Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2017, Az. 10 AZR 589/15

10. Senat | REWIS RS 2017, 11912

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Gegenstand

Mehrarbeitszuschläge - Teilzeitarbeit - Auslegung eines Haustarifvertrags


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27. August 2015 - 5 [X.]/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der [X.] die Zahlung tarifvertraglicher [X.] für von ihr über die vertraglich vereinbarte Teilzeitbeschäftigung hinaus geleistete Arbeitsstunden.

2

Die Klägerin arbeitet bei der [X.], einem Cateringunternehmen, als Verkäuferin. Ihre monatliche Arbeitszeit beträgt 97,6 Stunden. Sie erhält eine Vergütung von 9,49 Euro brutto pro Stunde. Bei der [X.] werden zusätzlich geleistete Arbeitsstunden einschließlich etwaig anfallender [X.] stets am Ende des Folgemonats abgerechnet und ausgezahlt. Ein Arbeitszeitkonto wird für die Arbeitnehmer nicht geführt.

3

Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die zwischen der [X.] und der [X.] [X.] abgeschlossenen Haustarifverträge Anwendung, insbesondere der Manteltarifvertrag vom 15. Juni 2013 ([X.]). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 3 – Arbeitszeit, Pausen und Ruhezeiten

        

1.    

Arbeitszeit (bis 31.12.2014)

                 

Die durchschnittliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt bis zum 31.12.2014 wöchentlich 40 Stunden. Diese sind an 5 Arbeitstagen innerhalb der Woche von Montag (0.00 Uhr) bis Sonntag (24.00 Uhr) abzuleisten. Dabei sind folgende Ober- und Untergrenzen für Vollzeitkräfte zu berücksichtigen:

                 

1.    

Die tägliche Arbeitszeit darf 5 Stunden nicht unter- und 10 Stunden nicht überschreiten.

                 

2.    

Die wöchentliche Arbeitszeit darf 28 Stunden nicht unter- und 48 Stunden nicht überschreiten.

                 

3.    

Die monatliche Arbeitszeit darf 139 Stunden nicht unter- und 200 Stunden nicht überschreiten.

                 

Für Teilzeitkräfte gelten die obigen Arbeitszeitgrenzen entsprechend des Verhältnisses der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur Vollzeitarbeit. Davon abweichende Ober- und Untergrenzen können gelten, sofern der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich sein/ihr Einverständnis erklären.

                 

…       

        

§ 4 – Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

        

1.    

Mehrarbeit

                 

Mehrarbeit ist zu vermeiden.

                 

Die über die regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit, die nicht innerhalb des Quartals mit Freizeit ausgeglichen wurde, ist Mehrarbeit. Diese ist mit dem tariflichen Stundenlohn, zuzüglich 25 % Zuschlag, zu vergüten.

                 

Mehrarbeit kann im [X.] in Freizeit oder in Geld abgegolten werden. Hierüber ist eine einvernehmliche Lösung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin in jedem Einzelfall herzustellen. Freizeit wird im Verhältnis 1:1 gewährt. Die anfallenden Mehrarbeitszuschläge von 25 % werden in Geld bezahlt.“

4

In § 13 [X.] ist eine zweistufige Ausschlussfrist geregelt. Danach müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ua. innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

5

Die Klägerin leistete von April bis September 2014 über ihre vertraglich vereinbarte Teilzeitbeschäftigung von monatlich 97,6 Stunden hinaus folgende weitere Arbeitsstunden:

        

April:

98,41 Stunden

        

Mai:   

64,41 Stunden

        

Juni: 

57,41 Stunden

        

Juli: 

86,41 Stunden

        

August:

63,20 Stunden

        

September:

82,41 Stunden

6

Die Beklagte vergütete diese zusätzlichen Arbeitsstunden mit dem vereinbarten Stundenlohn. Einen [X.] von 25 % zahlte die Beklagte jedenfalls für die Monate Mai, Juni und August 2014 nicht. Ob die Beklagte an die Klägerin für die Monate April und Juli 2014 für 22,5 bzw. 10,5 Stunden [X.] gezahlt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Für den Monat September 2014 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen [X.] für 6,5 Arbeitsstunden.

