BT-Drucksache 14/749

Spätabtreibung ungeborener Kinder, die Abtreibung überlebende Kinder, Übergang zur Früheuthanasie, staatliches Schutzkonzept, Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht

Vom 9. April 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/749 vom 09.04.1999

Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky, Dr.
Hans Georg Faust, Spätabtreibung ungeborener Kinder, die Abtreibung
überlebende Kinder, Übergang zur Früheuthanasie, staatliches
Schutzkonzept, Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht =

09.04.1999 - 749

14/749

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky, Dr. Hans Georg Faust,
Norbert Geis, Ilse Aigner, Peter Altmaier, Norbert Barthle, Dr. Wolf
Bauer, Meinrad Belle, Peter Bleser, Dr. Norbert Blüm, Sylvia Bonitz,
Wolfgang Bosbach, Klaus Brähmig, Dr. Ralf Brauksiepe, Georg Brunnhuber,
Klaus Bühler, Cajus Caesar,
Leo Dautzenberg, Hubert Deittert, Albert Deß, Thomas Dörflinger,
Hansjürgen Doss, Marie-Luise Dött, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer
(Karlsruhe-Land), Herbert Frankenhauser, Erich G. Fritz, Peter Götz,
Dr. Wolfgang Götzer, Kurt-Dieter Grill, Klaus-Jürgen Hedrich, Ernst
Hinsken, Klaus Hofbauer, Josef Hollerith, Siegfried Hornung, Georg
Janovsky, Volker Kauder, Norbert Königshofen, Hartmut Koschyk, Dr. Paul
Laufs, Karl-Josef Laumann, Vera Lengsfeld, Werner Lensing, Eduard
Lintner, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Julius Louven, Dr. Michael
Luther,
Dr. Michael Meister, Friedrich Merz, Hans Michelbach, Meinolf Michels,
Dr. Gerd Müller, Claudia Nolte, Friedhelm Ost, Dr. Peter Paziorek,
Ruprecht Polenz, Peter Rauen, Erika Reinhardt, Klaus Riegert, Franz-
Xaver Romer, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Kurt J. Rossmanith, Dr.
Christian Ruck, Heinz Schemken, Gerhard Scheu, Norbert Schindler, Dr.
Andreas Schockenhoff, Dr. Rupert Scholz, Dr. Erika Schuchardt, Heinz
Seiffert, Werner Siemann, Johannes Singhammer, Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten, Dorothea Störr-Ritter, Max Straubinger, Matthäus Strebl,
Dr. Hans-Peter Uhl, Arnold Vaatz, Peter Weiß (Emmendingen), Heinz Wiese
(Ehingen), Klaus-Peter Willsch, Werner Wittlich, Aribert Wolf, Elke
Wülfing, Wolfgang Zeitlmann, Benno Zierer, Wolfgang Zöller

Spätabtreibung ungeborener Kinder, die Abtreibung überlebende Kinder,
Übergang zur Früheuthanasie, staatliches Schutzkonzept, Beobachtungs-
und Nachbesserungspflicht

Nach der Neuregelung der gesetzlichen Bestimmungen zur Abtreibung
(Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz -- SFHÄndG -- vom 21.
August 1995) trifft den Gesetzgeber, wie das Bundesverfassungsgericht
in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 klargestellt hat, die Verpflichtung,
"die Auswirkungen seines neuen Schutzkonzeptes im Auge zu behalten
(Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht)" (BVerfGE 88, 269). Bei
erkennbaren Mängeln ist der Gesetzgeber verpflichtet, auf deren
Beseitigung sowie die "Sicherstellung eines dem Untermaßverbot
genügenden Schutzes hinzuwirken (Korrektur- oder
Nachbesserungspflicht)" (BVerfGE 88, 309).
