BT-Drucksache 16/12371

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Wolfgang Neskovic, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/10944- Rehabilitierung für die Verfolgung und Unterdrückung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und Entschädigung der Verurteilten b) zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/11440- Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten

Vom 20. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12371
16. Wahlperiode 20. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Wolfgang Neskovic, Karin
Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/10944 –

Rehabilitierung für die Verfolgung und Unterdrückung einvernehmlicher
gleichgeschlechtlicher Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik und Entschädigung der Verurteilten

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Birgitt
Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/11440 –

Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen
homosexueller Handlungen Verurteilten

A. Problem

Zu Buchstabe a

Mit dem Antrag soll der Deutsche Bundestag aufgefordert werden festzustellen,
dass sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der Deutschen
Demokratischen Republik Männer wegen einvernehmlicher gleichgeschlecht-
licher sexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt wurden. Der Deutsche Bun-
destag solle bedauern, dass das Recht der Bürger auf freie sexuelle Selbstbestim-
mung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen
Republik dadurch und so lange verletzt wurde, dass einvernehmliche gleichge-
schlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Männern mit Strafe bedroht waren.
In diesem Zusammenhang sei die Tatsache besonders kritikwürdig, dass in der

Bundesrepublik Deutschland bis 1969 sogar die strafverschärfende, national-
sozialistische Fassung der §§ 175 und 175a des Strafgesetzbuchs (StGB) in
Kraft blieb. Ebenso solle der Deutsche Bundestag die Diskriminierung und Un-
terdrückung gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen Frauen bedauern, die,
obschon nicht von Strafe bedroht, dennoch durch die restriktive heterosexuelle
Norm der Gesellschaft an der freien Entfaltung ihrer Sexualität gehindert wur-
den.

Drucksache 16/12371 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Daher solle der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. alle Urteile nach den §§ 175 und 175a Nummer 4 StGB in der Fassung des
Gesetzes vom 28. August 1935 (RGBl. I S. 839), soweit diese nicht bereits
von dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege erfasst sind, aufhebt und die ihnen zugrunde liegenden Ver-
fahren einstellt,

2. alle Urteile, die in der Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1950
und 1968 nach § 175 wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen zwi-
schen Männern ergangen sind, aufhebt und die ihnen zugrunde liegenden
Verfahren einstellt,

3. eine Regelung zur teilweisen Aufhebung dieser Urteile enthält, sofern einver-
nehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern nicht der einzige Grund
der Verurteilung waren und eine Regelung zur Entschädigung der von der
Strafverfolgung Betroffenen enthält. Etwaige weitergehende Entschädi-
gungsregelungen sollen davon unberührt bleiben.

Zu Buchstabe b

Mit dem Antrag soll der Deutsche Bundestag aufgefordert werden festzustel-
len, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bestrafung ein-
vernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen als Verstoß ge-
gen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) eingestuft hat.
Zudem solle der Deutsche Bundestag seine bereits am 7. Dezember 2000 ein-
stimmig getroffene Bewertung bekräftigen, „dass durch die nach 1945 weiter
bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde ver-
letzt worden sind.“ (Bundestagsdrucksache 14/4894, vergleiche auch Plenar-
protokoll 14/140). Es handele sich um Menschenrechtsverletzungen im großen
Ausmaß. Rehabilitierung und Entschädigung seien überfällig.

Daher solle der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die gesetzliche Rehabilitierung und Ent-
schädigung der Menschen vorsieht, die nach 1945 in Deutschland aufgrund
einer Strafbestimmung gegen homosexuelle Handlungen verurteilt wurden, die
nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
als menschenrechtswidrig anzusehen ist;

die entsprechenden Urteile aufzuheben und die ihnen zugrunde liegenden Ver-
fahren einzustellen. Vorzusehen sei zudem eine Regelung zur teilweisen Aufhe-
bung von Urteilen, sofern die genannten Tatbestände nicht der einzige Grund für
die Verurteilung waren;

festzulegen, dass die Entschädigung mindestens den Umfang haben solle, wie
sie im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)
für Schäden durch eine ungerechtfertigte strafgerichtliche Verurteilung vorgese-
hen sei.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/10944 mit den Stimmen der

Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12371

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/11440 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/12371 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 16/10944 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 16/11440 abzulehnen.

Berlin, den 18. März 2009

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic Jerzy Montag

Berichterstatter Berichterstatter
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitbe-
ratung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/10944 in seiner 87. Sitzung am 18. März 2009 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu empfeh-
len, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 16/10944 in seiner 82. Sit-
zung am 18. März 2009 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzu-
lehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag auf Drucksache 16/10944 in seiner 81. Sit-
zung am 18. März 2009 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/11440 in seiner 87. Sitzung am 18. März 2009 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.

DIE GRÜNEN beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzu-
lehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag auf Drucksache 16/11440 in seiner 81. Sit-
zung am 18. März 2009 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Zu dem Antrag auf Drucksache 16/10944 lag dem Rechts-
ausschuss eine Petition vor.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen in seiner 129. Sitzung
am 18. März 2009 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
beschlossen zu empfehlen, die Anträge auf Drucksachen
16/10944 und 16/11440 abzulehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, die Aufnahme der
Verurteilungen nach den §§ 175, 175a StGB a. F. in die Liste
der Unrechtsurteile bedeute zwar eine gewisse Anerkennung
des geschehenen Unrechts. Es sei indes notwendig, dass sich
der Deutsche Bundestag zu der Menschenrechtsverletzung
bekenne, die durch das Verbot des mittlerweile akzeptierten
gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens bestanden habe,
das auch nach dem zweiten Weltkrieg in den Strafgesetz-
büchern beider deutscher Staaten enthalten gewesen sei. Jen-
seits von Ideologien seien daher die nach 1945 ausgespro-
chenen Urteile aufzuheben und die betroffenen Menschen zu
rehabilitieren und zu entschädigen.

Berlin, den 18. März 2009

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12371

Bericht der Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb, Dr. Carl-Christian Dressel,
Jörg van Essen, Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag

I. Überweisung
Zu den Buchstaben a und b

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlagen auf Drucksachen
16/10944 und 16/11440 in seiner 199. Sitzung am 21. Januar
2009 beraten und an den Rechtsausschuss zur federführen-
den Beratung sowie an den Innenausschuss, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Aus-

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu empfeh-
len, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 16/11440 in seiner
82. Sitzung am 18. März 2009 beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.