BT-Drucksache 16/12115

Alle Formen von Diskriminierungen thematisieren - Bürgerrechte von Fußballfans stärken - Für einen friedlichen und integrativen Fußballsport

Vom 4. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12115
16. Wahlperiode 04. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Monika Lazar, Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt,
Volker Beck (Köln), Hans-Josef Fell, Kai Gehring, Jerzy Montag, Claudia Roth
(Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian
Ströbele, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Alle Formen von Diskriminierungen thematisieren – Bürgerrechte von Fußballfans
stärken – Für einen friedlichen und integrativen Fußballsport

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Fußball ist in der Bundesrepublik Deutschland die beliebteste Sportart. Der
Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB) zählt über sechs Millionen Mitglieder in
mehr als 25 000 Vereinen. Über 17 Millionen Fans verfolgten allein die Spiele
der 1. und 2. Bundesliga in der vergangenen Saison. Leider werden aber immer
wieder Spielerinnen/Spieler und Anhängerinnen/Anhänger Opfer von diskrimi-
nierenden Äußerungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dadurch rückt
die integrative Wirkung des Fußballs in den Hintergrund. Der DFB hat das
Problem erkannt und wichtige Initiativen angeregt. Trotzdem werden die Ver-
eine und Verbände mit Aufgaben konfrontiert, die gesamtgesellschaftlich zu
lösen sind. Auch die Bundesregierung ist aufgerufen, ihren Teil dazu beizutra-
gen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Gremien darauf hinzuwirken,
dass alle Fußballvereine und Landesverbände in Deutschland die Erklärung
„Gegen Diskriminierung im Fußball“ unterzeichnen und die in ihr genannten
Ziele in der Praxis umsetzen;

2. die Einrichtung einer „Antidiskriminierungszentrale Sport“ nach dem Vor-
bild der Koordinationsstelle Fanprojekte zu unterstützen, die neben Fußball
auch für weitere Sportarten Anlaufpunkt ist. Diese Zentrale sollte auf Basis
des Projekts „Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminie-
rung“ aufgebaut und in die Strukturen der Deutschen Sportjugend integriert
werden;

3. in Zusammenarbeit mit DFB und DFL (Deutsche Fußball Liga GmbH) ein
Konzept zum Umgang mit Diskriminierungen zu entwickeln und sich für
regelmäßige Schulungen von Übungsleiterinnen/Übungsleitern, Schieds-
richterinnen/Schiedsrichtern, Ordnerinnen/Ordnern, Fanbetreuerinnen/Fan-
betreuern und Sicherheitsbeauftragten einzusetzen;

Drucksache 16/12115 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. den DFB und die DFL bei der Durchführung jährlicher Fankongresse zu un-
terstützen, damit demokratische Partizipation und Transparenz im bundes-
deutschen Fußball vertieft werden;

5. die kürzlich für rechtswidrig erklärte Datei „Gewalttäter Sport“ auf eine ver-
fassungsgemäße Grundlage zu stellen. Die Einhaltung von Datenschutz-
standards und die Informationspflicht an die Betroffenen müssen bei der
Ausgestaltung der Datei gewährleistet sein. Bei den Regelungen zur Auf-
nahme von Personen in diese Datei muss das Gebot der Verhältnismäßigkeit
beachtet werden;

6. Metastudien über die Entwicklung im Zuschauerinnen-/Zuschauerverhal-
ten, die im Zweijahresrhythmus erstellt werden sollten, zu fördern. Der Fo-
kus der Analyse sollte vom Profifußball auf den Amateur- und Jugendfuß-
ball erweitert werden;

7. die finanziellen Mittel für die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) zu
erhöhen, damit zukünftig effektive Controlling- und Beratungsprogramme
für die bestehenden Fanprojekte realisiert und neue nach dem Nationalen
Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) ausgerichtete Fanprojektvorhaben
unterstützt werden können;

