Bundessozialgericht, Urteil vom 29.03.2022, Az. B 4 AS 24/21 R

4. Senat | REWIS RS 2022, 3937

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Vorauszahlungen auf Arbeitsentgelt - Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit - Monatsprinzip


Leitsatz

Bei als Einkommen zu berücksichtigenden Vorauszahlungen auf Arbeitsentgelt sind für den Monat des Zuflusses Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit in Abzug zu bringen, selbst wenn eine Abrechnung erst im Folgemonat erfolgt.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 23. Oktober 2020 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. November 2018 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die teilweise Aufhebung und Erstattung von [X.] für den Monat Februar 2015. Im [X.]treit ist, in welchem Umfang [X.] auf Arbeitsentgelt als Einkommen zu berücksichtigen sind.

2

Die 1993 geborene Klägerin zu 1 lebte mit ihrem im Januar 2014 geborenen [X.], dem Kläger zu 2, und dessen Vater [X.] (im Folgenden: [X.]) in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin zu 1 bezog nach der Geburt des [X.]s Elterngeld, das sich im Februar 2015 auf 150 [X.] belief, und sie erhielt für den Kläger zu 2 Kindergeld iHv monatlich 184 [X.]. [X.] war 2015 zunächst ohne Beschäftigung und Einkommen. Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für die gemeinsam bewohnte Wohnung betrugen monatlich 618 [X.] (383,50 [X.] Bruttokaltmiete; 94,50 [X.] Nebenkosten; 140 [X.] Heizkosten).

3

Auf den Fortzahlungsantrag vom 18.12.2014 bewilligte der Beklagte den Klägern und [X.], ausgehend von einer Bedarfsgemeinschaft dieser drei Personen, [X.] bzw [X.]ozialgeld für die Zeit vom [X.] bis 31.7.2015 (Bescheid vom [X.]). Unter Berücksichtigung von Elterngeld und Kindergeld als Einkommen errechnete er im Einzelnen monatliche Leistungen für die Klägerin zu 1 und [X.] iHv jeweils 546,87 [X.] und für den Kläger zu 2 iHv 247,35 [X.].

4

Anfang Februar 2015 teilte [X.] dem Beklagten die Aufnahme einer befristeten Erwerbstätigkeit ab dem 16.2.2015 mit. Laut seines Arbeitsvertrags betrug der [X.]tundenlohn 10 [X.] brutto, die Vergütung war spätestens am 15. des Folgemonats fällig. Nach der Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers erzielte [X.] im Februar 2015 ein Entgelt iHv 768,20 [X.] brutto bzw 573,06 [X.] netto. Auf diesen Verdienst erhielt er im Februar 2015 [X.] iHv insgesamt 355 [X.] in bar (16.2.2015: 20 [X.]; 18.2.2015: 10 [X.]; 23.2.2015: 25 [X.] und [X.]: 300 [X.]). Der Restbetrag iHv 218,06 [X.] wurde am 19.3.2015 seinem Konto gutgeschrieben.

5

Nach verschiedenen Änderungsbescheiden, die den Bewilligungszeitraum ab 1.3.2015 betrafen, hob der Beklagte nach Anhörung der Klägerin zu 1 - auch in ihrer Eigenschaft als [X.]orgeberechtigte des [X.] zu 2 - die [X.] für den Monat Februar 2015 teilweise auf (gegenüber der Klägerin zu 1 iHv 132,53 [X.]; gegenüber dem Kläger zu 2 iHv 59,95 [X.]) und machte gleichzeitig entsprechende Erstattungsansprüche geltend (Bescheid vom 21.3.2016; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Bei der Berechnung berücksichtigte er die an [X.] im Februar 2015 geleisteten Barzahlungen iHv 355 [X.], abzüglich einer [X.] von 30 [X.], aber ohne Minderung um den Grundfreibetrag bei Erwerbstätigkeit und einen Erwerbstätigenfreibetrag.

