BT-Drucksache 16/11885

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vom 11. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11885
16. Wahlperiode 11. 02. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Jerzy Montag, Irmingard
Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang
Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Juli 2008 (Akten-
zeichen 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07) festgestellt, dass das Bundeswahlgesetz punk-
tuell gegen das Grundgesetz verstößt, weil ein Zuwachs an Zweitstimmen zu
einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu
einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann (Phänomen des soge-
nannten negativen Stimmgewichts). Der Gesetzgeber wird aufgefordert, bis spä-
testens zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Sofern
keine entsprechende Regelung bereits für die bevorstehende Wahl am 27. Sep-
tember 2009 getroffen wird, wird der 17. Deutsche Bundestag nach einem ma-
teriell verfassungswidrigem Wahlrecht gewählt.

B. Lösung

Beseitigung des negativen Stimmgewichtes durch eine systemkonforme Ände-
rung im geltenden Wahlsystem.

C. Alternativen

Die gesetzliche Regelung wird erst nach der Bundestagswahl vom 27. Septem-
ber 2009 erlassen. Hierfür gibt es jedoch keinen sachlichen Grund.

D. Kosten

Es ist mit minimalen Kosten für die Anpassung der für die Wahl eingesetzten
Berechnungssoftware zu rechnen. Länder und Gemeinden werden durch die
Novellierung nicht mit Kosten belastet.

berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im (6) In den Wahlkreisen errungene Sitze verbleiben

Wahlgebiet abgegebenen Zweitstimmen erhalten oder in
mindestens drei Wahlkreisen erfolgreich waren. Das gilt
nicht für Parteien nationaler Minderheiten.

einer Partei auch dann, wenn sie die nach Absatz 5 er-
mittelte Zahl übersteigen. In einem solchen Fall erhöht
sich die Abgeordnetenzahl (§ 1 Abs. 1) um die Unter-
Drucksache 16/11885 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bundeswahlgesetzes
Das Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), zuletzt ge-
ändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …),
wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Der Erste Abschnitt wird wie folgt gefasst:

„Erster Abschnitt Wahlsystem (§§ 1 bis 7a)

Zusammensetzung des Deutschen
Bundestages und Wahlrechtsgrundsätze § 1a“

Gliederung des Wahlgebietes § 2a“

Wahlkreiskommission und Wahlkreis-
einteilung § 3a“

Stimmen § 4a“

Wahl in den Wahlkreisen § 5a“

Allgemeines zur Verteilung im Verhältnis-
wahlsystem § 6a“

Zuteilung der Sitze an die Parteien auf
Bundesebene (Oberzuteilung) § 7a“

Zuteilung der Sitze an die Landeslisten
der Parteien (Unterzuteilung) § 7a“.

b) Die Angabe zu § 29 wird wie folgt gefasst: „§ 29
(weggefallen)“.

c) Die Angabe zu § 53 wird wie folgt gefasst: „§ 53
Übergangsregelung“.

2. In § 1 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt: „Ziel ist
dabei, dass die Zusammensetzung des Deutschen Bun-
destages unter Berücksichtigung der Direktmandate ins-
gesamt dem Verhältnis der bundesweiten Zweitstimmen-
anteile der Parteien entspricht.“

3. In § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 werden die Wörter „§ 6 Abs. 2
Satz 2 bis 7 für die Verteilung der Sitze auf die Landeslis-
ten“ durch die Wörter „§ 7 Abs. 2 bis 4 für die Verteilung
der Sitze auf die Parteien“ ersetzt.

4. § 6 wird wie folgt gefasst:

㤠6

Allgemeines zur Verteilung
im Verhältniswahlsystem

(1) Die Sitze sind zunächst auf die Parteien (§ 7) und
sodann auf die Landeslisten der Parteien (§ 7a) zu vertei-
len.

(2) Bei der Verteilung der Sitze werden nur Parteien

Wahlkreisbewerber im Sinne des § 20 Abs. 3 oder einem
erfolgreichen Parteibewerber gegeben haben, für den in
dem Land keine Landesliste zugelassen ist, nicht berück-
sichtigt.