7

Mit Schreiben vom 29. August 2014, welches der [X.] am 8. September 2014 zugegangen ist, beanspruchte die Klägerin tarifvertragliche [X.] für alle von April bis Juni 2014 über ihre vereinbarte Teilzeitbeschäftigung hinausgehenden Arbeitsstunden. Mit ihrer im November 2014 erhobenen Klage begehrt die Klägerin tarifliche [X.] für die von ihr im Zeitraum April bis September 2014 geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden abzüglich der bereits für September gezahlten Zuschläge für 6,5 Stunden.

8

Die Klägerin hat gemeint, der tarifvertragliche [X.] sei für jede Arbeitsstunde, die sie über ihre individuell vereinbarte Teilzeitbeschäftigung von monatlich 97,6 Stunden hinaus leiste, zu zahlen. Außer für 6,5 Stunden im September 2014 habe die Beklagte keine [X.] an sie gezahlt. Die [X.] für April 2014 seien nicht verfallen, da diese nach der tarifvertraglichen Regelung erst nach Ablauf des Quartals fällig gewesen seien.

9

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.057,55 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, eine Auslegung des [X.] ergebe, dass [X.] nur für die Arbeitsstunden zu zahlen seien, die die tarifvertragliche monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers von 173,5 Stunden überstiegen. Die danach begründeten [X.] für die Monate April, Juli und September 2014 habe die Beklagte an die Klägerin ausgezahlt. Der von der Klägerin für den Monat April 2014 geforderte [X.] sei Ende Mai 2014 zur Zahlung fällig gewesen und mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen und die Beklagte lediglich zur Zahlung von 24,91 Euro brutto zuzüglich Zinsen als Zuschlag für 10,5 Mehrarbeitsstunden im Juli 2014 verurteilt. Hinsichtlich dieses Teils ist das Urteil des [X.]s rechtskräftig. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrten tarifvertraglichen [X.] für Arbeitsstunden, die nur ihre individuell vereinbarte monatliche Arbeitszeit übersteigen. Dies ergibt eine Auslegung von § 4 Nr. 1 [X.] (dazu [X.]). [X.] für Arbeitsstunden der Klägerin im April 2014, die die Arbeitszeit eines [X.]s übersteigen, sind mangels rechtzeitiger Geltendmachung gemäß § 13 Nr. 1 [X.] verfallen (dazu I[X.]).

[X.] Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.

1. Danach ist zunächst vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.] 2. November 2016 - 10 [X.] - Rn. 14 [X.]).

2. Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem [X.] oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen ([X.] 2. November 2016 - 10 [X.] - Rn. 15 [X.]).

3. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sind [X.] nach § 4 Nr. 1 [X.] nur für Arbeitsstunden zu zahlen, die die tarifvertraglich geregelte Arbeitszeit eines [X.]s übersteigen, nicht aber schon für Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Teilzeitbeschäftigung der Klägerin hinausgehen.

a) Der Begriff „Mehrarbeit“ der tarifvertraglichen Regelung hat für sich betrachtet keinen hinreichend konkreten Regelungsgehalt. Soweit man aus dem Wortlaut etwas ableiten kann, spricht dies allerdings eher für ein Verständnis, wonach „Mehrarbeit“ nur die Arbeitsstunden betrifft, die über die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen.

aa) Nach § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist „Mehrarbeit“ die „über die regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit, die nicht innerhalb des Quartals mit Freizeit ausgeglichen wurde“. Diese Definition lässt offen, ob die „regelmäßige“ Arbeitszeit individuell oder betrieblich zu verstehen ist. Zwar kann die Bezeichnung von Arbeitszeit als „regelmäßig“ in einem Tarifvertrag darauf hindeuten, dass es um die dort geregelte Arbeitszeit geht, die [X.] betrifft. Allerdings folgt auch die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten „Regelungen“, wie sie die Vertragsparteien getroffen haben.

bb) Der Begriff der „Mehrarbeit“ wird weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch im juristischen Bereich in klarer Abgrenzung gegenüber dem Begriff der „Überstunden“ verwendet. Ein allgemein gültiges Begriffsverständnis des Inhalts, dass mit „Mehrarbeit“ stets nur Arbeitsstunden bezeichnet werden, die über die im Betrieb übliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden, während sich „Überstunden“ auf das Überschreiten der individuellen Arbeitszeit beziehen, besteht nicht.

