Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2020, Az. III ZR 245/18

III. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11452

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[X.]:[X.]:BGH:2020:090720UIIIZR245.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 245/18

Verkündet am:

9. Juli 2020

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

[X.] § 839 B; [X.] § 4 Abs. 3 Nr. 2

Die -
ein Verschulden des Amtsträgers ausschließende -
[X.] ist auch anwendbar, wenn im Amtshaftungsprozess das mit drei [X.] besetzte [X.] erstinstanzlich eine Amtshandlung als rechtmäßig ansieht (Fortführung von Senat, Urteile vom 4. November 2010 -
III ZR 32/10, [X.], 286; vom 18. November 2004 -
III ZR 347/03, NVwZ-RR
2005, 152; vom 13. Juli 2000 -
III ZR 131/99, NVwZ-RR 2000, 744; vom 18. Juni 1998 -
III ZR 100/97, NVwZ 1998, 1329 und vom 2. April 1998 -
III ZR 111/97, NVwZ 1998, 878).

BGH, Urteil vom 9. Juli 2020 -
III ZR 245/18 -
[X.]

LG [X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
9. Juli 2020 durch [X.] [X.] und [X.] Remmert, [X.], Dr. Kessen und Dr. Herr

für Recht erkannt:

Auf die Revision des
beklagten [X.]
wird das Urteil des 9. Zivil-senats des [X.] vom 20. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom beklagten Land Schadensersatz im [X.] mit der Versagung der Erlaubnis zum Betrieb zweier Spielhallen.

Sie beantragte am 9. September 2010 die Erteilung einer Erlaubnis nach § 33i [X.] für den Betrieb der Spielhallen in dem Gebäude eines ehemaligen [X.]. Am 2. November 2010 legte sie
Pläne vor, in denen als Grundflächen zweier Spielhallen 85,82 m²
und 74,15 m² eingetragen waren. Daraufhin besichtigten am 4. November 2010 Vertreter des Bauaufsichts-
und Stadtplanungsamts des beklagten [X.] das Vorhaben. Sie stellten fest, dass im Bereich der [X.] ein Flur, Aufenthaltsraum und Durchgang nicht abge-1
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trennt und nach dem Eindruck der Mitarbeiter des Amtes zur einheitlichen Nut-zung vorgesehen waren, was die Grundfläche dieser Spielhalle auf 140,09 m²
erweiterte. Zudem war eine einheitliche Werbeanlage über beide Spielhallen hinweg angebracht.

Nach Einholung einer
Stellungnahme des Stadtplanungsamts kündigte die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 33i [X.] zuständige Sachbearbeite-rin des beklagten [X.] mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 13. Januar 2011 die Versagung der Erlaubnis an, weil der [X.] das Grundstück als allgemeines Wohngebiet ausweise, in dem eine Spielhalle als Vergnügungsstätte bauplanungsrechtlich nicht zulässig sei. Nach weiteren Stel-lungnahmen der Klägerin und nochmaliger Befassung des Stadtplanungsamts lehnte das beklagte Land den Antrag auf Erteilung der Gewerbeerlaubnis mit [X.] vom 13. Mai 2011 ab.

Am 2. Juli 2011 trat das Spielhallengesetz [X.] (künftig: [X.]) in [X.], wonach anstelle einer Erlaubnis gemäß § 33i [X.] nunmehr eine Er-laubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich ist. Ihren gegen die Versagung der Erlaubnis gemäß § 33i [X.] gerichteten Widerspruch nahm die Klägerin zurück und beantragte am 27. Dezember 2011 eine
Erlaubnis nach dem Spielhallengesetz. Der Antrag wurde
zurückgewiesen, weil der seither ge-setzlich bestimmte Mindestabstand zur nächsten Spielhalle nicht eingehalten wurde. Der hiergegen gerichtete Widerspruch und die Klage der Klägerin blie-ben vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg.

Die Klägerin hat -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeu-tung
-
vorgetragen, die Sachbearbeiterinnen des beklagten [X.] hätten ent-gegen der Pflicht zur zügigen Entscheidung die Erteilung der Erlaubnis nach § 3
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33i [X.] zunächst verzögert und schließlich pflichtwidrig abgelehnt. Infolge-trächtigung andauere, sei die Höhe des Gesamtschadens nicht absehbar.