(4) Die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze im Sinne
der nachfolgenden Vorschriften entspricht der in § 1
Abs. 1 Satz 1 genannten Zahl. Dies gilt nicht in den in
Absatz 3 genannten Fällen und in den Fällen, in denen
eine Partei in weniger als drei Wahlkreisen erfolgreich
war, ohne mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet
abgegebenen Zweitstimmen erhalten zu haben. In diesen
Fällen ist die Zahl der danach erfolgreichen Wahlbewer-
ber zur Ermittlung der Gesamtzahl von der in § 1 Abs. 1
Satz 1 genannten Zahl abzuziehen

(5) Soweit in den nachfolgenden Vorschriften eine
Rundung vorgesehen ist, werden Zahlenbruchteile unter
0,5 auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet,
Zahlenbruchteile über 0,5 auf die darüber liegende ganze
Zahl aufgerundet. Zahlenbruchteile, die gleich 0,5 sind,
werden so auf- oder abgerundet, dass die Gesamtzahl der
zu vergebenden Sitze eingehalten wird. Ergeben sich da-
bei mehrere Sitzzuteilungen, entscheidet das vom Bun-
deswahlleiter zu ziehende Los.“

5. § 7 wird wie folgt gefasst:

㤠7

Zuteilung der Sitze an die Parteien
auf Bundesebene (Oberzuteilung)

(1) Zwischen den Parteien erfolgt die Verteilung der
Sitze im Verhältnis der zu berücksichtigenden Zweitstim-
men, die sie im Wahlgebiet erhalten haben.

(2) Hierzu werden alle zu berücksichtigenden Zweit-
stimmen durch die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze
geteilt (Bundesdivisor). Der Bundesdivisor gibt an, wie
viele Zweitstimmen notwendig sind, um nach dem Er-
gebnis der Zweitstimmen einen Sitz im Deutschen Bun-
destag zu erlangen.

(3) Anschließend werden für jede Partei die nach
Absatz 1 zu berücksichtigenden Zweitstimmen zusam-
mengezählt. Die Stimmensummen werden jeweils durch
den Bundesdivisor geteilt. Jedes Teilungsergebnis wird
gerundet.

(4) Entspricht die Summe der nach Absatz 3 für die
Parteien ermittelten Sitze nicht der Gesamtzahl der zu
vergebenden Sitze, ist der Bundesdivisor so herauf- oder
herabzusetzen, dass die Gesamtzahl der zu vergebenden
Sitze erreicht wird.

(5) Die so für jede Partei ermittelte Zahl ist die Zahl der
ihr zur Verfügung stehenden Sitze (Gesamtsitzzahl).
(3) Bei der Berechnung werden die Stimmen derje-
nigen Wähler, die ihre Erstimme einem erfolgreichen

schiedszahl (Überhangmandate); eine erneute Berech-
nung nach Absatz 4 findet nicht statt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11885

(7) Erhält eine Partei, auf die mehr als die Hälfte aller
zu berücksichtigenden Zweitstimmen entfallen, nicht
mehr als die Hälfte aller Sitze, so werden ihr so viele wei-
tere Sitze zugeteilt, bis sie über eine absolute Sitzmehr-
heit verfügt. Die Verteilung unter den anderen Parteien
findet ohne Berücksichtigung dieser Sitze statt.“

7. § 29 wird aufgehoben.

8. In § 46 Absatz 2 wird die Angabe „§ 6 Abs. 4 Satz 3“
durch die Angabe „§ 7a Abs. 6 Satz 2“ ersetzt.

9. § 48 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Wenn ein gewählter Bewerber stirbt oder dem
6. Nach § 7 wird folgender § 7a eingefügt:

㤠7a

Zuteilung der Sitze an die Landeslisten
der Parteien (Unterzuteilung)

(1) Die Verteilung der Sitze auf die Landeslisten einer
Partei, die ihr nach § 7 zustehen, erfolgt nach dem Ver-
hältnis der Zweitstimmenergebnisse dieser Listen.

(2) Hierzu wird die Summe der zu berücksichtigenden
Zweitstimmen, die eine Partei im Wahlgebiet errungen
hat, durch die für diese Partei nach § 7 Abs. 1 bis 4 er-
rechnete Gesamtzahl der ihr zustehenden Sitze geteilt
(Parteidivisor). Der Parteiendivisor gibt jeweils an, wie
viele Zweitstimmen eine Partei benötigt, um nach dem
Ergebnis ihrer Zweitstimmen einen Sitz im Deutschen
Bundestag zu erlangen.

