BT-Drucksache 15/3346

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -15/2887, 15/2945- Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/2576- Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten durch nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung c) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -15/3146- Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten durch Anordnung der Unterbringung der Sicherungsverwahrung

Vom 16. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3346
15. Wahlperiode 16. 06. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 15/2887, 15/2945 –

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen
Sicherungsverwahrung

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Wolfgang Bosbach,
Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/2576 –

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor schweren
Wiederholungstaten durch nachträgliche Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung

c) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 15/3146 –

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor schweren
Wiederholungstaten durch Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung

A. Problem
Zu Buchstabe a
Das überragende Interesse der Allgemeinheit an effektivem Schutz vor be-
stimmten hochgefährlichen Straftätern gebietet in Einzelfällen eine Inhaftie-
rung über das Ende der Strafhaft hinaus, auch wenn im Urteil des erkennenden
Gerichts die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch nicht angeord-
net war. Daher wurde mit dem Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Siche-
rungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3344) dem Gericht vor

Drucksache 15/3346 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

allem in Fällen schwerer Gewalt- und Sexualdelinquenz die Möglichkeit eröff-
net, sich die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in der Siche-
rungsverwahrung für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten, wenn zurzeit des
Urteils ein Hang des Täters i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch nicht hinrei-
chend sicher festgestellt werden konnte. Daneben hatten sich einige Bundes-
länder sog. Straftäterunterbringungsgesetze gegeben, die eine weitere Möglich-
keit der Inhaftierung als hochgefährlich eingeschätzter Straftäter boten. Zwei
dieser Gesetze hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. Februar
2004 (2 BvR 834/02 u. a.) nunmehr für unvereinbar mit der Kompetenzord-
nung des Grundgesetzes erklärt. Gleichzeitig haben jedoch Erfahrungen aus der
Anwendungspraxis der Landesgesetze gezeigt, dass in seltenen Fällen das Be-
dürfnis nach der Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Unterbrin-
gung in der Sicherungsverwahrung besteht. Dabei handelt es sich um solche
Fälle, in denen sich die Gefährlichkeit des Täters erst nach der Verurteilung
– ggf. sogar erst gegen Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe – ergibt.
Zu Buchstabe b
Verbrechen, die von einschlägig vorbestraften Personen begangen werden, ma-
chen deutlich, dass der Schutz der Allgemeinheit verbessert werden muss. Der
Schutz vor solchen Verurteilten, von denen auch nach Verbüßung ihrer Frei-
heitsstrafen schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrt-
heit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer mit hoher Wahr-
scheinlichkeit zu erwarten sind, stellt ein überragendes Gemeinwohlinteresse
dar. Diesen Schutz durch geeignete Mittel zu gewährleisten, ist Aufgabe des
Staates (so das BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004, 2 BvR 834/02 und 2 BvR
1588/02, S. 77). Täter, die die formellen Voraussetzungen für die Anordnung
der Sicherungsverwahrung erfüllen, deren besondere Gefährlichkeit sich aber
erst während der Haft zeigt, müssen derzeit nach Verbüßung der Freiheitsstrafe
entlassen werden. Der Schutz der Bevölkerung ist so nicht gewährleistet. Das
Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. Au-
gust 2002 (BGBl. I S. 3344) greift, wenn – angesichts seines beschränkten An-
wendungsbereichs – überhaupt, frühestens in einigen Jahren. Nachdem das
Bundesverfassungsgericht die Bundeskompetenz für die Regelung der nach-
träglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bejaht
hat (BVerfG, a. a. O.), bleibt für landesgesetzliche Regelungen kein Raum. Be-
stehende landesgesetzliche Regelungen, die den notwendigen Schutz gewähr-
leisten sollten, sind vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz
unvereinbar erklärt worden. Mit der Anordnung der Fortgeltung dieser Landes-
gesetze für eine Übergangszeit bis zum 30. September 2004 hat das Gericht die
Notwendigkeit solcher Regelungen unterstrichen. Es bedarf einer bundesge-
setzlichen Regelung, bevor diese Übergangsfrist abläuft. Bei Tätern, die extrem
gefährlich sind, bisher jedoch erst eine gravierende Straftat begangen haben, ist
die Anordnung von Sicherungsverwahrung bisher ausgeschlossen. Bei Heran-
wachsenden ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch dann nicht
möglich, wenn Erwachsenenstrafrecht zu Anwendung kommt. Nach dem Ge-
setz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember
2003 (BGBl. I S. 1074, 1319) kann Sicherungsverwahrung – zudem nur im
Verhältnis zu Erwachsenen in einem eingeschränktem Umfang – lediglich vor-
behalten werden.
Zu Buchstabe c
Verbrechen aus jüngster Zeit, die zum Teil von einschlägig vorbestraften Per-
sonen begangen worden sind, haben deutlich gemacht, dass der Schutz der All-
gemeinheit vor schweren Straftaten der Verbesserung bedarf. Es geht nicht an,
dass Straftäter, deren hohe Gefährlichkeit sich während des Strafvollzugs ergibt

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3346

und die die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung er-
füllen, nach Verbüßung der zeitigen Freiheitsstrafe entlassen werden müssen.
Landesgesetzliche Regelungen, die den erforderlichen Schutz zu gewährleisten
versucht haben, sind vom Bundesverfassungsgericht für mit der Zuständig-
keitsordnung des Grundgesetzes unvereinbar erklärt worden. Mit der Anord-
nung der Fortgeltung dieser Landesgesetze für eine Übergangszeit hat das
Bundesverfassungsgericht zugleich die Notwendigkeit solcher Regelungen be-
stätigt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004, 2 BvR 834/02 und 2 BvR
1588/02; BGBl. I S. 469 (Entscheidungsformel); NJW 2004, 750 ff.). Es bedarf
einer bundesgesetzlichen Regelung, bevor diese Übergangsfrist abläuft. Lan-
desgesetzliche Regelungen im Rahmen der Gefahrenabwehr sind ungeeignet
(vgl. BVerfG, a. a. O., Absätze 119 ff., 181). Bei Tätern, die extrem gefährlich
sind, bisher jedoch erst eine gravierende Straftat begangen haben, ist die Anord-
nung von Sicherungsverwahrung bisher ausgeschlossen. Dies kann nicht hinge-
nommen werden. Auch wenn Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt,
war die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden bislang
nicht möglich. Nach dem seit dem 1. April 2004 geltenden Gesetz zur Ände-
rung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I
S. 1074, 1319) kann Sicherungsverwahrung lediglich vorbehalten werden, al-
lerdings im Vergleich zu Erwachsenen nur in äußerst eingeschränktem Umfang.
Diese Regelung ist inkonsequent. Es ist nicht einzusehen, weshalb gegen
Heranwachsende ohne Reiferückstände bei entsprechend verfestigter kriminel-
ler Gefährlichkeit nicht wie bei Erwachsenen Sicherungsverwahrung angeord-
net werden können sollte.

