BT-Drucksache 16/1212

Situation und weitere Entwicklung im Pflegebereich

Vom 7. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1212
16. Wahlperiode 07. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe,
Kerstin Andreae, Matthias Berninger, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert,
Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Anna Lührmann, Brigitte
Pothmer, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Margareta Wolf (Frankfurt)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Situation und weitere Entwicklung im Pflegebereich

Die 1995 in Kraft getretene Soziale Pflegeversicherung ist dringend reform-
bedürftig. Bereits seit 1999 übersteigen ihre Ausgaben kontinuierlich die Ein-
nahmen. Auch im Jahr 2005 war nach Angaben des Bundesministeriums für
Gesundheit (BMG) vom 9. März 2006 ein Jahresdefizit in Höhe von 0,36 Mrd.
Euro zu verzeichnen. Das Defizit überstieg damit die ursprüngliche Prognose
des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom März 2005
um 0,12 Mrd. Euro.

Bereits seit 1999 ist somit beim derzeitigen Beitragssatz von 1,7 Prozent eine
ausgeglichene Bilanz nur noch durch Rückgriff auf die schmelzenden Finanz-
reserven der Sozialen Pflegeversicherung realisierbar. Gleichzeitig schreibt die
ebenfalls 1995 errichtete Private Pflegeversicherung aufgrund ihrer günstigen
Versichertenstruktur weiterhin jährlich Gewinne und hat Alterungsrückstellun-
gen in zweistelliger Milliardenhöhe aufgebaut.

Im gemeinsamen Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD für die Soziale
Pflegeversicherung zum einen die „Sicherung einer nachhaltigen und gerechten
Finanzierung“ (Koalitionsvertrag, S. 107) vereinbart, wozu im Sommer 2006
ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden soll. Zum anderen kündigt
die Koalition „Verbesserungen auf der Leistungsseite“ (ebd., S. 107 f.) an.

Eine Bestandsaufnahme und ein Blick in die Zukunft sind daher angezeigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Finanzentwicklung der Pflegeversicherung

1. Wie hoch waren im Jahr 2005 die absoluten Mehreinnahmen durch den seit
1. Januar 2005 erhobenen Zuschlag für kinderlose Versicherte in Höhe von
0,25 Prozent in der Sozialen Pflegeversicherung?
2. Welche Gründe kann die Bundesregierung für die Finanzentwicklung im
Jahr 2005 in der Sozialen Pflegeversicherung anführen?

3. Auf welche Summe beläuft sich die Finanzreserve der Sozialen Pflegever-
sicherung aktuell, zum einen absolut, zum anderen ausgedrückt in Monats-
ausgaben?

Drucksache 16/1212 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer Unterschreitung der Mindest-
reserve bzw. der gesetzlich vorgeschriebenen 1,5 Monatsausgaben in der
Sozialen Pflegeversicherung?

5. Welchen Einfluss auf die Entwicklung der Mindestreserve haben dabei die
einmaligen Mehreinnahmen durch die Vorziehung des Fälligkeitstermins
der Sozialbeiträge, die vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahresgutachten 2005/2006 (Bun-
destagsdrucksache 16/65) auf 0,6 Mrd. Euro beziffert werden?

6. Wie werden sich die Einnahmen und Ausgaben der Sozialen Pflegever-
sicherung nach Schätzung der Bundesregierung beim derzeitigen Beitrags-
satz von 1,7 Prozent bis zum Jahr 2010, 2020 und 2030 entwickeln, und
wie begründet die Bundesregierung diese Prognosen?

7. Wann wäre, das derzeitige Leistungsniveau vorausgesetzt, nach Schätzung
der Bundesregierung eine Anhebung des Beitragssatzes in der Sozialen
Pflegeversicherung erforderlich, um ein absolutes Defizit zu vermeiden,
und wie hoch müsste der Beitragssatz in den Jahren 2010, 2020 und 2030
jeweils sein?