Einen Wechsel im Schutzkonzept hat der Gesetzgeber bei der bisherigen
eugenischen/embryopathischen Indikation vollzogen, für die bis zum
Inkrafttreten des SFHÄndG eine Frist von 22 Wochen verbunden mit einer
Beratungspflicht gegolten hatte, und deren "Fallkonstellationen"
nunmehr in der zeitlich unbefristeten medizinischen Indikation
"aufgefangen" werden (Gesetzesbegründung, Drucksache 13/1850). Hier
gilt gleichermaßen -- insbesondere auch unter Berücksichtigung des im
Grundgesetz verankerten Verbotes einer Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung (Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG) -- eine Beobachtungs- und
Nachbesserungspflicht.
Eine Vielzahl von Presseberichten, Tagungen und Veröffentlichungen
innerhalb der medizinischen und juristischen Fachwelt und eine
Erklärung der Bundesärztekammer (Deutsches Ärzteblatt 1998, 95, A-3013-
3016 [Heft 47]) hat in jüngerer Zeit besonderes Augenmerk auf eine
zunehmende Praxis später Abtreibungen nach pränataler Diagnostik
gerichtet, derer sich der Gesetzgeber anzunehmen hat.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bundes- und Landesbehörden, Körperschaften des öffentlichen
Rechts oder ggf. andere Institutionen nehmen an der Erhebung der Daten
und anderer Erkenntnisse teil, die für die Erfüllung der Beobachtungs-,
Korrektur- und Nachbesserungspflicht (BVerfGE 88, 269) des Gesetzgebers
ausschlaggebend sind?
2. Auf welche Weise erfüllt die Bundesregierung insbesondere ihre
Beobachtungspflicht in bezug auf Abtreibungen nach pränataler
Diagnostik, und welche Referate welcher Bundesministerien, ggf. welche
anderen Bundesbehörden nehmen an der Erfüllung dieser
Beobachtungspflicht teil?
3. Wie viele Abtreibungen von der 12. bis zur 20.
Schwangerschaftswoche wurden seit Inkrafttreten des SFHÄndG und zum
Vergleich in den Jahren 1990 bis 1995 gemeldet (aufgeschlüsselt nach
Jahr, Familienstand und Alter der Schwangeren, Zahl ihrer Kinder, Alter
des abgetriebenen Kindes, Indikationen, Vornahme in Arztpraxis oder
Krankenhaus)?
4. Wie viele Abtreibungen nach der 20. Schwangerschaftswoche wurden
seit Inkrafttreten des SFHÄndG und zum Vergleich in den Jahren 1990 bis
1995 gemeldet (aufgeschlüsselt nach Jahr, Familienstand und Alter der
Schwangeren, Zahl ihrer Kinder, Alter des abgetriebenen Kindes,
Indikationen, Vornahme in Arztpraxis oder Krankenhaus)?
5. Besteht weiterhin die Problematik des "Meldedefizits", auf die das
Statistische Bundesamt in seinen zurückliegenden Erhebungen zur
Abtreibung stets hingewiesen und als Ursache auch unterschiedliche
"Auskunftsbereitschaft" benannt hatte, und inwieweit kann sie
quantifiziert werden?
6. Für wie viele der seit Inkrafttreten des SFHÄndG durchgeführten
Abtreibungen war eine Behinderung oder vorgeburtliche Schädigung des
Kindes ursächlich für die Stellung einer medizinischen Indikation
(aufgeschlüsselt nach Jahr, Familienstand und Alter der Schwangeren,
Zahl ihrer Kinder, Alter des abgetriebenen Kindes, Vornahme in
Arztpraxis oder Krankenhaus)?
7. Hält die Bundesregierung eine Verbesserung der statistischen
Erfassung von Abtreibungen nach pränataler Diagnose einer Behinderung
oder Schädigung des Kindes für geeignet, zur besseren Erfüllung der
Beobachtungspflicht beizutragen, und welche Schritte hat die
Bundesregierung in dieser Hinsicht bereits eingeleitet bzw. erwägt sie
einzuleiten?
8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, wie viele
Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche mit einer medizinischen
Indikation seit Inkrafttreten des SFHÄndG von den Krankenkassen
finanziert wurden, und in welchem Rahmen bemüht sich die
Bundesregierung um die Gewinnung solcher Erkenntnisse?