B. Lösung
Zu Buchstabe a
Der Entwurf schließt die beschriebene Lücke, indem er die bestehenden Rege-
lungen der §§ 66 f. StGB und des § 106 Abs. 3 JGG um die Möglichkeit er-
gänzt, die Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen. Gleichzeitig schafft
er erstmals eine gesetzliche Regelung für Fälle, in denen während des Vollzugs
der Maßregel nach § 63 StGB festgestellt wird, dass die Unterbringungsvoraus-
setzungen – jedenfalls im Zeitpunkt der Überprüfung – nicht mehr vorliegen.
Er ermöglicht in diesen Fällen die Beendigung der Unterbringung im psychia-
trischen Krankenhaus und begründet gleichzeitig die Möglichkeit, bei fortbe-
stehender erheblicher Gefährlichkeit des Untergebrachten nachträglich Siche-
rungsverwahrung anzuordnen. Verfahrensrechtlich lehnt sich der Entwurf an
die Regelungen zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an (sog. Hauptver-
handlungsmodell). Neu vorgesehen ist ein Unterbringungsbefehl. Er soll ver-
hindern, dass potenziell hochgefährliche Straftäter allein deshalb entlassen wer-
den müssen, weil zum Zeitpunkt der Vollverbüßung eine rechtskräftige Ent-
scheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung noch nicht vorliegt.
Gleichzeitig stellt eine Übergangsvorschrift die Anwendung der Neuregelung
auf diejenigen Straftäter sicher, die auf Grund landesrechtlicher Straftäterunter-
bringungsgesetze untergebracht wurden. Durch Ergänzung des § 106 JGG wird
in Anlehnung an § 66b StGB – neu – auch für Heranwachsende die Möglich-
keit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung eingeführt.
Zu Buchstabe b
Es muss die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsver-
wahrung – auch ohne Vorbehalt – ermöglicht werden, wenn sich während der
Haft ergibt, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist, weil von ihm
schwerste Straftaten zu erwarten sind, namentlich solche, durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Weiterhin muss die

Drucksache 15/3346 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
auch gegen Ersttäter, bei denen die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB
nicht vorliegen, möglich sein. Dies gilt auch, wenn sich während der Haft er-
gibt, dass dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut besonders schwer wie-
gende Taten, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt
werden, begehen werde. Das Anordnungsverfahren soll durch Beschluss der
Strafvollstreckungskammer nach vorheriger mündlicher Anhörung des Verur-
teilten, der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt unter Mitwirkung
des Verteidigers sowie nach obligatorischer Einholung zweier externer Sach-
verständigengutachten erfolgen. Außerdem sollen die nach landesrechtlichen
Regelungen untergebrachten Straftäter in die nachträgliche Sicherungsverwah-
rung überführt werden. Auch soll die Anordnung der Sicherungsverwahrung
gegen Heranwachsende möglich sein, sofern auf sie allgemeines Strafrecht An-
wendung findet.

Zu Buchstabe c
Zur Lösung der aufgezeigten Probleme sollen die nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch ohne Vorbehalt durch das er-
kennende Gericht ermöglicht werden, sofern sich im Verlauf des Strafvollzugs
ergibt, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist, weil von ihm erheb-
liche Straftaten zu erwarten sind. Die nach landesrechtlichen Straftäterunter-
bringungsgesetzen Untergebrachten sollen in die nachträgliche Sicherungsver-
wahrung überführt werden. Weiterhin sollen die nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gegen Täter, bei denen die for-
mellen Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach
§ 66 StGB nicht vorliegen, bei denen aber im Falle der Entlassung in Freiheit
die hohe Wahrscheinlichkeit der erneuten Begehung bestimmter besonders
schwerwiegender Taten gegen die Person besteht (§ 66a Abs. 2 StGB-E) und
die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende, sofern ge-
gen sie allgemeines Strafrecht angewendet wird, ermöglicht werden. Gleichzei-
tig sollen die diesbezüglich völlig unzureichenden Regelungen des Gesetzes
zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbst-
bestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003
aufgehoben werden. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung
soll durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer nach vorheriger münd-
licher Anhörung des Verurteilten, der Staatsanwaltschaft und der Justizvoll-
zugsanstalt sowie nach obligatorischer Einholung eines externen Sachverstän-
digengutachtens erfolgen. Die Große Strafvollstreckungskammer soll für Ent-
scheidungen über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
(§ 78b GVG-E) zuständig sein.

Zu Buchstabe a
Annahme in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP
Zu Buchstabe b
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
Zu Buchstabe c
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/3346

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 15/3346 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf – Drucksachen 15/2887, 15/2945 – in der aus der nach-

stehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,
b) den Gesetzentwurf – Drucksache 15/2576 – abzulehnen,
c) den Gesetzentwurf – Drucksache 15/3146 – abzulehnen.

Berlin, den 16. Juni 2004

Der Rechtsausschuss
Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Erika Simm
Berichterstatterin

Joachim Stünker
Berichterstatter

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Dr. Norbert Röttgen
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/3346

En twu r f


Be s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s


Zusammenstellung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung
– Drucksachen 15/2887, 15/2945 –
mit den Beschlüssen des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geän-
dert durch …, wird wie folgt geändert:
1. u n v e r ä n d e r t

2. Nach § 66a wird folgender § 66b eingefügt:
„§ 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung
(1) Werden nach einer Verurteilung wegen eines

Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Un-
versehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexu-
elle Selbstbestimmung oder eines Verbrechens nach
§§ 250, 251, auch in Verbindung mit den §§ 252, 255
oder wegen eines der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten
Vergehen vor Ende des Vollzugs dieser Freiheitsstrafe
Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlich-
keit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so
kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungs-
verwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamt-
würdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend
seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt,
dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straf-
taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch
oder körperlich schwer geschädigt werden, und wenn die
übrigen Voraussetzungen des § 66 erfüllt sind.
(2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 genannten Art

nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von min-
destens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbre-
chen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit,
die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestim-
mung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung
mit den §§ 252 oder 255 erkennbar, so kann das Gericht
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach-
träglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Ver-
urteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend
seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt,
dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straf-

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geän-
dert durch …, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 66a

folgende Angabe eingefügt:
„§ 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung“.

2. Nach § 66a wird folgender § 66b eingefügt:
„§ 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung
(1) Werden nach einer Verurteilung wegen einer der

in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten vor Ende des
Vollzugs der Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar, die auf
eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die
Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht die Unter-
bringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich an-
ordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten,
seiner Taten und seiner Entwicklung während des Straf-
vollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit
erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt wer-
den, und wenn die übrigen Voraussetzungen des § 66
Abs. 3 erfüllt sind.

(2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 genannten Art
nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von min-
destens vier Jahren wegen einer oder mehrerer Straftaten
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder
die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 239a,
239b, 250 oder 251, auch in Verbindung mit den §§ 252
oder 255 erkennbar, so kann das Gericht die Unterbrin-
gung in der Sicherungsverwahrung auch unabhängig
von den Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 nachträglich
anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten,
seiner Tat oder seiner Taten und seiner Entwicklung
während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher

Drucksache 15/3346 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s
taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch
oder körperlich schwer geschädigt werden.

(3) u n v e r ä n d e r t

1. u n v e r ä n d e r t

2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten
und ergänzend seiner Entwicklung während des
Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit hoher
Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen
wird, durch welche die Opfer seelisch oder körper-
lich schwer geschädigt werden.

3. u n v e r ä n d e r t

4. u n v e r ä n d e r t

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zu-
letzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. u n v e r ä n d e r t

2. Nach § 275 wird der siebente Abschnitt wie folgt ge-
fasst:
„Siebenter Abschnitt. Entscheidung über die im Urteil
vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung

Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird,
durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer
geschädigt werden.
(3) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen

Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt wor-
den, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder
vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung be-
ruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht
bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen

mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten
angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen
einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur
Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen
hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von min-
destens drei Jahren verurteilt oder in einem psychia-
trischen Krankenhaus untergebracht worden war und

2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten
und seiner Entwicklung während des Vollzugs der
Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlich-
keit erhebliche Straftaten begehen wird, durch wel-
che die Opfer seelisch oder körperlich schwer ge-
schädigt werden.

