Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2011, Az. IV ZR 33/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 718

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 33/09
vom

7.
Dezember 2011

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und
Dr. Brockmöller

am 7.
Dezember 2011

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
Januar 2009 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert:
bis 185.000

Gründe:

[X.] Die Klägerin, eine zentrale Einkaufs-
und Vertriebsgesellschaft von neun Vertriebsgesellschaften mit zahlreichen in [X.] und [X.] gelegenen Filialen, begehrt von der [X.] als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unterneh-men der [X.] (im Folgenden: [X.]) mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "[X.]", de-ren Versicherungsbedingungen (im Folgenden: [X.]) im Senatsurteil vom 1
-
3
-

25.
Mai 2011 (Geldtransporte [X.]
I
IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918) und im Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 (Geldtransporte [X.]

IV
ZR 38/09, juris) auszugsweise wiedergegeben sind.

Die Klägerin ist Versicherte dieses Vertrages. Sie behauptet [X.] aus [X.] vom 17.
Februar 2006
(316.430

,
ferner
aufgrund vor Erreichen der Cash-Center der [X.] abhanden-gekommener Safebags
(16.955

infolge nicht erfüllter Hartgeld-anforderungen (1.005

Mit dem Geldtransport, der Geldbearbeitung und Hartgeldversorgung für die Klägerin war die [X.] Transport GmbH auf Grundlage eines am 30.
September 2005 mit dieser
geschlos-senen Rahmenvertrages beauftragt. Im Leistungsverzeichnis dieses [X.] ist zur
Geldbearbeitung unter anderem vereinbart:

"Überweisung an: Wird gesondert mitgeteilt
Die bearbeiteten Gelder werden am folgenden Bankwerk-tag valutengleich nach der Abholung zugunsten des Kundenkontos bei der jeweiligen ortsnahen [X.] eingezahlt."

Die Versicherer der Police Nr.
7509 übersandten eine "[X.]" über den Abschluss einer Versicherung für
die [X.] an Versicherte. Darin angegeben wurden unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung.

Im Februar
2006 kam es zum Zusammenbruch der [X.]-Grup-pe. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin, wurde den [X.]-Gesellschaften überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig)
auf ihren Konten gutgeschrieben oder sonst zurücker-2
3
4
-
4
-

stattet. Nachdem im April
2006 das Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der [X.] eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsvertrag im Januar
2007 wegen arglistiger Täuschung an.

Die [X.]en streiten insbesondere darüber, ob diese Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die [X.] Transport GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichte-te Berufung der Klägerin, die

unter Berücksichtigung von [X.] Beträgen

zuletzt Zahlung von 172.714,66

, einen Zinsschaden von 41.302,48

sowie Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von
35.650,97

begehrt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen
und die Revision nicht zuge-lassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

I[X.] Das Rechtsmittel führt zur Zulassung der Revision unter gleich-zeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß §
544 Abs.
7 ZPO. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es deren Antrag auf Vernehmung zweier
Zeugen
übergangen hat.

1. Die Anfechtung einer Willenserklärung nach §
123 Abs.
1 BGB setzt voraus, dass der Erklärende zu ihrer Abgabe durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn diese Täu-5
6
7
8
-
5
-

schung einen Irrtum des Erklärenden hervorgerufen und dadurch dessen Entschluss zur Willenserklärung beeinflusst hat (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Februar 2005

X
ZR 123/03, MMR
2005, 447 unter
1
a). Einen [X.] vom Erklärenden, hier der [X.], [X.] und [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 1987

[X.], NJW-RR
1987, 1415 unter
II
3) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft festgestellt.