(1) Dies zeigen schon § 7 Abs. 6 und 7 TVöD-AT bzw. [X.] Dort wird der Begriff „Mehrarbeit“ gerade umgekehrt auf ein Überschreiten der individuellen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten bezogen und der Begriff „Überstunden“ an der Arbeitszeit von [X.] gemessen. Auch in dem von der [X.] vorformulierten Arbeitsvertrag wird in § 3 Abs. 4 betreffend das Weisungsrecht von Vorgesetzten der Begriff „Mehrarbeit“ offenkundig mit dem Überschreiten der individuellen Arbeitszeit in Verbindung gebracht.

(2) Demgegenüber wird in der Rechtsprechung verschiedentlich Mehrarbeit „nach dem arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch“ bzw. „nach der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Begriffsverwendung“ nicht auf individuelle Vereinbarungen bezogen, sondern als die Arbeit angesehen, die über die gesetzliche Arbeitszeit hinausgeht (vgl. [X.] 21. November 2006 - 9 [X.] - Rn. 21; 3. Dezember 2002 - 9 [X.] - zu [X.] (1) der Gründe, [X.]E 104, 73). Aber selbst im arbeitsrechtlichen Schrifttum werden die Begriffe „Mehrarbeit“ und „Überstunden“ nicht klar voneinander getrennt (vgl. [X.]/[X.] 17. Aufl. § 3 [X.] Rn. 23).

(3) Soweit der Begriff „Mehrarbeit“ in gesetzlichen Regelungen verwendet wird, bezieht er sich allerdings durchweg nicht auf das Überschreiten einer individuell vereinbarten Arbeitszeit, sondern auf die regelmäßige betriebliche oder gesetzlich höchstzulässige Arbeitszeit (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 MuSchG, § 21 Abs. 2 iVm. § 8 [X.] sowie den bis 30. Juni 1994 geltenden § 15 [X.]). Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] auch für den in § 124 SGB IX (vgl. 3. Dezember 2002 - 9 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 104, 73) und in § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG (vgl. [X.] 7. Februar 1985 - 6 [X.] -) verwendeten Begriff „Mehrarbeit“.

b) Der Begriff „regelmäßige Arbeitszeit“ spricht nach Wortlaut und seiner systematischen Verwendung im [X.] bereits deutlich für eine Auslegung, wonach „Mehrarbeit“ nur die Arbeitsstunden betrifft, die über die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen.

Zwar ist in § 3 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 [X.], der die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten regelt, von der „durchschnittlichen Arbeitszeit“ die Rede und nicht - wie in § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 [X.], der zuschlagpflichtige Mehrarbeit betrifft - von der „regelmäßigen Arbeitszeit“. Darin liegt aber kein inhaltlicher Unterschied. Die Begriffe „durchschnittlich“ und „regelmäßig“ werden im [X.] synonym verwendet. Dies zeigt § 3 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.], der von einer „regelmäßigen 40-Stunden-Woche“ spricht. Die dort geregelte Arbeitszeitverkürzung wird für Teilzeitbeschäftigte in § 3 Nr. 3 Abs. 1 Satz 6 [X.] aus einer Gegenüberstellung der „tatsächlich geleisteten, mindestens aber der vereinbarten Arbeitszeit“ eines Teilzeitbeschäftigten mit der „regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit“ gebildet. Dies spricht für das Verständnis, wonach mit „regelmäßiger Arbeitszeit“ - auch im Sinne von § 4 Nr. 1 [X.] - die betriebliche Arbeitszeit (eines Vollzeitbeschäftigten) gemäß § 3 [X.] gemeint ist.

c) Die übrige Systematik der tarifvertraglichen Regelung macht deutlich, dass die „regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit“ iSv. § 4 Nr. 1 [X.] die betriebliche Arbeitszeit eines [X.]s meint und nicht die individuelle Arbeitszeit eines Teilzeitarbeitnehmers.

