BT-Drucksache 16/10771

Zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Vom 3. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10771
16. Wahlperiode 03. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Dr. Martina Bunge,
Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Katrin Kunert, Elke Reinke,
Dr. Ilja Seifert, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Am 5. Oktober 2008 hat der Koalitionsausschuss der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD den Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instru-
mente bestätigt.

Bereits zum ersten vorgelegten Referentenentwurf vom 26. Mai 2008 befragten wir
die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/9507
zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Jedoch wurde ein
Großteil unserer Fragen mit der Begründung nicht beantwortet, dass vor dem Hin-
tergrund des laufenden Abstimmungsverfahrens eine Beantwortung noch nicht
möglich sei (Bundestagsdrucksache 16/9701). Da mittlerweile der verabschiedete
Gesetzentwurf vorliegt, sollte es der Bundesregierung jetzt möglich sein, Antwor-
ten auf unsere Fragen zu geben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen berücksichtigt die Bundesregierung bei der Vorbereitung
eines Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
nicht die grundlegende Forderung aus der wissenschaftlichen Evaluierung von
Hartz I bis Hartz III, dass bei den anvisierten politischen Korrekturen der
Arbeitsmarktpolitik die Notwendigkeit einer einheitlichen, rechtskreisübergrei-
fenden Arbeitsmarktpolitik und einer entsprechenden Steuerung durch die Bun-
desagentur für Arbeit (BA) in den Mittelpunkt gerückt werden sollte, da die
Trennung der Trägerschaft arbeitsmarktpolitischer Leistungen nach den Rechts-
kreisen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB III) aus Sicht der Wissenschaftler/Wissenschaftlerinnen
eine der größten Achillesfersen der deutschen Arbeitsmarktpolitik darstellt
(Deutscher Bundestag (2006): Bericht 2006 der Bundesregierung zur Wirk-
samkeit moderner Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Bundestagsdrucksache
16/3982, Berlin, S. 159)?

2. Durch welche konkreten Maßnahmen im Rahmen des geplanten Gesetzes soll
nach den Vorstellungen der Bundesregierung künftig durch das neue Gesetz eine

rechtskreisübergreifende integrative Arbeitsmarktpolitik besser gewährleistet
werden?

Drucksache 16/10771 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie bewertet die Bundesregierung im Lichte des kritischen Berichts des
Bundesrechnungshofes (Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88
Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) – Durchführung der Grund-
sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom 29. April 2008) die
Wirksamkeit der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung
(Ein-Euro-Jobs), und welche Schlussfolgerungen werden daraus für Festle-
gungen zur Veränderung der Situation im Rahmen des geplanten Gesetzes
zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente gezogen?

4. Welche 27 arbeitsmarktpolitischen Instrumente sollen abgeschafft werden,
und wie wird dies im Einzelnen konkret begründet (bitte Bezeichnung und
gesetzliche Grundlage angeben)?

5. Welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden nach der Reform im
Einzelnen zur Verfügung stehen (bitte getrennt für SGB III und SGB II ange-
ben)?

6. Plant die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente eine Verringerung oder eine Erhöhung
der finanziellen Mittel für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im Rah-
men der Haushaltsansätze, und in welcher Höhe sollen die Veränderungen
ausfallen?

7. Für welche bisher unter Verweis auf § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II erbrachten
„sonstigen weiteren Leistungen“ sollen im Einzelnen eigenständige Rechts-
grundlagen geschaffen werden?

8. Auf welcher Rechtsgrundlage können in Zukunft Kooperationsprojekte mit
anderen Trägern, wie die Kompetenzagenturen, die aus Mitteln der Jugend-
hilfe und des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert werden, aus Mit-
teln der aktiven Arbeitsförderung finanziert und rechtskreisübergreifend ein-
gesetzt werden?

9. Welche neun Arbeitnehmerleistungen sollen durch das neue Instrument des
Vermittlungsbudgets im Einzelnen ersetzt werden (bitte Bezeichnung und ge-
setzliche Grundlage angeben)?

a) Bestand auf die neun einzelnen abzuschaffenden Instrumente bisher ein
Rechtsanspruch?

b) Welchen finanziellen Anteil soll das Vermittlungsbudget an den Leistun-
gen zur aktiven Arbeitsförderung haben?

c) Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Förderhöchstgrenze für das Ver-
mittlungsbudget einzuführen, mit der der einzelne Erwerbslose gefördert
werden kann, und wenn ja, wie hoch soll diese jährlich sein?