a) Es geht davon aus, bei der [X.] hätten spätestens seit Mitte der 1990er
Jahre erhebliche finanzielle Schwierigkeiten [X.]. Unter anderem um Liquiditätsengpässe auszugleichen, seien laufend die im Zuge von Transportaufträgen entgegengenommenen Gel-der nicht sogleich den Konten der jeweiligen Auftraggeber gutgebracht, sondern zu Teilen zur Befriedigung anderweitig offen stehender Forde-rungen verwendet worden. Der Ausgleich für die dadurch zunächst [X.] Auftraggeber sei zeitverzögert durch einen entsprechenden Zugriff auf spätere Geldtransporte erfolgt. Daraus habe sich eine vielfach als "Schneeballsystem" bezeichnete Dynamik wachsender Finanzie-rungslücken entwickelt. Von all dem habe die Beklagte bei Abschluss der Police Nr.
7509 jedoch noch keine konkrete Kenntnis gehabt (vgl. Se-natsbeschluss vom 21.
September 2011, [X.]
II
IV
ZR 38/09 juris Rn.
911).

b) Damit hat das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt.

Es durfte einen Irrtum der [X.] nicht feststellen, ohne zuvor den von der Klägerin beantragten Beweis über die dieser Feststellung entgegenstehende Behauptung zu erheben, der [X.]-Mitarbeiter 9
10
11
-
6
-

S.

, der zahlreiche Zuwendungen von Verantwortlichen der [X.] erhalten habe, sei über sämtliche Vorgänge bei [X.] unter-richtet gewesen und habe insbesondere gewusst, dass der Lebensstil des mit ihm befreundeten [X.]-Geschäftsführers W.

aus [X.] und Veruntreuungen finanziert worden sei.

aa) Von der Vernehmung der dafür benannten Zeugen S.

und W.

durfte das Berufungsgericht nicht deshalb absehen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet gewesen wären, dass ihre Erheblichkeit nicht hätte beurteilt werden können. Das Vorbrin-gen der Klägerin war vielmehr hinreichend substantiiert, zumal sie selbst keine unmittelbare Kenntnis von internen Vorgängen bei der [X.] hat, was ihr die Darlegung und Beweisführung erschwert. In einem [X.] Fall darf eine [X.] auch Tatsachen, deren Vorliegen sie lediglich vermutet, als feststehend behaupten und unter Beweis stellen, wenn

wie hier
-
für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhalts-punkte bestehen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmiss-brauch der vortragenden [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 5.
April 2001
[X.], NJW
2001, 2327 unter
III
1
a und vom 11.
Juli 1996
IX
ZR 226/94, NJW
1996, 3147 unter
II
5
d). Dafür ist hier angesichts zahlrei-cher

weitgehend unstreitiger und vom Berufungsgericht unterstellter

Anhaltspunkte, die für eine besondere Nähe zwischen den Zeugen S.

und W.

sprechen, nichts ersichtlich.

bb) Die Beweiserhebung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die benannten Zeugen S.

und W.

ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel oder ihre Vernehmungen unzulässig gewesen wären. Ihre auf §
384 Nr.
2 ZPO gestützte, umfassende Aussageverweigerung in ei-12
13
-
7
-

nem anderen Rechtsstreit aus dem [X.]-Komplex (vgl. dazu das [X.] des [X.] vom 14.
Juni 2010

8
U 21/09, juris, betref-fend den Zeugen W.

) führt nicht dazu, die beiden Zeugen im [X.] Rechtsstreit als völlig ungeeignete oder unerreichbare Beweis-mittel i.S. des §
244 Abs.
2 Satz
2 StPO anzusehen oder die beantragte Beweiserhebung für unzulässig zu erachten (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
15
18).

2. Der dargelegte Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich, denn die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Wirksamkeit der von der [X.] erklärten [X.] greifen nicht durch.

a) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Police Nr.
7509 handle es sich um den Abschluss eines neuen, zum [X.] 2001 in [X.] getretenen Versicherungsvertrages und nicht lediglich um eine Änderung der zuvor bestehenden Police Nr. 7265, ist [X.] nichts zu erinnern.

aa) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten [X.] zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige
neue Grundla-ge zu stellen und sich nicht damit zu begnügen, einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Für einen neuen Vertrag spricht die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, z.B. des versicher-ten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertrags-parteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. Senatsurteil vom 19.
Oktober 1988

IVa
ZR 111/87, r+s
1989, 22, 23; [X.] VersR
2007, 1681, 1682; [X.] VersR
2002, 1225; [X.], [X.] 14
15
16
-
8
-