6

Im Klageverfahren hat der Beklagte rückwirkend ab dem 1.1.2015 einen Mehrbedarf für Warmwasser berücksichtigt (Bescheid vom [X.]) und seine für Februar 2015 geltend gemachten Erstattungsforderungen gegenüber der Klägerin zu 1 um 8,08 [X.] auf noch 124,45 [X.] und gegenüber dem Kläger zu 2 um 2,28 [X.] auf noch 57,67 [X.] reduziert ([X.]chreiben vom 19.8.2016). Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen und vor dem [X.]G noch beantragt, den streitbefangenen Bescheid für den Monat Februar 2015 teilweise insoweit aufzuheben, als der gegenüber der Klägerin zu 1 aufgehobene und von ihr zu erstattende Betrag 75,21 [X.] und der gegenüber dem Kläger zu 2 aufgehobene und von ihm zu erstattende Betrag 35,15 [X.] übersteigt.

7

Das [X.]G hat unter Zulassung der Berufung den angefochtenen Bescheid antragsgemäß aufgehoben (Urteil vom 6.11.2018). Die Zahlungen an [X.] im Monat Februar 2015 stellten Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit dar und deshalb seien bereits im Februar 2015 die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit nach § 11b Abs 1 [X.]atz 1 [X.], Abs 2 und Abs 3 [X.]GB II abzusetzen.

8

Auf die Berufung des Beklagten hat das L[X.]G das Urteil des [X.]G aufgehoben und die Klage(n) abgewiesen (Urteil vom 23.10.2020). Zwar stellten entgegen der Auffassung des Beklagten [X.] auf Arbeitsentgelt laufendes Erwerbseinkommen dar. Allerdings seien kein Grund- und Erwerbstätigenfreibetrag zu berücksichtigen, denn es handele sich um Nettoeinkommen. Grund- und Erwerbstätigenfreibetrag seien nur im Monat der Fälligkeit des Arbeitsentgelts, also hier im Monat März 2015, abzusetzen.

9

Mit ihren vom L[X.]G zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 11b [X.]GB II. Es sei auf das Monatsprinzip abzustellen. Wenn wie hier im Monat Februar 2015 Arbeitseinkommen erwirtschaftet und ausgezahlt werde, seien die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 [X.]GB II zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.]chleswig-Holsteinischen Landesozialgerichts vom 23. Oktober 2020 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.]ozialgerichts Lübeck vom 6. November 2018 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der [X.]läger sind begründet (§ 170 Abs 2 [X.]atz 1 [X.]G). Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Berufung des [X.]n zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht die Verwaltungsakte des [X.]n wie beantragt teilweise aufgehoben.

Gegenstand der Revisionsverfahren sind neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der Bescheid vom 21.3.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom [X.] und in der Fassung des angenommenen [X.] vom 19.8.2016. Zulässigerweise machen die [X.]läger ihr Begehren mit einer (isolierten) Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]atz 1 Alt 1 [X.]G) geltend, zeitlich begrenzt auf den Monat Februar 2015 und sachlich darauf beschränkt, dass die [X.] gegenüber der [X.]lägerin zu 1 in Höhe eines Betrags von mehr als 75,21 [X.] und gegenüber dem [X.]läger zu 2 in Höhe eines Betrags von mehr als 35,15 [X.] aufgehoben und eine entsprechende Erstattung verlangt wurden. Diese zeitlichen und sachlichen Beschränkungen sind wegen der insoweit bestehenden Teilbarkeit der Verwaltungsakte statthaft.

Rechtsgrundlage für die Aufhebungsverfügungen ist § 40 Abs 2 [X.] [X.]B II iVm § 330 Abs 3 [X.]atz 1 [X.]B III und § 48 Abs 1 [X.]atz 2 [X.] [X.]B X. [X.]oweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B X); er soll ua dann mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - also auch rückwirkend - aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 [X.]atz 2 [X.] [X.]B X). Ergänzend regelt § 330 Abs 3 [X.]atz 1 [X.]B III, der gemäß § 40 Abs 2 [X.] [X.]B II entsprechend anwendbar ist, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist, wenn die in § 48 Abs 1 [X.]atz 2 [X.]B X genannten Voraussetzungen vorliegen, also stets eine gebundene und keine Ermessensentscheidung zu ergehen hat.

Hier ist nach der Leistungsbewilligung durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Januar 2015, der den [X.] ab Februar 2015 betraf, im Februar 2015 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen der [X.]läger eingetreten. [X.] hat eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und bereits im Februar Einkommen i[X.] des § 11 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B II erzielt, das leistungsmindernd zu berücksichtigen war.

