Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2014, Az. I R 51/13

1. Senat | REWIS RS 2014, 1481

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Gegenstand

Beschwer im Verlustrücktragsjahr


Leitsatz

NV: Eine Steuerfestsetzung auf Null € in einem Verlustrücktragsjahr hindert eine Beschwer des Steuerpflichtigen nicht, soweit die Festsetzung auf einem Verlustrücktrag beruht und geltend gemacht wird, durch den Ansatz weiterer Betriebsausgaben sei das Verlustrücktragsvolumen geringer.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Einspruch gegen einen auf 0 € lautenden Körperschaftsteuerbescheid (Streitjahr 2008) zulässig ist, wenn diese Festsetzung auf einem Verlustrücktrag aus dem Folgejahr beruht und die Anfechtung (mittelbar) zur Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustvortrags im [X.] (2009) führen kann.

2

Mit einem Änderungsbescheid (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) vom 29. November 2010 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) eine Körperschaftsteuer für das Streitjahr von 0 € fest (Gesamtbetrag der Einkünfte: 158.979 €; zu versteuerndes Einkommen nach Abzug eines [X.] aus 2009: 0 €). Die Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009 reichte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, am 15. Juli 2010 beim [X.] ein.

3

Die Klägerin legte gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 Einspruch ein; sie begehrte, eine Darlehensbearbeitungsgebühr (37.500 €) als (weitere) Betriebsausgabe zu berücksichtigen (Punkt 2 der Einspruchsbegründung). Im Einspruchsverfahren erging ein Änderungsbescheid, der die Höhe der Festsetzung (0 €) unverändert ließ. Der Rechtsbehelf bleibe hinsichtlich Punkt 2 der Begründung offen. Das [X.] verwarf den Einspruch als unzulässig; es fehle wegen der auf 0 € lautenden Festsetzung an einer Beschwer. Es sei ohne Bedeutung, dass die Klägerin geltend mache, es sei ein geringerer Verbrauch des [X.] (aus 2009) eingetreten; dazu sei im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009 eine Entscheidung zu treffen.

4

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung der Einspruchsentscheidung; das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt ([X.] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Juni 2013  8 K 8043/12).

5

Das [X.] rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin verweist u.a. auf eine Beschwer bei der parallelen Festsetzung eines [X.] (kein [X.] eines Gewerbeverlusts aus 2009) und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II.  [X.]ie Revision ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.]ie Vorinstanz hat der Klägerin ohne Rechtsfehler eine Beschwer (§ [X.]) als Voraussetzung eines zulässigen Einspruchs zuerkannt und die angefochtene Einspruchsentscheidung antragsgemäß aufgehoben.

8

1. Nach § [X.] ist nur derjenige befugt, Einspruch einzulegen, der geltend macht, durch einen Verwaltungsakt (oder dessen Unterlassung) beschwert zu sein. [X.]er Einspruchsführer muss daher substantiiert und schlüssig darlegen, der Bescheid beeinträchtige ein ihm zustehendes Recht. Es reicht nicht aus, die Rechtswidrigkeit des Bescheids darzulegen.

9

2. Zutreffend sind die Verfahrensbeteiligten und das [X.] davon ausgegangen, dass die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 € zu keiner Steuerzahlungsverpflichtung der Klägerin führt. Sie beeinträchtigt daher nicht ihr Recht, nur die nach dem materiellen Recht geschuldete Steuer zahlen zu müssen.

3. [X.]em [X.] ist jedoch nicht darin beizupflichten, dass Rechtsschutz zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte "vor Verlustabzug" (Verlustrücktrag) des Rücktragsjahres als Streitjahr nur im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. [X.]ezember des [X.]es (§ 10d Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG 2002-- i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002) zu erlangen ist.

a) [X.]as [X.] verweist im Ausgangspunkt zwar zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des [X.] ([X.]), nach der über die Höhe des abziehbaren Verlusts (§ 10d EStG 2002) nicht im Jahr der Entstehung des Verlusts, sondern im (ersten) Abzugsjahr, in dem unter Berücksichtigung des [X.] eine Steuer festgesetzt wird, entschieden wird (z.B. [X.]-Beschluss vom 20. [X.]ezember 2006 VIII B 111/05, [X.]/NV 2007, 699, m.w.N.). Im [X.] fehlt es für die Anfechtung einer Steuerfestsetzung an einer Beschwer ("Null-Festsetzung"), da die Besteuerungsgrundlagen lediglich unselbständiger Teil des Steuerbescheids (§ 157 Abs. 2 Halbsatz 1 AO) sind und nicht selbständig angefochten werden können, solange sie sich nicht auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirken. [X.]as [X.] überträgt diesen zur Ermittlung der Höhe des entstandenen Verlusts entwickelten Grundsatz, an dem festzuhalten ist, allerdings auch auf das Verlustrücktragsjahr (hier: das Streitjahr), was rechtsfehlerhaft ist.