§
38 Rn.
9; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
37 Rn.
5; [X.] in [X.]/Langheid, [X.] 2.
Aufl. §
38 Rn.
6).

bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe und Heranziehung der den Einzelfall prägenden Umstände ist das Berufungsgericht ohne durchgrei-fenden Rechtsfehler zu dem
Ergebnis gelangt, die Police Nr.
7509 sei als neuer, zum 1.
Dezember 2001 in [X.] getretener Vertrag anzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn.
20
ff.). Ent-scheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klä-gerin hat es -
entgegen der Auffassung der Beschwerde
-
nicht übergan-gen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Beweiswürdigung des Be-rufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen [X.] zahlreicher Umstände, die sich insbesondere auch nicht als willkürlich i.S. von Art.
3 Abs.
1 GG erweist, schließt der Senat weiter aus, dass einzelne von der Revision herausgegriffene Aspekte das [X.] zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten, mögen sie auch
für sich betrachtet

auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten.

(1) Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht übersehen hat, dass [X.] von und zu einer Bank in [X.] bereits seit
1996 auf der Grundlage einer Zusatzvereinbarung von der Police Nr.
7265 umfasst waren, weshalb seine Annahme, die in Ziffer
4.1.11 der Police Nr.
7509 getroffene "Sondervereinbarung [X.]" enthalte ei-ne Neuregelung, nicht zutrifft. Der Senat schließt aus, dass das Beru-17
18
19
-
9
-

fungsgericht, hätte es dies erkannt, zu einer anderen Bewertung der Po-lice Nr.
7509 gelangt wäre.

(2) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang, es sei angebotener Zeugenbeweis übergangen worden. Von einer nähe-ren Begründung sieht der Senat insoweit nach §
564 Satz
1 ZPO ab.

b) Der [X.] ist es in Ansehung einer von der Versicherungs-nehmerin begangenen Täuschung auch nicht aufgrund Ziffer
13.4 [X.] verwehrt, sich gegenüber der Klägerin auf eine Anfechtung des Versiche-rungsvertrages zu berufen.

aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (aaO Rn.
2630) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertrags-schluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 BGB ist. Das
gilt auch für das Verhältnis zwischen der [X.] als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer
13.4 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entneh-men ist.

bb) Auch aus den [X.], die die Beklagte den Versicherten übersandt hat, erwachsen Letzteren in Bezug auf die [X.] keine weitergehenden Rechte. Das Berufungsgericht hat diese Bestätigungen zu Recht als lediglich deklaratorische Informati-onsschreiben angesehen, die dazu dienten, die Versicherten über den Abschluss einer Versicherung zwischen der [X.] und der [X.]-20
21
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-
10
-

Gruppe zu unterrichten und den Inhalt dieses [X.]. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten folgt daraus nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
30).

cc) Die Frage, ob die Klägerin den Anfechtungsgrund kannte, ist für die Wirksamkeit der Anfechtung ohne Bedeutung, weil §
123 Abs.
2 BGB hier nicht anzuwenden ist. Sowohl §
123 Abs.
2 Satz
1 als auch Abs.
2 Satz
2 BGB setzen voraus, dass die Täuschung von einem Dritten ausgeht, und können mithin nicht eingreifen, wenn allein eine Täuschung durch den [X.]

hier die [X.] als Versiche-rungsnehmerin

in Rede steht (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Dezember 1959

VIII ZR 134/58, [X.]Z
31, 321, 327
f.).

c) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, die [X.] habe der [X.] bei Abschluss der Police
Nr.
7509 ihr bis da-hin praktiziertes Geschäftsverhalten (vgl. zum Schneeballsystem unter II
1
a) offenbaren müssen.

aa) Die tatsächlichen Grundlagen, aus denen dies hergeleitet wird, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die strafrechtliche Ver-urteilung der Geschäftsführer von Unternehmen der [X.] durch das [X.] Hildesheim und in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Revisionsentscheidung des 3.
Strafsenats des [X.] (Beschluss vom 1.
April 2008