Rechtsgrundlage der Leistungsansprüche für den hier allein streitbefangenen Monat Februar 2015 sind § 19 iVm §§ 7 ff und §§ 20 ff [X.]B II (in der ab 1.1.2015 geltenden Gesetzesfassung vom 28.7.2014, [X.] 1306). Die [X.]lägerin zu 1 erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen für [X.] (§ 7 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B II). [X.]ie hatte die Altersgrenze des § 7a [X.]B II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig, dem Grunde nach hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]. Der [X.]läger zu 2 konnte [X.]ozialgeld beanspruchen, denn er gehörte als [X.]ind einer der in § 7 Abs 3 [X.] bis 3 [X.]B II genannten Personen nach § 7 Abs 3 [X.] [X.]B II zur Bedarfsgemeinschaft, weil das zu berücksichtigende [X.]indergeld (§ 11 Abs 1 [X.]atz 4 [X.]B II aF) nicht vollständig bedarfsdeckend war. Weiteres Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war zudem gemäß § 7 Abs 3 [X.] c [X.]B II der im gleichen Haushalt lebende [X.], Partner der [X.]lägerin zu 1 und Vater des [X.] zu 2 ([X.] nach § 7 Abs 3a [X.] [X.]B II).

Die [X.]läger waren indessen im Februar 2015 in einem höheren Umfang hilfebedürftig, als dies der [X.] im Rahmen der Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen zugrunde gelegt hat. [X.] ist nach § 9 Abs 1 [X.]B II ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs 2 [X.]atz 1 [X.]B II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Das von [X.] im Februar 2015 erzielte Einkommen war deshalb zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, allerdings in geringerer Höhe.

Entgegen der Auffassung des [X.] sind bei Vorauszahlungen auf Arbeitsentgelt in dem Monat, in dem diese zufließen, auch die Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit in Abzug zu bringen, selbst wenn eine Abrechnung erst im Folgemonat erfolgt. Nach § 11 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B II sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b [X.]B II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.]B II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen. Es ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie; stRspr; siehe nur B[X.] vom 30.7.2008 - [X.] A[X.] 26/07 R - [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.]7 Rd[X.]3; B[X.] vom 23.8.2011 - [X.] A[X.] 185/10 R - [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]0; zuletzt B[X.] vom 5.8.2021 - [X.] A[X.] 83/20 R - [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]7; B[X.] vom 11.11.2021 - [X.] A[X.] 41/20 R - [X.]ozR 4-4200 § 11b [X.]4 Rd[X.]9). Dabei sind laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 [X.]atz 1 [X.]B II).

Neben dem laufend monatlich zugeflossenen Erziehungsgeld und dem [X.]indergeld war auch das [X.] im Februar ausgezahlte Arbeitsentgelt (355 [X.]) als laufende Einnahme aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit bereits im Februar zu berücksichtigen. Dass es sich bei dieser Geldeinnahme um [X.] auf die erste abzurechnende Arbeitsentgeltzahlung handelte, ist für die Einordnung als laufende Einnahme ohne Bedeutung, denn Rechtsgrund war der Arbeitsvertrag, der regelmäßig zu erbringende Zahlungen vorsah (vgl zur Abgrenzung gegenüber Einmalzahlungen B[X.] vom 24.4.2015 - [X.] A[X.] 32/14 R - [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]6 ff).

Von diesem im Februar 2015 zugeflossenen Arbeitsentgelt war allerdings nicht die [X.] nach § 6 Abs 1 [X.] [X.]-V iHv 30 [X.] abzusetzen, wie [X.] und [X.] es angenommen haben, sondern stattdessen ein Grundfreibetrag von 100 [X.] nach § 11b Abs 2 [X.]atz 1 [X.]B II und der weitere Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 1 [X.]atz 1 [X.] iVm Abs 3 [X.]B II. Dies ergibt sich aus den Normen, die in der Grundsicherung für Arbeitsuchende - auch bezogen auf die Einkommensberücksichtigung und -bereinigung - das Monatsprinzip konstituieren.

