BT-Drucksache 14/4382

Eckpunkte für eine Reform des Hochschuldienstrechts

Vom 24. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4382
14. Wahlperiode 24. 10. 2000

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Thomas Rachel, Ilse Aigner,
Günter Baumann, Meinrad Belle, Dr. Joseph-Theodor Blank, Dr. Maria Böhmer,
Sylvia Bonitz, Wolfgang Bosbach, Hartmut Büttner (Schönebeck), Axel E. Fischer
(Karlsruhe-Land), Norbert Hauser (Bonn), Martin Hohmann, Dr.-Ing. Rainer Jork,
Steffen Kampeter, Hartmut Koschyk, Werner Lensing, Erich Maaß (Wilhelms-
haven), Erwin Marschewski (Recklinghausen), Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn),
Beatrix Philipp, Hans-Peter Repnik, Dr. Klaus Rose, Dietmar Schlee,
Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), Dr. Erika Schuchardt, Bärbel Sothmann,
Thomas Strobl (Heilbronn), Dr. Hans-Peter Uhl, Angelika Volquartz, Heinz Wiese
(Ehingen), Hans-Otto Wilhelm (Mainz), Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der
CDU/CSU

Eckpunkte für eine Reform des Hochschuldienstrechts

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ein wesentliches Ziel der Hochschulreform ist die Verbesserung der Leistungen
in Forschung und Lehre durch mehr Wettbewerb. Deshalb sieht das in der letz-
ten Legislaturperiode novellierte Hochschulrahmengesetz vor, dass bei der Ver-
teilung der staatlichen Mittel auf die Hochschulen und innerhalb der Hochschu-
len Leistungskriterien stärker zu berücksichtigen sind. Von Anfang an war
vorgesehen, auch bei der Besoldung der Professorinnen und Professoren zu-
sätzliche Leistungsanreize zu schaffen.

Heute haben nur die C 4-Professorinnen und Professoren die Möglichkeit, ihr
Gehalt durch Zulagen anlässlich von Berufungen und Bleibeverhandlungen zu
erhöhen. Dabei stehen häufig Leistungen in der Forschung im Vordergrund; ein
besonderes Engagement in der Lehre wird gerade an Universitäten unzurei-
chend honoriert. Die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses an den
Universitäten für ein Professorenamt dauert zu lange. Habilitierte in Deutsch-
land sind im Durchschnitt über 40 Jahre alt. Wer danach nicht direkt als Hoch-
schullehrer berufen wird, gerät in eine „Altersfalle“. Eine berufliche Neuorien-
tierung ist zu Beginn des fünften Lebensjahrzehnts nur noch mit äußersten
Schwierigkeiten möglich.

Im Ausland haben qualifizierte Wissenschaftler früher die Möglichkeit, selb-
ständig zu forschen. Die Verleihung z. B. von Nobelpreisen für herausragende
Leistungen in jungen Jahren spricht dafür, dass die wissenschaftlich produk-
tivste Phase oft schon vor dem 40. Lebensjahr liegt. Auch dies ist ein Grund da-
für, dass viele Postdoktoranden ins Ausland gehen; zwei Drittel kommen nicht

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mehr nach Deutschland zurück. Dies betrifft jedes Jahr einige Tausend Nach-
wuchswissenschaftler. Veränderungen bei der Nachwuchsförderung sind also
notwendig.

Ziele bei der Neuordnung der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nach-
wuchses sind die frühe Selbständigkeit in Forschung und Lehre und die frühe
Erstberufung durch Verkürzung der Qualifikationsphasen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat am 21. September 2000
ein Konzept „Hochschuldienstrecht für das 21. Jahrhundert“ vorgestellt. Rich-
tig ist der darin enthaltene Vorschlag, die bisherigen Alterszulagen durch Leis-
tungszulagen zu ersetzen. Allerdings sind die Mindestbeträge für die neuen
Besoldungsgruppen viel zu niedrig angesetzt. Dies schreckt qualifizierte Be-
werber – vor allem in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern –
von einer Hochschullaufbahn ab. Ferner ist in diesem Konzept vorgesehen, die
Habilitation zugunsten des Nachweises wissenschaftlicher Qualifikation als
„Junior-Professor“ vollständig abzuschaffen. Damit wird der unterschiedlichen
Fächerkultur nicht Rechnung getragen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf, einen Ge-
setzentwurf für ein neues Hochschuldienstrecht vorzulegen, der folgende
Eckpunkte berücksichtigt:

1. Leistungsorientierte Besoldung

Schon heute gibt es für die C 4-Professoren die Möglichkeit, ihr Gehalt
durch Berufungs- und Bleibeverhandlungen entsprechend ihrer Leistung zu
verbessern. Das reicht aber nicht aus. Alle Professoren an Universitäten und
Fachhochschulen sollen spüren, dass Leistung wahrgenommen und finan-
ziell belohnt wird. Die Besoldung aller Hochschullehrerinnen und Hoch-
schullehrer muss deshalb stärker als bisher besondere Leistungen in For-
schung und Lehre honorieren. Das für Leistungszulagen erforderliche
Finanzvolumen soll unter anderem durch Wegfall der Alterszulagen gewon-
nen werden.

2. Besoldungsstruktur an Fachhochschulen und Universitäten

Die wissenschaftlich fundierte praxisorientierte Ausbildung an Fachhoch-
schulen hat sich bewährt. Deshalb ist es sinnvoll, die Kapazitäten weiter aus-
zubauen und das Fächerspektrum zu erweitern. Um auch in Zukunft hoch-
qualifizierte Praktiker für das Professorenamt zu gewinnen, ist es zusätzlich
erforderlich, das Besoldungsniveau anzuheben. Deshalb soll die bisherige
C 2/C 3-Besoldung für Fachhochschulprofessoren durch eine einheitliche an
C 3 orientierte Besoldung (künftig W 2) ersetzt werden. Diese Besoldungs-
gruppe soll es auch in Zukunft an Universitäten und gleichgestellten Hoch-
schulen geben. Damit wird der Gleichwertigkeit von Fachhochschulen und
Universitäten mehr als bisher Rechnung getragen.

Auch in Zukunft haben nur die Professorinnen und Professoren an Universi-
täten die Aufgabe, den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. Die For-
schung hat an den Universitäten ein größeres Gewicht. Dies rechtfertigt es,
an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen zusätzlich ein höherwer-
tiges Professorenamt (C 4 bzw. W 3) beizubehalten bzw. einzurichten.

Ein gestuftes Besoldungssystem an Universitäten ist auch erforderlich, um
dem unterschiedlichen Gewicht bzw. der Bedeutung von Lehrstühlen und
Instituten bzw. der besonderen Verantwortung eines Klinikleiters Rechnung
zu tragen.

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Um im Wettbewerb um die besten Köpfe mit der Wirtschaft und den Univer-
sitäten und Forschungseinrichtungen im Ausland bestehen zu können, sollen
künftig alle Obergrenzen für die individuelle Besoldung von Professorinnen
und Professoren entfallen. Grundsätzlich sollte am Beamtenstatus für Hoch-
schullehrerinnen und Hochschullehrer festgehalten werden. Dem Professo-
renamt im Beamtenverhältnis wird gleichberechtigt als Option der Professor
im Angestelltenverhältnis zur Seite gestellt.

3. Höhe der Mindestbeträge

Die im Konzept des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vorge-
sehenen Mindestbeträge

von 7 000 DM für W 2
von 8 500 DM für W 3

sind zu niedrig. Sie entsprechen dem Gehalt von Oberregierungsräten und
Regierungsdirektoren und schrecken den qualifizierten Nachwuchs ab, eine
Hochschullaufbahn anzustreben.

Selbst unter Berücksichtigung des Familienzuschlags entspricht diese Min-
destbesoldung nicht der in Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz garantierten amts-
angemessenen Besoldung. Hinweise auf Beträge, die durchschnittlich für
variable Gehaltsbestandteile zur Verfügung stehen, sind irreführend.
Schließlich kann es nicht sinnvoll sein, mit Hilfe von Leistungszulagen erst
einmal die Vergütung aller Professorinnen und Professoren auf ein angemes-
senes Niveau anzuheben.

Unter Berücksichtigung der angestrebten früheren Berufung müssen die
Mindestbeträge

bei W 2 mit 8 000 DM
bei W 3 mit 9 000 DM

angesetzt werden.

