BT-Drucksache 14/6163

Umsetzung des Versprechens der Bundesregierung zur Stärkung der Kommunalfinanzen

Vom 29. Mai 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6163
14. Wahlperiode 29. 05. 2001

Antrag
der Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme, Peter Götz, Dietrich Austermann,
Günter Baumann, Meinrad Belle, Otto Bernhardt, Dr. Joseph-Theodor Blank,
Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Sylvia Bonitz, Wolfgang Bosbach,
Klaus Brähmig, Dr. Ralf Brauksiepe, Paul Breuer, Monika Brudlewsky,
Cajus Caesar, Leo Dautzenberg, Hubert Deittert, Albert Deß, Thomas Dörflinger,
Marie-Luise Dött, Maria Eichhorn, Anke Eymer (Lübeck), Ingrid Fischbach,
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Herbert Frankenhauser, Erich G. Fritz,
Norbert Geis, Georg Girisch, Kurt-Dieter Grill, Klaus-Jürgen Hedrich,
Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Martin Hohmann, Klaus Holetschek,
Josef Hollerith, Siegfried Hornung, Bartholomäus Kalb, Steffen Kampeter,
Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Norbert Königshofen, Karl-Josef Laumann, Werner
Lensing, Ursula Lietz, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Wolfgang Meckelburg,
Dr. Michael Meister, Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Franz Obermeier,
Eduard Oswald, Dr. Peter Paziorek, Ronald Pofalla, Dr. Bernd Protzner,
Hans Raidel, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik, Hannelore Rönsch (Wiesbaden),
Franz-Xaver Romer, Dr. Christian Ruck, Anita Schäfer, Heinz Schemken, Dietmar
Schlee, Birgit Schnieber-Jastram, Heinz Seiffert, Bernd Siebert, Werner Siemann,
Margarete Späte, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Max Straubinger,
Thomas Strobl (Heilbronn), Dr. Hans Peter Uhl, Peter Weiß (Emmendingen),
Heinz Wiese (Ehingen), Klaus-Peter Willsch, Elke Wülfing, Benno Zierer und
der Fraktion der CDU/CSU

Umsetzung des Versprechens der Bundesregierung zur Stärkung der
Kommunalfinanzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat in der Koalitionsvereinbarung zum Regierungsantritt
1998 angekündigt, die Finanzkraft der Gemeinden stärken zu wollen. Wörtlich
heißt es in Kapitel III Nr. 2 Punkt 3 der Koalitionsvereinbarung:

Die neue Bundesregierung tritt dafür ein, daß zukünftig Aufgabenverlagerun-
gen im Verhältnis der staatlichen Ebenen – Bund einerseits, Länder und
Gemeinden andererseits – im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
berücksichtigt werden (Konnexitätsprinzip). Wir wollen die Finanzkraft der
Gemeinden stärken und das Gemeindefinanzsystem einer umfassenden Prüfung
unterziehen.

Drucksache 14/6163 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

1. Die Realität sieht anders aus:

„Viele Städte müssen Sozialhilfe oder Personalausgaben auf Pump finanzieren,
weil die Defizite in ihren Verwaltungshaushalten nicht mehr beherrschbar sind.
Sie summierten sich schon 1999 auf 7,2 Mrd. DM und werden durch die künfti-
gen Steuerausfälle erheblich zunehmen.“ Diese Aussage des Präsidenten des
Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD), vom 23. Ja-
nuar 2001 im Pressedienst des Deutschen Städtetages beschreibt die Lage nicht
nur der Städte, sondern auch der Gemeinden und Landkreise.

Infolge der Politik der Bundesregierung hat sich die Finanzlage der Kommunen
seit Beginn der 14. Wahlperiode weiter verschlechtert, wie die folgende Über-
sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (Dokumentation Nr. 16)
zeigt:

Gemeindliche Mehr- (–) und Minderausgaben im Sozialbereich durch
verabschiedete und geplante Gesetze seit Beginn der Legislaturperiode

(in Mio. DM)

2000 2001

Haushaltssanierungsgesetz (insgesamt)

Davon: – Streichung der originären Arbeits-
losenhilfe

– Kürzung des Bundesanteils am Unter-
haltsvorschuss

– Erhöhung der Regelsätze der Sozial-
hilfe wie Erhöhung der Renten1)

– 840

– 700

– 400

260

– 620

– 900

– 400

680

Leistungserhöhung für Asylbewerber und Flücht-
linge mit längerem Aufenthalt – 35 – 70