Nach § 11b Abs 1 [X.] bis 5 [X.]B II sind vom Einkommen ua Beiträge zu Versicherungen ([X.]), geförderte Altersvorsorgebeiträge ([X.]) und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben ([X.]) abzusetzen. § 11b Abs 2 [X.]atz 1 [X.]B II bestimmt ergänzend, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11 Abs 1 [X.]atz 1 [X.] bis 5 [X.]B II ein Betrag von insgesamt 100 [X.] monatlich (Grundfreibetrag) abzusetzen ist. [X.] ist ferner nach § 11b Abs 1 [X.] [X.]B II für Erwerbstätige ein Betrag nach § 11 Abs 3 [X.]B II (sogenannter Erwerbstätigenfreibetrag). § 11b Abs 3 [X.]atz 1 [X.]B II sieht vor, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen ist. Dieser beläuft sich für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 [X.] übersteigt und nicht mehr als 1000 [X.] beträgt, auf 20 Prozent (§ 11b Abs 3 [X.]atz 1 [X.] [X.]B II).

[X.]chon der Wortlaut der Regelungen stellt also auf das monatliche Einkommen ab, von dem monatlich Abzüge vorzunehmen sind, und macht deutlich, dass auch bezogen auf die Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit strikt dem ([X.]alender-) Monatsprinzip Rechnung zu tragen ist.

Auch aus systematischen Gründen sind Ausgaben in dem Monat vom zugeflossenen Einkommen abzusetzen, in dem sie abfließen (vgl nur B[X.] vom 24.8.2017 - [X.] A[X.] 9/16 R - [X.]ozR 4-4200 § 11b [X.]0 Rd[X.]1; B[X.] vom 11.11.2021 - [X.] A[X.] 41/20 R - [X.]ozR 4-4200 § 11b [X.]4 Rd[X.]3; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11b Rd[X.]7, [X.]tand [X.]eptember 2021; [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.]B II, 5. Aufl 2021, § 11b RdNr 9 f; vgl auch [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 7. Aufl 2021, § 11b Rd[X.]7). Wenn Einkommen aus Erwerbstätigkeit zufließt und - mangels abweichender normativer Zurechnung zu einem anderen Monat, wie etwa bei einmaligen Einnahmen im Falle des § 11 Abs 3 [X.]atz 2 [X.]B II (ab 1.8.2016: § 11 Abs 3 [X.]atz 2 [X.]B II) - zu berücksichtigen ist, sind in diesem Monat auch die Absetzbeträge in Abzug zu bringen. Dem [X.] steht als Gegenpol ein "[X.]" gegenüber. Im systematischen Gleichklang mit dem [X.] ist auch das [X.] normativen Modifizierungen zugänglich. Eine solche liegt vor, wenn das Gesetz den Abzug pauschaler Freibeträge anstelle tatsächlicher Aufwendungen vorsieht. Diese Freibeträge sind dann im Monat des Zuflusses beachtlich.

[X.]inn und Zweck sowohl des Grundfreibetrags als auch des [X.] stehen damit im Einklang. Der Grundfreibetrag zielt zum einen darauf ab, den erwerbstätigen Leistungsempfänger durch die Pauschalisierung vom Nachweis typischer - auch erwerbsunabhängiger - [X.]osten zu entlasten und damit zusätzlich zur Verwaltungsvereinfachung beizutragen. Dieser Freibetrag soll zudem, ebenso wie der besondere Erwerbstätigenfreibetrag, einen finanziellen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit schaffen, auch wenn diese nicht bedarfsdeckend ist (stRspr; zuletzt B[X.] vom 17.9.2020 - [X.] A[X.] 3/20 R - [X.]ozR 4-4200 § 11a [X.] Rd[X.]1 mwN; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11b RdNr 88 mwN, [X.]tand [X.]eptember 2021). Beide Ziele hängen nicht davon ab, ob das zu berücksichtigende Erwerbseinkommen vom Arbeitgeber bereits vollständig abgerechnet ist, wenn es zur Auszahlung kommt, oder ob es vorab und nur als Teilbetrag erbracht wird.

