BT-Drucksache 15/198

Seeschifffahrtssicherheit verbessern - Ölkatastrophen vermeiden

Vom 17. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/198
15. Wahlperiode 17. 12. 2002

Antrag
der Abgeordneten Annette Faße, Anke Hartnagel, Uwe Beckmeyer, Gerd Andres,
Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Hans-
Günter Bruckmann, Dr. Michael Bürsch, Edelgard Bulmahn, Dr. Peter Danckert,
Sebastian Edathy, Karin Evers-Meyer, Rainer Fornahl, Iris Gleicke, Monika
Griefahn, Gabriele Groneberg, Achim Großmann, Hans-Joachim Hacker, Bettina
Hagedorn, Hubertus Heil, Monika Heubaum, Gabriele Hiller-Ohm, Iris Hoffmann
(Wismar), Brunhilde Irber, Jann-Peter Janssen, Johannes Kahrs, Hans-Ulrich
Klose, Rolf Kramer, Ernst Kranz, Volker Kröning, Gabriele Lösekrug-Möller, Götz-
Peter Lohmann, Dr. Christine Lucyga, Dirk Manzewski, Lothar Mark, Caren Marks,
Ulrike Mehl, Angelika Mertens, Gesine Multhaupt, Volker Neumann (Bramsche),
Holger Ortel, Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Karin Rehbock-Zureich,
Dr. Carola Reimann, Reinhold Robbe, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ortwin Runde,
Thomas Sauer, Siegfried Scheffler, Horst Schild, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Olaf Scholz, Brigitte Schulte (Hameln), Dr. Martin Schwanholz, Dr. Cornelie
Sonntag-Wolgast, Wolfgang Spanier, Ludwig Stiegler, Dr. Peter Struck, Joachim
Stünker, Franz Thönnes, Hans-Jürgen Uhl, Hedi Wegener, Petra Weis, Reinhard
Weis (Stendal), Inge Wettig-Danielmeier, Dr. Margrit Wetzel, Dr. Wolfgang Wodarg,
Heidi Wright, Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Rainder Steenblock, Dr. Reinhard Loske, Cornelia Behm,
Franziska Eichstädt-Bohlig, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Peter Hettlich,
Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich
Ostendorff, Albert Schmidt (Ingolstadt), Ursula Sowa, Dr. Antje Vogel-Sperl, Katrin
Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Seeschifffahrtssicherheit verbessern – Ölkatastrophen vermeiden

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Durch die Havarie des Öltankers „Prestige“ ist erneut eine europäische Küste
von einer Ölpest mit gravierenden ökologischen und wirtschaftlichen Schäden
betroffen, deren Ursachen vor allem in unzureichenden Sicherheitsstandards
und fahrlässigem Verhalten seitens der verantwortlichen Reeder und Auftrag-
geber liegen. Die neuerliche Havarie belegt, dass immer noch umweltgefähr-
dende Produkte wie Öl und Chemikalien unter Missachtung der Anforderungen
an den Schutz von Mensch und Umwelt mit unsicheren Schiffen auch in der
Nähe von Küsten und sensiblen Gebieten transportiert werden.
Der Deutsche Bundestag beobachtet mit großer Sorge, dass der Transport von
Ölprodukten aus dem östlichen Baltikum – wie im Fall der „Prestige“ – erheb-