Das [X.] hat -
in einer Besetzung mit drei Berufsrichtern -
die auf Schadensersatz und Feststellung einer weiteren
Schadensersatzpflicht gerich-tete Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang zugesprochen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten [X.] ist zulässig. Insbesondere ist auf-grund des -
seitens der [X.] nicht widersprochenen -
Vortrages seines Prozessbevollmächtigten davon auszugehen, dass die [X.] (§ 544 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 551 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.) ge-wahrt wurde.

Die Revision hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die in dem Bezirksamt
beschäftig-ten Beamten hätten die ihnen obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt, indem
sie mit [X.] vom 13. Mai 2011 die Erlaubnis zum Betrieb von zwei Spielhallen versagt hätten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der 6
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Erlaubnis gehabt.

Die Erlaubnis habe nicht nach § 33i Abs. 2 Nr. 2 [X.] versagt werden dürfen. Für ihre Erteilung komme es auf die zum Betrieb des Gewerbes be-stimmten Räume und nicht auf den Betrieb im Sinne der organisatorischen Ein-heit an.
Unerheblich sei daher, ob mehrere Spielhallen von einer Gesellschaft betrieben werden sollten und die Erlaubnis von einem einheitlichen Bauherrn beantragt werde. Wolle ein Antragsteller das Spielhallengewerbe in mehreren Betriebsstätten betreiben, in denen eine jeweils gesonderte Ausübung dieses Gewerbes möglich sei, habe er einen Anspruch darauf, dass das rechtliche Schicksal der Betriebsstätten nicht miteinander verbunden werde und ihm eine Erlaubnis für jede einzelne Betriebsstätte, bezüglich deren
keine Versagungs-gründe gegeben seien, erteilt werde. Es hätten zwei getrennt zu beurteilende, jeweils erlaubnisfähige Spielhallen vorgelegen. Die selbständige Betriebsfähig-keit der beiden Spielhallen sei unstreitig. Beide
seien auch baulich in sich ge-schlossen
sowie die Räume optisch voneinander klar abgegrenzt gewesen. Demgegenüber trete die äußere Gestaltung zurück. Der Beklagte habe sich an Gegenstand und Umfang des Antrages zu orientieren gehabt, welcher keine Anhaltspunkte für eine Zusammenbetrachtung der beiden Betriebe geboten habe.

Die Erlaubnis sei auch nicht deshalb zu versagen gewesen, weil die Spielhallen baupolizeilichen Anforderungen nicht entsprochen hätten. Eine Spielhalle sei im allgemeinen Wohngebiet unzulässig, wenn sie "kerngebietsty-pisch"
sei und das Wohnen bemerkbar störe. Für diese Beurteilung sei in erster Linie die Größe des Betriebes maßgeblich. Diese werde bei einer Spielhalle vor allem durch die Raumgröße sowie die Zahl und Art der Spielgeräte und die [X.] bestimmt. Die von der Klägerin geplanten Spielhallen seien mit einer Grundfläche von 87,07 m² und 95,43 m² nicht kerngebietstypisch und da-10
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mit baurechtlich im allgemeinen Wohngebiet zulässig gewesen. Maßgeblich für die Genehmigung sei der Antrag. Für eine Zusammenrechnung getrennter Bauvorhaben fehle baurechtlich eine Grundlage.

Dem Beklagten sei auch vorzuwerfen, die Erlaubnis nicht schon im [X.] erteilt zu haben. Es sei nicht erkennbar, warum die Entscheidung über den Antrag der Klägerin nicht früher getroffen worden sei.

Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Der Klägerin sei kausal ein auf der Amtspflichtverletzung beruhender Schaden entstanden. Hätte der Beklagte mit [X.] vom 13. Mai 2011 die Erlaubnis nicht versagt, sondern [X.] schon im Dezember 2010 erteilt, hätte die Klägerin im Zeitraum von [X.] 2011 bis Dezember 2014 (Anhängigkeit der Klage) Gewinne von insgesamt . Von einer entsprechenden Gewinnentwicklung sei auch für die Folgezeit auszugehen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem [X.] Punkt nicht stand. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. Art. 34 [X.]. Denn die Beamten des beklagten [X.] haben die ihnen obliegenden Amtspflichten entgegen der Annahme des [X.] nicht schuldhaft verletzt.