8. einen Fonds einzurichten, mit dem Projekte für Respekt und Toleranz, wie
die European Gay & Lesbian Sport Federation oder F_in Netzwerk Frauen
im Fußball sowie lokale Projekte wie die Leipziger Initiative „Bunte
Kurve“, finanziell zu fördern, damit neben Rassismus auch andere Diskri-
minierungen im Fußball verstärkt behandelt werden;

9. den Aufbau von gewaltpräventiven, antidiskriminierenden und integrativen
Initiativen auf Landesebene analog zum Programm „Interkulturelles Kon-
fliktmanagement im Fußball“ der Sportjugend Hessen zu unterstützen;

10. eine dauerhafte Ombudsstelle einzurichten, die unbürokratisch zwischen
Fans, Verbänden, Vereinen, Fanprojekten und Sicherheitsbehörden vermit-
telt. Empfehlungen dieser Instanz sollten von Polizei, Verbänden und Ver-
einen akzeptiert werden. Dadurch können bei Stadionverboten das Prinzip
der Einzelfallgerechtigkeit und mehr Transparenz gewährleistet werden;

11. Maßnahmen für eine verbesserte, anlassunabhängige und dauerhafte Zu-
sammenarbeit zwischen der Bundespolizei und den Fanprojekten zu ergrei-
fen, damit festgestellte Spannungen zwischen Sicherheitsbehörden und der
zum größten Teil friedlichen Fanszene abgebaut werden;

12. sicherzustellen, dass finanzielle Mittel für eine präventive und pädago-
gische Fansozialarbeit nach den Vorgaben des NKSS bereitgestellt werden.
Damit das Prinzip der Drittelfinanzierung (DFB, Länder, Kommunen) nicht
unterlaufen wird, könnten von den betroffenen Projekten zusätzliche
Finanzmittel des Bundes für Sonderprojekte gegen Diskriminierung und
Gewalt beantragt werden.

Berlin, den 4. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12115

Begründung

Aktuellen Studien zufolge ist in den letzten Jahren diskriminierendes sowie
neonazistisches Verhalten der Fans zumindest in den Profiligen rückläufig.1 Hier
können erste positive Folgen der Antidiskriminierungskampagnen von Fan-
initiativen, Fanprojekten sowie internationalen und nationalen Fußballverbän-
den erkannt werden. Diese haben wesentlich zur Problemsensibilisierung, be-
sonders gegenüber Rassismus und Antisemitismus beigetragen.

Weiter haben bereits eine Reihe von Fußballvereinen aus dem Profi- und Ama-
teurbereich die unter anderem vom DFB und der DFL unterzeichnete Kampagne
„Gegen Diskriminierung im Fußball“ unterstützt und sich damit bereit erklärt,
aktiv gegen jede Art von Diskriminierung vorzugehen. Wir begrüßen, dass mit
dieser Kampagne anerkannt wird, dass es im Fußball neben Rassismus auch an-
dere Formen der Diskriminierung wie z. B. Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie oder Sexismus gibt
und dass jegliche Form der Diskriminierung immer Menschen betrifft, die Teil
der Fußballwelt sind: Fans, Spielerinnen/Spieler, Trainerinnen/Trainer, Betreu-
erinnen/Betreuer und Schiedsrichterinnen/Schiedsrichter. Allerdings bleibt auch
zu konstatieren, dass auf der Ebene der Vereine noch immer bei einigen Ver-
treterinnen/Vertretern die Angst vor Imageschäden größer ist als das Interesse an
einer umfassenden Auseinandersetzung mit den genannten Formen der Dis-
kriminierung.

Die grundsätzlich zu beobachtende Rückläufigkeit von diskriminierendem so-
wie neonazistischem Verhalten in den Fußballstadien beschränkt sich im We-
sentlichen auf die Bundesligen und sagt nichts über die Einstellungsmuster der
jeweiligen Fans aus. Statistische Analysen belegen eine hohe Quote von Men-
schen, bei denen diskriminierende Einstellungen zum manifesten Bestandteil
der eigenen Identität gehören.2 Diese verbreitete Ideologie der Ungleichwertig-
keit ist die Grundlage für einen unverändert hohen gesellschaftlichen Hand-
lungsbedarf, der auch im Fußball gegeben ist.