Eine Berücksichtigung der Freibeträge schon bei [X.] deckt sich mit dem Zweck, einen Anreiz für eine Erwerbstätigkeit zu schaffen. Nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] ist hier von [X.] oder Abschlagszahlungen auszugehen. [X.]olche Zahlungen sind Vorauszahlungen auf noch nicht verdientes oder noch nicht fälliges Arbeitsentgelt (vgl dazu und zum Folgenden nur [X.] vom 21.1.2015 - 10 [X.] - [X.]E 150, 286 = [X.] zu § 92 HGB Rd[X.]1; [X.] in [X.], Arbeitsrechtshandbuch, 19. Aufl 2021, § 70 Rd[X.]1 ff; [X.] in [X.]üttner, Personalbuch 2022, Vorschuss Rd[X.] ff). Ein gesetzlicher Anspruch auf Vorschüsse und Abschlagszahlungen besteht nicht, denn nach § 614 [X.]atz 2 BGB ist eine Vergütung, die nach Zeitabschnitten bemessen ist, (erst) nach dem Ablauf dieses Zeitabschnitts zu entrichten. Wird also ein Vorschuss oder eine Abschlagszahlung geleistet, beruht dies auf einer besonderen vertraglichen Absprache der Arbeitsvertragsparteien, die den Arbeitnehmer begünstigt, weil er früher über Entgelt verfügen kann. Die [X.] der Freibeträge würde reduziert, wenn sie bei [X.] oder Abschlägen auf Arbeitslohn für eine Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt werden dürften.

Ob anderes gelten kann, wenn nicht von einer Vorauszahlung auf Arbeitsentgelt sondern von einem Arbeitgeberdarlehn (gegen eine Berücksichtigung von Erwerbstätigenfreibeträgen in diesem Fall [X.]t. [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.]B II, 5. Aufl 2021, § 11b Rd[X.]6) auszugehen ist, oder wenn Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung der Zahlungsmodalitäten bestehen, kann der [X.]enat offenlassen. Für beides besteht nach den für den [X.]enat bindenden Feststellungen des [X.] kein Anhaltspunkt.

Für eine dem Verhältnis der Zahlungen entsprechende anteilige Aufteilung der Freibeträge auf die Monate der Zahlung und der Abrechnung (in diesem [X.]inne [X.] Halle vom 9.6.2015 - [X.] 7 A[X.] 2305/13 - juris Rd[X.]9 ff; Thüringer [X.] vom 30.1.2019 - L 4 A[X.] 30/16 - juris Rd[X.]4; zustimmend [X.]t. [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.]B II, 5. Aufl 2021, § 11b Rd[X.]6) besteht im Hinblick auf das Monatsprinzip weder ein normativer Ansatzpunkt noch ein aus [X.]inn und Zweck der Regelungen ableitbares Bedürfnis (vgl [X.] Baden-Württemberg vom [X.] - L 2 A[X.] 3148/16 - juris Rd[X.]5 ff; [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 7. Aufl 2021, § 11b Rd[X.]7). Ohnehin wäre die praktische Umsetzung einer solchen Aufteilung mit besonderen [X.]chwierigkeiten verbunden, denen im Rahmen der Massenverwaltung kaum angemessen Rechnung getragen werden könnte.