(3) Anschließend werden die zu berücksichtigenden
Zweitstimmen einer Partei in jedem Land zusammenge-
zählt. Die Stimmensummen werden jeweils durch den für
diese Partei ermittelten Parteidivisor (§ 7a Abs. 2) geteilt.
Jedes Teilungsergebnis wird gerundet. Das so ermittelte
Ergebnis gibt vorbehaltlich der Absätze 4 bis 7 die Zahl
der Mandate an, die eine Partei in einem Land insgesamt
errungen hat.

(4) Entspricht die Summe der nach Absatz 3 ermittelten
Sitze einer Partei in allen Ländern nicht der für die betref-
fende Partei nach § 7 Abs. 1 bis 4 errechneten Gesamt-
zahl, ist der Parteidivisor so herauf- oder herabzusetzen,
dass die Gesamtsitzzahl erreicht wird.

(5) Von der nach den vorstehenden Absätzen für die
Landesliste einer Partei ermittelten Abgeordnetenzahl
wird die Zahl der von der betreffenden Partei in den
Wahlkreisen des betreffenden Landes abgezogen (Sitz-
zahl einer Landesliste).

(6) Verbleiben nach der Berechnung gemäß Absatz 5
Sitze, so werden diese aus der Landesliste in der dort fest-
gelegten Reihenfolge besetzt. Bewerber, die in einem
Wahlkreis gewählt sind, werden dabei nicht berücksichtigt.

(7) Ergibt sich bei der Berechnung gemäß Absatz 5
eine negative Zahl, so muss der Parteidivisor so herauf-
gesetzt werden, dass die Zahl der dieser Partei zustehen-
den Sitze unter Berücksichtigung der zu ihren Gunsten
errungenen Direktmandate der für diese Partei ermittel-
ten Gesamtsitzzahl (§ 7 Abs. 5) entspricht. Absatz 6 gilt
entsprechend.“

Landeswahlleiter schriftlich die Ablehnung des Er-
werbs der Mitgliedschaft erklärt oder wenn ein Abge-
ordneter stirbt oder sonst nachträglich aus dem Deut-
schen Bundestag ausscheidet, so wird der Sitz aus der
Landesliste derjenigen Partei besetzt, für die der ge-
wählte Bewerber oder ausgeschiedene Abgeordnete bei
der Wahl aufgetreten ist. Dies gilt nicht, solange die
Partei Überhangmandate gemäß § 7 Abs. 6 innehat.
Wurde der gewählte Bewerber oder ausgeschiedene
Abgeordnete über eine Landesliste gewählt, wird der
Sitz aus dieser Landesliste besetzt. Hat der gewählte
Bewerber oder ausgeschiedene Abgeordnete den Sitz in
einem Wahlkreis errungen, wird der Sitz aus der Lan-
desliste besetzt, auf die er bei erneuter Anwendung von
§ 7a Abs. 2 bis 4 entfällt. Bei der Nachfolge bleiben
diejenigen Listenbewerber unberücksichtigt, die seit
dem Zeitpunkt der Aufstellung der Landesliste aus die-
ser Partei ausgeschieden oder Mitglied einer anderen
Partei geworden sind. Unberücksichtigt bleiben ebenso
Listenbewerber, die als gewählte Bewerber im Wahl-
kreis ihren Mitgliedschaftserwerb abgelehnt oder als
Abgeordnete auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet haben. Ist die Liste erschöpft, so
wird der Sitz aus der Landesliste besetzt, auf die er bei
erneuter Anwendung von § 7a Abs. 2 bis 4 entfällt.
Sind alle Landeslisten dieser Partei erschöpft, so bleibt
der Sitz unbesetzt. Die Feststellung, wer als Listen-
nachfolger eintritt, trifft der Bundeswahlleiter. Er be-
nachrichtigt den Listennachfolger und fordert ihn auf,
binnen einer Woche schriftlich zu erklären, ob er die
Nachfolge annimmt.“

10. § 53 wird wie folgt gefasst:

㤠53

Übergangsregelung

Auf Berufungen von Listennachfolgern in den
16. Deutschen Bundestag nach § 48 Abs. 1 finden die
Regelungen dieses Gesetzes in seiner Fassung vom
23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) Anwen-
dung.“

Artikel 2

Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in

Kraft.