3
StR 493/07, wistra
2008, 427) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt und dabei die für seine Überzeugungsbildung wesentlichen Gesichtspunkte nach-vollziehbar darlegt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16.
März 2005

IV ZR 140/04, NJW-RR
2005, 1024 unter
1 und
2; [X.], Urteil vom 22.
Ja-24
25
26
-
11
-

nuar 1991

VI
ZR 97/90, NJW
1991, 1894 unter
II
1). Die dagegen ge-richteten Angriffe der Beschwerde sind nicht erfolgreich, insbesondere bedarf es keiner differenzierten Betrachtung für jede einzelne Gesell-schaft der [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
37).

bb) Eine anzeigepflichtige unmittelbare Gefährdung des Vertrags-zwecks der Versicherung lag bereits im Betreiben dieses Schneeballsys-tems. Schon zur [X.] des Vertragsschlusses drohte jederzeit dessen Entdeckung und Zusammenbruch mit der Folge, dass zahlreiche [X.] den [X.]-Unternehmen zum Transport übergebene Gelder beziehungsweise deren Gegenwert verlieren konnten. Infolgedessen stand für die Verantwortlichen der [X.] zu erwarten, dass die Versicherer durch zahlreiche Versicherte in Anspruch genommen [X.]. Damit verlagerte die [X.] ihr eigenes wirtschaftliches Wagnis zum Teil auf die Versicherer und belastete diese bewusst mit ei-nem Risiko, das über die mit dem Abschluss einer Valoren-Transport-Versicherung normalerweise verbundenen Gefahren erheblich [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
38).

cc) Anders als die Klägerin meint, ist es hier unerheblich, dass sich die Verantwortlichen der [X.] bei [X.] gegenüber den Versicherern unerlaubter Handlungen hätten bezichtigen müssen. Insbesondere erwächst aus dem strafpro-zessualen Privileg, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müs-sen, kein Anspruch darauf, ungeachtet des Verschweigens solcher Um-stände dennoch private Rechte voll durchzusetzen oder sich gar versi-cherungsvertragliche Vorteile zu erschleichen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
39
f.).
27
28
-
12
-

d) Ob einerseits der von
der [X.] behauptete Irrtum ursäch-lich
für die Willenserklärungen zum
Abschluss der Police Nr.
7509 gewe-sen und andererseits die
Anfechtung ausgeschlossen ist, weil die [X.] den Versicherungsvertrag möglicherweise gemäß §
144 BGB be-stätigt hat, kann abschließend erst entschieden werden, wenn geklärt ist, in welchem Umfang und ab welchem [X.]punkt die Beklagte oder ein ihr möglicherweise gleichstehender [X.] Kenntnis von denjeni-gen Tatsachen hatte, über die sie nach ihrer Behauptung getäuscht [X.] ist.

aa) Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwi-schen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und dass die arglistige Täuschung nach der [X.] bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts einen Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann

wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat

ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung einen Einfluss auf die Entschließung des [X.] ausgeübt hat (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 23.
April 1997

VIII
ZR 212/96, NJW
1997, 1845 unter II
2
b
bb; Urteile vom 12.
Mai 1995

V
ZR 34/94, NJW
1995, 2361 unter II
3
b und vom 5.
Dezember 1975

V
ZR 34/74, WM
1976, 111 un-ter
F; [X.], BGB 13.
Aufl. §
123 Rn.
20, 22).

bb) Eine
Bestätigung nach §
144 BGB erfordert, dass der ur-sprünglich [X.] eindeutig zum Ausdruck bringt,
den Vertrag endgültig als wirksam gelten zu lassen (vgl. [X.]/[X.], BGB [2010] §
144 Rn.
1), und dies zu einem [X.]punkt äußert, zu dem er 29
30
31
-
13
-

bereits weiß oder mindestens mit der Möglichkeit rechnet, dass der [X.] ihn bewusst getäuscht hat. Außerdem muss er wissen, dass sich [X.] für ihn ein Anfechtungsrecht ergibt (vgl. [X.], Urteil vom 14.
März 1990

[X.], NJW-RR
1990, 817 unter
III
3; RGZ
128, 116, 119; [X.]/[X.] aaO Rn.
7).

