Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 40/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1617

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 40/09
vom

9. November 2011

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die [X.] Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und Dr. Brockmöller

am 9. November 2011

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
Januar 2009 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert:
bis 800.000

Gründe:

[X.] Die Klägerin begehrt von der [X.] als führendem Versiche-rer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unternehmen der [X.] (im Folgenden: [X.]) mit mehreren Versiche-rungsunternehmen abgeschlossenen "[X.]". Deren [X.] (im Folgenden: [X.]) lauten -
nach der
zuletzt ausgestellten Police Nr.
7509
-
auszugsweise wie folgt:
1
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3
-

"13.
OBLIEGENHEITEN

13.4
Verstöße gegen Obliegenheiten, sonstige Rechts-pflichten und Sicherheitsauflagen durch die Versiche-rungsnehmerin beeinträchtigen den Versicherungs-schutz nicht. Diese Vereinbarung gilt ausschließlich zugunsten der jeweiligen Auftraggeber.

15.
SCHLUSSBESTIMMUNGEN

15.3
Mitversicherung

Alle der Führenden gegenüber und von dieser abge-gebenen Meldungen, Anzeigen und Erklärungen sowie mit der Versicherungsnehmerin getroffene [X.] verbindlich.

Die Klägerin ist Versicherte dieses Vertrages. Sie behauptet [X.], die aus Bargeldentsorgungen vom 17. und 18.
Februar 2006, ferner aufgrund ausgebliebener Zählung oder Gutschrift des Inhalts einzelner Safebags sowie infolge nicht erfüllter Hartgeldanforderungen entstanden sein sollen. Hiermit war die [X.] auf Grundlage ei-nes am 19.
April 2005 mit der Klägerin geschlossenen Dienstleistungs-vertrages beauftragt.

Die Versicherer der Police Nr.
7509 übersandten eine "[X.]" über den Abschluss einer Versicherung für die [X.] an Versicherte. Darin angegeben wurden unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung.
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Im Februar
2006 kam es zum Zusammenbruch der [X.]. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin, wurde den [X.] zur Bearbeitung überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig) zurückerstattet. Nachdem im April
2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsver-trag im Januar
2007 wegen arglistiger Täuschung an.

Die [X.]en streiten insbesondere darüber, ob diese Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die [X.] im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das [X.] hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Be-rufung
der [X.] hat das [X.] die zuletzt auf Zahlung von 775.310,00

Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von 19.076,90

a-ge abgewiesen, da der Versicherungsvertrag wirksam angefochten sei, und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

I[X.] Das Rechtsmittel führt zur Zulassung der Revision unter gleich-zeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß §
544 Abs.
7 ZPO. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
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Abs.
1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es deren Antrag auf Vernehmung zweier Zeugen übergangen hat.

1. Die Anfechtung einer Willenserklärung nach §
123 Abs.
1 [X.] setzt voraus, dass der Erklärende zu ihrer Abgabe durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn diese [X.] einen Irrtum des Erklärenden hervorgerufen und dadurch dessen Entschluss zur Willenserklärung beeinflusst hat (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Februar 2005

X
ZR 123/03, MMR
2005, 447 unter
1
a). Einen [X.] vom Erklärenden, hier der [X.], [X.] und [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 1987

V
ZR 152/86, NJW-RR
1987, 1415 unter
II
3) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft festgestellt.

a) Es geht davon aus, bei der [X.] hätten spätestens seit Mitte der 1990er
Jahre erhebliche finanzielle Schwierigkeiten [X.]. Unter anderem um Liquiditätsengpässe auszugleichen, seien laufend die im Zuge von Transportaufträgen entgegengenommenen Gel-der nicht sogleich dem jeweiligen Auftraggeber wieder zugeleitet, son-dern zu Teilen zur Befriedigung anderweitig offen stehender Forderun-gen verwendet worden. Der Ausgleich für die dadurch zunächst geschä-digten Auftraggeber sei zeitverzögert durch einen entsprechenden Zugriff auf spätere Geldtransporte erfolgt. Daraus habe sich eine vielfach als "Schneeballsystem" bezeichnete
Dynamik wachsender Finanzierungslü-cken entwickelt. Von all dem habe die Beklagte bei Abschluss der Police Nr.
7509 jedoch noch keine konkrete Kenntnis gehabt (vgl. Senatsbe-schluss vom 21.
September 2011,"HEROS
II"

IV
ZR 38/09, zur [X.] vorgesehen, Rn. 9-11).