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lich zugenommen hat. Die Gefahr von Verschmutzungen der Nord- und Ostsee
und der angrenzenden Küsten durch Öl und andere Schadstoffe und somit die
Gefahr der Zerstörung von einzigartigen Ökosystemen ist dadurch ebenfalls
gestiegen.
Deutschland ist wie andere Industriestaaten derzeit auf den Import von Erdöl
und Erdölprodukten auf dem Seeweg angewiesen; im letzten Jahr wurden
139,8 Mio. Tonnen Erdöl importiert; davon wurden ca. 74 % per Schiff ange-
landet. Ein Höchstmaß an Sicherheit vor Tankerkatastrophen kann es erst
geben, wenn neben verbesserter Seeschifffahrtssicherheit auch der Anteil des
Erdöls an der Energieversorgung drastisch reduziert wird. Im Grundsatz ist
zwar der Schiffstransport ein sicheres und umweltverträgliches Transportmittel.
Dennoch hat nicht zuletzt die jüngste Tankerkatastrophe vor der spanischen
Atlantikküste erneut deutlich gemacht, dass zur Vermeidung von Tanker-
havarien und zum Schutz der Meere und Küsten die Schiffssicherheit deutlich
erhöht werden muss.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es sowohl nationaler als auch internationa-
ler Anstrengungen.
Die Havarie des Holzfrachters „Pallas“ im Herbst 1998 war konkreter Anlass
für die Bemühungen der rot-grünen Bundesregierung und der deutschen Küs-
tenländer, das Sicherheits- und Notfallkonzept für die Nord- und Ostsee umfas-
send auf den Prüfstand zu stellen. Die „Pallas“-Havarie hat gezeigt, dass
sowohl national wie auch europaweit/international erheblicher Optimierungs-
bedarf bei der Prävention von Schiffsunfällen und beim Unfallmanagement
besteht.
Die Bundesregierung hat als unmittelbare Konsequenz aus der Havarie der
„Pallas“ eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt, die ein Bündel von
Vorschlägen zur Verbesserung des bestehenden Sicherheits- und Notfall-
konzepts vorgelegt hat. Zwischenzeitlich wurden u. a. folgende Vorschläge um-
gesetzt bzw. deren Umsetzung eingeleitet:
l Am 1. Januar 2003 wird ein „Havariekommando“ in Cuxhaven seine Arbeit

aufnehmen, das die bislang bestehenden Stellen koordiniert und auf die Ein-
satzkräfte von Bund, Ländern und Kommunen zurückgreifen kann.

l Zur Einbeziehung vorhandener Brandschutzstrukturen bei der Schiffsbrand-
bekämpfung auf der Ostsee wurde im August 2002 zwischen dem Bund so-
wie den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein eine
trilaterale Verwaltungsvereinbarung getroffen.

l Von und zu den deutschen Nordseehäfen an Ems, Jade, Weser und Elbe
wurde von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zur Abwehr
von Gefahren für die Sicherheit des Seeverkehrs ein küstennahes und ein
küstenfernes Verkehrstrennungsgebiet eingerichtet.

l In der westlichen Ostsee sind zur Sicherung des Verkehrs ebenfalls Ver-
kehrstrennungsgebiete, Tiefwasserwege und andere Schifffahrtswege einge-
richtet worden.

l Zur Verbesserung der Verkehrsführung in der kritischen Ostsee-Passage der
Kadetrinne wurde zusammen mit Dänemark der Vorschlag für eine Weiter-
führung des von Nordosten kommenden Tiefwasserweges in Richtung
Süden durch das Verkehrstrennungsgebiet in der Kadetrinne abgestimmt.
Die neue Wegführung ist Anfang 2002 in Kraft getreten; sie gewährleistet,
dass Schiffe mit großen Tiefgängen das bestehende enge Fahrwasser besser
erkennen und einhalten. Die Gefahr von Grundberührungen wird dadurch
minimiert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/198

l Mit der Republik Polen wurde im November 2001 als erste bilaterale
Kooperationsvereinbarung über die gegenseitige Information und Hilfeleis-
tung bei Seeunfällen in der Pommerschen Bucht abgeschlossen. Diese Ver-
einbarung wird die Handlungsfähigkeit des Havariekommandos in diesem
Bereich der Ostsee deutlich erhöhen.

l Mit dem neuen Notschleppkonzept werden erstmals für die Ostsee Not-
schlepper mit den Standorten Kiel, Rostock-Warnemünde und in Saßnitz
bereitgestellt. Im Umbau ist das Schadstoffbekämpfungsschiff „Scharhörn“
mit eigener Notschleppkapazität; für 2004 ist der Neubau eines Schadstoff-
bekämpfungsschiffes für die Ostsee vorgesehen. Für die Nordsee stehen die
beiden Mehrzweckschiffe „Mellum“, „Neuwerk“ und auf Charterbasis die
„Oceanic“ zur Verfügung.