9. Welche Möglichkeiten zur Beobachtung und Überprüfung der
tatsächlichen Schutzwirkung für ungeborene Behinderte bestehen
außerhalb der Führung einer Bundesstatistik unter Berücksichtigung des
Umstands, daß von einer "embryopathischen" Indikation, für die bisher
eine Frist von 22 Wochen gegolten hatte, im SFHÄndG abgesehen wurde?
10. Hat nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen das
mit dem Wegfall der "embryopathischen" Indikation verbundene Entfallen
sowohl der Frist von 22 Wochen als auch der Beratungspflicht (vgl.
Beckmann, Der "Wegfall" der embryopathischen Indikation, MedR 1998,
Heft 4, S. 155 ff., sowie Schumann/Schmidt-Recla, Die Abschaffung der
embryopathischen Indikation -- eine ernsthafte Gefahr für den
Frauenarzt?, MedR 1998, Heft 11, S. 497 ff.) in der Praxis insgesamt zu
einem besseren Schutz ungeborener Menschen mit Behinderungen geführt,
und auf welche Erkenntnisse stützt die Bundesregierung ihre Auffassung?
11. Umfaßt nach Auffassung der Bundesregierung die seit Inkrafttreten
des SFHÄndG gültige medizinische Indikation die Gesamtheit der vor
Inkrafttreten des SFHÄndG unter die eugenische/embryopathische
Indikation gehörenden Fallkonstellationen?
12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die pränatale Tötung
eines Menschen, dessen postnatale Existenz und Versorgung aufgrund
seines gesundheitlichen Zustandes zu einer gesundheitlichen Gefährdung
eines anderen Menschen führen würde und dessen postnatale Tötung
zweifelsfrei ethisch und rechtlich nicht zu rechtfertigen wäre (vgl.
"Erklärung zum Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik" der
Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 1998, 95, A-3013-3016 [Heft
47]), unter Berücksichtigung der spezifisch engen Verbindung von
Schwangerer und Ungeborenem grundsätzlich gerechtfertigt ist?
13. Teilt die Bundesregierung die in der medizinischen Fachwelt seit
Inkrafttreten des § 218 StGB n. F. anzutreffende Interpretation des §
218 a Abs. 2 StGB, wie sie exemplarisch durch die Ethikkommission der
Medizinischen Universität zu Lübeck geäußert wird: "Die EK geht ferner
davon aus, daß in Deutschland ein allgemeiner Konsens darüber besteht,
daß eine Mutter nicht zu einer Schwangerschaft und Geburt eines kranken
Kindes gezwungen werden kann (medizinische Indikation des
Schwangerschaftsabbruches)" [Votum der Ethikkommission der
Medizinischen Universität zu Lübeck vom 19. August 1996, Aktenzeichen
der Ethikkommission 84/95]?
14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch den § 218 StGB
als Ziel des Schwangerschaftsabbruches nach pränataler Diagnostik im
Rahmen der medizinischen Indikation über die Vermeidung des Fortsetzens
der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes hinaus auch das Vermeiden
des "Habens des Kindes" (vgl. Schumann/Schmidt-Recla, MedR 1988, S.
497, 501) gedeckt ist?
15. Welche gesetzlichen Vorschriften regeln eventuelle
Schadensersatzansprüche eines die Abtreibung unter den Voraussetzungen
des § 218 StGB überlebenden Kindes gegen den indikationsstellenden und
den abtreibenden Arzt sowie die Eltern wegen zusätzlicher Schädigungen
aufgrund der Abtreibung, und sieht die Bundesregierung in dieser
Hinsicht weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
16. Besteht für den eine Schwangerschaft betreuenden Arzt eine
Verpflichtung zur Abklärung pränatal diagnostizierbarer Schädigungen
des Kindes, deren Vernachlässigung Schadensersatzforderungen der Eltern
gegen den Arzt begründen kann, weil durch umfassende Pränataldiagnostik
die Geburt des geschädigten Kindes durch eine Abtreibung im Rahmen der
medizinischen Indikation hätte vermieden werden können (vgl. Philipp,
Aufgezwungene Pflichtenkollisionen -- Frauenärzte im Konflikt,
Frauenarzt 10/1998, 1504), und hält die Bundesregierung in diesem
Bereich eine gesetzliche Klarstellung für erforderlich?