1.
Das Berufungsgericht hat ein Verschulden des Beklagten bejaht. Es hat ausgeführt, dessen Bedienstete hätten
erkennen müssen, dass die verzögerte Entscheidung und die Versagung der Erlaubnis rechtswidrig gewesen seien. 12
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Der Grundsatz, dass ein Verschulden des Amtsträgers regelmäßig ausscheide, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht sein Verhal-ten aufgrund sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts als objektiv rechtmäßig ge-billigt habe, greife nicht. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
habe nicht die Überprüfung des [X.]es vom 13. Mai 2011,
sondern die Versagung der am 27. Dezember 2011 beantragten Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle durch [X.] vom 27. März 2012 zum Gegenstand gehabt.

2.
Das Berufungsgericht hat übersehen, dass das -
mit drei Berufsrichtern besetzte -
[X.] in vorliegendem Rechtsstreit in seinem Urteil vom 9. September 2015 eine Amtspflichtverletzung des Beklagten in Bezug auf den [X.] vom 13. Mai 2011 verneint hat. Dies eröffnet den Anwendungsbereich der [X.].

a) Nach der Rechtsprechung des Senats trifft den Amtsträger in der [X.] kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegi-algericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. Diese soge-nannte [X.] beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem mit mehreren Rechtskun-digen besetzten Kollegialgericht regelmäßig nicht erwartet und verlangt werden kann (zB Senat, Urteile vom 4. November 2010 -
III ZR 32/10, [X.], 286 Rn. 36 f; vom 18. November 2004 -
III ZR 347/03, NVwZ-RR 2005, 152, 153; vom 13. Juli 2000 -
III ZR 131/99, NVwZ-RR 2000, 744; vom 18. Juni 1998 -
III ZR 100/97, NVwZ 1998, 1329, 1330 und vom 2. April 1998 -
III ZR 111/97, NVwZ 1998, 878; [X.]/[X.], [X.], § 839 Rn. 465 ff [15.04.2020]; jew. [X.]). Eine Verneinung des Verschuldens ist allerdings nur in denjenigen [X.] gerechtfertigt, in denen das Kollegialgericht die Rechtmäßigkeit der [X.] nach sorgfältiger Prüfung bejaht hat. Die Richtlinie greift daher nicht ein, 16
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wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen [X.] beruht. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Gericht infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist, wenn es den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat, etwa für die Beur-teilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, wenn es sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer rechtlich oder sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können oder eine gesetzli-che Bestimmung "handgreiflich falsch"
ausgelegt hat (Senat, Urteile vom 21. Februar 2019 -
III ZR 115/18, NJW 2019,
1374 Rn. 20; vom 18. November 2004 aaO;
vom 24. Januar 2002 -
III ZR 103/01, [X.], 1265, 1266; vom 13. Juli 2000 aaO; vom 2. April 1998 aaO; vom 21.
Oktober 1993 -
III ZR 68/92, NVwZ 1994, 825, 826
und vom 20. Februar 1992 -
III ZR 188/90, [X.], 240, 250; [X.]/[X.] aaO).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze war die Versagung der bean-tragten Erlaubnis mit [X.] vom 13. Mai 2011, wenn
sie amtspflichtwidrig gewesen sein sollte, jedenfalls nicht schuldhaft. Denn das mit drei Berufsrich-tern besetzte [X.] hat in dem im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Urteil vom 9. September 2015 eine Amtspflichtverletzung verneint.

