BT-Drucksache 16/12174

Ausbildung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Vom 5. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12174
16. Wahlperiode 05. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Hirsch, Klaus Ernst, Dr. Petra
Sitte, Diana Golze, Dr. Lukrezia Joachimsen, Monika Knoche, Jan Korte, Wolfgang
Neskovic, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja
Seifert, Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Ausbildung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

In den letzten Wochen haben sich zahlreiche Psychotherapeutenverbände, Psy-
chotherapeutenkammern und Vertretungen der Psychotherapeutinnen und Psy-
chotherapeuten in Ausbildung (PiA) im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
zur Krankenhausfinanzierung an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des
Deutschen Bundestages gewandt und darauf hingewiesen, dass die praktische Tä-
tigkeit im Rahmen der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten
bzw. zur Psychologischen Psychotherapeutin nicht angemessen entlohnt werde
und ein Großteil der PiA unterhalb des Existenzminimums lebe.

Psychotherapie wird von Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit medizini-
scher Ausbildung und von solchen mit Vorbildung im Bereich Psychologie und
Pädagogik geleistet. Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten
bzw. zur Psychologischen Psychotherapeutin hat das abgeschlossene Psycholo-
giestudium zur Voraussetzung. Für die Ausbildung zum Kinder- und Jugend-
psychotherapeuten bzw. zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin sind auch
Pädagoginnen und Pädagogen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Heilpäda-
goginnen und -pädagogen und weitere angrenzende pädagogische Studien-
abschlüsse zugelassen. In dieser Anfrage bezeichnet der Begriff des „Psycho-
therapeuten“ bzw. der „Psychotherapeutin“ – wenn es nicht anders kenntlich
gemacht wird – die Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit psychologischer
oder pädagogischer Ausbildung.

Die Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist auf der
Grundlage des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten
und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz –
PsychThG) in der durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erlasse-
nen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychothera-
peuten (PsychTh-APrV) bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
(KJPsychTh-APrV) geregelt.

Die Ausbildung findet an staatlich anerkannten Ausbildungsstätten nach

§ 6 PsychThG statt und umfasst nach PsychTh-APrV bzw. KJPsychTh-APrV
einen praktischen Ausbildungsteil von mindestens 1 800 Stunden. Die Abnahme
der staatlichen Prüfung zum Abschluss der Ausbildung erfolgt durch die jeweils
zuständige Landesbehörde.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat mit der Ver-
ordnung über die Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten
für Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (PsychThV)

Drucksache 16/12174 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Grundlage für eine Förderung der Ausbildung nach dem Bundesgesetz über
individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz –
BAföG) geschaffen.

Die Bundesregierung hat ein Forschungsgutachten in Auftrag gegeben, in wel-
chem unter Leitung von Prof. Dr. Bernhard Strauß die Ausbildung zum Psycho-
logischen Psychotherapeuten bzw. zur Psychologischen Psychotherapeutin und
zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bzw. zur Kinder- und Jugend-
lichenpsychotherapeutin in Deutschland evaluiert werden soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Personen schließen jährlich eine Ausbildung zum Psychologi-
schen Psychotherapeuten bzw. zur Psychologischen Psychotherapeutin
ab?

b) Wie viele Menschen schließen jährlich eine Ausbildung zum Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten bzw. zur Kinder- und Jugendlichenpsy-
chotherapeutin ab?

c) Wie viele Menschen schließen jährlich eine Ausbildung zum ärztlichen
Psychotherapeuten bzw. zur ärztlichen Psychotherapeutin ab (bitte auf-
schlüsseln nach Fachärztinnen und -ärzten für psychosomatische Medizin
und Psychotherapie, Fachärztinnen und -ärzten für Psychiatrie und Psy-
chotherapie, Fachärztinnen und -ärzte mit Zusatzbezeichnung Psychothe-
rapie, Fachärztinnen und -ärzten für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie
und -psychotherapie)?

d) Wie viele Menschen brechen ihre Ausbildung zum Psychologischen Psy-
chotherapeuten bzw. zur Psychologischen Psychotherapeutin und zum
Kinder- und Jugendlichentherapeuten bzw. zur Kinder- und Jugend-
lichenpsychotherapeutin vor dem Abschluss ab?

e) Wie haben sich diese Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt?