Es erschließt sich zudem nicht - wovon das [X.] aber ausgeht -, dass bei einer Vorabzahlung der Zahlbetrag auf einen Bruttobetrag "hochgerechnet" werden müsste, weil vom Zahlbetrag keine Abzüge vorgenommen wurden. Im Gesetzeswortlaut ist stets nur allgemein von Einkommen die Rede. Eine Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeinkommen findet sich nicht. § 2 Abs 1 [X.]-V bestimmt zwar, dass bei der Berechnung des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit von den Bruttoeinnahmen auszugehen ist. Die Vorschrift enthält allerdings keine nähere Definition dessen, was darunter zu verstehen ist, und erst recht keinen Hinweis darauf, ob und auf welche Weise eine Hochrechnung auf einen Bruttobetrag vorgenommen werden muss. Deshalb ist in § 2 Abs 1 [X.]-V allein eine der Logik und [X.]ystematik der Anrechnungsbestimmung des § 11b [X.]B II iVm § 11 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B II entsprechende [X.]larstellung zu sehen, dass steuerrechtliche sowie in gleicher Weise (sozial-)versicherungsrechtliche Gesichtspunkte im Ausgangspunkt der Einkommensberücksichtigung keine Bedeutung haben. Die vom [X.] angeführten verwaltungspraktischen Gründe gegen eine Absetzung der Freibeträge von [X.], die - wie hier - weder durch [X.]teuerabzüge noch durch den Abzug von Pflichtbeiträgen zur [X.]ozialversicherung gemindert sind, überzeugen deshalb nicht. Erfolgen solche Abzüge (zunächst) nicht, entsprechen die nach § 2 Abs 1 [X.]-V maßgebenden Bruttoeinnahmen dem konkreten Auszahlungsbetrag. Bei nicht sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten dürfte das sogar die Regel sein. Anders als das [X.] meint, sind im Übrigen bei Vorauszahlungen auf geschuldetes Arbeitsentgelt im Rahmen sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten trotz des heranzuziehenden Entstehungsprinzips nicht sofort Beiträge durch den Arbeitgeber zu erheben, sondern auch dann erst als Teil des [X.] (§ 28e [X.]B IV) in Form des Beitragsabzugs bei der Lohnabrechnung (§ 28g [X.]B IV), die die Vorschüsse berücksichtigt (vgl nur Voelzke in [X.]üttner, Personalbuch 2022, Vorschuss Rd[X.]2 unter Hinweis auf [X.] in [X.]üttner, Personalbuch 2022, Lohnzufluss Rd[X.]9 ff, mwN).

Die Entscheidung des B[X.] vom 17.7.2014 ([X.] A[X.] 25/13 R - B[X.]E 116, 194 = [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.]7) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Für den besonderen Fall, dass einem Leistungsberechtigten mit nur einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats in mehreren Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zufließt, hat das B[X.] angenommen, dass auch das weitere Einkommen um den Grundfreibetrag für jeden dieser Monate gesondert zu bereinigen, er also ggf mehrfach zu berücksichtigen ist. Wesentliches Begründungselement war dabei aber der Umstand, dass andernfalls mangels Zahlungseingangs der Freibetrag in einzelnen Monaten gar nicht hätte abgesetzt werden können (B[X.] vom 17.7.2014 - [X.] A[X.] 25/13 R - B[X.]E 116, 194 = [X.]ozR 4-4200 § 11 [X.]7, Rd[X.]5). [X.]o liegt der Fall aber gerade nicht, wenn Einkommen - wie hier im streitbefangenen Monat - tatsächlich zugeflossen ist. Denn dann besteht die für das B[X.] ausschlaggebende Gefahr, die mit den Freibetragsregelungen intendierte [X.] könne leerlaufen, nicht. Die Entscheidung zielt vielmehr darauf, in untypischen Fällen ([X.] in einem einzigen Monat) Nachteile für den Leistungsempfänger abzuwenden. Dieser Rechtsprechung ist indessen nicht zu entnehmen, dass auch in dem hier vorliegenden Fall eines Einkommenszuflusses im Monat der Erwerbstätigkeit kein Freibetrag anzurechnen sein soll (in diesem [X.]inne auch [X.] Baden-Württemberg vom [X.] - L 2 A[X.] 3148/16 - juris Rd[X.]0).

Besondere [X.]chwierigkeiten bei der Rechtsanwendung sind selbst in Fällen, in denen wie hier regelmäßig monatlich Einkünfte entsprechend der Entgeltabrechnung erzielt und zusätzlich Vorschüsse gezahlt werden, nicht zu erkennen (vgl dazu [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 7. Aufl 2021, § 11b Rd[X.]7). Nach dem Monatsprinzip errechnen sich die Erwerbseinnahmen aus dem Bruttobetrag der Abrechnung unter Abzug der zwar abgerechneten, aber schon im Vormonat ausgezahlten Vorschüsse (die nicht im aktuellen Monat zugeflossen sind) und ggf unter Hinzurechnung von im [X.] gezahlten - aber erst im Folgemonat [X.] - [X.]. Diese Einnahmen sind als Bruttoeinnahmen der Ermittlung des [X.] zugrunde zu legen und sodann um diesen errechneten Freibetrag, den Grundfreibetrag und die (sich aus der Abrechnung ergebenden und in dieser Höhe "abfließenden") Aufwendungen für [X.]teuern, Pflichtbeiträge zur [X.]ozialversicherung und ggf weitere noch absetzbare Aufwendungen zu mindern. Der verbleibende Betrag ergibt das zu berücksichtigende Einkommen. In diesen [X.]onstellationen naturgemäß auftretenden [X.]chwankungen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens ist durch zunächst vorläufige Entscheidungen auf der Grundlage des § 41a [X.]B II Rechnung zu tragen.