Berlin, den 11. Februar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

BVerfG, 2 BvC 1/07 vom 3. Juli 2008, Absatz 144). Die ein- nung zur Zuteilung der Sitze auszugehen ist. Sie beträgt

zelnen mathematischen Rechenschritte zur Verteilung der
Mandate werden in ihrer logischen Reihenfolge aufgeführt.
Grundsätzliche Regelungen werden zu Beginn aufgenom-

grundsätzlich 598, vermindert sich aber in den in der
Vorschrift genannten Fällen. Die Regelung entspricht im
Wesentlichen derjenigen des § 6 Abs. 1 Satz 3 BWahlG, er-
Drucksache 16/11885 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung
vom 3. Juli 2008 den Gesetzgeber aufgefordert, das verfas-
sungswidrige Phänomen des sogenannten negativen Stimm-
gewichts zu beseitigen. Es hat dem Gesetzgeber hierfür eine
Frist bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Gleichwohl hat es in
seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass eine entsprechen-
de Änderung des Bundeswahlgesetzes zügiger in Angriff ge-
nommen werden und für die Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag in Kraft treten kann.

Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber aufgefordert,
schnellstmöglich eine Wahlrechtsänderung herbeizuführen.
Hierzu äußerte sich der Bundestagspräsident Dr. Norbert
Lammert im „Hamburger Abendblatt“ vom 9. Februar 2009
wie folgt: „Es ist unbedingt erwünscht und bei gutem Willen
auch möglich, diese Regelung in unserem Wahlrecht so
rechtzeitig zu korrigieren, dass sie schon bei der nächsten
Bundestagswahl Anwendung finden könnte.“ Die Entschei-
dung, ob der nächste Deutsche Bundestag aufgrund eines
materiell verfassungswidrigen Wahlrechts gewählt wird, ob-
wohl die Herstellung einer verfassungsgemäßen Lage noch
vor der bevorstehenden Wahl problemlos möglich ist, muss
jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter nach ihrem bzw.
seinem Gewissen treffen.

Eine öffentliche Anhörung der Initiatorin des Gesetzent-
wurfs hat ergeben, dass der bestehende Makel des Wahl-
rechts geeignet ist, das Wahlergebnis zu verfälschen und
Mehrheiten manipulativ zu verschieben. Die Nachwahl im
Wahlkreis Dresden I am 2. Oktober 2005 hat gezeigt, dass
die Wählerinnen und Wähler sehr wohl in der Lage sind, das
bestehende Phänomen des negativen Stimmgewichts in ihre
Entscheidung einzukalkulieren und entsprechend zu han-
deln.

Die elementare Bedeutung, die faire Wahlen für unsere De-
mokratie haben, gebietet es, den Makel der Verfassungswid-
rigkeit im bestehenden Wahlrecht schnellstmöglich zu besei-
tigen. Darüber hinaus gehende Überlegungen zur Reform
des Wahlrechts können indes späteren Gesetzesinitiativen
vorbehalten werden.

Der vorliegende Entwurf beseitigt die Verfassungswidrigkeit
im Bundeswahlgesetz dadurch, dass die Anrechnung der
Direktmandate auf das Zweitstimmenergebnis bereits auf
Bundesebene, auf der Ebene der sogenannten Oberzuteilung,
und nicht – wie nach bislang geltendem Recht – auf Län-
derebene geschieht. Überhangmandate werden in der Regel
nicht mehr entstehen: Dies verhindert die genannte Anrech-
nungsmethode auf der Ebene der Oberzuteilung.

Der Gesetzentwurf will darüber hinaus dem Anspruch ge-
recht werden, das Wahlrecht in den zur Änderung anstehen-
den Teilen, normenklarer und verständlicher zu machen (vgl.

in § 6 Abs. 6 BWahlG – also nach den Regelungen zur Ver-
teilung der Zweitstimmenmandate – enthalten ist.

Das im Gesetzentwurf enthaltene und für die Berechnung
der Sitzzahlen nach dem Zweitstimmenergebnis relevante
Zuteilungsverfahren ist das Divisorverfahren mit Standard-
rundung nach Sainte-Laguë/Schepers. Dieses Verfahren
kommt bereits im geltenden Wahlrecht zur Anwendung (vgl.
§ 6 Abs. 2 BWahlG). Zu den Vorteilen dieses Verfahrens vgl.
die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des Ver-
fahrens auf Bundesebene (Bundestagsdrucksache 16/7461).