17. Ab welchem Alter des ungeborenen Kindes ist nach Kenntnis der
Bundesregierung von seiner Schmerzempfindlichkeit auszugehen, und sieht
die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinsichtlich
einer Pflicht zur Schmerzbekämpfung des Kindes bei Abtreibungen im
Rahmen der medizinischen Indikation des § 218 StGB?
18. Ist nach Auffassung der Bundesregierung durch die geltenden
gesetzlichen Vorschriften gedeckt, daß seit Inkrafttreten des SFHÄndG
zunehmend schon vergleichsweise leichte oder postnatal behebbare
Behinderungen (wie etwa eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte) Anlaß für
Abtreibungen sind?
19. Welche Krankheitsbilder, Behinderungen oder genetische
Dispositionen des ungeborenen Kindes werden in humangenetischen
Instituten innerhalb Deutschlands durch molekulargenetische Diagnostik
erfaßt, und welche dieser Befunde sind mit einem postnatalen Überleben
des Kindes vereinbar?
20. Welche dieser Befunde lassen lediglich die Aussage zu, daß eine
genetische Veranlagung oder ein Risikofaktor gegeben ist, nicht aber,
ob überhaupt oder wann mit einem Ausbruch der Krankheit zu rechnen ist?
21. Wie werden pränataldiagnostische Befunde, die ggf. Anlaß zu einer
Abtreibung im Rahmen der medizinischen Indikation des § 218 StGB geben
können, erfaßt, und welche weiteren Möglichkeiten zur Beobachtung der
Entwicklungen der Praxis in diesem Bereich stehen dem Gesetzgeber zur
Verfügung?
22. Welches sind die zehn aktuell am häufigsten pränatal
diagnostizierten Fehlbildungen/Behinderungen (mit Angabe der Zahlen),
und wie hoch ist dafür jeweils die diagnostische Sicherheit?
23. Wie viele Kinder mit Spina bifida bzw. mit Turner-Syndrom wurden,
jeweils sowohl in absoluten Zahlen als auch bezogen auf die Gesamtzahl
der Lebendgeburten, seit Inkrafftreten des SFHÄndG und zum Vergleich in
den Jahren 1970, 1975, 1980, 1985 und 1990 geboren?
24. Wie viele Kinder mit Trisomie 21 (Down-Syndrom), einer der
häufigsten Behinderungen, wurden, jeweils sowohl in absoluten Zahlen
als auch bezogen auf die Gesamtzahl der Lebendgeburten, seit
Inkrafftreten des SFHÄndG und zum Vergleich in den Jahren 1970, 1975,
1980, 1985 und 1990 geboren?
25. Falls im Verlauf der letzten 28 Jahre eine Abnahme der
lebendgeborenen Kinder mit Trisomie 21, bezogen auf die Gesamtzahl der
Lebendgeburten, festzustellen ist, kann hieraus der Schluß gezogen
werden, daß eine pränatal diagnostizierte Trisomie 21 regelmäßig zu
einer Indikationsstellung zum Abbruch der Schwangerschaft Anlaß gibt,
und inwiefern stünde dies in Übereinstimmung mit der vom Gesetzgeber
bei der Neuregelung vom 21. August 1995 verfolgten Absicht,
klarzustellen, daß eine Behinderung niemals zu einer Minderung des
Lebensschutzes führen kann?
26. Welche Abtreibungsmethoden werden nach Kenntnis der
Bundesregierung im zweiten und im letzten Drittel der Schwangerschaft
angewandt, und inwiefern wird bei Abtreibungen in diesen
Schwangerschaftsstadien die Schmerzempfindlichkeit des ungeborenen
Kindes berücksichtigt?
27. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung die bei Abtreibungen im
zweiten und im letzten Drittel der Schwangerschaft angewandte
Abtreibungsmethode der Induktion einer Wehentätigkeit durch
Prostaglandin oder Oxytoxin exakt die gleiche wie bei einer künstlichen
Geburtseinleitung, wenn das Kind "zum Leben bestimmt" ist, oder werden
im zweiten Falle andere oder zusätzliche Maßnahmen zur Schonung des
Kindes, zur Verbesserung seiner Überlebenschancen und zur Vermeidung
von Schmerzen angewandt?
28. Ab welcher Schwangerschaftsdauer ist nach Erkenntnis der
Bundesregierung die extrauterine Lebensfähigkeit des ungeborenen Kindes
nicht auszuschließen?
29. Welche Methoden werden bei Abtreibungen nach dem Zeitpunkt
anzunehmender extrauteriner Lebensfähigkeit des ungeborenen Kindes
angewandt, und sind darunter auch solche, die auf eine Tötung des
Kindes noch im Mutterleib abzielen (z. B. intrauteriner Fetozid)?
30. Ist nach Auffassung der Bundesregierung durch den Begriff des
"Schwangerschaftsabbruchs", wie er im § 218 a Abs. 2 StGB Verwendung
findet, auch eine zur Beendigung der Schwangerschaft oder zur Abwendung
einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter nicht
notwendigerweise erforderliche intrauterine oder perinatale Tötung
eines Kindes abgedeckt, dessen extrauterine Lebensfähigkeit nicht
auszuschließen ist, wenn ja, warum?
31. Wie häufig werden in Deutschland bei Abtreibungen nach pränataler
Diagnostik im Rahmen der Voraussetzungen des § 218 a StGB Methoden des
intrauterinen Fetozids durch Injektion von Kaliumchlorid oder durch
Applikation von Fibrinkleber in das Herz des Kindes angewandt, und sind
diese Methoden mit den geltenden rechtlichen Vorschriften vereinbar?
32. Werden in der Literatur geschilderte Spätabtreibungsmethoden, bei
denen das Kind im Mutterleib durch Dekapitation, Perforieren des
Kopfes, Exenteration, Dissectio foetus getötet wird, nach Erkenntnissen
der Bundesregierung in Deutschland angewandt, und finden sie außerhalb
der vitalen medizinischen Indikation (Lebensgefahr für die Mutter)
Anwendung?
33. Wie häufig werden in Deutschland bei Abtreibungen nach pränataler
Diagnostik im Rahmen der Voraussetzungen des § 218 a StGB Methoden der
"Protrahierung der Geburt" (sog. "Steckenlassen") angewandt, wobei das
Kind während des künstlich eingeleiteten Geburtsvorganges verstirbt,
und sind solche Methoden mit den geltenden rechtlichen Vorschriften
vereinbar?
34. Wird in Deutschland die in den USA praktizierte Methode der
"Partial-Birth"-Abtreibung (vgl. Anhörung des Rechtsausschusses des
Repräsentantenhauses vom 13. Dezember 1995) angewandt, bei der dem
Kind, dessen Körper bereits mit Ausnahme des Kopfes aus dem Mutterleib
zur Welt gebracht wurde, durch eine Kanüle das Gehirn abgesaugt wird,
um es dann anschließend tot zur Welt zu bringen, und ist diese Methode
mit den in Deutschland geltenden rechtlichen Vorschriften vereinbar?
35. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen seit
Inkrafttreten des SFHÄndG ein "nicht zum Leben bestimmtes Kind" (vgl.
Hans-Bernhard Wuermeling, "Unwort des Jahres", FAZ vom 20. November
1995), das seine Abtreibung überlebt hat (vgl. "Mörderische Diagnose --
Tötung behinderter Kinder bis zur Geburt", ARD, 18. März 1999, 23.00
Uhr), unversorgt dem Tode überlassen wurde ("liegen lassen"), und sieht
die Bundesregierung hier ggf. gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
36. Wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in solchen Fällen eingeleitet, und zu wie vielen
Verurteilungen haben diese geführt?