d) Aus welchen Gründen wird die Förderung aus dem Vermittlungsbudget
als reine Ermessensleistung des Vermittlers gestaltet, und wieso besteht
kein Rechtsanspruch auf Förderung aus dem Vermittlungsbudget für
Erwerbslose in den Rechtskreisen des SGB III und des SGB II?

e) Soll angesichts der Tatsache, dass das Vermittlungsbudget auch die Freie
Förderung (§ 10 SGB III) ersetzen soll, in Zukunft eine Projektförderung
auf Basis des Vermittlungsbudgets möglich sein, oder ist nur eine indi-
viduelle Förderung der Erwerbslosen vorgesehen?

f) Wer beurteilt aufgrund welcher konkreten Kriterien, ob die Einglie-
derungsaussichten von Erwerbslosen durch Inanspruchnahme des
Vermittlungsbudgets erheblich verbessert werden, um aus Mitteln des
Vermittlungsbudgets gefördert zu werden?

g) Welche konkreten einzelnen Förderungsmöglichkeiten bietet das

Vermittlungsbudget – kann z. B. die Kfz-Fahrprüfung durch Mittel aus
dem Vermittlungsbudget finanziert werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10771

10. Welche acht Instrumente sollen im Einzelnen durch das neue Instrument
„Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ ersetzt
werden (bitte Bezeichnung und gesetzliche Grundlage angeben)?

a) Welche Fördervoraussetzungen sollen an das neue Instrument geknüpft
werden?

b) Welchen finanziellen Anteil an den Leistungen zur aktiven Arbeits-
förderung soll das Instrument künftig haben?

c) Warum beabsichtigt die Bundesregierung, keinen Rechtsanspruch auf
Förderung durch dieses Instrument in den Rechtskreisen des SBG III und
des SBG II einzuführen?

11. Wer entscheidet innerhalb der BA aufgrund welcher konkreten Kriterien
darüber, welche Projekte aus Mitteln der Freien Förderung § 16f SGB II, die
zur Erprobung innovativer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen geschaffen
werden soll, gefördert werden?

12. Was ist konkret unter der Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss zu
verstehen (bitte sowohl für §§ 61a als auch 77 SGB III angeben)?

a) Welche Maßnahmen können darunter fallen?

b) Unterscheiden sich die förderungsfähigen Maßnahmen des § 61a
SBG III von denen des § 77 SBG III?

Wenn ja, wie?

13. Wer beurteilt aufgrund welcher konkreten Kriterien, ob der Hauptschulab-
schluss durch einen Erwerbslosen „voraussichtlich erreicht werden kann“,
um den Rechtsanspruch nach §§61a und 77 SBG III auf Förderung der Vor-
bereitung auf den Erwerb des Hauptschulabschlusses wirksam werden zu
lassen?

14. Aus welcher Rechtsgrundlage ergibt sich auch für jugendliche SGB II-Leis-
tungsbezieher ein Förderanspruch auf die Vorbereitung des nachträglichen
Erwerbs eines Hauptschulabschlusses auf der Grundlage des SGB III, wie in
dem Begründungstext des Gesetzentwurfs (S. 44, Absatz 4) erwähnt, vor
dem Hindergrund dass im § 16 SGB II nicht auf § 61a SBG III verwiesen
wird?

15. In welchem Maß sollen die Länder an den Kosten der Vorbereitung auf
einen Hauptschulabschluss beteiligt werden?

16. Auf welche Höhe werden sich voraussichtlich die Kosten für den Rechts-
anspruch zur Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschul-
abschlusses belaufen, bzw. welche Mittel sind dafür im BA-Haushalt vor-
gesehen?

17. Was ist konkret unter einem gleichwertigen Schulabschluss zum Haupt-
schulabschluss zu verstehen?

18. Welche Auswirkungen hat die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen
Instrumente auf die Betreuung und Vermittlung für Menschen mit Behin-
derungen?

19. Womit begründet die Bundesregierung die Neuregelung, dass Arbeitsgele-
genheiten in der Entgeltvariante ab dem 31. Dezember 2008 nicht mehr der
Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung unterliegen?

20. Entspricht der in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II geregelte Verwaltungsakt recht-
lich der Eingliederungsvereinbarung, und ergeben sich für Erwerbslose bei
Verstoß gegen die im Verwaltungsakt festgeschriebenen Pflichten die glei-

chen Sanktionen wie bei Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinba-
rung enthaltenen Pflichten?

Drucksache 16/10771 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
21. Aus welchen Gründen hat der Widerspruch und die Anfechtungsklage
gegen einen Verwaltungsakt mit den zur Beantragung einer vorrangigen
Leistung oder mit dem nach § 59 i. V. m. § 309 SBG III zur persönlichen
Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende
Wirkung?

Berlin, den 27. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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