BT-Drucksache 16/11908

Strommarkt durchgreifend regulieren - Energiepreissenkungen durchsetzen

Vom 10. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11908
16. Wahlperiode 10. 02. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin
Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann, Katrin
Kunert, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dorothee Menzner, Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja
Seifert, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Strommarkt durchgreifend regulieren – Energiepreissenkungen durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zum 1. Februar 2009 erhöhten zahlreiche Energieversorger in Deutschland er-
neut die Strompreise um bis zu zehn Prozent. Darunter befinden sich alle Regio-
nalversorger und Stadtwerke, die vom Energiekonzern E.ON AG kontrolliert
werden. Dem Düsseldorfer Stromriese wurde unlängst von der EU-Kommission
Wettbewerbsmissbrauch aufgrund seiner kartellartigen Marktstellung nachge-
wiesen. Der erneute Preisschub bedeutet für fast acht Millionen private Haus-
halte Mehrkosten von bis zu 80 Euro pro Jahr. Vor dem Hintergrund deutlich sin-
kender Preise für Steinkohle und Erdgas als Brennstoff für die Stromerzeugung
und einer nachlassenden Wirtschaftskraft ist diese Entwicklung für die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher nicht nachzuvollziehen.

Die unkontrollierten Strompreisanstiege sind der monopolartigen Stellung der
vier großen Energiekonzerne RWE AG, E.ON AG, Vattenfall Europe AG und
EnBW AG geschuldet. Sie verfügen über 80 Prozent der Kraftwerksleistung,
kontrollieren die großen Stromnetze sowie einen großen Teil regionaler und
kommunaler Energieversorger. Damit haben diese privaten Energieunternehmen
eine marktbeherrschende Stellung inne, die sich der demokratischen Kontrolle
in weiten Teilen entzieht. Der wettbewerbsferne Preisauftrieb hat zwei wesent-
liche Gründe. Zum einen wurde die Strompreisaufsicht der Länder am 30. Juni
2007 durch die Bundesregierung abgeschafft. Seitdem steigen die Strompreise
gegenüber den Zeiten der tariflichen Überwachung doppelt so stark. Anstatt die
Länderaufsicht verbraucherschutzorientiert weiterzuentwickeln, wurde ohne
Not ein wichtiges Instrument zur Kontrolle der Stromwirtschaft aufgegeben.

Zum anderen haben die Strombörse – die European Energy Exchange (EEX) in
Leipzig – und der außerbörsliche Stromhandel einem hoch spekulativen und
kaum überschaubaren Charakter. Den o. g. Energiekonzernen wird hier auf-
grund der dominierenden Marktstellung ein manipulatives Verhalten zuge-

schrieben. Zahlreiche Stadtwerke und Regionalversorger mit geringer Eigen-
stromerzeugung kaufen zur Versorgung ihrer Kundinnen und Kunden Strom
über den Großhandel dazu. Dabei müssen sie seit einigen Jahren mit Banken und
Hedgefonds als Handelsteilnehmer konkurrieren, die keinen Eigenbedarf an
Strom vorweisen können. Die Finanzdienstleister spekulieren mit dem Weiter-
verkauf von Energiemengenverträgen ausschließlich auf hohe Profite. Dieser
„Derivatehandel“ führt dazu, dass sich die Strompreise an der EEX nicht mehr

Drucksache 16/11908 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nach Angebot und Nachfrage tatsächlicher Strommengen richten, sondern maß-
geblich an der Handelstätigkeit der Finanzspekulanten. In der Folge verdoppelte
sich der Großhandelspreis für Strom innerhalb von zwei Jahren und betrug Mitte
2008 das Dreifache der Strombereitstellungskosten ab Kraftwerk. Die derzeit
deutlich sinkenden Preise an der EEX aufgrund des Zusammenbrechens von
Banken und Hedgefonds belegt den hochspekulativen Charakter des Stromgroß-
handels.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– eine wirksame Strompreisaufsicht mit Zuständigkeit bei den Ländern einzu-
führen, der gegenüber die Energieversorgungsunternehmen die Zusammen-
setzung aller Tarife vorab offenlegen müssen. Der Preisaufsicht soll in jedem
Bundesland ein Verbraucherbeirat mit dem Rang eines anerkannten Verbrau-
cherschutzverbandes zur Seite gestellt werden, um ein Mitspracherecht der
Stromkundinnen und Stromkunden zu gewährleisten und in deren Interesse
die behördliche Tätigkeit zu überwachen;

– den Derivatehandel sowie Hedgefonds an der Strombörse zu verbieten,

– die Kontrolle des gesamten Stromhandels einschließlich außerbörslicher Ge-
schäfte einer öffentlichen Einrichtung zu übertragen,

– am Stromhandelsmarkt nur Teilnehmerinnen und Teilnehmer zuzulassen, die
unmittelbar physische Stromgeschäfte durchführen,

– den Spotmarkt für den kurzfristigen Handel vollständig den Regeln des Wert-
papierhandelsgesetzes zu unterwerfen, um unzulässige Preisauftriebe für den
langfristigen Terminmarkt zu unterbinden.

Berlin, den 10. Februar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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