Der [X.] beinhaltet eine Reihe von Sonderregelungen für Teilzeitbeschäftigte (vgl. § 3 Nr. 1 Abs. 3 [X.] (durchschnittliche Arbeitszeit bis 31. Dezember 2014), § 3 Nr. 2 Abs. 3 [X.] (durchschnittliche Arbeitszeit ab 1. Januar 2015), § 3 Nr. 3 Abs. 1 Satz 6 [X.] (Arbeitszeitverkürzung für Teilzeitbeschäftigte), § 5 Nr. 4 Abs. 2 [X.] (Entgeltfortzahlung), § 5 Nr. 5 Abs. 2 [X.] (regelmäßiges Monatseinkommen), § 8 Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 [X.] (zusätzliches Urlaubsgeld), § 10 Abs. 2 [X.] (Jahressonderzuwendung)). Bezüglich der Zuschlagpflicht von Mehrarbeit gemäß § 4 Nr. 1 [X.] fehlt eine solche Sonderregel für Teilzeitbeschäftigte. Dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien, die die besondere Stellung von [X.] im Übrigen vielfältig bedacht haben, für die Zuschlagpflicht von [X.] keine Veranlassung sahen, eine Stundengrenze abweichend von der für [X.] zu schaffen. Soweit im [X.] besondere Regelungen für Teilzeitarbeitnehmer getroffen sind, wird dort ferner durchweg von der „vereinbarten“ oder der „tatsächlich geleisteten, mindestens aber der vereinbarten“ Arbeitszeit gesprochen. Diese Systematik unterstreicht, dass der Wortlaut von § 4 Nr. 1 [X.] („regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit“) nicht auf die mit Teilzeitbeschäftigten vereinbarte Arbeitszeit bezogen ist.

d) Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung bestätigen dieses Auslegungsergebnis.

aa) Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf [X.] allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Tages- oder Wochenarbeitsvolumen oder das Monatssoll hinaus gearbeitet wurde, bezweckt regelmäßig, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (vgl. [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 26; 27. August 2008 - 5 [X.] - Rn. 12 [X.]). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag selbst Anhaltspunkte dafür enthält, dass andere Regelungszwecke im Vordergrund stehen. Ohne solche Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den Tarifvertragsparteien darum geht, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen ([X.] 5. November 2003 - 5 [X.] - zu III 1 der Gründe; 20. Juni 1995 - 3 [X.] - zu II 2 b der Gründe). Auf die Frage, welcher Zweck typischerweise mit einer Tarifregelung verfolgt wird, kann es jedoch nicht ankommen, wenn bei mehreren denkbaren Zwecken der von den Tarifvertragsparteien gewollte Zweck durch Tarifauslegung ermittelt werden kann. Dann ist allein dieser Zweck maßgebend, weil er Inhalt der durch die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) geschützten kollektiven Regelung geworden ist ([X.] 25. Juli 1996 - 6 [X.] - zu [X.] b der Gründe, [X.]E 83, 327).

bb) Die tarifvertragliche Regelung benennt selbst nicht unmittelbar den Zweck der [X.]. Zwar kann § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] - wonach Mehrarbeit zu vermeiden ist - für das häufig von [X.] verfolgte arbeitsmarktpolitische Ziel der Verteilung der Arbeit auf Arbeitslose und der Sicherung von Arbeitsplätzen sprechen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Regelungszweck die Zuschlagpflicht für alle Arbeitsstunden ist, die die individuell vereinbarte Arbeitszeit übersteigen. Die Bestimmung kann aber auch so verstanden werden, dass Mehrarbeit wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen zu vermeiden ist. Insoweit würde ein systematischer Zusammenhang mit der Regelung von Zuschlägen für Nachtarbeit in § 4 Nr. 2 [X.] bestehen, die eine vom Gesetzgeber als gesundheitlich belastende Tätigkeit betrifft (vgl. § 1 Nr. 1 iVm. § 6 [X.]). Dann wäre Anknüpfungspunkt der Zuschläge das Übersteigen einer bestimmten Arbeitszeitdauer, die für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte nicht unterschiedlich zu beurteilen wäre. Demgegenüber könnten die ebenfalls in § 4 [X.] geregelten Zuschläge für Arbeit an Feiertagen (§ 4 Nr. 3 [X.]) und an Sonntagen (§ 4 Nr. 4 [X.]) für den Schutz des individuellen Freizeitbereichs sprechen, wenngleich sie aber auch den Ausgleich von Erschwernissen für Arbeit zu ungünstigen Zeiten betreffen (vgl. [X.] 17. Juni 2015 - 10 [X.] - Rn. 28).