3. Dem § 67d wird folgender Absatz 6 angefügt:
„(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung

der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-
haus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht
mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maß-
regel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erle-
digt. Mit der Erledigung tritt Führungsaufsicht ein. Das
Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an,
wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie
keine Straftaten mehr begehen wird.“

4. In § 68 Abs. 2 wird in der Klammer die Angabe „67d
Abs. 2, 3 und 5“ durch die Angabe „67d Abs. 2, 3, 5
und 6“ ersetzt.

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zu-
letzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zum siebenten

Abschnitt des Zweiten Buches wie folgt gefasst:
„Siebenter Abschnitt. Entscheidung über die im Urteil
vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung

§ 275a“.
2. Nach § 275 wird der siebente Abschnitt wie folgt ge-

fasst:
„Siebenter Abschnitt. Entscheidung über die im Urteil
vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/3346

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s
§ 275a

(1) Ist über die im Urteil vorbehaltene oder die nach-
trägliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§§ 66a
und 66b des Strafgesetzbuches, § 106 Abs. 3, 5 und 6
des Jugendgerichtsgesetzes) zu entscheiden, übersendet
die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die
Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Prüft die
Staatsanwaltschaft, ob eine nachträgliche Anord-
nung der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt,
teilt sie dies dem Betroffenen mit. Die Staatsanwalt-
schaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 oder 2
des Strafgesetzbuches oder nach § 106 Abs. 5 des
Jugendgerichtsgesetzes spätestens sechs Monate vor
dem Zeitpunkt stellen, in dem der Vollzug der Frei-
heitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßregel
der Besserung und Sicherung gegen den Betroffenen
endet. Sie übergibt die Akten mit ihrem Antrag unver-
züglich dem Vorsitzenden des Gerichts.
(2) u n v e r ä n d e r t

(3) u n v e r ä n d e r t

(4) u n v e r ä n d e r t

(5) u n v e r ä n d e r t

§ 275a
(1) Ist über die im Urteil vorbehaltene oder die nach-

trägliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§§ 66a
und 66b des Strafgesetzbuches, § 106 Abs. 3, 5 und 6
des Jugendgerichtsgesetzes) zu entscheiden, übersendet
die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die
Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese
übergibt die Akten mit ihrem Antrag unverzüglich dem
Vorsitzenden des Gerichts.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der
Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entspre-
chend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.
(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe

des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter
in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Er-
gebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende
verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entschei-
dung über die vorbehaltene oder die nachträgliche An-
ordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist.
Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die
Beweisaufnahme.
(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gut-

achten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträg-
liche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entschei-
den, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen
eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des
Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht
mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen
sein.
(5) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhan-

den, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung ange-
ordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des
Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. In den Fäl-
len des § 66b Abs. 3 des Strafgesetzbuches und des
§ 106 Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes ist das für die
Entscheidung nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches
zuständige Gericht für den Erlass des Unterbringungsbe-
fehls so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für
diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den
Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches und des § 106
Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes kann das Gericht bis
zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl
erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in
§ 66a Abs. 2 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten
Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ange-
ordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119 und 126a
Abs. 3 gelten entsprechend.“

Drucksache 15/3346 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s
3. u n v e r ä n d e r t

Artikel 3
u n v e r ä n d e r t

Artikel 4
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das

3. In § 463 Abs. 5 wird die Angabe „§ 67d Abs. 5“ durch
die Angabe „§ 67d Abs. 5 und 6“ ersetzt.

Artikel 3
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. In § 24 Abs. 1 Nr. 2 wird nach dem Wort „Sicherungs-

verwahrung“ die Angabe „(§§ 66 bis 66b des Strafge-
setzbuches)“ eingefügt.

2. Nach § 74e wird folgender § 74f eingefügt:
㤠74f

(1) Hat im ersten Rechtszug eine Strafkammer die An-
ordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten oder in
den Fällen des § 66b des Strafgesetzbuches und des
§ 106 Abs. 5 oder Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes als
Tatgericht entschieden, ist diese Strafkammer im ersten
Rechtszug für die Verhandlung und Entscheidung über
die im Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anord-
nung der Sicherungsverwahrung zuständig.
(2) Hat in den Fällen des § 66b des Strafgesetzbuches

im ersten Rechtszug ausschließlich das Amtsgericht als
Tatgericht entschieden, ist im ersten Rechtszug eine
Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts für
die Verhandlung und Entscheidung über die nachträgli-
che Anordnung der Sicherungsverwahrung zuständig.
(3) In den Fällen des § 66b des Strafgesetzbuches und

des § 106 Abs. 5 und Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes
gilt § 462a Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozessordnung
entsprechend; § 76 Abs. 2 dieses Gesetzes und § 33b
Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes sind nicht anzuwen-
den.“

3. Nach § 120 wird folgender § 120a eingefügt:
㤠120a

(1) Hat im ersten Rechtszug ein Strafsenat die Anord-
nung der Sicherungsverwahrung vorbehalten oder in den
Fällen des § 66b des Strafgesetzbuches und des § 106
Abs. 5 oder Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes als Tatge-
richt entschieden, ist dieser Strafsenat im ersten Rechts-
zug für die Verhandlung und Entscheidung über die im
Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung zuständig.
(2) In den Fällen des § 66b des Strafgesetzbuches und

des § 106 Abs. 5 und Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes
gilt § 462a Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozessordnung
entsprechend.“

Artikel 4
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/3346

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s
zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geän-
dert:
1. § 106 wird wie folgt geändert:

a) u n v e r ä n d e r t

b) Folgende Absätze werden angefügt:
„(5) Werden nach einer Verurteilung wegen einer

Straftat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren
vor Ende des Vollzugs dieser Freiheitsstrafe Tat-
sachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlich-
keit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen,
so kann das Gericht die Unterbringung in der Siche-
rungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die
Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und
ergänzend seiner Entwicklung während des Straf-
vollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit
erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 be-
zeichneten Art begehen wird.
(6) u n v e r ä n d e r t

1. u n v e r ä n d e r t

2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Ta-
ten und ergänzend seiner Entwicklung während
des Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit
hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in
Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen
wird.“

2. u n v e r ä n d e r t

zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geän-
dert:
1. § 106 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für
Heranwachsende; Sicherungsverwahrung“.

b) Folgende Absätze werden angefügt:
„(5) Werden nach einer Verurteilung wegen einer

Straftat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren
vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe Tatsachen
erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des
Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so kann
das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsver-
wahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamt-
würdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner
Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass
er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der
in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen
wird.
(6) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2

Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d
Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt wor-
den, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende
oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbrin-
gung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentschei-
dung nicht bestanden hat, so kann das Gericht, die
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach-
träglich anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des

Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten
angeordnet wurde oder wenn der Betroffene we-
gen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor
der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetz-
buches führenden Tat begangen hat, schon einmal
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jah-
ren verurteilt oder in einem psychiatrischen Kran-
kenhaus untergebracht worden war und

2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Ta-
ten und seiner Entwicklung während des Vollzugs
der Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahr-
scheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3
Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.“

2. § 108 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:
„(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heran-

wachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so
gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im
Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheits-
strafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in
einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben
einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106
Abs. 3, 5, 6) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zu-
ständig.“