4. Zulagen

Zulagen sollen gewährt werden

 als Funktionszulage
für nicht hauptamtlich wahrgenommene Funktionen in der Hochschulver-
waltung und die Übernahme besonderer Aufgaben (z. B. Leitung eines
Graduiertenkollegs, eines Sonderforschungsbereichs, Betreuung einer in-
ternationalen Kooperation),

 als vereinbarte Zulage
anlässlich einer Berufung und der Abwendung einer Berufung und

 als Leistungszulage
für die individuelle Leistung in Forschung und Lehre, auch bei Über-
nahme eines erhöhten Lehrdeputats.

Funktions- und Leistungszulagen werden befristet gewährt.

Die Regelung über die Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen darf das derzeitige
Versorgungsniveau nicht absenken.

Um dem Verdacht zu begegnen, dass das neue Hochschuldienstrecht den
Ländern Einsparungsmöglichkeiten eröffnet, soll sich der Bundesgesetzgeber
auf die Festlegung beschränken, dass der Vergaberahmen (Personalbudget)
die Summe der durchschnittlichen Besoldungsausgaben je Professur einer
Hochschule des letzten Haushaltsjahres zuzüglich der Besoldungsanpassung
nicht unterschreiten darf.

Schon heute gibt es in den Ländern kein einheitliches Besoldungsgefüge.
Der Bund sollte dieses nicht nivellieren, sondern anregen, die für den Wett-

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bewerb um die qualifiziertesten Wissenschaftler erforderlichen zusätzlichen
Mittel bereitzustellen.

Im Hinblick auf die Freiheit der Wissenschaft müssen die Hochschulen nach
gesetzlichen Vorgaben selbst die Kriterien für die Leistungsbewertung ent-
wickeln und diese anwenden. Wegen der schon bestehenden Anreize im Be-
reich der Forschung muss der Lehre besondere Aufmerksamkeit gewidmet
werden.

5. Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Universitäten

Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass

 der wissenschaftliche Nachwuchs an unseren Universitäten oft zu lange
in Abhängigkeit beschäftigt und zu Dienstleistungen für Professoren her-
angezogen wird,

 das durchschnittliche Alter bei einer Habilitation (über 40 Jahre) auch
deshalb zu hoch ist und

 Erstberufungen möglichst um das 35. Lebensjahr erfolgen sollten.
Ziel einer Neuordnung ist deshalb eine frühere Selbständigkeit in Forschung
und Lehre und eine generelle Verkürzung der Phase der Qualifizierung. Nur
so kann verhindert werden, dass Spitzenkräfte immer häufiger ins Ausland
abwandern. Dies setzt zunächst eine kürzere Studiendauer und die Struktu-
rierung und Befristung der Promotionsphase voraus. Der Nachweis einer
zusätzlichen wissenschaftlichen Leistung in Form der Habilitation spielt
heute in manchen Fächern – z. B. den Ingenieurwissenschaften – zu Recht
kaum noch eine Rolle.

In anderen Fächern gibt es zum „2. Buch“ als Nachweis einer besonderen
wissenschaftlichen Leistung kaum Alternativen.

Auch die unterschiedlichen „Fächerkulturen“ legen es nahe, die Habilitation
nicht abzuschaffen, sondern zusätzliche Qualifikationswege zu eröffnen.

Deshalb unterstützt der Deutsche Bundestag die Einführung des „Juniorpro-
fessors“, der – angesiedelt beim Fachbereich – selbständig forscht und lehrt
und über eine drittmittelfähige Grundausstattung verfügt. Er soll grundsätz-
lich nach der Promotion für drei Jahre berufen werden. Nach positiver Eva-
luation erfolgt eine Verlängerung um drei Jahre. Bei der Erstberufung in ein
Professorenamt soll auf einen Hochschulwechsel verzichtet werden, wenn
dieser schon bei der Bestellung zum „Juniorprofessor“ erfolgte.

Um sicherzustellen, dass auch die weiter bestehende Habilitation in einem
vergleichbaren Alter abgeschlossen wird, sind für geeignete Interessenten
Stellen eines „Wissenschaftlichen Assistenten“ bereitzustellen. Im Gesetz ist
noch deutlicher als bisher festzuhalten, dass zu dessen Dienstaufgaben
gleichgewichtig die Dienstleistung in Forschung und Lehre und die selbstän-
dige wissenschaftliche Arbeit gehört.

Für die ausschließliche wissenschaftliche Dienstleistung soll es auch in Zu-
kunft den Wissenschaftlichen Mitarbeiter geben.

Berlin, den 24. Oktober 2000

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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