8. Wie haben sich im Jahr 2005 die Einnahmen und Ausgaben der Privaten
Pflegeversicherung absolut und im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt,
und welche Gründe kann die Bundesregierung für diese Entwicklung an-
führen?

9. Auf welche Summe belaufen sich die Alterungsrückstellungen der Privaten
Pflegeversicherung aktuell?

10. Wie werden sich nach Schätzung der Bundesregierung in den Jahren 2010,
2020 und 2030 die Einnahmen, Ausgaben und Alterungsrückstellungen der
Privaten Pflegeversicherung entwickeln, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre Prognose?

II. Leistungsbezug in der Pflegeversicherung

11. Wie viele Versicherte bezogen im Jahr 2005 Leistungen der Sozialen bzw.
Privaten Pflegeversicherung, aufgeschlüsselt nach Pflegestufen, Geld- oder
Sachleistungsbezug sowie ambulanten und stationären Leistungen?

12. Wie hat sich dabei die Zahl der Leistungsempfänger in der Sozialen bzw.
Privaten Pflegeversicherung im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt, auf-
geschlüsselt nach Pflegestufen, Geld- oder Sachleistungsbezug sowie am-
bulanten und stationären Leistungen, und wie schätzt die Bundesregierung
diese Entwicklung ein?

13. Mit welcher Entwicklung beim Leistungsbezug rechnet die Bundesregie-
rung in der Sozialen bzw. Privaten Pflegeversicherung in den Jahren 2010,
2020 und 2030, und wie begründet die Bundesregierung diese Prognose?

III. Umsetzung geltenden Rechts

14. Was kann die Bundesregierung berichten über den Stand der Umsetzung
des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Pflegeleistungs-Ergänzungs-
gesetzes (PflEG), mit dem zusätzliche niedrigschwellige Versorgungs-
angebote für demenziell Erkrankte erschlossen werden sollen, und wie
schätzt die Bundesregierung unter Beachtung des im Koalitionsvertrag
diesbezüglich festgestellten Reformbedarfs diese Entwicklung ein?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die seit 1. Januar 2006 geltende Qualitäts-
prüfrichtlinie (QPR) der Spitzenverbände der Pflegekassen angesichts des

Ziels der Bundesregierung des Bürokratieabbaus ein, und wie begründet
die Bundesregierung ihre Einschätzung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1212

16. Welche Gründe sprachen aus Sicht der Bundesregierung für bzw. gegen die
Genehmigung der QPR durch die Bundesregierung, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Entscheidung, die QPR am 10. November 2005 zu
genehmigen?

17. Deckt sich aus Sicht der Bundesregierung die QPR mit den von Pflegeleis-
tungserbringern und -kostenträgern gemeinsam vereinbarten Maßstäben und
Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach
§ 80 SGB XI, und wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?

IV. Reformvorhaben

18. Hält die Bundesregierung an ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Zeit-
plan fest, bis zum Sommer 2006 einen Gesetzentwurf zur „Sicherung einer
nachhaltigen und gerechten Finanzierung der Pflegeversicherung“ vorzu-
legen?

19. Wie schätzt die Bundesregierung das Modell der Kaufmännischen Kran-
kenkasse (KKH) vom Jahr 2006 für einen – ebenfalls im Koalitionsvertrag
vereinbarten – Finanzausgleich zwischen Sozialer und Privater Pflegever-
sicherung ein, und wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?

20. Wie definiert die Bundesregierung die in ihrem Jahreswirtschaftsbericht für
das Jahr 2006 angekündigte Sicherstellung einer „ausreichenden und ange-
messenen Pflege“ (Bundestagsdrucksache 16/450, S. 34), und wie begrün-
det die Bundesregierung diese Definition?

21. a) Soll die Behandlungspflege als Daueraufgabe bei der Pflegeversiche-
rung verbleiben, wie im Koalitionsvertrag vereinbart?

b) Welche Gründe sprechen für das Verbleiben der Behandlungspflege bei
der Pflegeversicherung, welche dagegen?

Berlin, den 7. April 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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