Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.02.2011, Az. 7 B 46/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 9928

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Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 17. Oktober 2008, der die Verlängerung der Straßenbahnlinie 4 um einen dritten Bauabschnitt von [X.] nach [X.] zum Gegenstand hat. Die geplante Verlängerung ist 5 500 m lang. Davon erstrecken sich ca. 730 m auf bremischem Gebiet von dem bisherigen Endpunkt [X.] bis zur Landesgrenze, 4 770 m verlaufen auf der [X.] - H.straße und F.straße - innerhalb der geschlossenen Ortslage der [X.] Gemeinde [X.]. Die Straßenbahn soll - mit Ausnahme eines 500 m langen eingleisigen Abschnitts in [X.] - zweigleisig verlaufen und überwiegend in der Mitte der vorhandenen Straße geführt werden. Sofern die Breite des Straßenzuges es zulässt, soll sie in einer Gleiszone auf einem besonderen Bahnkörper, im Übrigen straßenbündig verlaufen.

2

Derzeit besteht von der Endhaltestelle [X.] nach [X.] eine Busverbindung, die über die geplante Trasse verläuft und durch die Straßenbahn ersetzt werden soll. Zudem verkehren über diese Strecke Busse, die den [X.] mit den Gemeinden [X.]/[X.] und [X.] verbinden und dabei auch die Haltestellen in [X.] bedienen; diese Buslinien sollen auch künftig bestehen bleiben. Der [X.] stellte bisher die einzige Verbindung für den motorisierten Individualverkehr ([X.]) zwischen [X.] bzw. den angrenzenden Gemeinden und [X.] dar. Künftig soll dem [X.] eine [X.] dienen, deren Anbindung an die [X.]er Allee in [X.] inzwischen - im Mai 2010 - realisiert worden ist. Nach dem Erläuterungsbericht soll der [X.] im [X.] als Folge der [X.] um 50 % bis 90 % und als Folge der Straßenbahnverlängerung noch einmal - bezogen auf dieses Ergebnis - um weitere 12 % bis 20 % reduziert werden.

3

Der Planung ist ein Fahrgastaufkommen im öffentlichen Personennahverkehr von 4 400 Bewegungen am Querschnitt Landesgrenze zugrunde gelegt worden, das durch die Straßenbahn bis 2015 auf 6 700 Fahrgäste gesteigert werden könne. Nach einer neueren Prognose von März 2008 werden für 2015 ohne Straßenbahn 3 700 Fahrten je Werktag im ÖPNV am Querschnitt Landesgrenze erwartet, mit Straßenbahn 5 600 Personenfahrten werktäglich, von denen 4 800 Fahrten auf die Straßenbahn (der Rest auf Busse) entfallen sollen.

4

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke [X.] in [X.]. Die Grundstücke sind verpachtet und werden gewerblich genutzt. Die Grundstücke weisen zusammen eine etwa 150 m lange Straßenfront auf. Sie befinden sich in dem Teil der [X.] zwischen [X.] und [X.]straße, der künftig nur eine Richtungsfahrbahn für den [X.] in Richtung [X.] aufweisen soll. Zwischen dieser Richtungsfahrbahn und den Grundstücken des [X.] soll eine besondere Zone für die beiden Straßenbahngleise angelegt werden. Im Bereich der Grundstückszufahrten sollen die [X.] der Gleiszone abgeflacht werden, so dass die Grundstücke vom [X.] aus Richtung [X.] erreicht werden können.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss leide weder an beachtlichen Verfahrensfehlern, noch fehle es an der Planrechtfertigung. Auch zwingende gesetzliche Vorschriften stünden dem [X.] nicht entgegen. Der Planfeststellungsbeschluss weise aber ein [X.] auf, weil ihm keine schlüssige Bedarfsprognose zugrunde liege. Dieses [X.] sei jedoch nicht erheblich im Sinne von § 29 Abs. 8 [X.]. Der Abwägungsmangel sei zwar offensichtlich, auf das Ergebnis aber nicht von Einfluss gewesen. Da er den Bedarf an dem geplanten Vorhaben insgesamt betreffe, komme als andere Entscheidung hier nur ein völliger Verzicht auf den Bau der Straßenbahn in Betracht. Ein solcher Verzicht sei jedoch bei realistischer Betrachtung auch auf der Basis einer aktuellen Bedarfsprognose, die hier im Rahmen der "standardisierten Bewertung" von März 2008 angestellt worden sei, nicht zu erwarten.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.].

II.