2. a) Wie viele staatlich anerkannte Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG
gibt es in Deutschland (bitte nach Psychologischen Psychotherapeutinnen
und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen
und -therapeuten aufschlüsseln sowie nach den jeweils angebotenen aner-
kannten Richtlinienverfahren Analytische Psychotherapie, Tiefenpsycho-
logisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie)?

b) Bei wie vielen dieser Ausbildungsstätten handelt es sich um nicht ge-
meinnützige private, bei wie vielen um gemeinnützige private und bei
wie vielen um staatliche Einrichtungen (bitte nach Psychologischen Psy-
chotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsy-
chotherapeutinnen und -therapeuten aufschlüsseln sowie nach den jeweils
angebotenen anerkannten Richtlinienverfahren Analytische Psychothera-
pie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie)?

c) Bei wie vielen dieser Ausbildungsstätten handelt es sich um an Hoch-
schulen angegliederte Einrichtungen (bitte nach Psychologischen Psy-
chotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsy-
chotherapeutinnen und -therapeuten aufschlüsseln sowie nach den jeweils
angebotenen anerkannten Richtlinienverfahren Analytische Psychothera-
pie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie)?

3. a) Sind staatlich anerkannte Ausbildungsstätten in ausreichender Anzahl
vorhanden, um allen Bewerberinnen und Bewerbern eine Ausbildung zur
Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten zu ermöglichen (bitte

begründen)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12174

b) Sind nach Auffassung der Bundesregierung staatlich anerkannte Ausbil-
dungsstätten in ausreichender Anzahl vorhanden, um den Bedarf an aus-
gebildeten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu decken (bitte
begründen)?

4. a) Wie schätzt die Bundesregierung die personelle Ausstattung der psychia-
trischen und psychosomatischen Kliniken in Deutschland ein?

b) Hält die Bundesregierung es für gewährleistet, dass die psychiatrischen
und psychosomatischen Kliniken in Deutschland ausreichend Personal
vorhalten, um eine qualifizierte Anleitung der PiA zu gewährleisten (bitte
begründen)?

5. a) Ist die Ausbildung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im
Rahmen des bestehenden Bildungssystems aus Sicht der Bundesregie-
rung als Berufsausbildung, als berufliche Fort- bzw. Weiterbildung oder
als Studium einzuordnen?

b) Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass die Ausbildung der Psy-
chotherapeutinnen und Psychotherapeuten durch § 7 PsychThG aus dem
Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ausgenommen ist
(bitte begründen)?

c) Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass die Ausbildung der Psy-
chotherapeutinnen und Psychotherapeuten aus dem Geltungsbereich des
Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) aufgrund der dort for-
mulierten Anforderungen an Maßnahmen beruflicher Aufstiegsfortbil-
dungen ausgenommen ist (bitte begründen)?

d) Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass eine Förderung der Ausbil-
dung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Rahmen der
Arbeitsförderung aufgrund der im Dritten Buch Sozialgesetzbuch formu-
lierten Voraussetzungen nicht möglich ist (bitte begründen)?

e) Hält die Bundesregierung es für angemessen, PiA im Sinne der Ausbil-
dungsförderung als Studierende zu behandeln (bitte begründen)?

6. a) Welcher Anteil der PiA erhält derzeit Ausbildungsförderung nach dem
BAföG?

b) Wie viel davon erhalten derzeit die BAföG-Höchstförderung?

7. a) Sind die Bestimmungen der Studierendenförderung nach dem BAföG aus
Sicht der Bundesregierung auf die Situation von PiA sinnvollerweise
uneingeschränkt übertragbar (bitte begründen)?

b) In welchem Alter beginnen PiA durchschnittlich ihre Ausbildung, und
wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die im BAföG
bestehende Altersgrenze von 30 Jahren sowie die grundsätzliche Eltern-
abhängigkeit der Förderleistungen nach dem BAföG?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der erheblichen
Gebühren für die Ausbildung der Psychotherapeutinnen und Psycho-
therapeuten, dass Zuschüsse zu den Ausbildungsgebühren im BAföG
(anders als etwa im AFBG) ausgeschlossen sind?