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b) Damit hat das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt.

Es durfte einen Irrtum der [X.] nicht feststellen, ohne zuvor den von der Klägerin beantragten Beweis über die dieser Feststellung entgegenstehende Behauptung zu erheben, der [X.]-Mitarbeiter S.

, der zahlreiche Zuwendungen von Verantwortlichen der [X.] erhalten habe, sei über sämtliche Vorgänge bei [X.] gewesen und habe insbesondere gewusst, dass der Lebensstil des mit ihm befreundeten [X.] W.

aus [X.] und Veruntreuungen finanziert worden sei.

aa) Von der Vernehmung der dafür benannten Zeugen S.

und W.

durfte das Berufungsgericht nicht deshalb absehen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet gewesen wären, dass ihre Erheblichkeit nicht hätte beurteilt werden können. Das Vorbrin-gen der Klägerin war vielmehr hinreichend substantiiert, zumal sie selbst keine unmittelbare Kenntnis von internen Vorgängen bei der [X.] hat, was ihr die Darlegung und Beweisführung erschwert. In einem [X.] Fall darf eine [X.] auch Tatsachen, deren Vorliegen sie lediglich vermutet, als feststehend behaupten und unter Beweis stellen, wenn

wie hier
-
für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhalts-punkte bestehen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmiss-brauch der vortragenden [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 5.
April 2001
[X.], NJW
2001, 2327 unter
III
1
a und vom 11.
Juli 1996
IX
ZR 226/94, NJW
1996, 3147 unter
II
5
d). Dafür ist hier angesichts zahlrei-cher

weitgehend unstreitiger und vom Berufungsgericht unterstellter

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-

Anhaltspunkte, die für eine besondere Nähe zwischen den Zeugen S.

und W.

sprechen, nichts ersichtlich.

bb) Die Beweiserhebung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die benannten Zeugen S.

und W.

ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel oder ihre Vernehmungen unzulässig gewesen wären. Ihre auf § 384 Nr.
2 ZPO gestützte, umfassende Aussageverweigerung in ei-nem anderen Rechtsstreit aus dem [X.] (vgl. dazu das [X.] des [X.] vom 14.
Juni 2010

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U 21/09, juris, betref-fend den Zeugen W.

) führt nicht dazu, die beiden Zeugen im [X.] Rechtsstreit als völlig ungeeignete oder unerreichbare Beweis-mittel i.S. des §
244 Abs.
2 Satz
2 StPO anzusehen oder die beantragte Beweiserhebung für unzulässig zu erachten (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 15-18).

2. Der dargelegte Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich, denn die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Wirksamkeit der von der [X.] erklärten [X.] greifen nicht durch.

a) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Police Nr.
7509 handele es sich um den Abschluss eines neuen, zum [X.] in [X.] getretenen Versicherungsvertrages und nicht ledig-lich um eine Änderung der zuvor bestehenden Police Nr. 7265, ist revisi-onsrechtlich nichts zu erinnern.

aa) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten [X.] zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue [X.] zu stellen und sich nicht damit zu begnügen, einzelne Regelungen 13
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des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Für einen neuen Vertrag spricht die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, z.B. des versicher-ten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertrags-parteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. Senatsurteil vom 19.
Oktober 1988

IVa
ZR 111/87, r+s
1989, 22, 23; [X.] VersR
2007, 1681, 1682; [X.] VersR
2002, 1225; [X.], [X.] §
38 Rn.
9; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
37 Rn.
5; [X.] in [X.]/Langheid, [X.] 2.
Aufl. §
38 Rn.
6).

bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe und Heranziehung der den Einzelfall prägenden Umstände ist das Berufungsgericht ohne durchgrei-fenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, die Police Nr.
7509 sei als neuer, zum 1.
Dezember 2001 in [X.] getretener Vertrag anzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 20
ff.). Ent-scheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klä-gerin hat es -
entgegen der Auffassung der Beschwerde
-
nicht übergan-gen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Beweiswürdigung des Be-rufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen [X.] zahlreicher Umstände, die sich insbesondere auch nicht als willkürlich i.S. von Art.
3 Abs.
1 GG erweist, schließt der Senat weiter aus, dass einzelne von der Revision herausgegriffene Aspekte das [X.] zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten, mögen sie auch
für sich betrachtet

auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang darüber hinaus, es sei angebotener Zeugenbeweis übergangen worden. 17
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Von einer näheren Begründung sieht der
Senat insoweit nach § 564 Satz
1 ZPO ab.

b) Der [X.] ist es in Ansehung einer von der Versicherungs-nehmerin begangenen Täuschung auch nicht aufgrund Ziffer
13.4 [X.] verwehrt, sich gegenüber der Klägerin auf eine Anfechtung des Versiche-rungsvertrages zu berufen.

aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (aaO Rn. 26-30) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertrags-schluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 [X.] ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen der [X.] als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer
13.4 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entneh-men ist.

bb) Auch aus den [X.], die die Beklagte den Versicherten übersandt hat, erwachsen Letzteren in Bezug auf die [X.] keine weitergehenden Rechte. Das Berufungsgericht hat diese Bestätigungen zu Recht als lediglich deklaratorische Informati-onsschreiben angesehen, die dazu dienten, die Versicherten über den Abschluss einer Versicherung zwischen der [X.] und der [X.] zu unterrichten und den Inhalt dieses [X.]. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten folgt daraus nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 33).
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cc) Die Frage, ob die Klägerin den Anfechtungsgrund kannte, ist für die Wirksamkeit der Anfechtung ohne Bedeutung, weil §
123 Abs.
2 [X.] hier nicht anzuwenden ist. Sowohl §
123 Abs.
2 Satz
1 als auch Abs.
2 Satz
2 [X.] setzen voraus, dass die Täuschung von einem Dritten ausgeht, und können mithin nicht eingreifen, wenn allein eine Täuschung durch den [X.]

hier die [X.] als Versiche-rungsnehmerin

in Rede steht (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Dezember 1959 -
VIII
ZR 134/58, [X.]Z
31, 321, 327
f.).

c) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, die [X.] habe der [X.] bei Abschluss der Police Nr.
7509 ihr bis da-hin praktiziertes Geschäftsverhalten offenbaren müssen (vgl. dazu Se-natsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 38).

Die tatsächlichen Grundlagen (vgl. zum Schneeballsystem un-ter
II
1
a), aus denen dies hergeleitet wird, hat das Berufungsgericht un-ter Bezugnahme auf die strafrechtliche Verurteilung der Geschäftsführer von Unternehmen der [X.] durch das [X.] Hildesheim und in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Revisionsentschei-dung des 3.
Strafsenats des [X.] (Beschluss vom 1.
April 2008 -
3
StR 493/07, wistra
2008, 427) in rechtlich nicht zu [X.] Weise festgestellt und dabei die für seine Überzeugungs-bildung wesentlichen Gesichtspunkte nachvollziehbar darlegt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16.
März 2005 -
IV
ZR 140/04, NJW-RR
2005, 1024 unter
1 und
2; [X.], Urteil vom 22.
Januar 1991 -
VI
ZR 97/90, NJW
1991, 1894 unter
II
1). Die dagegen gerichteten Angriffe der Be-schwerde sind nicht erfolgreich, insbesondere bedarf es keiner differen-22
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-

zierten Betrachtung für jede einzelne Gesellschaft der [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 37).

d) Die Anfechtungserklärung der [X.] vom 8.
Januar 2007 leidet an keinem ihre Wirksamkeit ausschließenden Mangel.