Erhöhung der Grundleistungen für Asylbewerber2) – – 10

Nichtanrechnung des Kindergeldes auf die Sozial-
hilfe

– 200 – 200

Änderungen im Bereich Rehabilitation für behin-
derte Menschen3)

– – 400

Maßnahmen der Reform der gesetzlichen
Rentenversicherung4)

– – 1 000

Summe der kommunalen Mehrausgaben – 1 075 – 2 300

Gesamtausgaben der Kommunen für soziale
Leistungen (Schätzung)

53 050 55 450

Mehrausgaben durch verabschiedete und geplante
Gesetze in Relation zu den Gesamtausgaben der
Kommunen für soziale Leistungen

2 % 4,4 %

1) Die Anpassung der Regelsätze entsprechend der Rentenentwicklung führt im Vergleich zur „üblichen“
Methode („fiktiver Warenkorb“) zu Minderausgaben.

2) Stand: Referentenentwurf des BMA vom 10. Oktober 2000.
3) Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises sowie Ausweitung der Rehabilitationsleistun-

gen sowie Verzicht des Rückgriffs auf Unterhaltsverpflichtete, Stand: Referentenentwurf des BMA
vom 26. Oktober 2000.

4) Auswirkungen auf die Sozialhilfe durch den Verzicht auf einen Rückgriff auf Angehörige bzw. einge-
schränkter Rückgriff auf Vermögen bei über 65-Jährigen und behinderten Personen über 18 Jahre,
Stand: Regierungsentwurf vom 15. November 2000.

Quelle: Berechnungen des DStGB und Angaben des BMF und des BMA.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6163

2. Weiterhin ergeben sich dramatische Veränderungen durch die Erhöhung des
Kindergeldes. Der seinerzeit auf Verlangen der SPD (Bürgermeister Dr. Hen-
ning Voscherau, Ministerpräsidenten Hans Eichel, Oskar Lafontaine und Ger-
hard Schröder) durchgesetzte Sonderlastenausgleich zur Finanzierung des
Kindergeldes in Artikel 106 Abs. 3 Grundgesetz sollte die Anteile von Bund
und Ländern auf 74 bzw. 26 % festschreiben und die Kommunen sollten nicht
belastet werden. Die Bundesregierung bestreitet den Charakter der Sonder-
regelung und will die Kindergeldleistungen in die allgemeine Deckungsquo-
tenberechnung beim Länderfinanzausgleich einbeziehen. Dadurch werden
die Kommunen und Länder weiter erheblich benachteiligt. Selbst wenn man
davon ausgeht, dass die Länder die Kommunen im Jahre 1996 aus den ihnen
übertragenen zusätzlichen Mehrwertsteueranteilen vollständig von den Be-
lastungen aus dem Kindergeld freigestellt hätten – was nicht überall der Fall
war –, dann tragen die Städte, Gemeinden und Landkreise schon heute erheb-
liche Anteile des Kindergeldes. Das waren 1999 5,5 Mrd. DM mit steigender
Tendenz. Die zu erwartenden Erhöhungen des Kindergeldes werden die Las-
tenverschiebung noch verstärken. Dies ergibt sich aus der folgenden Berech-
nung – in Mio. DM –:

Drucksache 14/6163 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Die Investitionstätigkeit geht dramatisch zurück. Die Kommunen können
wichtige Investitionen – etwa für Straßen, Kanalisation, Schulen und soziale
Einrichtungen – nicht mehr vornehmen. Die Länder haben ihre Zuweisun-
gen an die Kommunen der neuen Länder seit 1992 um über ein Drittel und in
den alten Ländern um über ein Viertel verringert. Damit liegen die Investiti-
onen der Kommunen heute um über 19 Mrd. DM oder fast 30 % unter denen
des Jahres 1992 (Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister
Hajo Hoffmann (SPD), vom 23. Januar 2001 im Pressedienst des Deutschen
Städtetages).

In den neuen Ländern, wo Investitionen besonders nötig sind, und deren An-
liegen der Bundeskanzler zur „Chefsache“ erklärt und sogar einen Staatsmi-
nister berufen hat, setzt sich der Verfall 2000 und 2001 mit Minusraten von
6,7 % und 8 % fort. Die Summe sinkt dort auf 10 Mrd. DM. In den alten
Ländern gab es zwar einen Anstieg um 2,7 %. Für 2001 ist jedoch auch hier
mit einem Rückgang um 4 % auf 35,9 Mrd. DM zu rechnen (Präsident des
Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD), vom
23. Januar 2001 im Pressedienst des Deutschen Städtetages).

