BT-Drucksache 16/12107

Weitere Verschlechterung der Rechtssituation von Homosexuellen in Nigeria verhindern

Vom 4. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12107
16. Wahlperiode 04. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Weitere Verschlechterung der Rechtssituation von Homosexuellen in Nigeria
verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag verurteilt die Menschenrechtsverletzungen gegen
Homosexuelle in Nigeria und betrachtet mit großer Sorge den im nigeria-
nischen Parlament eingebrachten Gesetzentwurf zu homosexuellen Partner-
schaften, der sowohl die Beziehung oder Heirat zwischen Personen des glei-
chen Geschlechts unter Strafe stellt als auch jede Art der Förderung oder
Unterstützung der Rechte von Lesben und Schwulen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die nigerianische Regierung und das Parlament an ihre internationalen und
nationalen Verpflichtungen zu erinnern, die Menschenrechte aller ihrer Bür-
ger zu schützen;

2. im Rahmen ihrer bilateralen Gespräche auf die nigerianische Regierung und
das Parlament nachdrücklich einzuwirken, damit dieser Gesetzentwurf nicht
beschlossen wird;

3. gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten bei der nigerianischen
Regierung zu demarchieren;

4. sich bei der nigerianischen Regierung für die Abschaffung der Strafbarkeit
von Homosexualität einzusetzen;

5. sich weltweit verstärkt gegen eine Diskriminierung von Homosexuellen ein-
zusetzen, insbesondere auch im Rahmen der bilateralen und multilateralen
Entwicklungszusammenarbeit.

Berlin, den 4. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/12107 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Der nigerianische Justizminister Bayo Ojo hat am 19. Januar 2006 einen Gesetz-
entwurf vorgelegt, der sowohl die Beziehung oder Heirat zwischen Personen des
gleichen Geschlechts unter Strafe stellt als auch jede Art der Förderung oder
Unterstützung der Rechte von Lesben und Schwulen (AN ACT TO MAKE PRO-
VISIONS FOR THE PROHIBITION OF SEXUAL RELATIONSHIP BET-
WEEN PERSONS OF THE SAME SEX, CELEBRATION OF MARRIAGE
BY THEM AND FOR OTHER MATTERS CONNECTED THEREWITH).

Homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen werden schon jetzt nach
Nigerias Strafrecht (Kapitel 42 Abs. 214) mit 14 Jahren Gefängnis bestraft.
Sexuelle Beziehungen zwischen Männern werden im gesamten nigerianischen
Bundesgebiet strafrechtlich verfolgt. Nach dem Sharia-Strafrecht, das in den
zwölf nördlichen Bundesstaaten geltendes Recht ist, wird Homosexualität mit
dem Tod durch Steinigung bestraft.

Der neue Gesetzentwurf sieht fünf Jahre Gefängnis für jeden vor, der eine
Beziehung mit einer Person des gleichen Geschlechts hat oder eine gleich-
geschlechtliche Heirat durchführt, bezeugt und begünstigt. Ebenso unter Strafe
gestellt werden die Registrierung oder der Unterhalt von Homosexuellenclubs,
-vereinen und -organisationen. Der Gesetzentwurf verbietet des Weiteren
jegliche öffentliche und private Zurschaustellung von gleichgeschlechtlichen
erotischen Beziehungen, ebenso die Adoption eines Kindes durch Lesben oder
Schwule. Jeder, der homosexuelle Verbindungen unterstützt und ihnen in
irgendeiner Weise behilflich ist, erhält ebenfalls eine Gefängnisstrafe von fünf
Jahren. Zusätzlich erklärt das Gesetz gleichgeschlechtliche formale Ehen für
ungültig, die im Ausland geschlossen wurden. Es darf auch nicht mehr über
homosexuelle Beziehungen in elektronischen und Printmedien berichtet werden.

Auf eine schriftliche Frage (Bundestagsdrucksache 16/2924) des Abgeordneten
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Verschlechterung der
Rechtssituation von Homosexuellen antwortete die Bundesregierung am 9. Ok-
tober 2006, es sei nicht wahrscheinlich, dass der Gesetzentwurf in der vorliegen-
den Form verabschiedet wird. Mit dieser Begründung wurde auch der Antrag
auf Bundestagsdrucksache 16/4747 mit dem Titel „Weitere Verschlechterung
der Rechtssituation von Homosexuellen in Nigeria verhindern“ von den Koali-
tionsfraktionen der CDU/CSU und SPD im April 2007 abgelehnt.