Drucksache 15/3346 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s

Artikel 5
u n v e r ä n d e r t

Artikel 6
u n v e r ä n d e r t

Artikel 7
u n v e r ä n d e r t

Artikel 8
Änderung des Einführungsgesetzes

zum Strafgesetzbuch
Artikel 1a des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch

vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I
S. 507), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie
folgt gefasst:

„Artikel 1a
Anwendbarkeit der Vorschriften
über die Sicherungsverwahrung

§ 66b des Strafgesetzbuches findet auch Anwendung auf
diejenigen Personen, gegen die auf Grund des Gesetzes des
Landes Baden-Württemberg über die Unterbringung beson-
ders rückfallgefährdeter Straftäter vom 14. März 2001 (Ge-
setzblatt für Baden-Württemberg Seite 188), auf Grund des
Bayerischen Gesetzes zur Unterbringung von besonders
rückfallgefährdeten Straftätern vom 24. Dezember 2001
(Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 978), auf
Grund des Gesetzes des Landes Niedersachsen über die
Unterbringung besonders gefährlicher Personen zur Ab-
wehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit
vom 20. Oktober 2003 (Niedersächsisches Gesetz- und Ver-
ordnungsblatt Seite 368), auf Grund des Gesetzes des Lan-
des Sachsen-Anhalt über die Unterbringung besonders rück-

Artikel 5
Änderung des Bundeszentralregistergesetzes
In § 12 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes in der

Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984
(BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das zuletzt durch … geän-
dert worden ist, wird nach Nummer 9 der Punkt am Ende
durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 10 ange-
fügt:
„10. die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der

Sicherungsverwahrung.“

Artikel 6
Änderung des Gerichtskostengesetzes

Die Vorbemerkung 3.1 Abs. 8 der Anlage 1 (Kostenver-
zeichnis) zum Gerichtskostengesetz vom … (BGBl. I S. …)
wird wie folgt gefasst:

„(8) Das Verfahren über die vorbehaltene Sicherungsver-
wahrung und das Verfahren über die nachträgliche Anord-
nung der Sicherungsverwahrung gelten als besondere Ver-
fahren.“

Artikel 7
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
„(1) Dieser Abschnitt ist auch anzuwenden auf die Tätig-

keit im Verfahren über die im Urteil vorbehaltene Siche-
rungsverwahrung und im Verfahren über die nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung.“

Artikel 8
Änderung des Einführungsgesetzes

zum Strafgesetzbuch
Artikel 1a des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch

vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I
S. 507), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie
folgt gefasst:

„Artikel 1a
Anwendbarkeit der Vorschriften
über die Sicherungsverwahrung

§ 66b des Strafgesetzbuches findet auch Anwendung auf
diejenigen Personen, die sich am … (einsetzen: Zeitpunkt
des Inkrafttretens dieses Gesetzes) auf Grund des Gesetzes
des Landes Baden-Württemberg über die Unterbringung be-
sonders rückfallgefährdeter Straftäter vom 14. März 2001
(Gesetzblatt für Baden-Württemberg Seite 188), auf Grund
des Bayerischen Gesetzes zur Unterbringung von besonders
rückfallgefährdeten Straftätern vom 24. Dezember 2001
(Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 978), auf
Grund des Gesetzes des Landes Niedersachsen über die
Unterbringung besonders gefährlicher Personen zur Ab-
wehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit
vom 20. Oktober 2003 (Niedersächsisches Gesetz- und Ver-
ordnungsblatt Seite 368), auf Grund des Gesetzes des Lan-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/3346

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 6 . Au s s c h u s s e s
fallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März
2002 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-
Anhalt Seite 80) oder auf Grund des Thüringer Gesetzes
über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straf-
täter vom 17. März 2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt für
den Freistaat Thüringen Seite 195) die Unterbringung ange-
ordnet ist. Tatsachen im Sinne des § 66b des Strafgesetz-
buches sind in den in Satz 1 bezeichneten Fällen Tatsachen,
die bis zum Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe erkennbar
geworden sind. Die Frist des § 275a Abs. 1 Satz 3 der
Strafprozessordnung findet in den in Satz 1 bezeichne-
ten Fällen keine Anwendung.“

Artikel 9
u n v e r ä n d e r t

des Sachsen-Anhalt über die Unterbringung besonders rück-
fallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März
2002 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-
Anhalt Seite 80) oder auf Grund des Thüringer Gesetzes
über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straf-
täter vom 17. März 2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt für
den Freistaat Thüringen Seite 195) in der Unterbringung be-
finden. Tatsachen im Sinne des § 66b des Strafgesetzbuches
sind in den in Satz 1 bezeichneten Fällen Tatsachen, die bis
zum Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe erkennbar gewor-
den sind.“

Artikel 9
Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Drucksache 15/3346 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Erika Simm, Joachim Stünker, Dr. Jürgen Gehb,
Dr. Norbert Röttgen, Jerzy Montag und Jörg van Essen

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 15/2887 in seiner 105. Sitzung vom 29. April 2004 in
erster Lesung, der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2576
wurde in der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 25. März 2004 und der Gesetzentwurf auf Drucksache
15/3146 wurde in der 113. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 16. Juni 2004 beraten. Die Vorlagen wurden zur
federführenden Beratung dem Rechtsausschuss und zur
Mitberatung dem Innenausschuss und dem Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat die Vorlagen in seiner 39. Sitzung
vom 16. Juni 2004 beraten. Er hat hinsichtlich der Druck-
sache 15/2887 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP beschlossen, die Annahme
zu empfehlen. Bezüglich der Drucksache 15/2576 und der
Drucksache 15/3146 hat er mit den Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP beschlossen, die
Ablehnung zu empfehlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat die Vorlagen in seiner 35. Sitzung vom 16. Juni
2004 beraten. Er hat hinsichtlich der Drucksache 15/2887
mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP beschlossen, die Annahme des Gesetz-
entwurfs in der Fassung der Ausschussdrucksache 15(6)104
zu empfehlen. Bezüglich der Drucksache 15/2576 hat er mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen, die Ablehnung zu empfehlen. Hin-
sichtlich der Drucksache 15/3146 hat er mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU be-
schlossen, die Ablehnung zu empfehlen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat in seiner 47. Sitzung vom 5. Mai
2004 eine öffentlicheAnhörung zu denDrucksachen 15/2887
und 15/2576 sowie der Bundesratsdrucksache 177/04 durch-
geführt, an der folgende Sachverständige teilgenommen ha-
ben:

Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses mit den anlie-
genden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen in seiner 50. Sitzung
am 16. Juni 2004 abschließend beraten. Er hat hinsichtlich
der Drucksache 15/2887 mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP beschlossen, die
Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der oben ste-
henden Zusammenstellung zu empfehlen. Bezüglich der
Drucksache 15/2576 hat er mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU beschlossen, die
Ablehnung zu empfehlen. Hinsichtlich der Drucksache
15/3146 hat er mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der CDU/CSU beschlossen, die Ableh-
nung zu empfehlen.
Die Fraktion der SPD führte aus, dass man sechs Jahre
über dieses Thema diskutiere. Man habe die Zweifel und
Meinungen in ausführlichen Diskussionen im Plenum und
in Berichterstattergesprächen ausgetauscht. Jetzt sei man an
einem Punkt angekommen, an dem man sich entscheiden
müsse, wie die Regelung aussehen solle. Insgesamt gebe es
drei Vorschläge, nämlich den Regierungs-, den Unions- und
den Bundesratsentwurf. Zunächst sei die grundsätzliche
Frage, ob es eine nachträgliche Sicherungsverwahrung im
Bereich des Strafrechtes geben könne, lange streitig gewe-
sen. Dabei gehe es um eine rein präventive polizeirechtliche
Maßnahme. Diese Frage habe das Bundesverfassungsge-
richt nunmehr entschieden. Auf Grundlage dieser Entschei-
dung schlage man die vorliegende Regelung vor. Die Frak-
tion der SPD sei der Meinung, dass es bei dem abgestuften
Verhältnis in der Sicherungsverwahrung bleiben solle. Das
heiße also, dass § 66 StGB zunächst die allgemeinen for-
mellen Voraussetzungen regeln solle. § 66a StGB regle die
vorbehaltene Sicherungsverwahrung im Urteil, damit die

1. Prof. Dr. em.
Rolf-Peter Calliess

Universität Hannover
2. Christoph Frank Oberstaatsanwalt,

Deutscher Richterbund, Berlin
3. Prof. Dr.