Die antragstellende Fraktion ist bereit, andere Formulierun-
gen als die hier vorgeschlagenen zu wählen. Alternativen
(Formulierungsvorschläge von Prof. Dr. Pukelsheim und
Prof. Dr. Dr. h.c. Meyer), die das gleiche Regelungsziel ver-
folgen, finden sich im Internet unter http://www.math.uni-
augsburg.de/stochastik/pukelsheim/2008Berlin/Vorschlag
BWahlG.pdf sowie im Deutschen Verwaltungsblatt (DVBl.)
2009 (Heft 3), S. 137 ff.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung der amt-
lichen Inhaltsübersicht des Gesetzes.

Zu Nummer 2 (§ 1 Abs. 1)

Mit der Regelung wird unterstrichen, dass das leitende Prin-
zip des Bundeswahlrechts das des Verhältniswahlrechts ist.

Zu Nummer 3 (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung auf-
grund der Änderung in Nummer 5.

Zu Nummer 4 (§ 6)

Der neue § 6 umreißt die Rahmenbedingungen der Vertei-
lung der Sitze nach dem Ergebnis der Zweitstimmen. Absatz 1
stellt klar, dass die einer Partei zustehenden Sitze zunächst
auf Bundesebene (Oberzuteilung) und anschließend auf Lan-
desebene (Unterzuteilung) ermittelt werden. Er enthält zu-
dem Regelungen, die für die nachfolgenden Vorschriften
(§§ 7 und 7a) gemeinsam gelten.

Die Regelung zur 5-Prozent-Hürde in Absatz 2 entspricht in-
haltlich der Regelung im bisherigen § 6 Abs. 6 BWahlG und
rückt diese Vorschrift damit an eine zentralere Stelle.

Die Regelung in Absatz 3 entspricht inhaltlich der Regelung
im bisherigen § 6 Abs. 1 Satz 2 BWahlG.

Absatz 4 regelt die Sitzzahl, von der bei der weiteren Berech-
men – so zum Beispiel die 5-Prozent-Hürde, die sich im Ent-
wurf an zentraler Stelle in § 6 Abs. 2 befindet, derzeit jedoch

weitert um die dort nicht explizit genannten Fälle, in denen
eine Partei weniger als drei Direktmandate errungen, die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11885

5-Prozent-Hürde bei den Zweitstimmen jedoch nicht über-
schritten hat. Diese Sitze können nicht für die Ermittlung der
Zahl der den Parteien nach Maßgabe des Zweitstimmen-
ergebnisses zustehenden Listenplätze herangezogen werden.

In Absatz 5 sind die für das zur Anwendung kommende
Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/
Schepers notwendigen Rundungsregelungen, die für die
nachfolgenden Vorschriften der §§ 7 und 7a gelten, enthalten.
Sie finden sich derzeit in § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 BWahlG.

Generell kann im Rahmen der Beratungen des Gesetzent-
wurfs überlegt werden, ob das Berechnungsverfahren nicht
als Höchstzahlverfahren beschrieben werden soll (vgl. die
entsprechenden Regelungen in den Landeswahlgesetzen von
Bremen und Baden-Württemberg). Dies könnte die Länge
der Vorschriften verkürzen.

Zu Nummer 5 (§ 7)

Nach dieser Vorschrift wird errechnet, wie viele Sitze einer
Partei nach ihrem Zweitstimmenergebnis bundesweit und
insgesamt zustehen (Oberzuteilung). Grundsätzlich werden
dabei 598 Sitze verteilt (zu den Ausnahmen vgl. Nummer 4,
dort § 6 Abs. 4).

Die Regelung nach § 7 BWahlG, wonach die Landeslisten
als verbundene Listen gelten, sofern nichts anderes erklärt
wird, wird durch die neue Regelung aufgehoben. Bislang ist
kein einziger Fall einer Erklärung nach § 7 Abs. 1 BWahlG
aufgetreten. Der Gesetzentwurf geht daher ohne Weiteres
davon aus, dass die Landeslisten verbunden sind.

Zu den Absätzen 1 bis 5

Mit Absatz 1 wird klargestellt, dass die Verteilung der Sitze
anhand einer Verhältnismäßigkeitsrechnung durchgeführt
wird.