Mittlerweile steht der Gesetzentwurf jedoch im Parlament zur Abstimmung an.
Das Nigerianische „House of Representatives“ hat dem Gesetzentwurf bereits
am 15. Januar 2009 in zweiter Lesung zugestimmt. Sollte der Gesetzentwurf
in dritter Lesung angenommen werden, müssen nur noch Senat und Präsident
zustimmen.

Ein Inkrafttreten des Gesetzes würde die Aktivitäten von Menschenrechtsvertei-
digern und der Zivilgesellschaft massiv beschränken. Indem die ohnehin hohen
Strafen noch weiter verschärft werden, werden die intensiven Vorurteile gegen
Homosexuelle in der nigerianischen Gesellschaft weiter geschürt.

Obwohl die HIV-Übertragung in Nigeria, wie in ganz Afrika, hauptsächlich über
heterosexuellen Verkehr stattfindet, gefährdet die Regierung mit diesem Gesetz
ihre eigenen Erfolge in der HIV-Prävention, indem sie Homosexuelle in den
Untergrund treibt, die ohnehin unter ihrer Stigmatisierung zu leiden haben.
Dadurch wird es schwieriger, diese Bevölkerungsteile überhaupt zu erreichen
und medizinisch zu behandeln. Teile der bürgerlichen Gesellschaft, die sich in
der HIV-Vorbeugung engagieren werden kriminalisiert.

Der UNAIDS-Repräsentant in Nigeria hat sich klar gegen diesen Gesetzentwurf
ausgesprochen, ebenso wie eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen wie
Human Rights Watch und Amnesty International.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12107

Der Gesetzentwurf steht im Widerspruch zur nigerianischen Verfassung und zu
diversen internationalen Abkommen und Verträgen, die der nigerianische Staat
unterzeichnet hat.

Die nigerianische Verfassung garantiert jedem nigerianischen Staatsbürger in
Artikel 39 die Meinungsfreiheit, in Artikel 40 die Versammlungsfreiheit und in
Artikel 35 die allgemeine Freiheit der Person. Diese Grundrechte wären durch
den Gesetzentwurf verletzt.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), dem
Nigeria 1993 beitrat, schützt das Recht auf freie Meinungsäußerung (Arti-
kel 19), Gewissensfreiheit (Artikel 18), Versammlungsfreiheit (Artikel 21) und
Vereinigungsfreiheit (Artikel 22). Das ICCPR bestätigt die Gleichheit aller
Menschen vor dem Gesetz und das Recht von Freiheit von Benachteiligung in
den Artikeln 2 und 26. In einem grundlegenden Fall aus dem Jahr 1994 (Toonen
versus Australia) hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen fest-
gelegt, dass auch die sexuelle Orientierung unter diesen Artikeln vor Diskrimi-
nierung geschützt ist.

Die afrikanische Charta der Menschenrechte (African Charter on Human and
People’s Rights) erklärt in Artikel 2 die Gleichheit aller Menschen: Jedes In-
dividuum hat Anspruch auf die erwähnten und garantierten Rechte und Freihei-
ten, ohne Unterschied wie Rasse, ethnische Gruppe, Farbe, Geschlecht, Sprache,
Religion, politische oder irgendeine andere Meinung, nationale und soziale
Herkunft, Vermögen, Geburt oder jeglicher anderer Status. Artikel 3 garantiert
jedem Menschen Gleichheit vor dem Gesetz. Artikel 28 schreibt vor, dass jedes
Individuum die Pflicht hat, die Mitbürger zu respektieren und ohne Diskriminie-
rung zu achten und Beziehungen zu ihnen zu pflegen mit dem Ziel, sie zu för-
dern, zu schützen und gegenseitigen Respekt und Toleranz zu verstärken.

Sollte der Gesetzentwurf in der aktuellen Form in Kraft treten, wäre dies eine
weltweit einmalige gesetzlich verankerte massive Verletzung der Menschen-
rechte von Homosexuellen.

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