Peter M. Huber
Ludwig-Maximilians-Universi-
tät München

4. Maria-Anna Kerscher Regierungsdirektorin,
Stellvertretende Leiterin der
Justizvollzugsanstalt
St. Georgen-Bayreuth

5. Dr. Jörg Kinzig Privatdozent,
Max-Planck-Institut für ausländi-
sches und internationales Straf-
recht, Freiburg im Breisgau

6. Prof. Dr.
Norbert Leygraf

Rheinische Kliniken Essen,
Institut für Forensische Psychia-
trie, Essen

7. Prof. Dr.
Joachim Renzikowski

Martin-Luther-Universität Halle
8. Dr. Gerhard Schäfer Vorsitzender Richter am

BGH a. D., Stuttgart
9. Prof. Dr.

Gunter Widmaier
Rechtsanwalt, Karlsruhe

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/3346

Sicherungsverwahrung während des Strafvollzuges konkre-
tisiert werden könne. Als Neuregelung sei § 66b StGB auf-
genommen worden.
Man habe den Regierungsentwurf vor dem Hintergrund der
Sachverständigenanhörung, die weitreichende Hinweise ge-
bracht habe, erneut überarbeitet und weiter eingeschränkt.
Dabei habe man auch das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts zugrunde gelegt. Insbesondere habe man in § 66b
Abs. 1 StGB die Anlasstaten bei Mehrfachtätern noch ein-
mal präzisiert auf Verbrechen gegen das Leben, körperliche
Unversehrtheit, persönliche Freiheit und sexuelle Selbstbe-
stimmung und die schweren Qualifizierungstatbestände des
Raubes. In dem Absatz 3 Satz 1 habe man die Vergehen, vor
allem die Sexualdelikte, aufgenommen. Weiterhin stelle
sich die Frage, ob es für die nachträgliche Sicherungs-
verwahrung eine Ersttäterregelung geben müsse. Es müsse
auch hier die Möglichkeit geschaffen werden für einen An-
lass während des Vollzuges in ein Prüfungsverfahren eintre-
ten zu können. Auch in diesem Bereich erfolge eine Ein-
grenzung auf die oben genannten Straftaten. Allerdings
müsse es sich dabei um eine Straftat handeln, die im Straf-
ausspruch mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren
geahndet worden sei. In diesem Zusammenhang sei die Re-
gelung des § 275a StPO dahin gehend geändert worden,
dass der Gefangene über ein gegen ihn erwogenes nachträg-
liches Sicherungsverfahren informiert werden müsse, damit
sein Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt sei. Ein weite-
rer wesentlicher Punkt sei die Frage, wer diese Entschei-
dung treffen solle. In der Anhörung sei das von der Fraktion
der SPD favorisierte Hauptverhandlungsmodell bestätigt
worden. Die Sachverständigen hätten darauf hingewiesen,
dass an dieses Verfahren höchste Anforderungen zu stellen
seien und auch der Instanzenzug eröffnet sein müsse. Daher
könne die Entscheidung nicht in einem Beschlussverfahren
der Vollstreckungskammer getroffen werden. Die irrige An-
nahme, dass die Vollstreckungskammer sachnäher sei, sei
durch die Anhörung von den Praktikern widerlegt worden.
Im Ergebnis falle es der Fraktion der SPD nicht leicht diese
Regelung zu treffen, wie sie hier vorgeschlagen werde. Man
bewege sich in einem Randbereich des Strafrechtes. Daher
seien Zweifel und Bedenken angebracht. Aber man trage
mit dem Entwurf auch einem Sicherheitsbedürfnis der brei-
ten Öffentlichkeit Rechnung. Die Fraktion der SPD könne
dem geänderten Gesetzentwurf zustimmen, weil man das
Verfahren so gestaltet habe, dass die Strafkammern, die
ständig mit vergleichbaren Verfahren befasst seien und der
Bundesgerichtshof, der sehr schnell eine obergerichtliche
Rechtsprechung entwickeln werde, insbesondere zu den
Anforderungen, die an die Gutachten zu stellen seien, das
Gesetz rechtstaatlich absichern werden. Die Gutachterpro-
blematik sei die Hauptproblematik des ganzen Bereiches.
Man müsse es der Rechtsprechung überlassen, die entspre-
chenden Anforderungen aufzustellen.
Die Fraktion der FDP erläuterte, dass sie bei der not-
wendigen Abwägung, trotz der drohenden Gefahren für die
Bürger, zu einem anderen Ergebnis komme. Dabei seien
drei Gesichtspunkte entscheidend. Zunächst möge es richtig
sein, dass das Bundesverfassungsgericht die derzeitige
Möglichkeit der nachträglichen Entscheidung auf Grund des
deutschen Verfassungrechts billige. Man könne das daraus
schließen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Plenum
eine Frist gesetzt und es selbst eine Zwischenentscheidung

