BT-Drucksache 16/10133

Ältere am Arbeitsmarkt - Beschäftigungssituation und Erwerbslosigkeit

Vom 15. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10133
16. Wahlperiode 15. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Barbara Höll,
Werner Dreibus, Katrin Kunert, Kornelia Möller, Elke Reinke, Frank Spieth, Dr. Axel
Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Ältere am Arbeitsmarkt – Beschäftigungssituation und Erwerbslosigkeit

Laut Bundesregierung liegt die Beschäftigungsquote Älterer mit 52 Prozent
über dem EU-Durchschnitt, womit das Lissabon-Ziel bereits übertroffen ist. Sie
betont die positive Entwicklung nicht zuletzt auch deswegen, da vor der Einfüh-
rung der Rente ab 67 die Verbesserung der Beschäftigungssituation Älterer über-
prüft wird.

Doch die Beschäftigungsquote Älterer trifft keine qualitative Aussage über die
konkrete Beschäftigungssituation, noch gibt sie Aufschluss über die Erwerbslo-
sigkeit Älterer, noch über das Ausmaß und die Gründe für ein vorzeitiges Aus-
scheiden aus dem Berufsleben.

Der Anstieg der Erwerbstätigkeit Älterer bedeutet nicht, dass Ältere länger ar-
beiten. Die negativen Konsequenzen der Rente ab 67 werden aber gerade dieje-
nigen tragen, die nicht bis zum regulären Renteneintrittsalter voll erwerbstätig
sind oder sein können. Hier ist entscheidend: Die Beschäftigungsquote sinkt mit
zunehmendem Alter. Geradezu alarmierend ist, dass Ende 2004 nur noch 5 Pro-
zent aller 64-jährigen Männer erwerbstätig waren (IAB-Kurzbericht 12/07
IAB = Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für
Arbeit).

Laut Altersübergangsreport 1/2008 ist seit 2001 die Inanspruchnahme der Al-
tersteilzeit gestiegen, die überwiegend von Männern und fast ausschließlich im
Blockmodell genutzt wird. Während der Freistellungsphase bleiben Altersteil-
zeitbeschäftigte weiterhin als erwerbstätig registriert, obwohl sie dies faktisch
nicht mehr sind.

Die offizielle Arbeitslosenstatistik gibt nur bedingt Auskunft über den Grad der
Aussteuerung Älterer vom Arbeitsmarkt. Die so genannte 58er-Regelung führte
dazu, dass jenseits der 60 kaum noch jemand offiziell als arbeitslos registriert
war. „Damit war Ende 2004 die Zahl der nicht registrierten Arbeitslosen in allen
Altersgruppen ab 58 größer als die Zahl der registrierten Arbeitslosen“ (IAB-
Kurzbericht 12/07). Im letzten Jahr waren so 580 000 ältere Erwerbslose nicht
als solche registriert (Böckler Impuls 18/2007).
Die Nachfolgeregelung im § 53a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
ist zudem ein Novum in der statistischen Erfassung älterer Langzeiterwerbs-
loser. Demnach gilt ein Langzeiterwerbsloser nicht mehr als arbeitslos, wenn
ihm innerhalb eines Jahres kein Arbeitsangebot unterbreitet wurde. Hier kann
also die Arbeitsvermittlung durch die bloße Unterlassung von Eingliederungs-
bemühungen dazu beitragen, dass die offizielle Arbeitslosenquote Älterer sinkt.

Drucksache 16/10133 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur Beurteilung der Beschäftigungssituation Älterer gerade auch auf dem Hin-
tergrund der Heraufsetzung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre sind daher Daten
nötig, die die begrenzte Aussagefähigkeit der offiziellen Statistiken überwinden
und zudem eine qualitative Bewertung der Lage Älterer am Arbeitsmarkt erlau-
ben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Faktoren führten in den letzten Jahren zum Anstieg der Beschäf-
tigungsquote Älterer?

2. Wie ist der abnehmende Verlauf der Beschäftigungsquote bei zunehmen-
dem Alter (Beschäftigungsquote Älterer quantifiziert nach den Jahrgängen
und aufgeschlüsselt nach Geschlecht sowie nach alten und neuen Bundes-
ländern)

– 55- bis 59-Jährige,
– 60-Jährige,
– 61-Jährige,
– 62-Jährige,
– 63-Jährige,
– 64-Jährige?

3. Wie wird sich nach Ansicht der Bundesregierung die wachsende Anzahl
Älterer im erwerbsfähigen Älter durch die so genannten Babyboomer auf
die Beschäftigungsquote Älterer in den kommenden Jahren auswirken?

Erwartet die Bundesregierung einen Anstieg der Nachfrage nach Älteren
am Arbeitsmarkt in dem Maße, wie der Zugang an Älteren am Arbeitsmarkt
steigen wird?

4. Welche Art von Beschäftigung üben Ältere aus (Entwicklung der letzten
fünf Jahre getrennt für die Gruppen 55- bis 59-Jährige, 60- bis 64-Jährige
und Rentner anhand folgender Rubriken sowie aufgeschlüsselt nach Ge-
schlecht und nach alten und neuen Bundesländern)

– sozialversicherungspflichtige Tätigkeit,
– geringfügige Beschäftigung,
– selbstständige Tätigkeit?