37. Worin besteht -- einmal abgesehen von der unterschiedlichen
formaljuristischen Einordnung -- nach Auffassung der Bundesregierung
der wesentliche ethische Unterschied zwischen der gezielten Tötung
eines lebensfähigen Kindes im Mutterleib vor der eigentlichen
Abtreibung einerseits und andererseits der Tötung (ggf. durch
Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen) eines die Abtreibung selbst
zunächst überlebenden Kindes nach der Abtreibung?
38. Wie wird nach einer Abtreibung bei kindlicher Fehlbildung
überprüft (etwa durch Autopsie in jedem Einzelfall), ob der
pränataldiagnostische Befund zutraf, werden hierüber Aufzeichnungen
angefertigt, welche gesetzlichen Bestimmungen sind hierfür
ausschlaggebend, und besteht ggf. gesetzgeberischer Handlungsbedarf?
39. Trifft den Arzt, der eine vorgeburtliche Schädigung oder
Behinderung des Kindes diagnostiziert, in jedem Falle eine Pflicht, die
Eltern auf die Möglichkeit einer Abtreibung unter den Voraussetzungen
der medizinischen Indikation hinzuweisen, auch dann, wenn er aufgrund
des Alters des Kindes von dessen extrauteriner Lebensfähigkeit ausgehen
muß, welche gesetzlichen ggf. standesrechtlichen Vorschriften regeln
diesen Bereich, und besteht hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf?
40. Ist nach Auffassung der Bundesregierung der Arzt auch in solchen
Fällen zur Mitteilung eines pränataldiagnostisch erhobenen Befundes
verpflichtet, wenn dieser eine erbliche Anlage oder Krankheit
beinhaltet, die erst später im Leben zum Tragen kommt, wie z. B. Chorea
Huntington, Diabetes oder Mamma-Carcinom, auch im Bewußtsein, daß
daraus eine Abtreibung des Kindes resultieren kann, und sieht die
Bundesregierung hier ggf. die Notwendigkeit einer gesetzlichen
Beschränkung?
41. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesärztekammer,
daß gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen sind, die klarstellen, daß
das Weigerungsrecht, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken,
ausschließlich für die Fälle unmittelbarer Lebensgefahr der Schwangeren
aufgehoben ist (Erklärung zum Schwangerschaftsabbruch nach
Pränataldiagnostik, Deutsches Ärzteblatt 1998, S. 95, A-3013-3016 [Heft
47])?
42. Hält die Bundesregierung angesichts der ihr vorliegenden
Erkenntnisse im Bereich der Abtreibung einschließlich des Fetozids nach
pränataler Diagnostik unter den Voraussetzungen der medizinischen
Indikation die Bedingung der Strafbarkeit falscher ärztlicher
Indikationsstellung "wider besseres Wissen" im § 218 b Abs. 1 StGB
unter Berücksichtigung der Hochrangigkeit des Lebensschutzgebotes und
des Diskriminierungsverbotes wegen genetischer Veranlagungen oder
Behinderungen für ausreichend?
43. Wie bewertet die Bundesregierung unter Berücksichtigung der
Abtreibungspraxis bei vorgeburtlich diagnostizierten Behinderungen die
Gefahr einer Typisierung bestimmter erblicher Anlagen oder
Behinderungen, die in der Regel zur Abtreibung des Kindes führen, im
Hinblick auf die gesellschaftliche Einstellung und
Solidaritätsbereitschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen?
Bonn, den 9. April 1999
Hubert Hüppe
Monika Brudlewsky
Dr. Hans Georg Faust
Norbert Geis
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Meinrad Belle
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Sylvia Bonitz
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Herbert Frankenhauser
Erich G. Fritz
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Klaus-Jürgen Hedrich
Ernst Hinsken
Klaus Hofbauer
Josef Hollerith
Siegfried Hornung
Georg Janovsky
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Eduard Lintner
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Claudia Nolte
Friedhelm Ost
Dr. Peter Paziorek
Ruprecht Polenz
Peter Rauen
Erika Reinhardt
Klaus Riegert
Franz-Xaver Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Heinz Seiffert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Peter Weiß (Emmendingen)
Heinz Wiese (Ehingen)
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller

09.04.1999 nnnn

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