BT-Drucksache 16/10337

Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung eines umfassenden Schutzes vor Passivrauchen im Arbeitsschutzgesetzes

Vom 24. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10337
16. Wahlperiode 24. 09. 2008

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Birgitt Bender, Harald Terpe, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Cornelia Behm, Alexander Bonde, Hans-Josef Fell, Britta Haßelmann, Bettina
Herlitzius, Priska Hinz (Herborn), Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Ute Koczy,
Markus Kurth, Monika Lazar, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Krista
Sager, Elisabeth Scharfenberg, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung eines umfassenden Schutzes
vor Passivrauchen im Arbeitsschutzgesetz

A. Problem

Auf die Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen wird im deutschen
Arbeitsschutz bislang nur unzureichend reagiert. Dabei ist Passivrauchen nach
Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums in Deutschland für jährlich
geschätzte 3 300 Todesfälle verantwortlich. Ebenso ist Passivrauchen mitver-
antwortlich für die Entwicklung zahlreicher nicht tödlicher Fälle von koronarer
Herzkrankheit, Schlaganfall sowie Lungenerkrankungen.

Im letzten Jahr wurden Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden durch Bund und
Bundesländer verabschiedet, da Rauchverbote am effektivsten das Ziel der Ver-
hinderung der gesundheitlichen Gefahren durch Passivrauch erfüllen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2008
(BVerfG, 1 BvR 3262/07) zu den Nichtraucherschutzgesetzen der Bundesländer
Berlin und Baden-Württemberg festgestellt, dass ein striktes gesetzliches
Rauchverbot in Gaststätten, das keine Ausnahmen wie z. B. für Raucherräume
zulässt, zum Schutz vor der Gefährdung der Gesundheit durch Passivrauchen
geeignet und mit der Verfassung vereinbar ist.

Im Arbeitsschutzrecht fehlen klare Regelungen in Form eines gesetzlichen
Rauchverbotes. Die bestehenden Regelungen in § 5 der Arbeitsstättenverord-
nung entsprechen nicht den Anforderungen eines umfassenden Gesundheits-
schutzes. Dort wird es der Entscheidung der Arbeitgeber überlassen, ein allge-
meines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot
zu erlassen. Ebenso existieren Ausnahmen, dass in Arbeitstätten mit Publi-
kumsverkehr der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen für nicht rauchende Arbeit-
nehmer und Arbeitnehmerinnen nur dann treffen muss, wenn die Natur des
Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen. Die bestehende Regelung
begründet die Gefahr, dass in der Praxis Beschäftigte einen umfassenden
Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens am Arbeitsplatz erst einklagen
müssen.

Drucksache 16/10337 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

Nur durch ein Rauchverbot, analog den Regelungen für öffentliche Gebäude,
kann dem Gesundheitsschutz im Arbeitsschutz der notwendige hohe Rang ein-
geräumt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung im Kontext von Gast-
stätten die Frage von Rauchverboten erörtert. Die dortigen grundsätzlichen Ab-
wägungen zwischen Gesundheitsschutz und Freiheitsrechten spielen auch im
Arbeitsschutz eine zentrale Rolle.

Dem sehr hohen Rang des Gemeinwohlziels Gesundheitsschutz folgend soll ein
Rauchverbot an allen Arbeitsstätten im Arbeitsschutzgesetz verankert werden.

Eine solche Regelung hat dann auch Auswirkungen auf gastronomische Einrich-
tungen, soweit diese nicht ausschließlich von den Inhaberinnen und Inhabern so-
wie deren Familienangehörigen betrieben werden. Die vorgeschlagenen Rege-
lungen im Arbeitsschutzgesetz sollen die Länder bei der Umsetzung eines
umfassenden und konsequenten Schutzes vor Passivrauchen in der Gastronomie
unterstützen.

C. Alternativen

Keine. Allen Beschäftigten sollte der gleiche Schutz vor den Gefahren des
Passivrauchens zukommen. Der Gesundheitsschutz von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern sollte nicht als Nebeneffekt weiterer Regelungen (Rauchverbote
in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln, Rauchverbote mit oder ohne
Raucherräume in Gaststätten) unterschiedlich ausfallen.

D. Kosten

Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften durch die zuständigen Be-
hörden findet im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Überprüfungen statt.
Eine erhöhte Kontrolldichte und damit verbundene zusätzliche Kosten sind da-
her nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10337

Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung eines umfassenden Schutzes
vor Passivrauchen im Arbeitsschutzgesetz

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1

Änderung des Arbeitsschutzgesetzes

Nach § 9 wird folgender § 9a eingefügt:

㤠9a
Rauchverbot

(1) In umschlossenen Räumen von Arbeitsstätten ist das
Rauchen verboten.

(2) Ausnahmen können für abgetrennte Räume zugelas-
sen werden, wenn sie rauchenden Beschäftigten ausschließ-
lich zum Zweck des Rauchens zugewiesen sind und durch
technische Sicherungen ausgeschlossen ist, dass von diesen
Räumen eine Belastung mit Schadstoffen in den übrigen Be-
reichen der Arbeitsstätte ausgeht.

(3) Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin oder der Dienstherr/
die Dienstherrin hat für die Einhaltung des Rauchverbotes zu
sorgen. Im Fall der Einrichtung von Räumen für rauchende
Beschäftigte hat er/sie dafür zu sorgen, dass die Vorgaben des
Absatzes 2 eingehalten werden. Der Arbeitgeber/die Arbeit-
geberin oder der Dienstherr/die Dienstherrin darf Beschäf-
tigte nicht verpflichten, Räume im Sinne des Absatzes 2 zu
betreten.“

Artikel 2

Änderung der Arbeitstättenverordnung

§ 5 der Arbeitsstättenverordnung wird aufgehoben.