Selten im Fokus der überregionalen Presse stehen Diskriminierungen, die sich
in den Amateur- und Jugendligen ereignen. Die antisemitischen Beleidigungen
von Spielern des TuS Makkabi Berlin e. V. im September 2006 sind ein Beleg
dafür. Die verhältnismäßig geringe Berichterstattung in den Medien sowie ein
eher bescheidenes Interesse der jeweiligen Fußballverbände an derartigen Vor-
kommnissen dürfen über die vermutete Dunkelziffer nicht hinwegtäuschen.

Als Reaktion auf die Gewalteskalationen der 1980er-Jahre wurden ordnungs-
politische Strukturen im NKSS geschaffen. Obwohl der größte Teil der Stadion-
besucherinnen/Stadionbesucher friedlich ist, werden Fußballfans häufig als
Sicherheitsproblem deklariert. Dadurch werden Videoüberwachung in und um
die Stadien, das Eskortieren von Gästefans in sogenannten Polizeikesseln oder
Leibesvisitationen an den Stadiontoren legitimiert.

Ein besonders drastischer Vorfall ereignete sich bei der UEFA-Cup-Partie
zwischen dem FC Schalke 04 und Paris Saint-Germain FC am 23. Oktober 2008
in Gelsenkirchen. Im Einlassbereich mussten sich die Anhängerinnen/Anhänger
des französischen Clubs in aufgestellten Kabinen vor dem Ordnungsdienst
komplett entkleiden. Durch diese Maßnahme, die in Absprache mit der Polizei
stattfand, sollte das Mitführen von pyrotechnischen Erzeugnissen ins Stadion
unterbunden werden.

1 Vgl. Behn, Sabine/Schwenzer, Victoria: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus im
Zuschauerverhalten und Entwicklung von Gegenstrategien, in: Pilz, Gunter A. u. a.: Wandlungen des
Zuschauerverhaltens im Profifußball, Bonn 2006, S. 328.

2 Vgl. Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 7, Frankfurt/ Main 2009 und Decker, Oliver/
Brähler, Elmar: Bewegung in der Mitte: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008, Berlin
2008.

Drucksache 16/12115 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Derartige Handlungen und die nach Meinung der Fans unverhältnismäßigen
Polizeieinsätze führen zu einem Anstieg der Gewaltbereitschaft und zu neuen
Feindbildern von Fußballfans gegenüber der Polizei, wie die Koordinations-
stelle Fanprojekte (KOS) feststellte.3

Die Novellierung der „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadion-
verboten“ durch den DFB ist zu begrüßen. Dadurch werden den Vereinen mehr
Spielräume im Umgang mit delinquenten Fans eingeräumt. Bisher nutzen
jedoch nicht alle Vereine die neuen Möglichkeiten, mehr Transparenz und Ein-
zelfallgerechtigkeit bei der Verhängung von Stadionverboten zu erreichen. Wei-
terhin wird bei der Verhängung von Stadionverboten in den wenigsten Fällen
darauf geachtet, welches Alter und welchen sozialen Hintergrund der oder die
Betroffene hat. Dadurch wird in Kauf genommen, dass Jugendliche in gleicher
Weise bestraft werden wie Erwachsene. In der Vergabepraxis der Verbote sollte
das Primat auf pädagogische Bewährungsmaßnahmen gelegt werden. Zu Recht
fordern Fanvereinigungen wie das Bündnis Aktiver Fußballfans e. V. das Fest-
halten an der Unschuldsvermutung als verfassungsrechtlich zugesichertes Recht
eines jeden Menschen. Auch Fußballfans darf dieses Recht nicht aberkannt wer-
den.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat in einem Urteil
vom 16. Dezember 2008 (Az.: 11 LC 229/08) entschieden, dass der Betrieb der
Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts rechtswidrig ist. Die
Dauer der Speicherungen ist viel zu lang, Auskunfts- und Löschungsansprüche
unbefriedigend. Die gegenwärtige Praxis der Speicherung ohne Rechtsgrund-
lage unterläuft in unzulässiger Weise die Schutzrechte der Bürgerinnen/Bürger.
In der Praxis können Betroffene auch ohne rechtskräftige Verurteilungen oder
konkrete Verdachtsmomente durch einen Eintrag in die Datei „Gewalttäter
Sport“ in ihrer Bewegungsfreiheit, zum Beispiel bei Grenzübertritten, einge-
schränkt werden.

