BT-Drucksache 14/8779

a) zu dem GE der Abg. Geis, Bosbach, Böhmer, weiterer Abg. und Fraktion CDU/CSU -14/6709- Entwurf ... eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten b) zu dem GE des Bundesrates -14/1125- Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Sexueller Mißbrauch von Kindern

Vom 16. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8779
14. Wahlperiode 16. 04. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Norbert Geis, Wolfgang Bosbach,
Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/6709 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor
Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten

b) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 14/1125 –

Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – Sexueller Missbrauch von
Kindern –

A. Problem
Aus Sicht der Antragsteller geben Verbrechen aus jüngster Zeit Anlass, über
eine Verbesserung des Schutzes der Allgemeinheit vor Sexualverbrechen und
anderen schweren Straftaten nachzudenken. Dort, wo das geltende Recht Defi-
zite aufweise, müsse der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Ein-
zelnen und der Allgemeinheit in stärkerem Maße umgesetzt werden. Insbeson-
dere sei das Anbieten von Kindern für Straftaten des sexuellen Missbrauchs
derzeit nur unzureichend durch das Strafrecht erfasst.

B. Lösung
Die Entwürfe schlagen dazu Folgendes vor:
– die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der

Sicherungsverwahrung für hochgefährliche Straftäter. Dies würde bedeuten,
dass die Anordnung durch die Vollstreckungskammer während des Strafvoll-
zugs erfolgen kann;

– die Hochstufung der Grundfälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern
(§ 176 Abs. 1 und 2 StGB) zum Verbrechen. Die Strafschärfung würde
zugleich dazu führen, in diesem Bereich bereits die Verabredung und den
Anstiftungsversuch zur Tat gemäß § 30 StGB bestrafen zu können;

Drucksache 14/8779 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– die Ergänzung des § 176 StGB um einen neuen Tatbestand, der bereits die An-
bahnung von Kontakten, die dem sexuellen Missbrauch von Kindern dienen,
unter Strafe stellt;

– die Möglichkeit der Überwachung des Fernmeldeverkehrs auch für Taten des
Kindesmissbrauchs und der Verbreitung von Kinderpornographie (§ 100a
StPO);

– eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten der DNA-Analyse. Hier würde
für die Anlassstraftat auf das Erfordernis einer Straftat von erheblicher
Bedeutung verzichtet. Es wäre dann eine richterliche Anordnung der DNA-
Analyse aus Anlass jedweder Straftat möglich. Voraussetzungwäre aber, dass
im Einzelfall Grund zur Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten
künftig Strafverfahren wegen Sexualverbrechen oder anderer schwerer Straf-
taten zu führen sein werden;

– die Aufnahme der Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Schutzbe-
fohlenen und von Jugendlichen in den Katalog des § 78b Abs.1 Nr.1 StGB;

– die Anhebung derMindeststrafe für die Herstellung undVerbreitung vonKin-
derpornographie von dreiMonaten auf sechsMonate sowie die Anhebung der
Höchststrafe für denBesitz und dasUnternehmen der Besitzverschaffung kin-
derpornographischer Schriften von einem Jahr auf drei Jahre.

a) Mehrheitliche Ablehnung des Gesetzesentwurfs gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU

b) Mehrheitliche Ablehnung des Gesetzesentwurfs bei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8779

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/6709 – abzulehnen,
b) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/1125 – abzulehnen.

Berlin, den 15. April 2002

Der Rechtsausschuss
Dr. Rupert Scholz
Vorsitzender

Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Norbert Geis
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

Drucksache 14/8779 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Joachim Stünker, Norbert
Geis, Volker Beck (Köln), Jörg van Essen, Dr. Evelyn Kenzler