7

Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

8

1. Der Kläger macht einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Das Oberverwaltungsgericht habe die Ursächlichkeit der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten, fehlerhaften [X.] für das [X.] zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass die nicht im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluss, sondern erst später hinsichtlich der Fördermittel eingeholte [X.] von März 2008 gegen den Verzicht auf das Vorhaben spreche und ihrerseits nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliege. Mit dieser Annahme habe das Oberverwaltungsgericht den Maßstab gerichtlicher Kontrolle nach § 86 Abs. 1 VwGO verkannt. Die "standardisierte Bewertung" von März 2008 sei nicht in den Planfeststellungsbeschluss eingeflossen und daher auch nicht als dessen Bestandteil, sondern als nachträglicher Tatsachenvortrag im Gerichtsverfahren zu werten. Tatsachenvortrag der Parteien sei aber, auch soweit er Prognosen enthalte, ohne Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Prognosen seien nur dann lediglich eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar, wenn sie Bestandteil der Planfeststellungsunterlagen seien. Er habe die "standardisierte Bewertung" von März 2008 hinsichtlich der Verfahrensweise und des zugrunde gelegten [X.] substanziiert angegriffen. Das Oberverwaltungsgericht hätte daher vor Abweisung der Klage ein Sachverständigengutachten dazu einholen müssen, ob die Zahlen aus der "standardisierten Bewertung" oder die Zahlen des von ihm beauftragten Gutachters Prof. Dr. D. zutreffen. Das Sachverständigengutachten hätte ergeben, dass die zu erwartenden Fahrgastzahlen gegenüber der [X.] aus der "standardisierten Bewertung" von März 2008 nochmals deutlich nach unten abweichen und ein Verzicht auf das Vorhaben als Planungsalternative nicht von der Hand zu weisen gewesen wäre.

9

Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung einer Aufklärungsrüge zu stellen sind, nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 [X.] - [X.] 2000, 27). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr; vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223 f.> = [X.] 448.0 § 17 [X.] Nr. 7 S. 8 f.; Beschluss vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 [X.] 2.01 - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 7 S. 10 f.). Einen Beweisantrag, der sich auf die "standardisierte Bewertung" von März 2008 bezieht, hat der Kläger ausweislich der Niederschriften über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 16. und 17. Februar 2010 nicht gestellt (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO; vgl. zur Beweiskraft des Protokolls nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 415 ZPO Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 7 C 10.05 - [X.] 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 10 Rn. 20).

Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem [X.] auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Eine Aufklärungsrüge ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn sie schlüssig aufzeigt, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen; dieser materiell-rechtliche Standpunkt ist auch dann maßgeblich, wenn er rechtlichen Bedenken begegnen sollte (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - [X.] 424.5 [X.] Nr. 1 S. 1 f. und vom 24. August 2006 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 451.171 § 9a [X.] Rn. 28).

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Sie legt nicht dar, warum sich dem Oberverwaltungsgericht von seiner Rechtsauffassung ausgehend eine weitere Sachaufklärung bzw. sachverständige Überprüfung der "standardisierten Bewertung" von März 2008 hätte aufdrängen müssen. Die Beschwerde erschöpft sich der Sache nach im Gegenteil darin, die Rechtsauffassung des [X.], die in der "standardisierten Bewertung" von März 2008 enthaltene Bedarfsprognose unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, sowie die rechtliche Würdigung des [X.], das festgestellte [X.] sei nicht erheblich im Sinne von § 29 Abs. 8 [X.], weil nach dieser aktuellen Bedarfsprognose ein Verzicht auf das Vorhaben nicht zu erwarten sei, als fehlerhaft anzugreifen. Damit wird ein Aufklärungsmangel nicht dargelegt.

Die Revision ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO zuzulassen. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme hiervon kommt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 2008 - BVerwG 9 [X.] - [X.] 406.25 § 50 BImSchG Nr. 6 Rn. 6 m.w.[X.]). Einen solchen Mangel zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

Der Kläger rügt eine widersprüchliche Würdigung der Tatsachengrundlage, die er darin sieht, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses auf die Erreichbarkeit seiner Grundstücke auf das Vorhandensein der - nicht streitgegenständlichen - [X.] abgestellt habe, im Übrigen aber von der verkehrlichen Situation ohne die Entlastungsstraße ausgegangen sei. Das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Rückgänge im Kundenaufkommen nicht auf die streitgegenständliche Planung, sondern im Wesentlichen auf die [X.] zurückzuführen seien. Die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht vorhandene [X.] habe das Oberverwaltungsgericht aber nicht berücksichtigen dürfen.