Zwar hat das Berufungsgericht diese Voraussetzungen auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen ohne Rechtsfehler verneint. Auch insoweit bedarf die Sache aber neuer Verhandlung und Entschei-dung, weil neu geprüft werden muss, ob und gegebenenfalls ab welchem [X.]punkt die Beklagte Kenntnis von dem von der [X.] prakti-zierten Schneeballsystem hatte.

Erst danach kann entschieden werden, inwieweit rechtsgeschäftli-chen Äußerungen der [X.] nach Vertragsschluss möglicherweise ein Bestätigungswille entnommen werden kann.

3. An der Entscheidungserheblichkeit des
dargelegten
Gehörsver-stoßes fehlt es hinsichtlich des von der Klägerin behaupteten Schadens aus der Geldentsorgung vom 17.
Februar 2006
nicht deshalb, weil inso-fern der Eintritt eines Versicherungsfalles auszuschließen
ist. Diese An-nahme des Berufungsgerichts beruht auf einem Rechtsfehler.

a) Zutreffend sieht es
noch, dass mit der hier genommenen "Valo-renversicherung" nur Bargeld -
nicht hingegen Buch-
oder Giralgeld
-
ge-gen typische Transportrisiken bei und während des [X.] bis zu dessen Abschluss versichert
ist. Eingeschlossen werden zwar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung i.S. von §
246 Abs.
1 StGB oder einer Veruntreuung i.S. von §
246 Abs.
2 StGB (veruntreuende Un-32
33
34
35
-
14
-

terschlagung) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die ledig-lich aus einer Untreue nach §
266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versiche-rungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom [X.] umfasst (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011
aaO
Rn.
31
ff., 35
ff.).

aa) Gegenüber dieser Auslegung des Versicherungsvertrages vermag
die Klägerin nicht mit Erfolg geltend zu machen, es habe

ab-weichend von dessen
Wortlaut

zwischen der [X.] und den Versicherern Einigkeit bestanden, dass die Gewährung von [X.] nicht davon abhinge, auf welche Art und Weise Gelder [X.] gingen, so dass auch Buchgeld einbezogen sei. Einen vom [X.] abweichenden Willen der Vertragsparteien hat sie hier nicht dargelegt. Ohne Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG
durfte das Be-rufungsgericht deshalb davon ausgehen, die [X.] als Versi-cherungsnehmerin und die Versicherer hätten den Vertrag nicht abwei-chend von seinem Wortlaut dahin verstanden, dass auch "Buchgeld" ver-sichert sei
(vgl. Senatsurteil vom 25.
Mai 2011 aaO Rn.
37
ff.; dazu auch Senatsbeschluss vom 27.
Juni 2011

IV
ZR 117/09, juris Rn.
4).

bb) Entgegen der Annahme der Beschwerde kommt gegenüber einzelnen Auftraggebern
der [X.] abgegebenen besonderen [X.] keine ausreichende Aussagekraft für den Umfang des Versicherungsschutzes zu. Damit lässt sich keine generelle, auch zugunsten der Klägerin wirkende Erweiterung des Schutzbereichs der [X.] begründen (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 29.
Juni 2011

IV
ZR 156/09, juris Rn.
8 und vom 25.
Mai 2011

IV
ZR 247/09, VersR
2011, 923 Rn.
14).
36
37
-
15
-

b) Rechtsfehlerhaft geht
das Berufungsgericht jedoch
davon aus, dass die Klägerin bezüglich des am 17.
Februar 2006 der [X.] Trans-port GmbH zur Entsorgung übergebenen Bargeldes einen Verlust oder Schaden i.S. von Ziffer
2.1.1.1
[X.] deswegen nicht nachgewiesen habe, weil deren Verpflichtung, das Geld unmittelbar und in bar auf ein Konto einer der Vertriebsgesellschaften der Klägerin einzuzahlen, nicht fest-stehe.