aa) Das beklagte Land ist in dem [X.] wegen eines Ver-stoßes gegen § 7 Nr. 8
Buchst.
b [X.] (i.d.F. von 1958) von einer baupla-nungsrechtlichen Unzulässigkeit der vorgesehenen
Spielhallen ausgegangen. In dem [X.] werden Nutzflächen von 95,43 m2
([X.]) und 87,07 m2
([X.]I) ermittelt, die eine Gesamtfläche von 182,5 m2
ergeben. Bei einer einheitlichen Beurteilung der Spielhallen wird mithin der -
in dem [X.] in 18
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Bezug genommene -
Schwellenwert von 100 m²
Nutzfläche, ab dem in der Rechtsprechung eine Spielhalle als kerngebietstypisch und damit in einem all-gemeinen Wohngebiet unzulässig eingestuft wird ([X.], NVwZ-RR 1993, 287), deutlich überschritten. Der Beklagte hat in dem [X.] vom 13. Mai 2011 eine solche einheitliche Beurteilung der Spielhallen damit begründet, dass sie in der Örtlichkeit -
trotz baulicher Trennung -
vom Betrachter als Einheit wahrgenommen und auch als Einheit auf die nähere Umgebung einwirken [X.]. So wiesen beide Hallen eine gemeinsame Werbeanlage auf. Deren Wort-wahl in der Einzahl zeige, dass auch seitens des Antragstellers eine gemein-same Außenwirkung beider Spielhallen als Einheit beabsichtigt sei. Zudem [X.] über beide Spielhallen nur ein gemeinsames Firmenlogo und ein Werbeaus-stecker mit den vorgesehenen Öffnungszeiten angebracht worden. Vor dem Hintergrund der ausschließlichen Wohnnutzung auf der dem [X.] gegenüberliegenden Straßenseite handele es sich bei dem beabsichtig-ten Vorhaben aufgrund der Größe der Nutzflächen und dem damit verbundenen Einzugsbereich der [X.], der deutlich über das umgebende [X.] hinausgehe, nicht mehr um einen gewerblichen Kleinbetrieb im Sinne des § 7 Nr. 8
Buchst.
b [X.] (1958). Durch den beabsichtigten Spielhal-lenbetrieb seien Nachteile und Belästigungen für die nähere Umgebung zu er-warten.

bb) Das [X.] ist in seinem Urteil vom 9. September 2015 der baunutzungsrechtlichen Prüfung und der Annahme einer Kerngebietstypizität des Vorhabens in dem [X.] des Beklagten gefolgt und hat die Versagung als nicht pflichtwidrig, sondern rechtmäßig bezeichnet (S. 15 f der Entscheidungsgründe). Es hat ausgeführt, die Feststellungen der Mitarbeiter des Beklagten vor Ort hätten ergeben, dass nicht so, wie beantragt, habe ge-baut werden sollen. In den eingereichten Plänen seien zudem weitere Räume enthalten gewesen, die zu einer Einstufung als kerngebietspflichtig hätten [X.]
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ren können. Die entsprechende Vergrößerung habe zu einer erheblichen Ab-weichung von der ursprünglichen Planung geführt. Bei Berücksichtigung einer Fläche von 95,43 m² für die [X.] und von 87,07 m² für die [X.]I sei die Versagung unter Berücksichtigung der im [X.] vom 13. Mai 2011 angeführten Lage gegenüber einem Wohnhaus und des ausgewiesenen allge-meinen Wohngebietes sowie des Einzugsgebietes rechtmäßig, weil die Einstu-fung als über einen gewerblichen Kleinbetrieb hinausgehender Betrieb vertret-bar sei. Es liege auch keine ermessensfehlerhafte Entscheidung vor, weil der Beklagte unter Berücksichtigung der geplanten Flächen für zwei Spielhallen angesichts der gemeinsamen Werbetafel an den nebeneinander liegenden Spielhallen, die sich, verstärkt durch die tatsächlichen Baumaßnahmen, als Einheit dargestellt hätten, eine kerngebietstypische und damit grundsätzlich in einem Wohngebiet unzulässige Spielhalle habe annehmen können.

cc) Damit sind die Voraussetzungen der [X.] er-füllt. Das [X.] hat die Rechtmäßigkeit der Amtstätigkeit der Mitarbeiter des beklagten [X.] unter Würdigung des dem [X.] vom 13. Mai 2011 zugrunde gelegten Sachverhalts nach sorgfältiger Prüfung bejaht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung haben die Mitarbeiter des beklagten [X.] und das [X.] nicht grob fehlerhaft die gewerberechtliche Frage der selbständigen Erlaubnisfähigkeit und der für sie wesentlichen optischen Sonde-rung einerseits und die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit anderer-seits miteinander vermengt. Vielmehr sind die vom [X.] für maßgeblich erachteten Umstände entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur für die [X.], sondern auch für die bauplanungsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung. Das [X.] hat auch nicht die Fragestellung auf einen falschen Punkt verengt und so eigentlich maßgebende 21
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Fragen verkannt mit der Folge, dass -
nach den vorgenannten Grundsätzen -
die [X.] nicht anwendbar wäre.