bezüglich der bereits untergebrachten Personen getroffen
habe. Aber entscheidend sei, dass in der Anhörung von
zwei Sachverständigen, Prof. Dr. Joachim Renzikowski und
Dr. Jörg Kinzig, die Frage des Artikels 5 EMRK herausge-
arbeitet worden sei. Diesen Vorgang prüfe das Bundesver-
fassungsgericht nicht. Bei der Anhörung habe sie die sorg-
fältige Herleitung beider Sachverständiger bis hin zur Nen-
nung einzelner Urteile, in denen sie dargelegt haben, dass
die Europäische Menschenrechtskonvention diesem Gesetz-
entwurf entgegenstehe. Der zweite Aspekt sei der Hinweis
von Prof. Dr. Norbert Leygraf auf die erheblichen Qualitäts-
mängel im Bereich der Sachverständigen. Dabei sei nicht
die Zahl der Sachverständigen entscheidend, sondern die
Qualität der Sachverständigen. Die Anhörung habe ergeben,
dass man in Deutschland über nur sehr wenige Personen
verfüge (ca. drei bis vier), die eine solche schwierige Ent-
scheidung in einer tragfähigen Art und Weise treffen kön-
nen. Der dritte und ganz gewichtige Aspekt sei der Umgang
mit Ersttätern. Man könne die unterschiedliche Behandlung
von Ersttätern und Tätern gegen die erst während des Voll-
zugs ein Sicherungsverwahrungsverfahren durchgeführt
werde, nicht verstehen. Mit großem Nachdruck habe man
die nachträgliche Sicherungsverwahrung in der Form der
Vorbehaltslösung, die man für die richtige und angemessene
Art und Weise im Umgang mit solchen Problemfällen halte,
im parlamentarischen Verfahren unterstützt. Sie könne aller-
dings erst jetzt wirken, so dass man das Problem einer Über-
gangszeit habe. Deshalb hätte sich die Fraktion der FDP ge-
wünscht, dass man den Schwerpunkt der Überlegungen auf
die Ausfüllung der Lücken, die möglicherweise durch eine
Übergangszeit entstehen können, gelegt hätte. Weiterhin
hätten mehrere Sachverständige, insbesondere Dr. Jörg Kin-
zig, darauf hingewiesen, dass in keinem anderen Land des
europäischen Rechtskreises eine ähnliche Lösung vorhan-
den sei oder eine Notwendigkeit dafür gesehen werde. Die
Lösung in Großbritannien sei ein anderer Ansatz, aber nicht
mit dem vorliegenden zu vergleichen, deshalb bleibe es bei
der Aussage von Dr. Jörg Kinzig, dass in keinem anderen
Land eine Notwendigkeit für eine solche Lösung gesehen
worden sei. Aus diesen Erwägungen könne man den Vorla-
gen nicht zustimmen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, dass
man in der Problematik der Sicherungsverwahrung zwei
Problemfelder sehe. Erstens gebe es zurzeit acht Personen,
die in Haft sitzen, weil Gerichte in völliger Unabhängigkeit
auf Grund von mehreren Sachverständigengutachten festge-
stellt hätten, dass diese Personen bei Entlassung gefährlich
seien und man davon ausgehen müsse, dass sie schwere
Straftaten begehen würden. Das Bundesverfassungsgericht
habe das Verfahren um diese acht Personen in zweifacher
Hinsicht gerügt. Zunächst habe es gerügt, dass das Verhal-
ten im Vollzug in einem zu hohem Ausmaß in die Gesamt-
beurteilung eingeflossen sei. Weiterhin habe es in formaler
Hinsicht die Unzuständigkeit der Länder gerügt. Diese Per-
sonen befänden sich immer noch im Vollzug und man sei
mit der Feststellung eines Gerichts, dass diese Menschen
gefährlich seien, konfrontiert. Daher habe man vor der Auf-
gabe gestanden, ein rechtstaatliches Verfahren zur Verfü-
gung zu stellen, in dem man die Sicherungsverwahrung die-
ser acht Personen nochmalig überprüfen könne. Diese An-
forderungen habe man mit dem vorgelegten Gesetzentwurf
erfüllt.

Drucksache 15/3346 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zweitens habe man im Strafvollzug Menschen, die sich auf
Grund schwerster Verbrechen langjährig im Strafvollzug
befinden. Es gebe in Einzelfällen tatsachengestützte Be-
hauptungen, dass diese Personen, wenn man sie entlassen
würde, in der Zukunft wieder schwerste Verbrechen bege-
hen würden. Daher habe man zur Überprüfung dieser tat-
sachengestützten Behauptungen ein rechtsstaatliches Ver-
fahren zur Verfügung gestellt, das sowohl bei Wiederho-
lungstätern als auch bei Ersttätern die nachträgliche Si-
cherungsverwahrung angeordnet werden könne. Dafür sei
erforderlich, dass das Gericht in dem Verfahren zu einer ent-
sprechenden Überzeugung komme.
Bisher habe man gegen die Möglichkeit der nachträglichen
Überprüfung verfassungsrechtliche Grundsätze eingewandt.
Die Argumente seien äußerst gewichtig. Das Bundesverfas-
sungsgericht halte in Ausnahmefällen bei schwersten Ver-
brechen eine nachträgliche Sicherungsverwahrung, die in
einem rechtstaatlichen Verfahren angeordnet wurde, nicht
aus sich heraus für verfassungswidrig. Allerdings sei das
Problem der Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschen-
rechtskonvention offen.
Weiterhin sei problematisch, dass jede Prognose, eine ge-
richtliche, aber auch eine Festlegung eines psychiatrischen
Sachverständigen einen Unsicherheitsfaktor habe. Es könne
sowohl ein Gerichtsurteil als auch eine Begutachtung eines
Sachverständigen falsch sein. Das Bundesverfassungsge-
richt habe dazu ausdrücklich erklärt, dass dieser Unsicher-
heitsfaktor durch den Gesetzgeber zwar zu minimieren sei.
Aber er sei auch hinzunehmen, wenn man auf der anderen
Seite Rechtsgüter höchster Qualität zu verteidigen habe.
Deswegen weise das Bundesverfassungsgericht darauf hin,
dass eine Lösung der nachträglichen Sicherungsverwahrung
durch die formellen Hürden, die neben der Qualität der
Gutachten, dafür sorgen sollen, dass möglichst wenige Per-
sonen in eine solche Überprüfung gelangen und durch das
Verfahren rechtstaatlichen Anforderungen genüge. Die
Fraktion der SPD habe bereits darauf hingewiesen, dass
man den Anlasstatenkatalog sehr eng gefasst habe. Auch
habe man sich für die so genannte Hauptverhandlungslösung
entschieden, weil das Verfahren vor dem Schwurgericht
eine öffentliche Hauptverhandlung mit vollständiger An-
wendung der Strafprozessordnung, mit Pflichtverteidigung,
der Möglichkeit sich in vollem Umfang auch mit Gegengut-
achten zu wehren ist und eine völlige Überprüfung durch
die Rechtsmittelinstanz, zur Folge habe. Dem Bundesver-
fassungsgericht folgend habe man in diesem Gesetz festge-
halten, dass das Verhalten im Vollzug natürlich ein Anhalts-
punkt für die Behauptung der Tatsachen, die für die Gefähr-
lichkeit sprechen sollen, sein könne. Aber im Mittelpunkt
der Prüfung durch das Gericht solle die Tat und die Täter-
persönlichkeit stehen und nur ergänzend sollen die Erkennt-
nisse aus dem Vollzug herangezogen werden. Die Ungleich-
heit der Behandlung der Ersttäter ergebe sich aus der Über-
legung, dass wenn man einen Täter habe, der entweder nur
eine einzige schwere Tat begangen habe oder man andere
Taten von ihm noch gar nicht kenne, er prozessual Ersttäter
sei, so dass eine langjährige Beobachtung dieses Menschen
noch nicht möglich sei. Bei einer nachträglichen Überprü-
fung dieser Personen nach einem langjährigen Aufenthalt
im Vollzug könne die Tatsachenbasis für eine solche Ent-
scheidung größer sein. Deshalb rechtfertige sich die Unter-
scheidung. Bei der Betrachtung der Entwicklung der Ver-

