BT-Drucksache 16/11746

Mit mehr Gerechtigkeit die Krise überwinden

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11746
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch,
Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Ulrich Maurer,
Dr. Herbert Schui und der Fraktion DIE LINKE.

Mit mehr Gerechtigkeit die Krise überwinden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Konjunkturprogramm II reicht nicht aus, um die schwere Wirtschaftskrise
zu bekämpfen. Es ist sozial nicht gerecht, die öffentlichen Investitionen sind zu
niedrig. Es leistet keinen wirkungsvollen Beitrag zur Belebung der Binnennach-
frage. Mit einem Volumen von 25 Mrd. Euro im Jahr (ein Prozent des Brutto-
sozialprodukts) wird das Programm den Herausforderungen der Krise nicht ge-
recht.

Die Bundesregierung bemüht sich nicht, zu einer gemeinschaftlichen Konjunk-
turpolitik in der EU zu kommen. Dies fördert nicht die Einigung Europas. Die
Veränderungen in der Steuergesetzgebung begünstigen die hohen Einkommen
und sind deshalb unakzeptabel.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Banken zu vergesellschaften, Finanzgeschäfte staatlich zu regulieren, Eigen-
tumsrechte an die Belegschaften und Kommunen, Länder oder den Bund zu
übertragen und die Bildung genossenschaftlichen Eigentums zu unterstützen;

2. Verhandlungen über ein neues Weltwährungssystem aufzunehmen, Speku-
lationen zu unterbinden, Steueroasen zu schließen und strikte Regeln für den
internationalen Kapitalverkehr zu erlassen, die sozialen und ökologischen
Anforderungen genügen;

3. für eine demokratische Neuordnung der Weltwirtschaft einzutreten, die so-
ziale und ökologische Standards und Rechte für alle Länder garantiert;

4. Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu stoppen und rückgän-
gig zu machen, durch den Ausbau öffentlicher Einrichtungen mehr Gerech-
tigkeit und demokratische Teilhabe zu schaffen;

5. die Mitbestimmung der Belegschaften zu stärken und sie bis zu 49 Prozent

an größeren Unternehmen – insbesondere, wenn diese staatlich unterstützt
werden – zu beteiligen;

6. die Steuern auf hohe Einkommen und Gewinne anzuheben, untere Einkom-
men zu stärken, Bezüge von Rentnerinnen und Rentnern, Empfängerinnen
und Empfängern von Arbeitslosengeld II zu erhöhen;

Drucksache 16/11746 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
7. zur Finanzierung der staatlichen Hilfsprogramme eine Millionärssteuer von
fünf Prozent auf Privatvermögen von über 1 Mio. Euro einzuführen;

8. ab 2009 ein jährliches Programm von mindestens 50 Mrd. Euro für Investi-
tionen in Bildung, Gesundheitswesen, Energiewende und Infrastruktur sowie
zur Stärkung der Binnennachfrage aufzulegen;

9. Subventionen und öffentliche Gelder an die Industrie nur gegen Beteiligung
zu bewilligen und Maßnahmen für den sozialökologischen Umbau der
Industrie einzuleiten.

Berlin, den 27. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Maßgeblich zur Weltwirtschaftskrise hat die Liberalisierung des internationalen
Banken- und Gütersektors beigetragen. Die Versorgung der Wirtschaft mit Geld
darf nicht der Willkür privater Banken überlassen werden. Sie liegt im öffent-
lichen Interesse und ist deshalb in öffentlicher Verantwortung zu regulieren.
Durch Privatisierung wird die öffentliche Daseinsvorsorge der demokratischen
Kontrolle und Gestaltung entzogen, sie wird gewinnorientiert gestaltet. Unter
dem Druck von Finanzinvestoren treffen Manager Entscheidungen, die allein
kurzfristigen Interessen der Anteilseigner und nicht denen der Unternehmen,
ihrer Beschäftigten und den das Unternehmen in Anspruch nehmenden Bürge-
rinnen und Bürgern dienen.

Mit der Politik der Privatisierung wurden öffentliche Einrichtungen, die dem
Wohl aller Menschen dienen sollen, in profitgesteuerte private Unternehmen
umgewandelt, für die der Profit das Wichtigste ist. Mit der Politik der Deregu-
lierung wurden Regeln abgeschafft, die dem Schutz der Gemeinschaft und Ein-
zelner vor dem Egoismus einer Gruppe von Vermögenden dienen. Mit der Poli-
tik der Flexibilisierung wurden den Menschen sichere und gut bezahlte
Arbeitsplätze genommen und in Leiharbeit und Minijobs verwandelt, von deren
Lohn niemand in Würde leben kann.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.