l Im Vorgriff auf internationale Regelungen hat die Bundesregierung bereits
ein umfassendes Konzept für die Zuweisung von Notliegeplätzen im Rah-
men der maritimen Notfallvorsorge erarbeitet, die derzeit mit den deutschen
Küstenländern abschließend abgestimmt wird. Danach werden rund 40 Not-
liegeplätze ausgewiesen.

l Mit dem am 20. Juni 2002 in Kraft getretenen Seesicherheits-Unter-
suchungsgesetz (SUG) hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung ihre
Arbeit aufgenommen. Die Bundesstelle hat umfassende Befugnisse bei der
Ermittlung der objektiven Ursachen von Schiffsunfällen im In- und Aus-
land. Die Ermittlungsergebnisse der Bundesstelle werden künftig die Grund-
lage für die Unfallprävention auf See bilden.

Angesichts der weltweit weiter zunehmenden maritimen Verkehrsströme und
der Überalterung der Schiffe bei gleichzeitiger Verschärfung der Preiskonkur-
renz unter den Transporteuren müssen die einschlägigen Sicherheitsstandards
aber auch international weiterentwickelt und insbesondere hinsichtlich ihrer
Durchsetzbarkeit und Sanktionsfähigkeit erheblich verbessert werden. Im Vor-
dergrund der Diskussion über die Sicherheit im internationalen Seeverkehr
steht die beschleunigte Aussonderung von Einhüllen-Öltankern. Nach der
Änderung des „Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeres-
verschmutzung durch Schiffe“ (MARPOL), das die „International Maritime
Organization“ (IMO) am 6. März 1992 verabschiedet hat, müssen alle am
6. Juli 1996 abgelieferten Öltankschiffe eine Doppelhülle aufweisen oder
gleichwertige Konstruktionsanforderungen erfüllen.
Nach dem Unfall des Tankers „Erika“ im Herbst 1999 wurden folgende EU-
weite Maßnahmen (Erika I- und Erika II-Pakete) bzw. internationale Maßnah-
men beschlossen:
l Frühzeitige Aussonderung von Einhüllen-Öltankern, weltweit beginnend ab

dem 1. Januar 2003. Nach 2015 ist der Anlauf aller Häfen der EU-Mitglied-
staaten durch Einhüllen-Öltanker verboten.

l Mit der vorgezogenen Aussonderung von Einhüllen-Tankern ist weltweit
ein verschärftes Besichtigungsprogramm (Condition Assessment Scheme
– CAS –) verbunden, das auf solche Einhüllen-Tanker anzuwenden ist,
die noch nach 2005 (Kategorie 1) bzw. noch nach 2010 (Kategorie 2)
eingesetzt werden sollen.

l EU-weite Verschärfungen der Überwachung der Klassifikationsgesellschaf-
ten einschließlich einer einheitlichen Haftung dieser Gesellschaften.

l EU-weit optimierte und verschärfte Bestimmungen der Hafenstaatkontrolle
mit einer Konzentration auf Schiffe mit besonderem Risiko.

l Verstärkte Überwachung der Seeschifffahrt vor den europäischen Küsten
u. a. durch Einführung eines Gemeinschaftlichen Überwachungs- und Infor-

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mationssystems für den Seeverkehr (AIS) in allen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union.

l Gründung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs
(European Maritime Safety Agency – EMSA).

l Einrichtung eines ergänzenden Fonds mit höheren Haftungssummen zur
Entschädigung bei Unfällen mit Öltankern (Ölschäden).

