BT-Drucksache 16/11759

Aufnahme von Gefangenen aus Guantánamo Bay ermöglichen

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11759
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Kai Gehring, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn,
Jürgen Trittin, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufnahme von Gefangenen aus Guantánamo Bay ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich gegenüber der US-Regierung zur Aufnahme nicht mehr tatverdächtiger
Gefangener aus Guantánamo Bay grundsätzlich bereit zu erklären;

2. die Aufnahme nicht mehr tatverdächtiger Insassen aus Guantánamo Bay
unverzüglich zu prüfen und sich gegenüber den Innenministern der Länder
für eine Aufnahme einzusetzen.

Berlin, den 28. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Das Gefangenenlager Guantánamo Bay wurde von der damaligen US-Regie-
rung nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf dem Flottenstütz-
punkt im Osten Kubas eingerichtet. Es wurde schnell zur Achillesferse der
Menschenrechtspolitik der USA und ihrer Verbündeten. Guantánamo untergrub
die Glaubwürdigkeit einer auf der Universalität der Menschenrechte basieren-
den Menschenrechtspolitik. Den Gefangenen, mutmaßlichen Taliban- oder
El-Kaida-Mitgliedern, wurden elementare Menschenrechte versagt. Ohne An-
klage oder die Aussicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren wurden sie unter
unwürdigen Bedingungen z. T. über Jahre hinweg festgehalten. Es gibt Besorg-
nis erregende Berichte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, ehe-

maliger Häftlinge und Wärter über Folter und Misshandlungen wie die Anwen-
dung von Elektroschocks, sexuelle Demütigungen, tagelangem Essensentzug,
Drohungen mit Erschießung oder die Simulation von Ertränken. Sie lassen be-
fürchten, dass die Gefangenen in den Lagern massiven Beeinträchtigungen aus-
gesetzt waren.

Drucksache 16/11759 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Der neue US-Präsident Barack Obama hat am 22. Januar 2009 angeordnet, dass
umstrittene Verhörmethoden in Guantánamo Bay ab sofort gestoppt werden
und das Lager innerhalb eines Jahres geschlossen werden soll. Derzeit sitzen
noch etwa 245 Personen in Guantánamo Bay ein. Rund 50 von ihnen – andere
Quellen sprechen sogar von 100 Personen – gelten als nicht mehr tatverdächtig,
können aber nicht in ihre Heimatländer zurück kehren, weil ihnen dort Folter
und Verfolgung droht. Für diese Menschen sucht die US-Regierung schon seit
geraumer Zeit Aufnahmeländer. Ungeachtet der Verantwortung der USA sollte
auch die Bundesregierung ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklären.

Namhafte Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und
Human Rights Watch sowie der Sonderberichterstatter über Folter der Verein-
ten Nationen (VN), Manfred Nowak, appellieren an die internationale Gemein-
schaft, die nicht mehr tatverdächtigen Gefangenen aufzunehmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt die Anordnung des US-
Präsidenten Barack Obama und schließt sich der Aufforderung der VN-Hoch-
kommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, an; sie verlangt, dass nicht mehr
tatverdächtige in Guantánamo einsitzende Häftlinge unverzüglich freigelassen
und für die Jahre der Haft angemessen entschädigt werden müssen und den als
nach wie vor tatverdächtig angesehenen Gefangenen das Recht auf einen
raschen und gerechten Prozess gewährt werden muss. Die Bundesrepublik
Deutschland könnte mit der Aufnahme nicht mehr tatverdächtiger Gefangener
jetzt einen Beitrag leisten zur schnellen Schließung von Guantánamo Bay und
zur Beendigung des Leidens dieser Menschen. Aber sie wird dieser Verantwor-
tung nicht gerecht. Der Bundesminister des Auswärtigen streitet sich mit dem
Bundesminister des Innern. Der Bundesminister des Innern geht so weit, die
jahrelange unmenschliche Behandlung der Gefangenen, also das Leiden dieser
Menschen, zynisch als Beleg für ihre angebliche Gefährlichkeit zu nehmen.
Die Bundeskanzlerin schweigt dazu. Aber jetzt sind all die zum Handeln aufge-
rufen, die sich vehement gegen Guantánamo Bay als Schandmal internationaler
Menschenrechtspolitik gewehrt haben. Wer untätig bleibt und sich der Prüfung
einer Aufnahme nicht mehr tatverdächtiger Insassen verweigert, trägt eine Mit-
verantwortung für die Aufrechterhaltung von Guantánamo Bay und für die
eklatante Verletzung von Menschenrechten.

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