Nach Einschätzung der Fanprojekte und der KOS wächst in den neuen und alten
Bundesländern die Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den Fan-
gruppen. Zudem ist zu beobachten, dass sich das Gewaltpotential weder lokal
auf die Stadien und deren Umgebung noch temporär auf die Spieltage be-
schränkt. Ein aktuelles Beispiel kann in Leipzig erkannt werden, wo sich seit
Jahren rivalisierende Fangruppen bekämpfen und diese Auseinandersetzungen
bis in den Alltag der zumeist jugendlichen Fans hineinreichen.

In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden die Fußballstadien für organisierte
Neonazis als Rekrutierungsfeld angesehen. Verschiedene Kampagnen gegen
Neonazismus hatten zur Folge, dass sowohl viele Vereine, Fans als auch die
Sicherheitsorgane sensibel auf die Thematik reagierten. In den Profiligen ist
neonazistisches Zuschauerverhalten in den Hintergrund gerückt. Stattdessen
agieren Neonazis und Sympathisanten der Szene subtiler, zum Beispiel durch
das Tragen der Bekleidungsmarke „Thor Steinar“, die als Erkennungs- und
Identifikationsmerkmal der rechten Szene dient.

Auf der Ebene des Jugend- und Amateurfußballs sind Neonazis ebenfalls aktiv.
Eine Strategie stellt die direkte Unterwanderung bestehender Fußballvereine
durch die Wahl in ehrenamtliche Funktionen der Vereine dar. Ebenso gründen
rechte Gruppierungen eigene Sportvereine. Dadurch sollen im vorpolitischen
Raum des Sports rechte Ideologien niedrigschwellig transportiert werden.4

Die dargestellten Problemlagen bedürfen einer gesamtgesellschaftlichen Gegen-
strategie. Der DFB und die DFL haben in den letzten Jahren die gesellschaftliche

3 Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj (KOS)/dsj-Projekt „Am Ball bleiben – Fußball gegen Ras-
sismus und Diskriminierung“: „Extremismus und Gewalt im Fußball“, Fragenkatalog zur Anhörung im
Sportausschuss des Deutschen Bundestages am 12. November 2008 in Berlin.

4 Vgl. ebd.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12115

Initiative ergriffen und eine hohe Dialogbereitschaft gezeigt. Die von ihnen or-
ganisierten Vernetzungstreffen mit den Fanbeauftragten der Vereine, die Ar-
beitsgruppe Fandialog sowie die Gremiumwerdung der Task-Force-AG „Für
Anerkennung und Toleranz, gegen Rassismus und Diskriminierung” sind rich-
tige Schritte und geben Anlass zur Hoffnung, dass daraus tragende und nachhal-
tige Konzepte für die Antidiskriminierungsarbeit entwickelt werden können.
Diese können teilweise auch auf andere Sportarten übertragen werden, bei denen
sich, wie im Handball, ähnliche, wenn auch weniger stark ausgeprägte Tenden-
zen beobachten lassen.