(1) Die gewerberechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtete sich [X.] nach § 33i Abs. 1 Satz 1 [X.]. Danach bedarf der Erlaubnis, wer ge-werbsmäßig eine Spielhalle betreiben will. Die Erlaubnis wird dem [X.] für bestimmte Räume erteilt (vgl. § 33i Abs. 2 Nr. 2 [X.]), in denen die Geräte aufgestellt oder die [X.] veranstaltet werden können. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist Gegenstand der Prüfung stets die einzelne Betriebsstätte. [X.] ein Antragsteller das Spielhallengewerbe in mehreren Betriebsstätten betreiben, in denen eine jeweils gesonderte Aus-übung dieses Gewerbes möglich ist, so hat er einen
Anspruch darauf, dass das rechtliche Schicksal der Betriebsstätten nicht miteinander verbunden wird und ihm eine Erlaubnis für jede einzelne Betriebsstätte, bezüglich deren
keine Ver-sagungsgründe vorliegen, erteilt wird. Da der erlaubnispflichtige Tatbestand nach § 33i Abs. 1 Satz 1 [X.] an räumlichen Merkmalen ausgerichtet ist, [X.] auch räumliche Kriterien darüber, ob eine Betriebsstätte gesonderte Erlaubnisfähigkeit besitzt. Benachbarte Betriebsstätten können nur dann als selbständig erlaubnisfähige Spielhallen angesehen werden, wenn sie räumlich so getrennt sind, dass bei natürlicher Betrachtungsweise die Sonderung der einzelnen Betriebsstätte optisch in Erscheinung tritt und die Betriebsfähigkeit einer jeden
nicht durch die Schließung der anderen Betriebsstätten [X.] wird
([X.]E 70, 180, 184; [X.], NVwZ-RR
1989, 538).

(2) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtete sich vorliegend nach § 7 Nr. 8
Buchst.
b [X.] (1958). Danach sind in einem -
wie hier -
allgemeinen Wohngebiet unter anderem gewerbliche Kleinbetriebe zulässig, wenn sie keine Nachteile oder Belästigungen für die nähere Umge-bung verursachen können. Ähnlich sind nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.] in all-22
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gemeinen Wohngebieten (ausnahmsweise) nicht störende Gewerbebetriebe zulässig. Die zu § 4 [X.] ergangene Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts kann daher auch zur Auslegung von § 7 [X.] (1958) heran-gezogen werden. Nach dieser Judikatur
können Spielhallen als Vergnügungs-stätten eine besondere Art gewerblicher Betriebe i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauN-VO
sein. Eine Spielhalle im allgemeinen Wohngebiet ist nach dieser Bestim-mung vor allem dann unzulässig, wenn sie "Wohnen bemerkbar stört. Typisch für Kerngebiete ist eine
Vergnügungsstätte und damit eine Spielhalle, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb einen größeren Einzugsbereich besitzt und für ein größeres und allgemeines Publi-kum erreichbar ist oder jedenfalls erreichbar sein soll. Für diese Beurteilung wird in erster Linie die Größe des Betriebs maßgeblich sein. Darüber hinaus lässt sich die Frage, ob eine mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebie-tes unverträgliche, nur im Kerngebiet zulässige Vergnügungsstätte vorliegt, al-lerdings nicht generell, sondern
nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beantworten. [X.] ist für das allgemeine Wohngebiet vor allem der Grad der für die Wohnnutzung zu erwartenden Störung. Danach kann eine Spielhalle nach § 4 Abs.
3 Nr. 2 [X.] in einem allgemeinen
Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie wegen ihrer geringen Nutzfläche und ihres kleinen Einzugsbereichs nicht dem Typus der Vergnügungsstätte, wie er für Einrichtungen in Kerngebieten kennzeichnend ist, entspricht, keine wesentli-chen Störungen für die [X.] mit sich bringt und mit dem Charakter des Wohngebietes auch im Übrigen verträglich ist. Das wird
umso eher anzuneh-men sein können, je mehr eine Spielhalle von ihrer Anlage her geeignet ist, in einem begrenzten Stadtteil lediglich der Entspannung und der Freizeitbetäti-gung -
etwa mit Mitteln der Geschicklichkeit -
zu dienen (siehe zum Ganzen [X.], NVwZ 1991, 264 [X.]; zur "Kerngebietstypizität"
von Spielhallen vgl. -

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auch Senat, Urteil vom 23. September 1993 -
III ZR 54/92, NVwZ 1994, 405, 408).