Die Absätze 2 bis 4 enthalten die nach dem Divisorverfahren
mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers notwen-
digen Berechnungsschritte. Der Zuteilungsdivisor wird – in
Abgrenzung zum Zuteilungsdivisor auf der Ebene der Unter-
zuteilung (vgl. Nummer 6) – hier als Bundesdivisor bezeich-
net. Aufgrund der Teilung der Stimmensummen für jede
Partei durch den Bundesdivisor und der anschließenden An-
wendung der Rundungsregelungen (vgl. Absatz 3 der neuen
Vorschrift) ist es möglich, dass die Summe der für die einzel-
nen Parteien ermittelten Sitze nicht der Anzahl der zu verge-
benden Sitze entspricht. In diesen Fällen ist der Bundesdivi-
sor so anzupassen (herauf- oder herabzusetzen), dass die zu
vergebenden Sitzzahl erreicht wird. Zur weiteren Begrün-
dung des Verfahrens vgl. die Begründung des Gesetzent-
wurfs zur Einführung des Verfahrens auf Bundesebene
(Bundestagsdrucksache 16/7461).

Zu Absatz 6

In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass einer Partei
nach der Berechnung nach § 7 weniger Sitze zustehen
würden, als sie Direktmandate errungen hat. Die Differenz
sind sogenannte Überhangmandate. Nach der Regelung in
Absatz 6 werden diese Überhangmandate zuerkannt, da
durch diese Mandate kein negatives Stimmgewicht entsteht.
Allerdings ist die Antragstellerin auch insoweit diskussions-

Als Alternative zur Lösung von Prof. Dr. Dr. Meyer könnte
man die Schaffung von Ausgleichsmandaten diskutieren. Zu
bedenken ist dabei aber, dass – je nach Verhältnis des Stimm-
anteils der Partei mit Überhangmandaten zum Stimmanteil
der übrigen Parteien – unter Umständen für ein Überhang-
mandat Ausgleichsmandate in der Größenordnung von bis
zu ca. 10 notwendig wären, was der Absicht der letzten Par-
lamentsreform, den Bundestag zu verkleinern, zuwider liefe.

Zu Absatz 7

Die Vorschrift enthält die auch im geltenden Wahlrecht ent-
haltene Mehrheitsklausel (vgl. § 6 Abs. 3 BWahlG). Sie ist
notwendig, da der Fall, dass aufgrund der im Zuteilungsver-
fahren vorgesehenen Rundungen einer Partei nicht über die
Hälfte der Sitze zugesprochen werden, obwohl sie über die
Hälfte aller abgegebenen, gültigen und für die Berechnung
zu berücksichtigenden Zweitstimmen erhalten hat, nach wie
vor auftreten kann.

Zu Nummer 6 (§ 7a)

Mit den Regelungen des neu zu schaffenden § 7a werden die
einer Partei auf Bundesebene insgesamt zustehenden Sitze
auf die Länder zugeteilt.

Klar gestellt wird in Absatz 1, dass die Verteilung anhand des
Verhältnisses der Zweitstimmen der Partei in einem Land zu
den Zweitstimmen der Partei insgesamt erfolgt.

Der Zuteilungsdivisor, der für die Berechnung nach dem Di-
visorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/
Schepers verwendet wird, wird hier Parteidivisor genannt.

Die nach der Berechnung für ein Bundesland ermittelte Zahl
gibt die Anzahl der der betreffenden Partei in diesem Bun-
desland nach dem Zweitstimmenergebnis berechneten und
insgesamt zustehenden Mandate an (vgl. Absatz 3 Satz 4).
Dabei muss unter Umständen aufgrund von Rundungsergeb-
nissen der Parteidivisor so angepasst werden, dass die Sum-
me der für die Länder errechneten Sitzzahlen der für die
Bundesebene ermittelten Gesamtsitzzahl der betreffenden
Partei wieder entspricht.