Derzeit wird der weltweite Öltransport über See nach Angaben des Instituts für
Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen mit 3 203 Tankern (mit einer
Tragfähigkeit größer als 10 000 tdw) durchgeführt. Von diesen Schiffen haben
bisher ca. 42 % eine Doppelhülle. Unter Berücksichtigung auch der kleinen
Tanker ab 300 BRZ besteht die Welttankerflotte aus 7 560 Schiffen, von denen
lediglich 1 660 (22 %) eine Doppelhülle haben.
Die Kontrolle darüber, dass die Schiffe den einheitlichen internationalen Nor-
men für die Sicherheit im Seeverkehr und die Verhütung der Meeresverschmut-
zung entsprechen, obliegt in erster Linie den Flaggenstaaten und daneben den
Hafenstaaten. Diese sind für die Ausstellung der vorgesehenen internationalen
Sicherheits- und Verschmutzungsverhütungszeugnisse sowie für die Durchfüh-
rung der Übereinkommen verantwortlich. Die kürzlich von der Europäischen
Kommission veröffentlichte „schwarze Liste“ von besonders gefährlichen
Schiffen kann dabei helfen, die besondere Verantwortung der Flaggenstaaten
deutlich zu machen.
Im Einklang mit diesen Übereinkommen können die Staaten aber auch Klassi-
fikationsgesellschaften ermächtigen, die Einhaltung der entsprechenden Vor-
schriften zu kontrollieren. Durch die Ausstellung von Klassen-Zertifikaten
sichern sie die Voraussetzungen für die staatliche Zulassung eines Schiffes und
gewährleisten dessen Betriebssicherheit gegenüber den Versicherungsgesell-
schaften, den Hafen- und Schifffahrtsbehörden und den Verladern.
Elf Klassifikationsgesellschaften, im Wesentlichen aus den westlichen Indus-
triestaaten, haben sich zu der „International Association of Classification
Societies“ (IACS) zusammengeschlossen. Um weltweit vergleichbare Sicher-
heitsstandards für Seeschiffe zu gewährleisten, haben sich die IACS-Gesell-
schaften umfangreichen Qualitätssicherungskriterien unterworfen. Bei den
IACS-Gesellschaften sind zurzeit rund 90 % aller Seeschiffe registriert. Neben
den IACS-Mitgliedern gibt es weitere Klassifikationsgesellschaften mit meist
nur regionaler Bedeutung. Vor allem diesen Gesellschaften wird vorgeworfen,
dass sie Zertifikate nicht mit der notwendigen Sorgfalt ausstellen und so dazu
beitragen, dass die Meeresumwelt durch zum Teil spektakuläre Schiffsunfälle
beeinträchtigt wird.
Um die technische Überwachung der Schiffe als Ursache für Schiffsunfälle und
der Meeresverschmutzung zu verbessern, hat die IMO bereits im Jahre 1993
einen Katalog über die an Klassifikationsgesellschaften zu stellenden Min-
destanforderungen verabschiedet, die durch die „Richtlinie 94/57/EG des Rates
vom 22. November 1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für
Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen
Maßnahmen der Seebehörden“ ergänzt wurde. Diese Richtlinie ist inzwischen
grundlegend überarbeitet worden. Kernpunkte der Novelle sind:
l Verschärfung der Kriterien zur Anerkennung von Klassifikationsgesell-

schaften, wobei das Verfahren selbst weitgehend durch die EU-Kommission
und damit harmonisiert durchgeführt wird;

l Erhöhung der Anforderungen an die anerkannten Klassifikationsgesellschaf-
ten, die in der Richtlinie genannten qualitativen und quantitativen Kriterien
sind nunmehr verbindlich;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/198

l Harmonisierung der Haftung auf einem Mindestniveau, das die Mitglied-
staaten zu einer unbegrenzten Haftung erhöhen können.