einheitlichung des materiellen Strafrechts in Europa, stelle
man fest, dass man erst am Anfang sei. Die südeuropäischen
Länder verhängen Strafen von 45 Jahren und lassen die
Leute nach vier Jahren laufen. In England sei für dieses Pro-
blem ein anderer Ansatz gefunden worden. Dort hätten die
Gerichte die Möglichkeit, das Doppelte der schuldangemes-
senen Strafe auszusprechen.
Die Rechtsentwicklungen seien innerhalb von Europa noch
so unterschiedlich, dass man allein aus der Tatsache, dass es
eine vergleichbare Regelung in einem anderen europäischen
Land nicht gebe, nicht den Schluss ziehen könne, dass unser
Weg falsch sei.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seien anfänglich
Gegner der Sicherungsverwahrung und auch der nachträg-
lichen Sicherungsverwahrung gewesen, aber man habe jetzt
eine Lösung für ein Problem, das gelöst werden müsse, ge-
funden. Man habe jetzt ein optimales Verfahren entwickelt,
um in diesen Verhandlungen einen gerechten Interessenaus-
gleich zwischen den Rechten des Betroffenen und den be-
rechtigten Interessen der Öffentlichkeit an Sicherheit, vor-
zunehmen. Deswegen werde man diesem Vorschlag zustim-
men.
Die Fraktion der CDU/CSU stellte dar, dass es sich bei der
Ablehnung oder Befürwortung der Sicherungsverwahrung
um keine leichte Entscheidung handele. Bei der Frage der
nachträglichen Sicherungsverwahrung gehe es um eine kon-
krete Abwägung. Die Sachverständigen aus Wissenschaft
und Praxis haben in beide Richtungen plädiert. Aus diesem
Grunde und weil es sich um eine Frage mit politischem Hin-
tergrund handele könne man ihnen die nunmehr erforder-
liche Abwägung nicht überlassen. Die Fraktion der CDU/
CSU plädiere dafür, dass in Einzelfällen die Möglichkeit ge-
schaffen werde, die nachträgliche Sicherungsverwahrung
einzuführen. Es sei zu berücksichtigen, dass diese Regelung
nur in ganz wenigen Einzelfällen zur Anwendung komme.
Diese Regelung komme zur Anwendung für wenige gefähr-
liche Wiederholungsstraftäter, über die in einem rechtsstaat-
lichen Verfahren – unter Hinzuziehung unabhängiger Sach-
verständiger – eine mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgestat-
tete Prognose über die Gefährlichkeit abgegeben wurde.
Dieses Verfahren diene dazu potentielle Opfer zu schützen.
Wer dafür plädiere diese Regelung nicht in das Gesetz auf-
zunehmen, der müsse auch ganz deutlich sagen, dass die
acht unstreitig gefährlichen Inhaftierten freigelassen werden
müssen. Dies gebiete die Klarheit der politischen Position.
Der einzige und entscheidende Unterschied zwischen den
unterschiedlichen Varianten der Sicherungsverwahrung be-
stehe in dem Beurteilungshorizont; einerseits werde die Ent-
scheidung zum Zeitpunkt des Urteils getroffen und anderer-
seits handele es sich bei der nachträglichen Sicherungsver-
wahrung um eine Verlängerung des Beurteilungszeitraums.
Zwischen den Varianten bestehe daher kein qualitativer Un-
terschied. Beide beruhen auf dem gleichen Prinzip: aus prä-
ventiven Gründen werde ein Straftäter über die Ableistung
der Haftzeit hinaus in Haft gehalten.
Die Fraktion der CDU/CSU habe von Anfang an die be-
kannte Abwägung zu Gunsten der Möglichkeit bei gefähr-
lichen Tätern aus Gründen des Schutzes der Bevölkerung
die Sicherungsverwahrung vorzusehen durchgeführt. Es sei
sehr bedauerlich, dass die Diskussion nunmehr seit über
vier Jahren geführt werde. Bei der verfassungsrechtlichen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/3346

Abwägung zwischen der Möglichkeit der präventiven
Sicherungsverwahrung und dem Schutz der Bürger vor
Kriminalität sei das Mehrheitsvotum des Bundesverfas-
sungsgerichts sehr aussagekräftig. Das Bundesverfassungs-
gericht habe sich zu dem Ausnahmefall entschieden die
Weitergeltung einer verfassungswidrigen Norm anzuord-
nen. Hiernach werde es als untragbar erachtet die Norm für
nichtig zu erklären mit der Folge, dass man die acht gefähr-
lichen Inhaftierten freilassen müsste. Das Bundesverfas-
sungsgericht habe nicht eine staatliche Schutzpflicht, die
sich in dem Gebot einer nachträglichen Sicherungsverwah-
rung konkretisiere, angenommen, da es sich hierbei im Kern
um eine politische Frage handele. Der vorliegende Entwurf
entspreche zu 80 Prozent der Vorstellung der Fraktion der
CDU/CSU. Den größten Mangel sehe man in der Unter-
scheidung im Anwendungsbereich zwischen der im Urteil
verhängten Sicherungsverwahrung und der nachträglich an-
geordneten Sicherungsverwahrung. Da der entscheidende
Unterschied im unterschiedlichen Zeitpunkt bzw. im unter-
schiedlichen Beurteilungszeitraum liege, sei die Schlussfol-
gerung der Koalition nach unterschiedlichen Anwendungs-
bereichen nicht gerechtfertigt. Der Anwendungsbereich der
nachträglichen Sicherungsverwahrung werde durch die
Koalition verkürzt. Hierdurch komme es zu einer Wider-
sprüchlichkeit in der Argumentation und zu einer Verkür-
zung der Anwendungsmöglichkeiten. Bei der frühzeitigen
Abwägung der Fraktion der CDU/CSU handele es sich
um eine richtige und widerspruchsfreie Beurteilung. Inte-
ressant sei das Verhalten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, die jahrelang etwas anderes vertreten haben,
dem jetzt nicht mehr gefolgt werde. Hieran sehe man die
Bereitschaft Überzeugungen aufzugeben, wenn es taktisch
geboten sei.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Zu den einzelnen Vorschriften
Im Folgenden werden lediglich die vom Rechtsausschuss
beschlossenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Ausschuss
den Gesetzentwurf unverändert angenommen hat, wird auf
die jeweilige Begründung auf Drucksache 15/2887 verwie-
sen.

Zu Artikel 1
Änderung des § 66b Abs. 1 StGB (Nr. 2)
Der Katalog der Anlasstaten, nach denen die nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt,
ist eng an die Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom
10. Februar 2004 (2 BvR 834/02 u. a.) angelehnt.
Die Einschränkung durch die Formulierung „ergänzend“
verdeutlicht, dass dem Vollzugsverhalten des Verurteilten
keine sachwidrig übersteigerte Bedeutung zukommen kann
und steht „insbesondere einer Übergewichtung der Verwei-
gerung von Resozialisierungs- und Therapiemaßnahmen
entgegen“ (BVerfG 2 BvR 834/02 u. a., S. 85 f.).
§ 66b Abs. 1 StGB setzt voraus, dass „nach einer Verur-
teilung … vor Ende des Vollzugs dieser Freiheitsstrafe Tat-
sachen erkennbar“ werden, worauf auch § 66b Abs. 2 StGB
Bezug nimmt. Damit kommt die nachträgliche Anordnung