Sie ist an den Insolvenzverwalter der [X.] gerichtet, auf die Police Nr.
7509 bezogen, wurde ausdrücklich im Namen aller [X.] abgegeben und war geeignet, nicht nur den mit der [X.] im Rahmen einer offenen Mitversicherung geschlossenen Vertrag, sondern

aufgrund der in Ziffer
15.3 [X.] vereinbarten Anschlussklausel

den Versicherungsvertrag als Ganzes zu erfassen. Einer zusätzlichen Anfechtungserklärung gegenüber den Versicherten bedurfte es nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 41 -
44).

e) Ob die Anfechtungsfrist des §
124 Abs.
1 [X.] eingehalten [X.], kann abschließend erst entschieden werden, wenn geklärt ist, in wel-chem Umfang und ab welchem Zeitpunkt die Beklagte oder ein ihr mög-licherweise gleichstehender [X.] Kenntnis von den Tatsa-chen hatte, über die sie nach ihrer Behauptung getäuscht worden ist.

Die Jahresfrist des §
124 Abs.
1 [X.] beginnt mit der Entdeckung der Täuschung durch den [X.] zu laufen, also mit der Entdeckung des Irrtums und des Umstandes, dass dieser durch eine Täuschung veranlasst worden ist. Nicht ausreichend ist ein bloßes [X.]; auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht (vgl. [X.]/[X.], 5.
Aufl. §
124 Rn.
2; [X.]/
Singer/von Finckenstein, [X.] [2004] §
124 Rn.
4).

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Das hat das Berufungsgericht seinen Überlegungen zutreffend zu-grunde gelegt. Seine weiteren, im Übrigen rechtsfehlerfreien Ausführun-gen zur Wahrung der Anfechtungsfrist gehen allerdings von der [X.] getroffenen Feststellung aus, die Beklagte habe sich bei Abgabe ih-rer Vertragserklärung in einem Irrtum über die Geschäftspraktiken der [X.] befunden. Da dieser Punkt weiterer Aufklärung bedarf, kann noch nicht abschließend entschieden
werden, ob und [X.] wann die Anfechtungsfrist zu laufen begann.

II[X.] Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

Greift die Anfechtung bezüglich der Police Nr.
7509 nach §
123 Abs.
1 [X.] durch, wird neu zu prüfen sein, ob sie auch die einvernehm-liche Aufhebung der [X.] Nr.
7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt.

Soweit das Berufungsgericht dies bisher verneint hat, begegnet die Begründung des Berufungsurteils rechtlichen Bedenken.

1. Ist der Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, wird davon gemäß §
139 [X.] das gesamte Rechtsgeschäft erfasst, es sei denn die Fallum-stände rechtfertigen die Annahme, der nicht unmittelbar von der Nichtig-keit betroffene Teil des Rechtsgeschäftes wäre auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden. §
139 [X.] erfordert damit zunächst eine Klärung der Frage, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, welches lediglich teilweise der Anfechtung unterliegt, oder ob zwei selbständige Rechtsgeschäfte abgeschlossen worden sind, auf die §
139 [X.] keine Anwendung findet.
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2. Ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 [X.] ist nur an-zunehmen, wenn der Wille der [X.]en dahin geht, dass die möglicher-weise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und [X.] sollten, mithin das eine nicht ohne das andere von den [X.]en ge-wollt war (vgl. dazu [X.], Urteil vom 24.
Oktober 2006

XI
ZR 216/05, NJW-RR
2007, 395 Rn.
17 m.w.N.; [X.] aaO 1682
f.).

Dies hat das Berufungsgericht nicht
hinreichend beachtet (vgl. Se-natsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO Rn. 55
ff.). Es hat ferner nicht geprüft, ob die Aufhebung des bestehenden Versicherungsvertra-ges (Police Nr.
7265) bei den Verhandlungen über die Police Nr. 7509 zumindest von der Versicherungsnehmerin nicht ohne den gleichzeitigen Neuabschluss gewollt war und ob dies für die Annahme eines einheitli-chen Rechtsgeschäfts deshalb ausreichte, weil die Beklagte bei Ab

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schluss der Police Nr. 7509 erkannt und akzeptiert hat, dass beide Rechtsgeschäfte jedenfalls für die Versicherungsnehmerin miteinander stehen und fallen sollten (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn. 58, 59).

Dr. Kessal-Wulf [X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.04.2008 -
13 [X.]/07 -

[X.], Entscheidung vom 29.01.2009 -
8 U 94/08 -

Meta

IV ZR 40/09

09.11.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 40/09 (REWIS RS 2011, 1617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1617

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