aa) Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG 2002 ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Nach Satz 2 dieser Regelung sind verbleibender Verlustvortrag die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Absatz 1 abgezogenen und die nach Absatz 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag.

bb) Aus diesem Gesetzeswortlaut leitet R 10d Abs. 7 Satz 2 und 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 2008), worauf das [X.] ebenfalls verwiesen hat, Folgendes ab: "Über die Höhe der im [X.] nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte wird im Steuerfestsetzungsverfahren für das Verlustrücktragsjahr und hinsichtlich des verbleibenden Verlustvortrags für die dem [X.] folgenden VZ im Fest-stellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 EStG bindend entschieden. [X.]er Steuerbescheid des [X.]es ist daher weder Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des [X.] noch für den Feststellungsbescheid nach § 10d Abs. 4 EStG."

b) Eine Entscheidung im Verlustrücktragsjahr über "die nach (§ 10d) Absatz 1" als Verlustrücktrag "abgezogenen ... Beträge" als Grundlage der Feststellung des verbleibenden [X.] im [X.] gemäß § 10d Abs. 4 EStG 2002 setzt aber eine Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres voraus. [X.]iese Größe bestimmt einerseits das Maximalvolumen für den Verlustrücktrag, ist andererseits aber zugleich Grundlage für die Ausübung des den Feststellungsbescheid des [X.]es (§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG) betreffenden Antrags gemäß § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG 2002, vom Verlustrücktrag im konkreten Streitfall (teilweise) abzusehen (s. insoweit [X.]-Urteil vom 17. September 2008 IX R 72/06, [X.]E 222, 571, [X.], 639). [X.]iese Entscheidung, die aus dem Verlustfeststellungsbescheid des [X.]es nicht abzuleiten ist (so zutreffend R 10d Abs. 7 Satz 5 EStR 2008; s.a. [X.]-Urteil vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, [X.]E 205, 117, [X.], 551, dort zu [X.]) und --umgekehrt-- auch nicht selbst mit [X.] des § 171 Abs. 10 AO für diesen Feststellungsbescheid des [X.]es ausgestattet ist (z.B. [X.]-Urteil vom 27. Januar 2010 IX R 59/08, [X.]E 228, 301, BStBl II 2010, 1009; [X.] in [X.], EStG, 13. Aufl., § 10d Rz 13), begründet eine Beschwer des Steuerpflichtigen (s. zur Notwendigkeit, den Steuerbescheid des Rücktragsjahres anzufechten, z.B. [X.] in [X.]/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10d Rz A 353 f., [X.] 93; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 10d EStG Rz 43; [X.]/Schlenker, § 10d EStG Rz 227; [X.]/[X.], EStG, 33. Aufl., § 10d Rz 40 mit Verweis auf das [X.]-Urteil in [X.]E 205, 117, [X.], 551). [X.]enn im Rücktragsjahr ist nicht über die Höhe des (hier: in 2009) entstandenen Verlusts, sondern verbindlich darüber zu entscheiden, in welcher Höhe mit Blick auf die in diesem Veranlagungszeitraum verwirklichten Besteuerungsmerkmale ein Verlustrücktrag in Betracht kommt ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2007, 699); diese Entscheidung über die Höhe der "abgezogenen ... Beträge" geht als Berechnungsgrundlage in den Feststellungsbescheid des [X.]es ein, ohne dort selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage zu sein (s. [X.] in [X.]/Söhn/Mellinghoff, a.a.[X.], § 10d Rz A 333, 334 zu einer "[X.]"; s. insoweit auch § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2009 mit dem Verweis auf § 351 Abs. 2 AO und § 42 [X.]O, eingefügt durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. [X.]ezember 2010 [[X.], 1768, [X.], 1394] mit Wirkung auf Verluste, für die nach dem 13. [X.]ezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wurde [§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. dieses Gesetzes]).

4. [X.]a auf dieser Grundlage eine Beschwer der Klägerin zur Körperschaftsteuerfestsetzung des [X.] --parallel zur (unstreitigen) Beschwer im Hinblick auf die Festsetzung des [X.] vorlag, erweist sich die Verwerfung des Einspruchs der Klägerin als rechtsfehlerhaft. [X.]ie Klägerin hat ihr Rechtsschutzinteresse im Klageverfahren ausdrücklich auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränkt. [X.]ies ist von der Vorinstanz zu Recht zugelassen worden, was von der Revision auch nicht in Frage gestellt wird.

5. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 51/13

11.11.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 10. Juni 2013, Az: 8 K 8043/12, Urteil

§ 10d Abs 1 S 1 EStG 2002, § 10d Abs 4 EStG 2002, § 350 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2014, Az. I R 51/13 (REWIS RS 2014, 1481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1481

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