BT-Drucksache 16/11926

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - 16/11740 - Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland

Vom 11. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11926
16. Wahlperiode 11. 02. 2009

Änderungsantrag
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Lothar Bisky,
Dr. Martina Bunge, Katja Kipping, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken),
Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD
– Drucksachen 16/11740, 16/11801 –

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität
in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Artikel 8 wird wie folgt geändert:

Nummer 4 wird wie folgt neu gefasst:

,4. Folgender § 74 wird angefügt:

㤠74
Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland

§ 28 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 wird bis zur Ermittlung eines bedarfs- und
altersgerechten Regelsatzes für Kinder und Jugendliche außer Kraft gesetzt.
Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Regelsätze für sonstige Haushaltsange-
hörige rückwirkend zum 1. Januar 2009 folgendermaßen festgelegt:
1. bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres mit 276 Euro,
2. ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres mit 332 Euro

und
3. ab Beginn des 15. Lebensjahres mit 358 Euro.“‘

2. Artikel 15 wird wie folgt geändert:

,§ 3 Absatz 2 der Regelsatzverordnung vom 3. Juni 2004 (BGBl. I
S. 1067), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 20. November 2006
(BGBl. I S. 2657) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„Die Regelsätze von sonstigen Haushaltsangehörigen werden durch eine
Kommission bedarfsgerecht und nach Altersgruppen spezifiziert ermittelt.
Bis zu der Umsetzung von Satz 1 werden die Regelsätze für sonstige Haus-
haltsangehörige rückwirkend zum 1. Januar 2009 folgendermaßen festge-
legt:
1. bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres mit 276 Euro,

Drucksache 16/11926 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres mit 332 Euro
und

3. ab Beginn des 15. Lebensjahres mit 358 Euro.“‘

Berlin, den 11. Februar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

In ihren jüngsten Urteilen haben das Bundessozialgericht (BSG) und das Hessi-
sche Landessozialgericht die Ermittlung des Kinderregelsatzes für verfassungs-
widrig erklärt, das Bundesverfassungsgericht angerufen und eine am Kindes-
bedarf orientierte Bemessung verlangt. Diese massiven verfassungsrechtlichen
Bedenken darf der Gesetzgeber nicht ignorieren (Hessisches Landessozialge-
richt vom 29. Oktober 2008, L 6 AS 336/07; BSG, Beschluss vom 27. Januar
2009; vgl. „Der Staat zahlt zu wenig für Kinder“. Hessische Sozialrichter rufen
das Bundesverfassungsgericht an und wollen die staatlichen Leistungen für den
Nachwuchs überprüfen lassen, Süddeutsche Zeitung vom 26. Januar 2009;
Hartz IV für Kinder verfassungswidrig. Bundessozialgericht lehnt pauschale
Zahlungen ab, Berliner Zeitung vom 28. Januar 2009).

In seiner Sitzung vom 7. November 2008 forderte der Bundesrat „die Bundes-
regierung […] auf, wie auch bereits in der Entschließung des Bundesrates vom
23. Mai 2008 (vgl. Bundesratsdrucksache 329/08 (Beschluss)), die Regelleis-
tungen sowie die Regelsätze für hilfebedürftige Kinder neu zu bemessen. Hier-
bei sind insbesondere die besonderen Bedarfe für die Mittagsverpflegung in
Ganztagsschulen oder Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot
am Nachmittag und in Kindertageseinrichtungen zu berücksichtigen.“ (Bundes-
ratsdrucksache 753/08 (Beschluss) vom 7. November 2008).

Im Beschluss der Bundesregierung zum Konjunkturpaket II schreibt die Koali-
tion, dass mit den Anhebungen der Regelleistungen nach dem Zweiten und
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. XII) für 6- bis 13-jährige Kinder
„dem Anliegen u. a. des Bundesrates, die Regelsätze für Kinder nach einer
Überprüfung anhand des realen Bedarfes anzupassen, Rechnung getragen“
werde (http://www.bundesregierung.de sowie Drucksache 16/11740, S. 49).

Der einmalige anrechnungsfreie Kinderbonus von 100 Euro und die Anhebung
der Regelleistungen nach SGB II bzw. XII für 6 bis 13-jährige Kinder im Kon-
junkturpaket II sind nicht ausreichend. Kinder und Jugendliche unter 6 und
über 13 Jahren im Regelbedarf nach SGB II bzw. XII gehen durch die Be-
schlüsse des Konjunkturprogramms fast leer aus. Auch ist ein kurzfristiger
Konjunkturimpuls nicht zu gewährleisten, wenn die geplante Erhöhung erst ab
1. Juli 2009 wirksam werden soll (siehe Bundestagsdrucksache 16/11740,
S. 27/49).

Eine altersspezifische Bedarfsermittlung für Kinder und Jugendliche ist durch
den „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in
Deutschland“ (sog. Konjunkturpaket II) der Bundesregierung nicht gelungen.
Damit ist auch dem Anliegen des Bundesrates, die Regelsätze für Kinder nach
einer Überprüfung anhand des realen Bedarfs anzupassen, nicht Rechnung ge-
tragen worden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht ausgeräumt.
Solange die Bundesregierung keine nachvollziehbare Bedarfsermittlung für

Kinder und Jugendliche vorlegt, ist es sachgerecht sich an der fachlich überzeu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11926

genden Expertise des Paritätischen Gesamtverbandes zu orientieren (Paritäti-
scher Gesamtverband, Was Kinder brauchen, Berlin 2008, S. 40).

Ungeachtet dessen ist nachdrücklich auf die Expertisen des Paritätischen Ge-
samtverbandes hinsichtlich der Ermittlung und der Dynamisierung des Eckre-
gelsatzes hinzuweisen. Eine grundlegende Überarbeitung der Regelsatzermitt-
lung mit dem Ziel einer deutlichen Anhebung auf 435 Euro (Eckregelsatz)
sowie der Einführung eines inflationsfesten Anpassungsmechanismus ist somit
unverändert gefordert.

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