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Für die nach [X.] in erster Linie maßgebliche Größe wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein "Grundfläche herangezogen; andere Kriterien sind damit aber nicht von [X.] ausgeschlossen (vgl. [X.], NVwZ-RR 1993, 287). Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann auch ein enger räumlicher Zu-sammenhang mit einem benachbarten Betrieb von Bedeutung sein (vgl. [X.] aaO für eine benachbarte Gaststätte; hierzu Hornmann
in BeckOK/[X.], §
4a Rn. 72
[15.03.2020]). Nicht zu berücksichtigen ist ein benachbarter Betrieb, wenn er von der Spielhalle räumlich getrennt ist und eine selbständige Betriebseinheit bildet (Senat, Urteil vom 23. September 1993 aaO; vgl. auch [X.] aaO und
NVwZ-RR 1993, 66).
Maßgeblich hierfür sind bauli-che und betrieblich-funktionale Gesichtspunkte, die für oder gegen einen selb-ständigen Betrieb sprechen. Für die räumliche Abgrenzung ist auf die nach au-ßen erkennbaren baulichen Gegebenheiten abzustellen ([X.]E 124, 376, 381).
Hierbei handelt es sich um die Prüfungskriterien, die das Bezirksamt des Beklagten und ihm folgend das [X.] angewandt hat.

(3) In
dem [X.] und dem Urteil des [X.]s wird jeweils ausschließlich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin geprüft. Der gewerberechtliche Begriff der optischen Sonderung (siehe vorstehend zu (1)) wird nicht erwähnt. Zwar wird jeweils entscheidend auf die Außenwirkung der nebeneinanderliegenden Spielhallen abgestellt, die nach dem [X.] vom Betrachter als Einheit wahrgenommen und als solche auf die nähere Umgebung einwirken würden. Dabei wird auch auf die gemeinsame Werbeanlage Bezug genommen. Diese hat indes, wie ausgeführt,
eine Doppelrelevanz insofern, als sie sowohl im Rahmen der gewerberechtli-chen optischen Sonderung als auch im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Frage von Bedeutung sein kann, ob bei
der gebotenen Einzelfallbetrachtung 24
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eine Spielhalle einen engen räumlichen Zusammenhang mit einem benachbar-ten Betrieb aufweist. Die Erwähnung der gemeinsamen Werbetafel der Spiel-hallen in dem Urteil des [X.]s ist mithin kein Anhalt dafür, dass es den gewerberechtlichen Begriff der optischen Sonderung fehlerhaft im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit geprüft hat. Dementsprechend besteht vorliegend keine Veranlassung, im Hinblick auf die Entscheidung des Landge-richts die [X.] nicht anzuwenden.

c)
Die Mitarbeiter des beklagten [X.] handelten auch nicht schuldhaft, indem sie die Klägerin erst am 13. Mai 2011 und nicht schon im Dezember 2010 beschieden.

aa) Das Berufungsgericht wirft -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig -
dem Beklagten vor, der Klägerin die beantragte Erlaubnis nicht schon im [X.] erteilt zu haben. Der Beklagte habe erkennen können und müs-sen, dass die verzögerte Entscheidung über den Antrag rechtswidrig gewesen sei (S.
10 f der Entscheidungsgründe).

bb) Dieser Auffassung liegt zugrunde, dass die Versagung der Erlaubnis nicht vertretbar war und schuldhaft erfolgte. Letzteres ist indes -
wie ausgeführt (vorstehend zu b) -
nicht der Fall. Vielmehr handelten die Mitarbeiter des [X.] [X.], als sie von der Unvereinbarkeit des beantragten Vorhabens mit
§ 7 Nr.
8
Buchst.
b [X.] (1958) ausgingen, ohne Verschulden. Durften sie aber ohne Verschulden annehmen, dass dem Vorhaben der Klägerin baupla-nungsrechtliche Bedenken entgegenstanden, war auch die -
der [X.]ung des Antrages der Klägerin schon im Dezember 2010 entgegenstehende -
Ein-holung von Stellungnahmen des Bauplanungsamtes jedenfalls nicht schuldhaft.

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Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des [X.]s wurde das Vorhaben der Klägerin -
nachdem diese am 24. September 2010 die [X.] eingezahlt und in der Folgezeit mehrfach geänderte Pläne eingereicht hatte -
am 4. November 2010 durch Vertreter des Bauplanungsamtes des beklagten
[X.] besichtigt. In der Folge stimmte das Bauplanungsamt dem Antrag der Klägerin nicht zu und führte dazu in einem Vermerk vom 29. Dezember 2010 (Anlage [X.]) aus, dass es sich nicht mehr um einen gewerblichen Kleinbetrieb handele und Belästigungen sowie [X.] für die nähere Umgebung zu erwarten seien. Daraufhin kündigte die zustän-dige Sachbearbeiterin des Ordnungsamtes des beklagten [X.] gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 13. Januar 2011 an, die beantragte Erlaubnis aus bauplanungsrechtlichen Gründen versagen zu wollen.