aa) Nach der Behauptung der [X.] ist das von der [X.] Transport GmbH
übernommene Geld vollständig auf ein bei der Deut-schen [X.] geführtes Konto der [X.] eingezahlt [X.]. Dem hat die Klägerin nicht substantiiert widersprochen. Sie hat nur dargelegt, dass das betreffende Bargeld übergeben wurde, sich im [X.] aber darauf beschränkt, den Vortrag der [X.] zum Ablauf der Geldentsorgung

zum Teil mit Nichtwissen

zu bestreiten, und lediglich vermutet, das an die [X.] Transport
GmbH überlassene Bargeld kön-ne bereits vor der Einzahlung auf ein [X.]-Konto verschwunden sein. Damit hat die Klägerin ihrer insofern bestehenden Darlegungslast nicht genügt
(vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011 aaO Rn.
41). Das führt dazu, dass der Vortrag der [X.] zum Ablauf der Geldentsorgung zugrunde zu legen ist.

bb) Diese Einzahlung zu entsorgenden Bargeldes begründet
je-doch einen innerhalb des nach Ziffer
3.1 und 3.2
[X.] versicherten [X.]-raums eingetretenen
Versicherungsfall i.S. von Ziffer
2.1.1.1
[X.], wenn darin der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffliche Zugriff liegt. Ein solcher Zugriff ist
anzunehmen, wenn die geschuldete Übergabe an die Deutsche [X.] nicht nach den Weisungen der 38
39
40
-
16
-

Klägerin ausgeführt worden ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 9.
November 2011

IV
ZR 251/08 unter
II
3
b).
Diese
hat das Berufungsgericht jedoch nicht ausreichend
ermittelt.

(1) Ohne Rechtsfehler geht es noch
davon aus, dass es nach dem Wortlaut des
zwischen der Klägerin und der [X.] Transport GmbH geschlossenen
Rahmenvertrages und des Leistungsverzeichnisses Letz-terer nicht untersagt war, [X.] Geld im so genannten kontoge-bundenen Überweisungsverfahren (Pooling-Verfahren) zunächst auf ein für die [X.]
bei der Deutschen [X.] eingerichtetes Konto verbuchen zu lassen
(so auch der Sachverhalt im
Senatsurteil vom 25.
Mai 2011 aaO Rn.
52
ff.; ferner in den Senatsbeschlüssen
vom 25.
Mai 2011

IV
ZR 156/09, juris Rn.
18
ff. und

IV
ZR 247/09 aaO Rn.
20
ff.).
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerde versu-chen lediglich in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise, die Auslegung des
Wortlautes durch das
Berufungsgericht durch eigene, vermeintlich bessere Erwägungen zu ersetzen.

(2) Die Klägerin hat indes zudem behauptet, die
mit den Vertrags-verhandlungen betrauten Mitarbeiter der
[X.]
und der
HE-ROS-Geschäftsführer W.

hätten
anlässlich der
Gespräche
im Vorfeld des Vertragsabschlusses
den Eindruck vermittelt, die zu entsorgenden Gelder
würden direkt
bei der Deutschen [X.]
eingezahlt. Dies habe möglichst gebündelt erfolgen sollen, so dass pro [X.] nur eine Einzahlung erforderlich werde, um die [X.]ge-bühren auf das Minimum zu reduzieren. Zuvor
habe
nur eine körperliche Zusammenführung von [X.] der Vertriebsgesellschaften stattfinden
sollen, aber keine Vermengung mit [X.] anderer Kunden.
Den
für diesen von der [X.] bestrittenen Vortrag angebotenen Zeugenbe-41
42
-
17
-

weis hat
das Berufungsgericht nicht erhoben, weil sich selbst bei einer Bestätigung dieser Behauptung angesichts des Wortlautes des [X.] immer noch nicht ein Ausschluss der Einzahlung im kontoge-bundenen Überweisungsverfahren ergebe (Nicht-Konto-Verfahren).