Die Tankerunfälle der letzten Jahre und auch der aktuelle Unfall lassen den
Schluss zu, dass trotz gestiegenen Umweltbewusstseins beim Öltransport auf
den Meeren die Interessen zur Minimierung der Transportkosten auch unter
Inkaufnahme des Verlustes der gesamten Ladung immer noch erste Priorität
genießen. Hierfür ist offensichtlich der verhältnismäßig geringe monetäre Wert
der Ladung, deren Verlust über eine entsprechend günstige Versicherung abge-
deckt werden kann, ausschlaggebend. Im Gegensatz hierzu können die bei
einem Tankerunfall hinterlassenen Schäden an Natur und Umwelt außer den
Kosten für Wiederherstellungsmaßnahmen bis heute nicht geltend gemacht
werden.
Auf dem Gebiet des Öltransportes besteht bisher kein ökonomischer Anreiz für
eine Modernisierung der Tankerflotte.
Wie der Unfall des Schweröltankers „Erika“ zeigt auch der aktuelle Unfall,
dass die verbindliche Bestimmung und Einrichtung von Schutzhäfen für in Not
geratene Tanker und andere Schiffe unbedingt erforderlich ist, um die meeres-
gefährdende Ladung vor Austritt in die Meeresumwelt zu sichern.
Auch im Bewusstsein der Dimension der Schäden, die an Natur und Umwelt
eingetreten wären, wenn der aus Riga kommende Tanker „Prestige“ bereits in
der Ost- oder Nordsee havariert wäre und zur Verhinderung künftiger Tanker-
unfälle sind nunmehr schnell wirkende Maßnahmen zur Erhöhung der Tanker-
sicherheit erforderlich.
Der Deutsche Bundestag begrüßt vor diesem Hintergrund die in 2002 ver-
abschiedete Regelung der Europäischen Union, dass ab 2004 Nothäfen für
havarierte Schiffe einzurichten sind. Der Deutsche Bundestag unterstützt die
Bundesregierung in ihrem Bemühen, von Öl-Katastrophen betroffenen Küsten
schnell und effektiv Hilfe zu gewähren.
Der Deutsche Bundestag unterstützt die gemeinsame Initiative von Bundes-
kanzler Gerhard Schröder und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac,
auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2002 die deutliche Verkür-
zung der bisherigen Übergangs- und Auslaufregelungen für Einhüllen-Tanker
zu erreichen.
Der Deutsche Bundestag unterstützt auch die „Nieklitzer Erklärung zur Sicher-
heit des Seeverkehrs mit Öltankschiffen“, die die 39. Umweltministerkonferenz
Norddeutschland am 4. Dezember 2002 verabschiedet hat.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
(1) in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und in der EU

a) auf ein beschleunigtes, weltweites bzw. EU-weites Verbot des Trans-
ports von Schweröl und von besonders gefährlichen Gütern entspre-
chend den Anlagen 2 und 3 des „Internationalen Übereinkommens zur
Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe“ (MARPOL) mit
Einhüllen-Tankern und

b) auf ein Verbot des Einsatzes von Einhüllen-Tankern, die mehr als
20 Jahre alt sind, für den Transport von Erdöl und den übrigen Erdöl-
produkten nachdrücklich zu drängen;

c) parallel dazu sollten in der IMO Verhandlungen zur Änderung des
„Verschärften Besichtigungsprogramms“ mit der Maßgabe aufgenom-
men werden, dass dieses Besichtigungsprogramm ab dem frühestmög-
lichen Zeitpunkt auf alle Tankschiffe anzuwenden und in regelmäßigen
kurzfristigen Abständen durchzuführen ist;

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(2) die getroffenen Verschärfungen bei der Überwachung der Klassifikations-
gesellschaften sowie bei der Hafenstaatkontrolle, ferner die Festlegungen
zur Überwachung der Küsten mit moderner Technik konsequent und
zügig umzusetzen und sich dafür einzusetzen, dass die Inspektionsdichte
für Seeschiffe, die 2001 in Deutschland bei 22 % lag (zum Vergleich:
Frankreich 10 %, Italien 44 %), sich signifikant erhöht;