Von dem Erwerbseinkommen des [X.] im Monat Februar 2015 iHv 355 [X.] waren danach der Grundfreibetrag von 100 [X.] und ein Erwerbstätigenfreibetrag von 51 [X.] (20 Prozent von 255 [X.]) abzusetzen, sodass sein zu berücksichtigendes Einkommen 204 [X.] betragen hat.

Damit errechnet sich für den Monat Februar 2015 ein Leistungsanspruch der [X.]lägerin zu 1 iHv 471,66 [X.] und des [X.] zu 2 iHv 212,20 [X.]. Unter Berücksichtigung des Umstands einer Bedarfsgemeinschaft mit [X.] beträgt für die [X.]lägerin zu 1 (ebenso wie für [X.]) der Bedarf 574,08 [X.] (360 [X.] Regelbedarf nach [X.]tufe 2 gemäß § 20 Abs 4 [X.]B II; 8,08 [X.] Mehrbedarf für Warmwasser nach § 21 Abs 7 [X.]B II; 206 [X.] Bedarf für [X.]dU). Für den [X.]läger zu 2 beträgt der Bedarf 442,28 [X.] (234 [X.] Regelbedarf nach [X.]tufe 6 und § 8 Abs 1 [X.]atz 1 [X.] [X.]; 2,28 [X.] Mehrbedarf für Warmwasser nach § 21 Abs 7 [X.]B II; 206 [X.] Bedarf für [X.]dU). Auf den Bedarf nur des [X.] zu 2 ist das für ihn gewährte [X.]indergeld iHv 184 [X.] anzurechnen 11 Abs 1 [X.]atz 3, 4 [X.]B II). Entsprechend der sich danach ergebenden Bedarfsanteile in der Bedarfsgemeinschaft (mit [X.]) ist ein Einkommen des [X.] iHv 204 [X.] und ein Einkommen der [X.]lägerin zu 1 iHv 46,92 [X.] (150 [X.] Elterngeld abzüglich eines Freibetrags nach § 10 Abs 5 [X.]atz 2 [X.] in Höhe des [X.] vor der Geburt des [X.] zu 2 von monatlich durchschnittlich 73,08 [X.], der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt, und abzüglich weiterer 30 [X.] nach § 6 Abs 1 [X.] [X.]-V) zu verteilen, was zu einer Einkommensberücksichtigung bei der [X.]lägerin zu 1 (und bei [X.]) iHv 102,42 [X.] und bei dem [X.]läger zu 2 iHv (weiteren) 46,08 [X.] führt.

Weil der [X.]lägerin zu 1 Grundsicherungsleistungen iHv 546,87 [X.] und dem [X.]läger zu 2 iHv 247,35 [X.] bewilligt wurden, ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung, verbunden mit einem entsprechenden Erstattungsanspruch (§ 50 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B X) gegenüber der [X.]lägerin zu 1 iHv 75,21 [X.] und gegenüber dem [X.]läger zu 2 iHv 35,15 [X.], berechtigt. [X.]oweit die jeweilige Aufhebung über diese Beträge hinausgegangen ist und höhere Erstattungsansprüche geltend gemacht wurden, sind die Verwaltungsakte des [X.]n rechtswidrig.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

                Meßling                Burkiczak                [X.]öhngen

Meta

B 4 AS 24/21 R

29.03.2022

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Lübeck, 6. November 2018, Az: S 40 AS 658/16, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB 2, § 11b Abs 2 S 1 SGB 2, § 11b Abs 2 S 2 SGB 2, § 11b Abs 3 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.03.2022, Az. B 4 AS 24/21 R (REWIS RS 2022, 3937)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3937

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10 AZR 84/14

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