Berlin, den 24. September 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/10337 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Passivrauchen oder – wie die Europäische Kommission es
bezeichnet – „Exposition gegenüber Tabakrauch in der Um-
welt“ ist 1993 von der US-Umweltschutzbehörde, 2000 von
dem US-Ministerium für Gesundheit und Sozialdienste und
2002 von dem Internationalen Krebsforschungszentrum der
Weltgesundheitsorganisation (WHO-IARC) als für den
Menschen krebserregend eingestuft worden. Auch die deut-
sche Regierung (2001) wertet ETS (Environmental Tobacco
Smoke) als krebserregenden Schadstoff am Arbeitsplatz.

Auf diese Gefährdung durch Passivrauchen wird im deut-
schen Arbeitsschutz bislang nur unzureichend reagiert.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Arbeitsplatz
diesen gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens aus-
gesetzt werden, sind in ihrem Grundrecht auf körperliche
Unversehrtheit verletzt. Zur Wahrung ihrer Grundrechte ist
es daher erforderlich, dass der Gesetzgeber das Arbeits-
schutzrecht in diesem Punkt ändert und ein umfassendes
Rauchverbot am Arbeitsplatz im Arbeitsschutzgesetz ver-
ankert. Deutschland würde damit einer Vielzahl von EU-
Ländern folgen, die im Arbeitsrecht Rauchverbote für aus-
nahmslos alle Arbeitsstätten erlassen haben.

Ziel ist es, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor
dem zwangsweisen Passivrauchen und den damit einher-
gehenden Schädigungen zu schützen. Bei dieser Gefährdung
Anderer finden die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht
der Rauchenden ihre Grenze.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes (GG) kann
der Bund den Arbeitsschutz für alle abhängig Beschäftigten
regeln. Diese Kompetenz erstreckt sich auch auf Arbeits-
stätten mit Publikumsverkehr. Der Schutz der Kundinnen
und Kunden vor Tabakrauch wäre Nebenfolge eines dem
Arbeitsschutz dienenden Rauchverbotes und ist damit von
der Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12
GG mit erfasst.

Rauchverbote sind die wirkungsvollste Herangehensweise,
um einen Schutz vor Passivrauchen zu gewährleisten. Die
Einführung von Rauchverboten kann in die Berufsaus-
übungsfreiheit der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nach
Artikel 12 Abs. 1 GG eingreifen. Zugleich stellt es einen
Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2
Abs. 1 GG) von rauchenden Beschäftigten dar. Derartige
Eingriffe sollten nicht auf dem Verordnungswege, sondern
durch den Gesetzgeber erfolgen. Daher ist eine Änderung

des Arbeitsschutzgesetzes und nicht der Arbeitsstättenver-
ordnung angezeigt.

Zu § 9a

Zu Absatz 1

In allen umschlossenen Räumen einer Arbeitsstätte gilt
grundsätzlich ein Rauchverbot. Bei umschlossenen Räumen
handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs um Raumgebilde, die dazu bestimmt sind, von
Menschen betreten zu werden und mit mindestens teilweise
künstlichen Vorrichtungen zur Abwehr des Eindringens
Unbefugter umgeben sind. Dazu gehören Gebäude, die
durch Wände und Dach begrenzt und mit dem Erdboden fest
verbunden sind, aber auch einzelne Zimmer, Keller u. Ä.
Zusätzlich werden davon auch Fahrzeuge wie Eisenbahnen,
Kraftfahrzeuge und Flugzeuge erfasst, soweit es sich bei
ihnen um Arbeitsstätten handelt und sie dem Anwendungs-
bereich des Arbeitsschutzgesetzes unterfallen.

Zu Absatz 2

Von dem in Absatz 1 enthaltenen Rauchverbot kann nach
Absatz 2 nur für solche Räume in Arbeitsstätten abgewichen
werden, die ausschließlich den dort Beschäftigten und diesen
auch nur zum Zwecke des Rauchens vom Arbeitgeber zu-
gewiesen werden. Durch entsprechende technische Siche-
rungen ist sicherzustellen, dass von diesen Räumen keine
Belastung anderer Räume ausgeht. Bei der Konkretisierung
dieser technischen Maßnahmen sollen die schwedischen und
italienischen Regelungen, die z. B. abgeschlossene Räume,
automatisch schließende Türen, Entlüftung mit Filterung
und Ableitung der Luft nach außen und leichten Unterdruck
vorsehen, als Orientierung dienen.

Zu Absatz 3

Die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber sowie die Dienstherrin
oder der Dienstherr sind verpflichtet, Maßnahmen zu ergrei-
fen, die gewährleisten, dass das Rauchverbot nach Absatz 1
eingehalten wird. Nach Satz 2 hat die Arbeitgeberin bzw. der
Arbeitgeber die nötigen technischen Voraussetzungen ge-
mäß § 9a Abs. 2 zu schaffen und deren Wirksamkeit und
Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Nach Satz 3 darf die
Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber sowie die Dienstherrin
bzw. der Dienstherr die Beschäftigten nicht verpflichten, im
Rahmen ihrer Tätigkeit einen vom Rauchverbot ausgenom-
menen Raum zu betreten.

Zu Artikel 2

Folgeänderung

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