(3) sich in der IMO für die Einführung eines zusätzlichen Entschädigungs-
fonds für ökologische und ökonomische Schäden einzusetzen. Die strikte
Anwendung des Verursacherprinzips, die konsequente Verankerung des
Vorsorgeprinzips, eine umfassende Gefährdungshaftung und die Versiche-
rungspflicht von ökologischen Risiken müssen in den entsprechenden
internationalen Rechtsinstrumenten verankert werden;

(4) in Kontakten mit den EU-Beitrittsländern Polen, Estland, Lettland und
Litauen auf vorzeitige Übernahme der mit den Erika-Paketen getroffenen
Maßnahmen zu drängen und auch mit Russland eine einheitliche Vor-
gehensweise zum Schutz der europäischen Küsten vor Ölunfällen abzu-
stimmen, insbesondere um den Risiken durch die zunehmende Schiffs-
dichte auch des Tankerverkehrs in der Ostsee zu begegnen;

(5) Verhandlungen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
den EU-Beitrittsländern Polen, Estland, Lettland und Litauen sowie mit
der Russischen Föderation über den Abschluss von Kooperationsverein-
barungen über die gegenseitige Information und Hilfeleistung bei See-
unfällen in der Nord- und Ostsee zu führen;

(6) ergänzend hierzu im Rahmen der HELCOM-Zusammenarbeit (Helsinki
Kommission zum Schutz der Ostsee) gegenüber allen Vertragsstaaten auf
die unverzügliche Umsetzung der anlässlich der HELCOM-Extra-Sitzung
im September 2001 getroffenen Beschlüsse zu drängen; zu der in der ent-
sprechenden „Kopenhagen Deklaration“ zusammengefassten Maßnah-
men gehört unter anderem die Verbesserung der Verkehrsführung in der
Kadetrinne, die Verbesserung der Lotsenannahme und die Sicherstellung
angemessener Bekämpfungsmaßnahmen auf See;

(7) entsprechend dem Beschluss von HELCOM vom März 2002 und den Be-
strebungen der IMO, die Ausrüstungsfristen für Schiffe mit AIS-Ortungs-
systemen auf 2004 zu verkürzen, vor allem bei den Ostseeanrainerstaaten
für die zügige Einrichtung der landseitigen Voraussetzungen für die AIS-
Anwendung einzutreten;

(8) für gefährliche Bereiche in der Ostsee, z. B. der Kadetrinne, Sonderzonen
einzurichten, in denen sich Seeschiffe, vor allem Öltanker, nicht mehr
ohne Seelotsen bewegen dürfen;

(9) sich auf EU-Ebene für die schnelle Umsetzung der Verordnung (EG)
1406/2002 vom 27. Juni 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur
für die Sicherheit des Seeverkehrs einzusetzen;

(10) die schnelle Aufnahme des vollen Wirkbetriebs des Havariekommandos
in Cuxhaven sicherzustellen und darauf hinzuwirken, so weit wie möglich
in Zusammenarbeit mit den Küstenländern die Einsatzfahrzeuge von Bun-
desgrenzschutz, Zoll und Fischereiaufsicht in den Alltagsbetrieb des
Havariekommandos als Seewache einzugliedern; darüber hinaus so
schnell wie möglich im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien mit der
Einrichtung der Nothäfen entsprechend dem Konzept der Bundes-
regierung für die Zuweisung von Notliegeplätzen zu beginnen;

(11) sich auf europäischer und internationaler Ebene für die zügige Umsetzung
der Einrichtung von Nothäfen und Notliegeplätzen für havarierte Schiffe
an strategisch wichtigen Stellen einzusetzen;

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(12) als Übergangsregelung zwischen den europäischen Nachbarländern
analog der US-amerikanischen Regelung ein europaweites Hafen-Einlauf-
verbot für Gefahrgutfrachtschiffe mit mangelhaften und damit umwelt-
gefährlichen Sicherheitsvorkehrungen zu vereinbaren. Ökologisch beson-
ders empfindliche Meeresregionen sollten generell von den Befahrung
durch einwandige Öltanker ausgenommen werden.

Berlin, den 17. Dezember 2002
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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