Zu diesen bauplanungsrechtlichen Bedenken durften die Mitarbeiter des beklagten [X.] -
wie ausgeführt -
jedenfalls ohne Verschulden gelangen. Der Zeitraum zwischen der Besichtigung des Vorhabens am 4. November 2010 und der Ankündigung der Versagung der Erlaubnis mit Schreiben vom 13. Januar 2011 begründet daher -
unter Berücksichtigung der Feiertage sowie der zu [X.] schwierigen Sach-
und Rechtslage -
keine vorwerfbare Verzöge-rung. Dies gilt auch, soweit das beklagte Land nach dem Schriftsatz der [X.] der Klägerin vom 18. Januar 2011
und der Vorlage einer entsprechenden Vollmacht der Klägerin mit Schriftsatz vom 1. Februar 2011 erneut eine Stellungnahme seines Bauplanungsamtes einholte. Der zwischen der Vorlage der Vollmacht und dem [X.] des beklagten [X.] vom 13. Mai 2011 liegende Zeitraum von etwas mehr als drei Monaten, innerhalb [X.] diese Stellungnahme erarbeitet und vom Ordnungsamt des beklagten [X.] berücksichtigt wurde, begründet noch keine schuldhafte Verzögerung der [X.]ung des Antrages der Klägerin. Er war in Anbetracht der vom Baupla-29
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nungsamt vorzunehmenden sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der bau-planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar
2011 -
III ZR 37/10, [X.], 302 Rn. 13; [X.]/[X.] aaO Rn. 459 [jew. [X.]] zur Pflicht des Beamten, die Gesetzes-
und Rechtsla-ge sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen) noch nicht unangemessen lang (vgl. Senat, Urteil vom 11.
Januar 2007 -
III ZR 302/05, [X.], 260 Rn. 17; [X.]/[X.] aaO Rn.
162 [jew. [X.]] zur Amtspflicht, Anträge mit der gebo-tenen Beschleunigung zu bearbeiten und, sobald ihre Prüfung abgeschlossen ist, ungesäumt und in angemessener Frist zu bescheiden).

Lag mithin in der Versagung der von der Klägerin beantragten Erlaubnis keine schuldhafte Amtspflichtverletzung, so gilt dies gleichermaßen für die Nichtbescheidung ihres Antrages vor dem 13. Mai 2011 (Datum des Versa-gungsbescheides).

3.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sa-che zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird über die Hilfsanträge der Klägerin zu entscheiden haben, mit denen sie die amtspflichtwidrige Unterlassung eines rechtzeitigen Hinweises des beklagten [X.] auf
die (erst) im [X.] vom 13.
Mai 2011 ausgeführten Versagungsgründe geltend macht. Bei der [X.] erforderlichen tatrichterlichen Würdigung, ob die Klägerin einem früh-zeitigen Hinweis -
wie sie behauptet -
gefolgt wäre und ihren Antrag auf eine Spielhalle beschränkt hätte, wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin ge-gen den [X.] vom 13. Mai 2011 Widerspruch eingelegt und noch in dem späteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend die Zurückweisung ih-res Antrages
vom 27. Dezember 2011
angeführt hat, die Behörde sei verpflich-tet gewesen, auf den zuvor gestellten Antrag die seinerzeit begehrte
Spielhalle-31
32
-

18

-

nerlaubnis zu erteilen; trotz eindeutiger Rechtslage habe sie selbigen zu [X.] abgelehnt.

Das Berufungsgericht hat auch Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den übrigen [X.] der Revision und dem Vorbringen der Revisionserwiderung zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

[X.]

Remmert

[X.]

Kessen
Herr
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom [X.] -
86 [X.]/15 -

KG [X.], Entscheidung vom 20.11.2018 -
9 [X.] -

33

Meta

III ZR 245/18

09.07.2020

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2020, Az. III ZR 245/18 (REWIS RS 2020, 11452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11452

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 245/18

III ZR 32/10

III ZR 115/18

III ZR 37/10

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