5. Zeigen sich Entwicklungstendenzen, die den Schluss nahelegen, dass sich die
Verdienstsituation Älterer – insbesondere niedrig Qualifizierter – in den letz-
ten Jahren verschlechtert hat und sich weiter verschlechtern wird, und wenn
ja, welche Maßnahmen will die Regierung gegen diesen Trend ergreifen?

6. Wie viele Personen zwischen 50 und 59 Jahren und zwischen 60 und 64 Jah-
ren werden derzeit über welche Maßnahmen im Rahmen des Programms
50plus gefördert (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und nach alten und
neuen Bundesländern)?

7. Wie ist die quantitative Entwicklung der Altersteilzeit seit 2001 bis heute
für welche Altersjahrgänge?

8. Wie hoch ist der Anteil derjenigen, die ab 2001 bis heute jeweils im Jahres-
durchschnitt Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch nehmen und in der
Freistellungsphase demzufolge zwar als Erwerbstätige erfasst werden, fak-
tisch aber aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind?

9. In welchem Umfang dient nach Ansicht der Bundesregierung die Möglich-
keit der Inanspruchnahme von Altersteilzeit gerade auch dazu, Arbeits-
losigkeit im Alter zu vermeiden?

10. Wie hoch ist die Anzahl der Älteren zwischen 55 und 59 Jahren und der-

jenigen zwischen 60 und 64 Jahren, die nicht mehr erwerbstätig sind (bitte
aufschlüsseln nach Geschlecht und nach alten und neuen Bundesländern)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10133

11. Wie hoch ist der Anteil der Erwerbsfähigen an der Gruppe der nicht mehr
erwerbstätigen Älteren zwischen 55- und 59-Jahren und zwischen 60 und
64 Jahren (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und nach alten und neuen
Bundesländern)?

12. Wie hoch ist die offizielle Arbeitslosenquote der 55- bis 59-Jährigen, und
wie die der jeweiligen Folgejahrgänge (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht
und nach alten und neuen Bundesländern)?

13. Wie hoch wäre die offizielle Arbeitslosenstatistik für Ältere zwischen 55
und 59 Jahren und zwischen 60 und 64 Jahren, wenn diejenigen innerhalb
der Arbeitslosenstatistik erfasst würden, die keine reguläre Erwerbstätigkeit
am ersten Arbeitsmarkt haben, aber aufgrund ihrer Teilnahme an arbeits-
marktpolitischen Maßnahmen oder durch den erleichterten Leistungszu-
gang nach § 428 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 65
SGB II statistisch nicht als Arbeitslose erfasst wurden (bitte aufschlüsseln
nach Geschlecht und nach alten und neuen Bundesländern)?

14. Was bezweckt die Bundesregierung mit der Neuregelung des § 53a SGB III,
nach der Langzeitarbeitslose ab 58 Jahren nicht mehr als arbeitslos gelten,
wenn ihnen innerhalb eines Jahres kein Arbeitsangebot gemacht wurde?

15. Wie will die Bundesregierung vermeiden, dass die Arbeitsvermittlung ab-
sichtlich auf Vermittlungsbemühungen verzichtet mit dem Ziel, ältere
Langzeitarbeitslose final aus der Statistik auszusteuern?

16. Wie verträgt sich die Neuregelung im § 53a SGB III mit dem erklärten Ziel
der Bundesregierung, gerade auch auf dem Hintergrund der Heraufsetzung
des Renteneintrittsalters verstärkte Anstrengungen zur beruflichen Reinte-
gration Älterer unternehmen zu wollen, wenn sie gleichzeitig dafür Sorge
trägt, dass ältere Langzeitarbeitslose nach einem Jahr erfolgloser Arbeits-
suche automatisch aus der Statistik ausgesteuert werden und damit trotz
Arbeitslosigkeit nicht mehr zum offiziellen Klientel gehören, um dessen
berufliche Reintegration sich offizielle Stellen bemühen sollen?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Ansicht, nach der damit zu rechnen
ist, dass die Neuregelung im § 53a SGB III mit dazu beitragen wird, dass
sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen zusätzlich erhöhen wird, die ab
63 Jahren mit Abschlägen zwangsverrentet werden, da von offizieller Seite
frühzeitig alle Bemühungen zur Reintegration eingestellt wurden?

18. Wie ist die quantitative Entwicklung seit 2000 bei den Erwerbsminderungs-
renten, und wie hoch der Anteil der Rentner ab 60 Jahre daran (bitte auf-
schlüsseln nach Geschlecht und nach alten und neuen Bundesländern)?

19. Was spricht nach Ansicht der Bundesregierung dagegen, angesichts der im
EU-Vergleich überdurchschnittlich hohen hiesigen Arbeitslosenquote dem
Beispiel einiger europäischer Länder zu folgen, die einen erleichterten
Zugang zu Erwerbsminderungsrenten haben und deswegen einen höheren
Anteil an diesen und infolgedessen einen weitaus geringen Anteil älterer
Arbeitsloser?

20. Welche konkreten Überlegungen und Vorarbeiten gibt es darüber, welche
Kriterien zur Überprüfung der Verbesserung der Beschäftigungssituation
Älterer zugrunde gelegt werden, bevor die Rente ab 67 eingeführt wird, und
wann werden diese öffentlich zur Diskussion gestellt?

Berlin, den 13. August 2008
Dr. Gregor Gisy, Oskar Lafontaine und Fraktion

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