Die Antidiskriminierungsregeln des Weltfußballverbandes FIFA müssen auf
allen Ebenen des bundesdeutschen Fußballs Anwendung finden. Vereine, Ver-
bände und weitere gesellschaftliche und staatliche Akteure können diese Ent-
wicklung flankieren und unterstützen. Die überwiegende Mehrheit der Aktiven
ist im größtenteils ehrenamtlich getragenen Amateur- und Jugendfußball orga-
nisiert. Diskriminierung und Gewalt müssen auch hier verstärkt thematisiert und
geahndet werden. Erfolgreiche gewaltpräventive und integrative Projekte, wie
das Programm „Interkulturelles Konfliktmanagement im Fußball“ der Sportju-
gend Hessen, sind auf die Bundesländer Hessen, Brandenburg, Thüringen und
Schleswig-Holstein beschränkt. Weitere bundesweit agierende Initiativen wie
das Projekt „Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung“,
welches vom DFB und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend finanziert und von der Deutschen Sportjugend verwaltet wird, sind
zeitlich befristet und vor allem personell begrenzt.

Die 40 nach dem NKSS gegründeten Fanprojekte, die 44 Bezugsfanszenen er-
reichen, bieten einen sozialpädagogischen Rahmen, um einerseits die Kreativität
und Selbstbestimmung der Fans zu stärken und andererseits Gewalt einzudäm-
men. Sie bündeln und artikulieren die Interessen der Fans gegenüber den Verei-
nen, vermitteln und koordinieren mit Polizei und Ordnungskräften die Sicher-
heitsaspekte im Vorfeld von Begegnungen und wirken deeskalierend. Die För-
derung dieser Projekte ist daher im Hinblick auf eine erfolgreiche Gewaltprä-
vention unerlässlich.

Es bleibt unverständlich, dass nach Einschätzung der KOS momentan nur die
Fanprojekte in Hamburg, Bochum, Dortmund, Schalke und Dresden nach den
ursprünglichen Vorgaben des NKSS finanziert werden, welche eine jährliche
Finanzierung in Höhe von 154 000 Euro pro Bezugsfanszene vorsieht. Auch
andere Fanprojekte müssen jährlich neu um eine verlässliche Finanzierung
kämpfen. Daraus folgt die personelle Unterbesetzung in den meisten Fanprojek-
ten, unter der die Qualität der sozialpädagogischen Arbeit leidet. Somit können
zentrale, im NKSS festgelegte Aufgaben der Fanprojekte wie der „Abbau extre-
mistischer Orientierungen (Vorurteile, Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit)“
nur mangelhaft umgesetzt werden. Um diesem Missstand Rechnung zu tragen,
hoben DFB/DFL im Sommer des vergangenen Jahres ihre Höchstfördersumme
auf 60 000 Euro an, bei entsprechender Gegenfinanzierung von Kommunen und
Ländern. Die beiden letztgenannten Förderer der Fanprojekte und Partner in die-
sem Drittelfinanzierungsmodell sind dementsprechend gefordert.

Bislang fehlt ein effektives Controlling der lokalen Fanprojektarbeit durch die
KOS. Dieser Arbeitsbereich bedarf einer Intensivierung, da nicht wenige Fan-
projekte mit Gruppierungen arbeiten, die Verbindungen zu rechten Szenen
unterhalten. Wenn mit dieser Klientel zusammengearbeitet wird, muss eine hohe
pädagogische Sorgfalt der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in den Fanprojekten ge-
währleistet sein. Fehlt diese, besteht die Gefahr, dass Fanprojekte nicht ihrem
gesellschaftlichen und demokratischen Bildungsauftrag gerecht werden können
und die Räume und Angebote der staatlichen Sozialpädagogik für die Zwecke
von rechten Ideologen entfremdet werden.

Drucksache 16/12115 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Weiterhin fokussieren sich Fanprojekte zumeist auf eine zu Gewalt neigende
Klientel und nicht auf potenzielle Opfer von Diskriminierung und zivilgesell-
schaftlich couragierte Fans. Um diese Gruppen erfolgreich zu unterstützen, for-
dert der Fansoziologe Gerd Dembowski den Aufbau einer „Antidiskriminie-
rungszentrale Sport“, die einen bundesweiten Aktionsplan für die Sensibilisie-
rung und den nachhaltigen Abbau von diskriminierenden Einstellungs- und Ver-
haltensmustern im und durch den Sport erreichen soll.

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