I. Zum Beratungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf – Druck-
sache 14/6709 – in seiner 196. Sitzung vom 19. Oktober
2001 und den Gesetzentwurf – Drucksache 14/1125 – in
seiner 61. Sitzung vom 7. Oktober 1999 in erster Lesung
beraten und zur federführenden Beratung dem Rechtsaus-
schuss überwiesen. Die Drucksache 14/6709 wurde zur Mit-
beratung dem Innenausschuss, dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend und dem Ausschuss für Ge-
sundheit überwiesen. Die Drucksache 14/1125 wurde dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sowie
dem Ausschuss für Tourismus zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf – Drucksache
14/6709 – in seiner 91. Sitzung am 20. März 2002 beraten.
Er hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, FDP und PDS gegen die Stimmen der Frak-
tion der CDU/CSU beschlossen, die Ablehnung des Gesetz-
entwurfs zu empfehlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat den Gesetzentwurf – Drucksache 14/6709 – in sei-
ner 87. Sitzung vom 20. März 2002 beraten. Er empfiehlt
den Gesetzentwurf abzulehnen. Der Beschluss wurde mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
gefasst. Den Gesetzentwurf – Drucksache 14/1125 – hat er
in seiner 87. Sitzung vom 20. März 2002 beraten. Er hat mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
beschlossen, die Ablehnung des Antrags zu empfehlen.
Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 136. Sitzung
vom 20. März 2002 einstimmig beschlossen, auf die Mitbe-
ratung zu verzichten.
Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe hat den Gesetzentwurf – Drucksache 14/1125 – in
seiner 29. Sitzung vom 1. Dezember 1999 beraten. Er emp-
fiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Der Beschluss er-
ging mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion
der CDU/CSU und in Abwesenheit der Fraktion der FDP.
Der Ausschuss für Tourismus hat den Gesetzentwurf
– Drucksache – 14/1125 – in seiner 26. Sitzung vom 15. De-
zember 1999 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und
PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU die
Ablehnung des Gesetzentwurfs.

III. Beratung im federführenden Ausschuss
Der Rechtsausschuss hat in seiner 107. Sitzung vom
27. November 2001 den Beschluss gefasst, hinsichtlich der

Drucksachen 14/6709 und 14/1125 eine öffentliche Anhö-
rung durchzuführen.
Der Rechtsausschuss hat sodann in seiner 116. Sitzung vom
20. Februar 2002 eine öffentliche Anhörung durchgeführt,
an der folgende Sachverständige teilgenommen haben:
Prof. Dr. Rudolf Egg Kriminologische Zentral-

stelle, Wiesbaden
Prof. Dr. Monika Frommel Universität Kiel
Gabriele Jansen Rechtsanwältin, Deutscher

Anwaltverein, Köln
Dr. Jörg Kinzig Max-Planck-Institut für aus-

ländisches und internationa-
les Strafrecht, Freiburg im
Breisgau

Prof. Dr. Volker Krey Universität Trier
Armin Nack Richter am Bundesgerichts-

hof, Karlsruhe
Prof. Dr. Joachim Martin-Luther-Universität
Renzikowski Halle-Wittenberg
Dr. Uwe Schlosser Leitender Oberstaatsanwalt,

Ellwangen
Dr. Heinz-Bernd Wabnitz Leitender Oberstaatsanwalt,

Hof
Klaus Weber Präsident des Landgerichts,

Justizbehörden Traunstein
Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 116. Sitzung des Rechtsausschusses mit den an-
liegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen auf den Drucksachen
14/6709 und 14/1125 in seiner 120. Sitzung am 20. März
2002 abschließend beraten und beschlossen, den Gesetzent-
wurf unter Buchstabe a – Drucksache 14/6709 – mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, FDP und PDS gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU abzulehnen.
Weiterhin beschloss der Rechtsausschuss den Gesetz-
entwurf unter Buchstabe b – Drucksache 14/1125 – mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, FDP und PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion
der CDU/CSU abzulehnen.
Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, sie halte die Mög-
lichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsver-
wahrung für einen wichtigen Ansatz. Die Notwendigkeit ei-
ner solchen Anordnung könne sich erst während des
Strafvollzugs zeigen. Hier wäre eine Anordnung der Siche-
rungsverwahrung nach dem vorgeschlagenen Modell mög-
lich, nicht aber im Rahmen der Vorbehaltslösung, die einen
Beschluss über einen Anordnungsvorbehalt bereits durch
das erkennende Gericht vorsehe. Der Beschluss eines sol-
chen Vorbehalts sei unwahrscheinlich, da der Richter regel-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8779