8. a) Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass durch den Ausschluss der
Geltung des BBiG anders als in anderen Berufsausbildungen eine ange-
messene Vergütung für PiA nicht vorgeschrieben ist (bitte begründen)?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Budgets der psychia-
trischen und psychosomatischen Einrichtungen hinreichend ausgestattet
sein sollten, um auch für PiA eine angemessene tarifliche Vergütung

während des praktischen Teils der Ausbildung refinanzieren zu können
(bitte begründen)?

Drucksache 16/12174 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9. a) Teilt die Bundesregierung die vom Zusammenschluss der PiA im Bun-
desverband der Psychologen geäußerte Auffassung, dass aufgrund der
fehlenden Vergütung der praktischen Tätigkeit im Rahmen der Psycho-
therapeutenausbildung „unhaltbare Ausbildungsbedingungen“ entstan-
den sind (bitte begründen)?

b) Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Ausbildungsgebüh-
ren und der Bedingungen der Ausbildungsförderung sowie der Ausbil-
dungsvergütung die Gefahr einer ausgeprägten sozialen Selektion beim
Zugang zum Beruf des Psychotherapeuten bzw. der Psychotherapeutin
(bitte begründen)?

c) Liegen der Bundesregierung Kenntnisse über die soziale Zusammenset-
zung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor, und wenn ja,
welche?

d) Liegen der Bundesregierung Kenntnisse über die geschlechtsspezifische
Zusammensetzung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor,
und wenn ja, welche?

e) Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den Bedin-
gungen der Ausbildung sowie den Arbeitsbedingungen von Psychothera-
peutinnen und -therapeuten und ihrer geschlechtsspezifischen Zusam-
mensetzung, und wenn ja, welchen?

10. a) Wie viele der PiA haben nach Kenntnis der Bundesregierung Kinder?

b) Wie viele der PiA sind nach Kenntnis der Bundesregierung alleinerzie-
hend?

c) Wie schätzt die Bundesregierung angesichts der finanziellen Situation der
PiA die Möglichkeit der Vereinbarung von Familie und Ausbildung ein?

11. a) Zu welchen Anteilen wird die Ausbildung zur Psychotherapeutin bzw.
zum Psychotherapeuten in Voll- oder in Teilzeit absolviert (bitte auf-
schlüsseln nach den anerkannten Richtlinienverfahren Analytische Psy-
chotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltens-
therapie)?

b) Wie lang ist die durchschnittliche Dauer der Ausbildung zur Psycho-
therapeutin bzw. zum Psychotherapeuten (bitte nach Voll-/Teilzeit auf-
schlüsseln sowie nach den anerkannten Richtlinienverfahren Analytische
Psychotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhal-
tenstherapie)?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung, dass eine Förderung von Teilzeitaus-
bildungen nach dem BAföG nicht möglich ist?

12. a) Ist der Bundesregierung bekannt, dass von PiA im Rahmen der praktischen
Tätigkeit bereits eigenständig psychotherapeutische Behandlungen durch-
geführt werden, und wie wird dies von der Bundesregierung beurteilt?

b) Hält es die Bundesregierung inhaltlich für sinnvoll, dass die Ausbildungs-
verordnungen für PiA vorsehen, dass diese an der Behandlung, Diagnose
und Dokumentation lediglich zu beteiligen sind, statt diese unter Super-
vision selbständig durchzuführen (bitte begründen)?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung in Bezug hierauf die Kompetenzen von
Ärztinnen und Ärzten, psychotherapeutische Behandlungen bereits im
Rahmen der Facharztausbildung eigenständig durchzuführen?

13. a) Wie beurteilt die Bundesregierung den Kenntnisstand von ausgebildeten
Psychologinnen und Psychologen gegenüber dem Kenntnisstand von ap-

probierten Ärztinnen und Ärzten bezogen auf die Diagnose und Therapie
psychisch kranker Personen in klinischen Einrichtungen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12174

b) Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, dass die ärzt-
liche Psychotherapieausbildung im Gegensatz zur Psychotherapieausbil-
dung als berufliche Fortbildung angesehen wird und im Rahmen der Fach-
arztausbildung berufsbegleitend absolviert werden kann?

14. a) Wann wird das oben benannte Forschungsgutachten fertig gestellt sein?

b) Wann wird das Forschungsgutachten veröffentlicht werden?

c) Werden die Ergebnisse des Forschungsgutachtens uneingeschränkt für die
Öffentlichkeit zur Verfügung stehen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 4. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.