Dieses Vorbringen gibt für die Annahme einer willkürlichen Sachverhaltswürdigung nichts her. Der Kläger verschließt sich der Erkenntnis, dass sowohl aus dem Erläuterungsbericht (S. 11 Ziffer 1.7) als auch dem Planfeststellungsbeschluss (S. 16 Ziffer 1.1 erster Absatz sowie [X.] ff.) eindeutig hervorgeht, dass das Straßenbahnbauvorhaben nur umgesetzt werden kann (und soll), wenn auch die [X.] realisiert wird. Hiervon ist im Übrigen offenbar auch der Kläger bisher ausgegangen, denn in seinem Einwendungsschreiben vom 19. März 2007 ist von einem Junktim zwischen der Anbindung der [X.]er [X.] an das [X.] Straßennetz in [X.] und der Straßenbahnverlängerung nach [X.] die Rede.

Vor diesem Hintergrund ist es weder willkürlich noch verstößt es gegen die Denkgesetze, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der zukünftigen Erreichbarkeit der Grundstücke des [X.] danach differenziert hat, welche Folgen der [X.] und welche der Straßenbahn/[X.] zuzurechnen sind. Dies gilt auch für die Annahme des [X.], Rückgänge im Kundenaufkommen würden nicht erst durch die Verwirklichung des [X.]s, sondern schon durch die [X.] hervorgerufen. Diese Schlussfolgerung knüpft erkennbar daran an, dass der [X.] nach dem im Tatbestand des angegriffenen Urteils ([X.], [X.]) zitierten Erläuterungsbericht im [X.] als Folge der [X.] um 50 % bis 90 % und durch das [X.] - bezogen auf dieses Ergebnis - noch einmal um weitere 12 % bis 20 % reduziert werden soll.

Selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass die Kritik des [X.] sich nicht nur gegen die Berücksichtigung der [X.] und ihrer Folgen für das Verkehrsaufkommen in der [X.] richtet, sondern auch darauf zielt, dass die durch die [X.] bewirkten, erheblichen Folgen für das Kundenaufkommen durch das [X.], namentlich die [X.] im Bereich seiner Grundstücke, bis hin zur Existenzgefährdung verstärkt werden, folgt daraus kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz. Auch damit wird vielmehr nur die Tatsachen- und Beweiswürdigung des [X.] als fehlerhaft angegriffen und kein Fehler bei der Überzeugungsbildung im o.g. Sinne dargetan. Der Vollständigkeit halber sei insoweit darauf hingewiesen, dass die Darstellung, das Oberverwaltungsgericht sei auf die Absenkungen der [X.] zum Linksabbiegen auf die Grundstücke des [X.] nicht eingegangen ([X.] der Beschwerdebegründung), unzutreffend ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Umstand nicht nur im Tatbestand seines Urteils ([X.], [X.] unten) erwähnt, sondern auch in den Entscheidungsgründen angesprochen ([X.], S. 28 oben).

2. Die Sache hat auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier.

Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es einen Abwägungsmangel darstellt, wenn im Falle der gleichzeitigen Planung zweier Verkehrsvorhaben, von denen nur das eine Gegenstand des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses ist, während das andere Gegenstand einer anderen Planfeststellung oder Bauleitplanung ist, die gleichzeitig beschlossen wurde, zur Frage der immissionstechnischen Auswirkungen gutachterlich nur ein Vergleich der Verkehrssituation ohne beide Vorhaben mit der Verkehrssituation bei Verwirklichung beider Vorhaben vorgenommen wird.

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht. Das schalltechnische Gutachten nimmt entgegen der Auffassung des [X.] nicht nur einen Vergleich der Lärmsituation ohne Straßenbahn und ohne [X.] mit der voraussichtlichen Lärmsituation nach Verwirklichung beider Vorhaben vor. Es geht vielmehr von zwei verschiedenen Prognosefällen aus: dem sog. [X.] (Verkehrsbelastung im Bezugsjahr 2015 inkl. Busverkehr; gesamte Trasse der Entlastungsstraße fertig gestellt, keine Straßenbahn) und dem [X.] (Verkehrsbelastung Bezugsjahr 2015, Busverkehr weitgehend durch Straßenbahn ersetzt, gesamte Trasse der Entlastungsstraße fertig gestellt; Straßenbahnlinie 4 im Verlauf der [X.]/[X.]; vgl. S. 5/6 des schalltechnischen Gutachtens). Der [X.] geht mithin nicht von einer Verwirklichung beider Vorhaben aus, diese Annahme liegt nur dem [X.] zugrunde.

Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass beim Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Verkehrswege grundsätzlich nur sicherzustellen ist, dass "durch diese" keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (§ 41 Abs. 1 BImSchG). Maßgeblich ist ausschließlich der Beurteilungspegel des von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden [X.]. Geklärt ist ferner, dass abweichend von dem Grundsatz, dass die Beurteilungspegel für jeden Verkehrsweg gesondert zu berechnen sind, die Bildung eines Summenpegels dann geboten sein kann, wenn der neue oder der zu ändernde Verkehrsweg im Zusammenwirken mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege insgesamt zu einer Lärmbelästigung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (Beschluss vom 24. November 2010 - BVerwG 4 [X.] 28.10 - juris Rn. 3 m.w.[X.]).

Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Das gilt auch, soweit der Senat das Beschwerdevorbringen bei wohlwollender Betrachtung dahingehend versteht, dass der Kläger in Wahrheit einen Abwägungsfehler darin erblicken will, dass das schalltechnische Gutachten die Variante "Straßenbahn ohne [X.]" nicht behandelt. Das Beschwerdevorbringen führt aber auch insoweit nicht auf eine rechtsgrundsätzliche, über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsame und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts.

Der Kläger macht geltend, die durch die zwischenzeitlich erfolgte Fertigstellung der [X.] bewirkte Reduzierung des [X.] an seinen Grundstücken habe zur Folge, dass der Lärm sich nach Verwirklichung des Straßenbahnvorhabens gegenüber der derzeitigen Situation (und der ursprünglichen Situation) ohne beide Vorhaben steigern werde. Die Planfeststellungsbehörde habe beide Vorhaben hinsichtlich der prognostizierten schalltechnischen Auswirkungen so behandelt, als wären sie Bestandteil eines einzigen Planfeststellungsverfahrens. Dies sei fehlerhaft, weil die [X.] das rechtliche Schicksal der Straßenbahnverlängerung nicht teile und die Zeitpunkte der Verwirklichung auseinanderfielen. Demgegenüber seien hinsichtlich der kumulativen Effekte der Reduzierung des Durchgangsverkehrs und damit auch seiner "Laufkundschaft" nur die Auswirkungen der Straßenbahnverlängerung berücksichtigt worden. Mehrere Vorhaben müssten entweder in einem einheitlichen Planfeststellungsverfahren zusammengefasst werden oder - sofern dies nicht geschehe - außerhalb der jeweiligen Planfeststellung liegende Effekte außer Betracht bleiben.

Es kann dahinstehen, ob dieses Vorbringen zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung schon deshalb ungeeignet ist, weil der Kläger diese Einwendungen im Planfeststellungsverfahren nicht erhoben hat. Wie bereits ausgeführt geht sowohl aus dem Erläuterungsbericht als auch dem Planfeststellungsbeschluss hervor, dass das Straßenbahnbauvorhaben nur umgesetzt werden kann (und soll), wenn auch die [X.] realisiert wird. Auch der Kläger hat in seinem Einwendungsschreiben vom 19. März 2007 ein Junktim zwischen der Anbindung der [X.]er [X.] an das [X.] Straßennetz in [X.] und der Straßenbahnverlängerung nach [X.] angenommen. Die Variante "Straßenbahn ohne [X.]" war demnach offenkundig von vornherein nicht realistisch.

Zudem übersieht der Kläger, dass die Entscheidung darüber, ob zwei selbständige Vorhaben in einem Planfeststellungsverfahren zu behandeln sind, nicht im Belieben der Behörde oder gar des [X.] steht, sondern die Voraussetzungen dafür in § 78 VwVfG, der hier offenkundig nicht einschlägig ist, geregelt sind. Überdies zeitigt selbst die Verbindung selbständiger Vorhaben nach § 78 Abs. 1 VwVfG Rechtsfolgen nur für die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahrensrecht, nicht aber für das materielle Recht, zu dem auch die 16. BImSchV gehört. Die Selbständigkeit der Vorhaben bleibt unberührt (Urteil vom 23. Februar 2005 - [X.] 5.04 - BVerwGE 123, 23 <33 f.> = [X.] 451.91 Europ. [X.] Nr. 18 S. 100 f.).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Meta

7 B 46/10

01.02.2011

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 18. Februar 2010, Az: 1 D 615/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.02.2011, Az. 7 B 46/10 (REWIS RS 2011, 9928)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9928

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