4. Die aus der Rentenreform resultierenden Risiken für die Kommunen sind
gleichfalls zu beachten. Die Situation der Kommunen verschlechtert sich
weiter. Die Grundrente, als nichts anderes stellt sich die vorgesehene Rege-
lung dar, beläuft sich nach Auffassung des Bundes auf rund 600 Mio. DM.
Die Schätzungen der Kommunalen Spitzenverbände gehen bis zu
2 Mrd. DM. Deshalb ist im Interesse der Kommunen die in der Renten-
reform enthaltene Regelung über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung abzulehnen. Es enthält zudem System-
brüche, indem es den Betroffenen eine höhere Grundsicherung (automati-
scher Regelzuschlag) gewährt und außerdem auf den Rückgriff gegenüber
Verwandten in gerader Linie verzichtet.

5. Problematisch für die Kommunen wird ohne einen angemessenen Ausgleich
für die Kommunalhaushalte auch die Reform des Sozialgesetzbuches IX, in
dem die Leistungen für Behinderte in einem besonderen Leistungsgesetz
festgelegt werden sollen. Auch hier soll auf den Rückgriff gegenüber Ver-
wandten in gerader Linie verzichtet werden und der betroffene Personen-
kreis durch eine pauschale Erhöhung der Regelsätze besser gestellt werden.

6. Die aus der BSE-Entwicklung auf die Kommunen zukommenden Kosten,
beispielsweise durch notwendige Verlustabdeckungen bei den Tierkörperbe-
seitigungsanstalten und aus einem möglichen Überschwappen der Maul-
und Klauenseuche auf Deutschland, sind noch nicht zu beziffern. Zusätz-
liche Belastungen sind in der augenblicklichen Lage nicht zu verkraften. Da-
bei muß auch berücksichtigt werden, dass in weiten Teilen des Landes die
der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche zusammenbrechen
und mit Steuerausfällen und weiteren Belastungen zu rechnen ist.

1) Kindergeldabzug brutto lt. BMF, Antwort auf schriftliche Frage Nr. 34, Bundestagsdrucksache 14/4568.
2) Umsatzsteueraufkommen lt. Bundesfinanzbericht 2000 (1999 Schätzung).
3) Zum Ausgleich übertragener Mehrwertsteueranteil ab 1998 unter Berücksichtigung des Rentenvorab.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/6163

II. Die Bundesregierung hat ihr in der Koalitionsvereinbarung gegebenes Ver-
sprechen zur Verbesserung der Finanzlage der Kommunen bisher nicht einge-
löst und keine wirksamen Schritte zu einer Umsetzung unternommen. Im Ge-
genteil: Die Auswirkungen der bisherigen Politik der Bundesregierung für die
Kommunalfinanzen sind verheerend, wie die vorstehenden Fakten belegen.

Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, diese aufgezeigte kommunal-
feindliche Politik unverzüglich zu korrigieren und unverzüglich Vorschläge zu
unterbreiten, wie sie ihr in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenes Ver-
sprechen einlösen will, z. B. durch Vorlage

 eines Konzeptes für eine Gemeindefinanzreform und

 einer Überprüfung der den Kommunen übertragenen Aufgaben mit dem Ziel
der Reduzierung.

Berlin, den 29. Mai 2001

Jochen-Konrad Fromme
Peter Götz
Dietrich Austermann
Günter Baumann
Meinrad Belle
Otto Bernhardt
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Sylvia Bonitz
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Anke Eymer (Lübeck)
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Herbert Frankenhauser
Erich G. Fritz
Norbert Geis
Georg Girisch
Kurt-Dieter Grill
Klaus-Jürgen Hedrich
Ernst Hinsken
Klaus Hofbauer
Martin Hohman
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Siegfried Hornung
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter

Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Norbert Königshofen
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Ursula Lietz
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Ronald Pofalla
Dr. Bernd Protzner
Hans Raidel
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Hannelore Rönsch (Wiesbaden)
Franz-Xaver Romer
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Heinz Schemken
Dietmar Schlee
Birgit Schnieber-Jastram
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Max Straubinger
Thomas Strobl (Heilbronn)
Dr. Hans Peter Uhl
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