cc) Die quartalsbezogene Betrachtung und Ausgleichsmöglichkeit in § 4 Nr. 1 [X.] zeigt aber deutlich, dass die tarifvertragliche Regelung nicht den Schutz des individuellen Freizeitbereichs bezweckt. Eingriffe des Arbeitgebers in den individuellen Freizeitbereich des Arbeitnehmers können ggfs. ohne [X.] dadurch kompensiert werden, dass der Arbeitnehmer in anderen Zeiträumen Freizeit erhält, ohne darüber selbst - etwa im Rahmen eines Arbeitszeitkontos - bestimmen zu können. Damit verbleibt es bei dem regelmäßigen Zweck eines Mehrarbeitszuschlags, durch das zusätzliche Entgelt eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Dieser Zweck verlangt einen finanziellen Ausgleich erst dann, wenn die Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter überschritten wird.

dd) Soweit die Klägerin meint, mit dem Zuschlag könne kein Ausgleich für die besondere mit der Mehrarbeit verbundene Arbeitsbelastung bezweckt werden, da in § 4 Nr. 1 [X.] an das Quartal und nicht die arbeitstägliche Arbeitszeit oder die Wochenarbeitszeit angeknüpft werde, trifft dies nicht zu. Das [X.] hat auch bei einem Ausgleichszeitraum von einem Monat als Ausgleichszweck eines Mehrarbeitszuschlags die erhöhten Arbeitsbelastungen durch die Mehrarbeit angesehen (vgl. [X.] 11. Juni 2008 - 5 [X.] - Rn. 12; 5. November 2003 - 5 [X.] - zu III 2 e der Gründe). Auch mit § 4 Nr. 1 [X.] soll eine Dauerbelastung im Zeitraum eines Quartals ausgeglichen werden. Belastungen innerhalb des Quartals, die über die flexible Arbeitszeitgestaltung ausgeglichen werden, sollen demgegenüber nicht zuschlagpflichtig sein. Diese Annahme liegt in der [X.] und dem Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung gefunden haben, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle. Das Abstellen auf längere Ausgleichszeiträume ist im Übrigen auch dem [X.] nicht fremd (vgl. bspw. § 3 Satz 2 [X.]).

e) Angesichts des nach Systematik und Zweck der tarifvertraglichen Regelung klaren Auslegungsergebnisses kommt es auf die Entstehungsgeschichte, die dieses bestätigen würde, nicht weiter an. Das [X.] hat in diesem Zusammenhang festgestellt, die tarifvertragsschließende [X.] habe bei den letzten Tarifvertragsverhandlungen im Dezember 2011 ohne Erfolg gefordert, dass künftig durch eine neue Formulierung [X.] bei [X.] schon ab Überschreiten der individuell vereinbarten Arbeitszeit gezahlt werden sollen.

4. Das vorstehende Auslegungsergebnis verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG (vgl. [X.] 5. November 2003 - 5 [X.] -; [X.] 15. Dezember 1994 - [X.]/92 -). Eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten ist nicht gegeben. Für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden wird für Teilzeit- und [X.] die gleiche Gesamtvergütung geschuldet.

I[X.] Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung weiterer [X.] für Arbeitsstunden zu, die im streitgegenständlichen Zeitraum die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten übersteigen.

1. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum nur in den Monaten April, Juli und September 2014 die tarifvertragliche Arbeitszeit eines [X.]s überschritten, nicht aber in den Monaten Mai, Juni und August 2014. Den insoweit für 6,5 [X.] im September 2014 geschuldeten und nicht Gegenstand der Klage gewesenen Zuschlag hat die Beklagte an die Klägerin gezahlt. Zur Zahlung eines Zuschlags für 10,5 [X.] im Juli 2014 ist die Beklagte vom [X.] rechtskräftig verurteilt worden.

2. Betreffend 22,5 [X.] im April 2014 ist die Klage auf Zahlung eines Zuschlags unbegründet. Der diesbezügliche Anspruch der Klägerin ist mangels rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung gemäß § 13 Nr. 1 [X.] verfallen.

a) Nach § 13 Nr. 1 [X.] müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, anderenfalls sind sie ausgeschlossen.

b) [X.] der Klägerin vom 29. August 2014, welches auch [X.] für April 2014 betraf, ist erst am 8. September 2014 bei der [X.] eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die dreimonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs bereits abgelaufen, da der Anspruch bereits Ende Mai 2014 zur Zahlung fällig war.

aa) Allerdings sieht die Regelung in § 4 Nr. 1 [X.] eine quartalsmäßige Betrachtung und Bezahlung von Mehrarbeit vor. In diesem Fall wäre die schriftliche Geltendmachung rechtzeitig gewesen.

bb) Vorliegend haben sich die Parteien aber auf eine von § 4 Nr. 1 [X.] abweichende Fälligkeit geeinigt. [X.] und deren Zuschläge werden nach den Feststellungen des [X.]s von der [X.] stets am Ende des Folgemonats abgerechnet und ausgezahlt. Der entsprechenden Handhabung der [X.] hat die Klägerin konkludent zugestimmt, wie ihre eigene auf die einzelnen Monate bezogene Berechnung zeigt. Da der [X.] nach den Feststellungen des [X.]s nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme gilt, konnten die Parteien durch konkludente Vereinbarung von einer quartalsmäßigen Betrachtung und Bezahlung absehen. Die einfache Schriftformklausel in § 9 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags steht dem nicht entgegen (vgl. [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.]E 139, 156).

cc) Selbst bei unterstellter beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien und normativer Geltung des [X.] würde sich nichts anderes ergeben. Die monatliche Betrachtung der Mehrarbeit und die Fälligkeit der Zuschläge am Ende des Folgemonats stellen im Rahmen des gebotenen Sachgruppenvergleichs (vgl. [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 27 ff. [X.], [X.]E 151, 221) eine Regelung zugunsten der Klägerin iSv. § 4 Abs. 3 [X.] dar. [X.] eines Monats können - anders als von § 4 Nr. 1 Abs. 1 [X.] vorgesehen - nicht mit Freizeit in einem anderen Monat des Quartals unter Fortfall der Zuschläge ausgeglichen werden. Die Klägerin hätte bei einer quartalsmäßigen Betrachtung bspw. im zweiten Quartal 2014 keinerlei [X.] zu beanspruchen, da die von ihr geleisteten 513,03 Arbeitsstunden die Mehrarbeitsgrenze von 520,5 Stunden (3 x 173,5 Stunden) nicht überschritten haben. Ferner führt die monatliche Betrachtungsweise zu einer durchweg früheren Fälligkeit der Ansprüche, was ebenfalls für die Klägerin günstiger ist. Die Ausschlussfrist des § 13 Nr. 1 [X.] knüpft allein an die Fälligkeit des Anspruchs an, so dass eine frühere Fälligkeit nur zu einer Verschiebung, nicht aber zu einer Verkürzung der Ausschlussfrist führt. Dabei kann die Klägerin bei der monatlichen Betrachtungsweise in dem Maße, wie die Fälligkeit früher eintritt, auch früher feststellen, ob ihr ein Anspruch auf [X.] zusteht.

II[X.] [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    Schlünder    

        

        

        

    [X.]    

        

    Rudolph    

                 

Meta

10 AZR 589/15

26.04.2017

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 11. Februar 2015, Az: 3 Ca 1989 a/14, Urteil

§ 1 TVG, § 4 Abs 1 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2017, Az. 10 AZR 589/15 (REWIS RS 2017, 11912)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3321 REWIS RS 2017, 11912

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