der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bzw. ein
Unterbringungsbefehl (§ 275a Abs. 5 StPO) nur in Betracht,
solange die Freiheitsstrafe aus dem Ausgangsurteil vollzo-
gen wird. Ausgeschlossen ist die nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung demnach gegen einen Verur-
teilten, der sich bereits wieder in Freiheit befindet. Möglich
bleibt hingegen die Anordnung gegen Verurteilte, die zwi-
schenzeitlich im Wege der Strafrestaussetzung zur Bewäh-
rung in Freiheit gelangt waren, sofern sie sich, vor allem
wegen des in derartigen Fällen zu erwartenden Widerrufs
der Strafaussetzung, wieder im Vollzug der Freiheitsstrafe
befinden. Bei der Entscheidung können dann ggf. auch Tat-
sachen aus der Bewährungszeit berücksichtigt werden.
Schließlich ist die Anordnung im Einzelfall auch dann mög-
lich, wenn der Verurteilte sich zu der Zeit der Entscheidung
oder zu dem Zeitpunkt, an dem die Tatsachen erkennbar
werden, im Vollzug einer anderen Freiheitsstrafe befindet,
da es bei ansonsten gleich bleibenden Voraussetzungen
nicht sachgerecht wäre, wenn die Möglichkeit der nachträg-
lichen Anordnung der Sicherungsverwahrung von Zufällig-
keiten der Vollstreckungsreihenfolge abhinge. Allerdings ist
auch in diesem Fall die Anordnung nur solange möglich,
wie die Freiheitsstrafe aus dem Ausgangsurteil nicht voll-
ständig verbüßt ist.
Änderung des § 66b Abs. 2 StGB (Nr. 2)
Siehe Erläuterung zum Straftatenkatalog in Absatz 1; die
denkbaren Anlasstaten sind an dieser Stelle durch die Be-
grenzung auf „Verbrechen“ im formellen Sinne (§ 12 Abs. 1
StGB) noch enger eingeschränkt. Gleiches gilt für die An-
forderung, dass der Betroffene im Anlassurteil zu wenigs-
tens fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sein muss.
Zu Artikel 2
Ergänzung des § 275a Abs. 1 StPO (Nr. 2)
Der Betroffene, gegen den eine Freiheitsstrafe vollstreckt
wird oder der in einem psychiatrischen Krankenhaus unter-
gebracht ist, soll von der Staatsanwaltschaft, die über die
Antragstellung entscheiden muss, so früh wie möglich da-
rüber informiert werden, ob sie prüft, den Antrag auf nach-
trägliche Anordnung der Sicherungsverwahrung beim zu-
ständigen Gericht zu stellen. Für alle Betroffenen wird
durch diese frühzeitige Hinweispflicht die Rechtssicherheit
und die Transparenz des Verfahrens verbessert. Im Falle
einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung hat der Verur-
teilte bereits auf Grund des Urteils davon Kenntnis, dass
später noch über den Vorbehalt entschieden werden muss,
so dass es in diesen Fällen eines weiteren Hinweises nicht
bedarf.
Ferner wird mit Blick auf das schutzwürdige Interesse des
Betroffenen, sich auf den weiteren Ablauf des Verfahrens
einstellen zu können, ein Zeitpunkt fixiert, zu dem die
Staatsanwaltschaft spätestens den Antrag auf Anordnung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung stellen soll. Die
vorgesehene Sechs-Monats-Frist trägt dem im Falle der be-
antragten Anordnung nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB oder
nach § 106 Abs. 5 JGG Rechnung; im Falle einer Erledigt-
erklärung nach § 67d Abs. 6 StGB – neu – i.V.m. § 66b
Abs. 3 StGB oder § 106 Abs. 6 JGG passt die Befristung
nicht, da der Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht hin-

Drucksache 15/3346 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

reichend sicher im Voraus berechenbar ist. Gemäß der in
§ 67 Abs. 1 StGB vorgesehenen Reihenfolge der Vollstre-
ckung wird der für die Berechnung in Bezug zu nehmende
Zeitpunkt regelmäßig das Ende der zu vollstreckenden Frei-
heitsstrafe sein. Soweit ausnahmsweise eine Maßregel der
Besserung und Sicherung am Ende der freiheitsentziehen-
den Maßnahmen steht, ist auf deren u. U. nur voraussicht-
lich feststehendes Ende abzustellen.
Eine rechtzeitige Unterrichtung der Gefangenen darüber,
dass die Vollzugsbehörden einen Antrag zur nachträglichen
Anordnung der Sicherungsverwahrung anregen werden, ist
bereits durch die geltenden Regelungen des StVollzG si-
chergestellt. § 7 Abs. 3 StVollzG sieht vor, dass der auf
Grund der Behandlungsuntersuchung erstellte Vollzugsplan
(§ 6 StVollzG) mit der Entwicklung der Gefangenen und
weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in
Einklang zu halten, d. h. regelmäßig fortzuschreiben ist.
Das geschieht in schriftlicher Form und unter Beteiligung
der Anstaltskonferenz (§ 159 StVollzG). Überlegungen mit
dem Ziel, eine Antragstellung auf nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung anzuregen, können notwendi-
gerweise nur auf Erkenntnissen und Entwicklungen beru-
hen, die ihren Niederschlag im Vollzugsplan gefunden ha-
ben, etwa im Rahmen der dort behandelten Angaben über
Vollzugslockerungen und notwendige Entlassungsvorberei-
tungen (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 7, 8 StVollzG). Diese Entwick-
lungen und ihre Konsequenzen sind deshalb in der Anstalts-
konferenz mit den an der Behandlung der Gefangenen maß-
geblich Beteiligten und sodann entsprechend § 6 Abs. 3
StVollzG mit den Gefangenen zu erörtern.
Hat das zuständige Gericht einen Antrag der Staatsanwalt-
schaft auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwah-
rung rechtskräftig abgelehnt, kann die Staatsanwaltschaft
ihren Antrag nicht mehr wiederholen. Denn das Gericht
entscheidet über den Antrag der Staatsanwaltschaft durch
ein Urteil. Die materielle Rechtskraft dieses Urteils bewirkt
eine Sperrwirkung, die den gesamten Prozessgegenstand
des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens umfasst. Die
Folge davon ist, dass über diesen Prozessgegenstand nicht
erneut entschieden werden kann und dass schon die Einlei-

tung eines neuen Verfahrens mit dem Ziel einer erneuten
Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft unzu-
lässig ist.
Eine Durchbrechung der Rechtskraft ist nur in engen, ge-
setzlich ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen möglich,
so dass eine weitere Antragstellung der Staatsanwaltschaft
nur in Betracht kommt, wenn ausnahmsweise die Vorausset-
zungen der §§ 359 ff. StPO für eine Wiederaufnahme des
Verfahrens vorliegen.
Zu Artikel 4
Änderung/Ergänzung des § 106 Abs. 5 JGG
Siehe Erläuterungen zur Einschränkung durch die Formulie-
rung „ergänzend“ in § 66b Abs. 1 StGB sowie die dortigen
Ausführungen zur Notwendigkeit des Vollzugs der Frei-
heitsstrafe aus dem Ausgangsurteil.
Zu Artikel 8
Änderung des Artikels 1a EGStGB
Satz 1
Mit der Übergangsregelung werden auch zweifelsfrei dieje-
nigen Fälle in das Regelungssystem der Sicherungsverwah-
rung nach §§ 66 ff. StGB überführt, in denen beispielsweise
die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausge-
setzt wurde. In diesen Fällen kann das Gericht die Vollstre-
ckung der Maßregel zugleich mit ihrer Anordnung zur Be-
währung aussetzen (vgl. § 67e StGB). Ebenso werden auf
diese Weise zweifelsfrei Fälle erfasst, in denen die Unter-
bringung nach den einschlägigen Landesgesetzen nicht in
der Sicherungsverwahrung, sondern in einem psychiatri-
schen Krankenhaus vollzogen wird.
Satz 3
Die Regelung wird durch die Einführung der Sechs-Monats-
Frist für die Stellung des Antrags auf nachträgliche Unter-
bringung in der Sicherungsverwahrung in § 275a Abs. 1
Satz 3 StPO erforderlich. Diese Frist kann in den hier be-
handelten Fällen naturgemäß nicht eingehalten werden.

Berlin, den 16. Juni 2004
Erika Simm
Berichterstatterin

Joachim Stünker
Berichterstatter

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Dr. Norbert Röttgen
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

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