Auf diese bloße Heranziehung des Wortlautes der vertraglichen Vereinbarung hätte
sich das Berufungsgericht jedoch nur beschränken
dürfen, wenn es die
Klägerin als
darlegungs-
und beweispflichtige [X.] unterlassen hätte, weitere Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen, die eine abweichende Auslegung rechtfertigten (vgl. nur [X.], Urteile vom 14.
Juli 2004

VIII ZR 164/03, [X.]Z
160, 83, 88
f. und vom 23.
Februar 1956

II
ZR 207/54, [X.]Z
20, 109, 112). So liegt der Fall hier indes nicht.

Die Behauptungen
der Klägerin legen vielmehr nahe, dass die [X.] mit ihrer Vereinbarung eine Einzahlung im Wege des [X.] festschreiben wollten. Dies wäre

ungeachtet der vom Berufungsgericht zu Recht angezweifelten Praktikabilität und Wirtschaft-lichkeit der von der Klägerin als vereinbart behaupteten
Abwicklung der Bargeldentsorgung

geeignet, einen Vertragsinhalt zu begründen, der von demjenigen [X.], den das
Berufungsgericht
dem
insofern nicht eindeutigen und klaren Wortlaut
des Leistungsverzeichnisses
entnom-men
hat. Daher erfordert die Ermittlung des Inhalts der Vereinbarung hier eine weitergehende
Feststellung des [X.] der bei-derseitigen Willenserklärungen und insbesondere
der weiteren tatsächli-chen Umstände, die für das Verständnis der Vereinbarung von Bedeu-tung sind
und zu denen auch etwaige Vorbesprechungen zählen (vgl. nur [X.], vom 13.
März
2003 -
IX
ZR 199/00, NJW
2003, 2235 unter
II
1 m.w.N.).
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-
18
-

II[X.] Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

Greift die Anfechtung bezüglich der Police Nr.
7509 nach §
123 Abs.
1 BGB durch, wird neu zu prüfen sein, ob sie auch die einvernehm-liche Aufhebung der [X.] Nr.
7265 erfasst und im Ergebnis zu
deren Wiederaufleben führt.

Soweit das Berufungsgericht dies bisher verneint hat, begegnet die Begründung des Berufungsurteils rechtlichen Bedenken.

1. Ist der Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, wird davon gemäß §
139 BGB das gesamte Rechtsgeschäft erfasst, es sei denn die Fallum-stände rechtfertigen die Annahme, der nicht unmittelbar von der Nichtig-keit betroffene Teil des Rechtsgeschäftes wäre auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden. §
139 BGB erfordert damit zunächst eine Klärung der Frage, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, welches lediglich teilweise der Anfechtung unterliegt, oder ob zwei selbständige Rechtsgeschäfte abgeschlossen worden sind, auf die §
139 BGB keine Anwendung findet.

2. Ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 BGB ist indes nur anzunehmen, wenn der Wille der [X.]en dahin geht, dass die [X.] äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollten, mithin das eine nicht ohne das andere von den [X.]-en gewollt war (vgl. dazu [X.], Urteil vom 24.
Oktober 2006

XI
ZR 216/05, NJW-RR
2007, 395 Rn.
17 m.w.N.; [X.] aaO 1682
f.).
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-
19
-

Dies hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet (vgl. da-zu Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO Rn.
55
ff.). Es hat
ferner nicht geprüft, ob die Aufhebung des bestehenden Versicherungs-vertrages (Police Nr.
7265) bei den Verhandlungen über die Police Nr. 7509 zumindest von der Versicherungsnehmerin nicht ohne den gleich-zeitigen Neuabschluss gewollt war und ob dies für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts deshalb ausreichte, weil die Beklagte bei Abschluss der Police Nr. 7509 erkannt und akzeptiert hat, dass beide Rechtsgeschäfte jedenfalls für die Versicherungsnehmerin miteinander stehen und fallen sollten (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011 aaO
Rn.
58
f.).

Dr. [X.]

[X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.12.2007 -
8 O 338/06 -

[X.], Entscheidung vom 29.01.2009 -
8 U 41/08 -

50

Meta

IV ZR 33/09

07.12.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2011, Az. IV ZR 33/09 (REWIS RS 2011, 718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 718

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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