten konnten, leben derzeit in
Flüchtlingslagern, aus denen sie sich nicht entfernen dürfen. Es gibt Hinweise
über Erschießungen vermeintlicher LTTE-Kämpfer, Folter und Verschwinden-
lassen von Seiten der Regierungstruppen. Hilfsorganisationen haben keinen
Zugang zum Kampfgebiet. Das Internationale Rote Kreuz warnt vor einer ver-
heerenden humanitären Katastrophe und betont die Dringlichkeit einer Massen-
evakuierung der Zivilistinnen und Zivilisten aus den Kampfgebieten.

Journalistinnen und Journalisten können nicht über die Zustände im Kampf-
gebiet oder in den Flüchtlingslagern berichten. Insgesamt sind sie Einschüchte-
rung und Verfolgung ausgesetzt und müssen um ihr Leben fürchten. So wurde
im Januar 2009 der prominente Herausgeber der Zeitung „Sunday Leader“,
Lasantha Wickrematunge, ermordet. Auch die internationale Presse sieht sich
massiven Einschränkungen ausgesetzt.

Der Deutsche Bundestag vertritt die Auffassung, dass die Einhaltung von Men-
schenrechtsstandards, insbesondere der Schutz vor Diskriminierung und Garan-
tien für die Bewahrung der kulturellen Identität, sowie ein gewisses Maß an
Autonomie im Norden und Osten der Insel unbedingt erforderlich sind, wenn es
für den blutigen Konflikt in Sri Lanka eine langfristig haltbare Lösung geben
soll.

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