mäßig das mit einer zeitlich so frühen Anordnung verbun-
dene Risiko eines solchen Beschlusses scheue.
Die Heraufstufung des Tatbestandes des sexuellen Miss-
brauchs von Kindern gemäß § 176 StGB zum Verbrechen
sei aufgrund der neuesten Erkenntnisse angemessen. Es be-
stätige sich, dass Kinder aus solchen Vorfällen schwere,
z. T. irreparable Schäden davontragen.
Weiterhin bestehe durchaus Kontakt zwischen den Tätern
im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Verbreitung von
Kinderpornographie, so dass durch eine Aufnahme dieser
Straftaten in den Katalog der Telefonüberwachung deren
Aufklärung vereinfacht werde.
Sexualstraftäter seien oft vorher im Rahmen anderer Delikte
auffällig. Wenn dem Richter hier schon die Möglichkeit ein-
geräumt werde, bei Vorliegen einer positiven Prognose über
die weitere Straffälligkeit des Täters die Anfertigung einer
DNA-Analyse anzuordnen, so erleichtere dies die spätere
Aufklärung.
Die Fraktion der SPD hielt die nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung unter Berufung auf Sachverstän-
digenaussagen für verfassungswidrig. Mit der Anordnung
der Sicherungsverwahrung müsse sehr restriktiv umgegan-
gen werden, da dies für den Täter meist tatsächlich lebens-
lange Haft bedeute. Die Vorbehaltslösung, d. h. ein Aus-
spruch der Sicherungsverwahrung bereits durch das
erkennende Gericht, die aber erst durch weitere Prognosen
in Vollzug gesetzt werde, sei vorzugswürdig.
Weiterhin sprach sie sich gegen die Heraufstufung des § 176
StGB zum Verbrechen aus, um die strafprozessualen Mög-
lichkeiten des § 153a StPO zu erhalten.
Der Möglichkeit der Telefonüberwachung komme in der
Praxis bei der Aufklärungsarbeit wenig Bedeutung zu, inso-

fern sei vor einer Neuregelung ein noch ausstehendes Gut-
achten abzuwarten.
Die Fraktion der FDP erklärte, dass nach langer Diskus-
sion allein der Weg über einen Sicherungsverwahrungsvor-
behalt die richtige Lösung des Problems bilde.
Eine Hochstufung des § 176 StGB zum Verbrechen führe zu
größerer Vorsicht bei der Anwendung durch die Gerichte, so
dass der angestrebte Schutz für die Betroffenen in sein Ge-
genteil verkehrt werde.
Aufgrund der zwingenden Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts sei eine Ausweitung der DNA-Analyse
nicht möglich.
Die Fraktion der PDS berief sich in Ergänzung der Aus-
führungen der Fraktionen der SPD und FDP hinsichtlich der
nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung auf
die von Sachverständigen vorgetragenen Argumente zur
Doppelbestrafung und zum Rückwirkungsverbot.
Ein höherer Strafrahmen diene regelmäßig nicht der Ab-
schreckung, so dass die Hochstufung des § 176 StGB zum
Verbrechen nicht sachgerecht sei.
Hinsichtlich der Erweiterung der Telefonüberwachungs-
möglichkeit des § 100a StPO sei das noch ausstehende Gut-
achten abzuwarten.
Weiterhin sei die fehlende Normklarheit der Regelung zur
DNA-Analyse zu kritisieren.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, dass
die bestehende differenzierte Systematik der §§ 176 ff.
StGB, welche zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbe-
stand unterscheide, richtig und notwendig sei.
Weiterhin seien die Regelungen über die Telefonüberwa-
chung insgesamt zu erneuern und ein Gesetzentwurf zur
vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf den Weg.

Berlin, den 15. April 2002
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Norbert Geis
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.