BT-Drucksache 16/1215

Konsequenzen aus der unterschiedlichen Strafverfolgung geringfügiger Drogendelikte in den Bundesländern

Vom 7. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1215
16. Wahlperiode 07. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Hans-Christian Ströbele, Birgitt Bender,
Elisabeth Scharfenberg, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Jerzy Montag,
Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland, Josef
Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konsequenzen aus der unterschiedlichen Strafverfolgung
geringfügiger Drogendelikte in den Bundesländern

Infolge eines im Jahre 2002 erteilten Auftrags des Bundesministeriums für Ge-
sundheit und Soziale Sicherung untersuchte das Max-Planck-Institut für aus-
ländisches und internationales Strafrecht (MPI) empirisch die Strafverfolgung
„konsumbezogener“ Drogendelikte sowie anschließende (präventive) Maßnah-
men der Ordnungsbehörden und veröffentlichte die Ergebnisse im März 2006.

Anders als die so genannte Aulinger-Studie von 1997 bestätigte das MPI die
Annahme, dass die Bundesländer – entgegen der Forderung des Bundesverfas-
sungsgerichts – sehr unterschiedlich von der Möglichkeit Gebrauch machen,
gemäß § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) von Strafverfolgung ab-
zusehen und die dabei vorausgesetzte „geringe Menge“ Droge sehr verschieden
interpretieren.

Nur in 20 Prozent der untersuchten Cannabis-Strafverfahren verfuhren die Straf-
verfolgungsbehörden der Bundesländer etwa gleich (bis zu einer Menge von
6 Gramm Cannabis, Tatverdächtige jünger als 20 Jahre, nicht einschlägig vorbe-
straft und keine Fremdgefährdung vorliegend). In den übrigen 80 Prozent der
Fälle wurde jedoch sehr verschieden verfahren (vor allem gegenüber Jugend-
lichen und Heranwachsenden oder anderweitig vorbestraften Betäubungsmittel-
Ersttätern).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Gründe führten zur Verzögerung bei der Fertigstellung und Veröf-
fentlichung der Untersuchungsergebnisse?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die vom MPI festgestellten Unterschiede
in der Strafverfolgungspraxis der Bundesländer

a) bei der Bemessung der „geringen Menge“,
b) bei der Behandlung von strafrechtlich bereits vorbelasteten, aber betäu-
bungsmittelspezifischen Ersttätern,

c) bei der Behandlung von betäubungsmittelspezifischen Wiederholungs-
tätern,

Drucksache 16/1215 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
d) bei der Behandlung von jugendlichen und heranwachsenden Beschuldig-
ten:

Sollten nach Auffassung der Bundesregierung Betäubungsmittel-Strafver-
fahren gegen diese vorrangig gemäß § 31a BtMG oder § 45 des Jugend-
gerichtsgesetzes eingestellt werden,

e) bei den polizeilichen Ermittlungen, insbesondere den in Berlin, Hessen,
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein sowie München angewendeten
„vereinfachten Verfahren“,

f) bei der differierenden Wertung einzelner Tatumstände in der staatsanwalt-
lichen Verfahrenserledigung,

g) bei der staatsanwaltschaftlichen Erledigung von Verfahren, die andere Be-
täubungsmittel als Cannabis betreffen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der aktuellen MPI-Unter-
suchung

a) angesichts abweichender Ergebnisse der „Aulinger-Studie“ von 1997,

b) hinsichtlich der Tendenz der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die
Obergrenze der „geringen Menge“ erst bei 10 statt schon bei 6 Gramm an-
zunehmen?

Was spräche dafür, solche Anhebung im Betäubungsmittelgesetz einheit-
lich festzuschreiben?

4. Wie steht die Bundesregierung zu einer Neuregelung des § 31a des Betäu-
bungsmittelgesetzes, wonach differenzierend bei kleineren Drogenmengen
das Strafverfahren obligatorisch einzustellen ist und bei etwas größeren
Mengen fakultativ eingestellt werden kann?

5. Könnte nach Auffassung der Bundesregierung eine einheitliche Definition
des „gelegentlichen Eigenverbrauchs“ bei Verfahren gegen Wiederholungs-
täter hier weiterhelfen?

Wie könnte diese aussehen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der MPI-Studie, wonach die
unterschiedliche Strafverfolgungspraxis den Konsum illegaler Drogen wahr-
scheinlich nicht direkt beeinflusst, also weder eine zurückhaltende Ver-
fahrenseinstellung den Konsum verringern hilft noch eine weitere Verfahrens-
einstellung den Konsum fördert?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, wonach die festgestellten Unter-
schiede in der Rechtspraxis der Länder im Lichte der Forderungen des Bun-
desverfassungsgerichts verfassungsrechtlich problematisch sind, und wenn
nein, warum nicht?

8. Welchen bundespolitischen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus
den Untersuchungsergebnissen ab?

Auf welche Weise – wenn nicht durch eine präzise Neufassung des Betäu-
bungsmittelgesetzes – will die Bundesregierung auf eine im Wesentlichen
gleichmäßige Rechtsanwendungspraxis der Länder hinwirken?

Berlin, den 7. April 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.