Von der für ein Bundesland und eine Partei ermittelten Sitz-
zahl werden nach Absatz 5 die für die Partei in diesem Bun-
desland errungenen Direktmandate abgezogen. Ist die Sum-
me dieser Direktmandate kleiner als die errechnete Sitzzahl,
wird die Differenz aus der Landesliste besetzt (Absatz 6
Satz 1). Ist die Differenz „0“, erhält keiner der Listenbewer-
ber einen Sitz. Ist die Differenz indes kleiner als „0“ – es
wurden also mehr Direktmandate erzielt, als der betreffen-
den Partei in dem Bundesland nach dem Ergebnis der Zweit-
stimmen eigentlich zustehen würden (sogenannter interner
Überhang), so bleiben diese Direktmandate erhalten. Bei der
nach Nummer 5, dort § 7 Abs. 5 rein nach Zweitstimmenan-
zahl ermittelte Gesamtsitzzahl muss dann aber dieser interne
Überhang berücksichtigt werden, ohne sie jedoch zu vergrö-
ßern. Für die Berechnung sind somit die internen Überhänge
von der Gesamtsitzzahl abzuziehen. An die so errechnete
Zahl ist die Summe der der betreffenden Partei in allen Län-
bereit, eine Lösung vorzusehen, wie sie Prof. Dr. Meyer
(a. a. O.) vorgeschlagen hat.

dern zustehenden Sitzzahl anzupassen. Dies geschieht durch
Heraufsetzen des Parteidivisors.

Drucksache 16/11885 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Nummer 7 (§ 29)

Die Landeslisten gelten künftig automatisch als verbunden,
die Regelung in § 29 wird damit obsolet (vgl. Begründung
zu Nummer 5).

Zu Nummer 8 (§ 46 Abs. 2)

Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Ände-
rung nach Nummer 6. Eine inhaltliche Änderung geht damit
nicht einher.

Zu Nummer 9 (§ 48 Abs. 1)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 6 (§ 7a).

Die Regelung entspricht im Wesentlichen der alten Regelung
des § 48 Abs. 1 BWahlG: Sofern Bewerber ihr Mandat nicht
annehmen oder Mitglieder des Bundestages aus ihrem Amt
ausscheiden, wird der frei werdende Sitz aus der Landesliste
nachbesetzt, für die der Bewerber bzw. ausgeschiedene Ab-
geordnete angetreten ist. Dies gilt – wie bislang auch – nicht
in Fällen des Ausscheidens aus einem sogen. Überhangman-
dat. Hier bleibt der entsprechende Sitz unbesetzt.

Grundsätzlich wird der Nachrücker aus der Liste der betref-
fenden Partei in dem betreffenden Land besetzt. Dies gilt
nach der jetzt vorgeschlagenen Neuregelung in § 48 Abs. 1
Satz 7 dann nicht, wenn die betreffende Liste erschöpft ist.
In diesen Fällen wird auf die Landesliste zurückgegriffen,
die als nächstes „gezogen“ hätte. Erst nach Erschöpfung aller
Landeslisten bleibt der Sitz unbesetzt.

Problematisch sind in Nachrücksituationen ausgeschiedene
Direktkandidaten, die einen Platz aufgrund des internen
Überhangs erhalten haben. Denn diesen Sitz musste eine an-
dere Landesliste bei der ursprünglichen Sitzverteilung abge-

ben (vgl. Nummer 6 § 7a Abs. 7 und die entsprechende Be-
gründung). In diesen Fällen wählt die Neuregelung in Satz 4
den Weg, dass eine neue Berechnung nach Nummer 6 § 7a
Abs. 2 bis 4 durchgeführt und dabei berücksichtigt wird,
dass der interne Überhang insoweit weggefallen ist. Der frei
gewordene Sitz wird also dergestalt besetzt, wie er – nach
dem Zweitstimmenergebnis – besetzt worden wäre, hätte es
die Anerkennung des internen Überhangs insoweit nicht ge-
geben.

Da es nach der Neuregelung in Satz 4 bei der Ausführung
des Nachrückverfahrens auch zu bundeslandübergreifenden
Veränderungen kommen kann, ist für die Feststellung, wer
Listennachfolger ist, nunmehr der Bundeswahlleiter (statt
bislang der betreffende Landeswahlleiter) zuständig.

Die – durchaus auch in der Kritik stehende – Regelung zur
Nachwahl in § 48 Abs. 2 BWahlG wird durch den vorliegen-
den Gesetzentwurf nicht verändert.

Zu Nummer 11

Sollten für den 16. Deutschen Bundestag nach Listennach-
folger berufen werden müssen, gelten hierfür die Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes in seiner bisherigen Fas-
sung.

Eine Übergangsregelung für § 48 Abs. 2 BWahlG ist obso-
let, da in den 16. Deutschen Bundestag keine Abgeordneten
direkt gewählt wurden, die die Voraussetzungen der Rege-
lung erfüllen.

Zu Artikel 2

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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