Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2024, Az. IX ZR 19/22

9. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1445

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Gegenstand

Erfordernis der Genehmigung der Deutschen Bundesbank bei einer Pfändung in ein aufgrund der EU-Sanktionen gegen Libyen eingefrorenes Kontoguthaben


Leitsatz

1. Ohne Freigabe durch die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaats dürfen aufgrund der Verordnung (EU) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 eingefrorene Gelder und wirtschaftliche Ressourcen nicht gepfändet werden; dies gilt auch bei Vollstreckungsmaßnahmen, die auf Sicherungsmaßnahmen beschränkt sind (Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. November 2021 - C-340/20, RIW 2022, 58).

2. Erfolgt eine Forderungspfändung ohne die erforderliche Genehmigung, steht dem Pfandgläubiger kein Einziehungsrecht gegenüber dem Drittschuldner zu.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 17. Dezember 2021 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des [X.] vom 5. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der Kosten der Streithelfer zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die        [X.] (im Folgenden: [X.]       ) erstritt einen Schiedsspruch des [X.] in [X.] vom 31. Oktober 2013 gegen den [X.]       , einen libyschen Staatsfonds (im Folgenden: [X.]  ). Danach steht ihr ein Anspruch auf Zahlung von 1.806.075 € nebst Zinsen in Höhe von 769.437 € und Kosten (566.925 €, 21.940 US$ und 1.682 £) zu.

2

Die Klägerin ist die alleinige Gesellschafterin der [X.]            . Die [X.]       ermächtigte die Klägerin, den Anspruch aus dem Schiedsspruch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Die Klägerin beantragte beim [X.], den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären und Sicherungsmaßnahmen zuzulassen. Mit Beschluss vom 28. Juli 2014 ließ der Vorsitzende des 26. Zivilsenats des [X.] die einstweilige Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch zur Sicherung des titulierten Anspruchs zu und sprach die Pfändung einer angeblichen Forderung des [X.]  gegen die Beklagte auf Auszahlung eines Kontoguthabens von 16.002.664 US$ bis zum titulierten Betrag aus.

3

Bereits zuvor - am 30. Dezember 2011 - überwies die Beklagte das Kontoguthaben nach erfolgter Genehmigung durch die [X.] vom 23. Dezember 2011 an den Streithelfer zu 1. Anschließend kündigte sie das Konto gegenüber dem [X.]  zum 30. Juni 2012.

4

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Hinterlegung des gepfändeten Betrages zu ihren Gunsten und zu Gunsten des [X.]  beim [X.] unter Verzicht auf das Rücknahmerecht. Das [X.] hat die Klage mangels erforderlicher Genehmigung der [X.] abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 3.142.447 € nebst Nebenkosten unter Verzicht auf die Rücknahme bei der Hinterlegungsstelle des [X.] zugunsten der Klägerin und des [X.]  zu hinterlegen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, insbesondere handele die Klägerin aufgrund wirksam erteilter und zulässiger Ermächtigung zur Prozessführung. Die Klage sei auch begründet. Der Anspruch der Klägerin folge aus § 1281 Satz 2 BGB. Die dem Pfändungspfandrecht zugrundeliegende Forderung sei nicht erloschen, insbesondere habe die im Vertrauen auf eine gefälschte [X.] geleistete Zahlung auf ein Konto des Streithelfers zu 1 keine Erfüllungswirkung. Im Zeitpunkt der Pfändung sei die Forderung auch nicht verjährt gewesen, weil das Guthaben des [X.]  bei der Beklagten nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung ([X.]) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in [X.] und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 204/2011 ([X.]. [X.] L 12 S. 1) eingefroren gewesen sei und ein durchsetzbarer Auszahlungsanspruch des [X.]  ohne Genehmigung der [X.] nicht bestanden habe. Anders als das [X.] meine, stehe die genannte Vorschrift des Unionsrechts allerdings nicht dem [X.] entgegen. Die [X.]-Sanktionen wollten nicht die Bedienung berechtigter Forderungen verhindern. Auch verbiete Art. 1 [X.]. [X.] ([X.]) 2016/44 nur solche Bewegungen der Gelder, durch die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung durch den sanktionierten Personenkreis ermöglicht werde. Die beabsichtigte Hinterlegung stehe dem Zweck der Finanzsanktionen nicht entgegen. Ihre Rechtsfolge sei vielmehr, dass das Kontoguthaben der Verfügungsmacht des sanktionierten [X.]  entzogen werde. Der [X.]  habe keinen Zugriff auf die hinterlegten Gelder. Eine Auszahlung sei mit der Hinterlegung nicht verbunden. Die Gelder würden dem [X.]  auch nicht entgegen Art. 5 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 zur Verfügung gestellt oder ihm zugutekommen, [X.]n es um die - grundsätzlich erlaubte, Art. 11 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 - Bedienung von Altverbindlichkeiten des sanktionierten Personenkreises gehe. Eine Genehmigung der [X.] sei nicht erforderlich.

II.

7

Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage auf Hinterlegung der gepfändeten Gelder aus § 1281 Satz 2 BGB, § 804 Abs. 2 ZPO ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unbegründet. Ohne Genehmigung der [X.] durften aufgrund der Verordnung ([X.]) Nr. 204/2011 des Rates vom 2. März 2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in [X.] ([X.]. [X.] L 58 S. 1, berichtigt [X.]. [X.] L 87 S. 37) und - ab Inkrafttreten am 20. Januar 2016 - der Verordnung ([X.]) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in [X.] und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 204/2011 ([X.]. [X.] L 12 S. 1) (im Folgenden zusammenfassend als die Verordnungen bezeichnet) eingefrorene Gelder und wirtschaftliche Ressourcen der mit Sanktionen belegten libyschen Personen und Organisationen, darunter der [X.] , nicht sicherungsgepfändet werden (dazu unter 1). Ohne Genehmigung der [X.] ist es der Beklagten auch nicht erlaubt, Gelder an eine Hinterlegungsstelle auszuzahlen (dazu unter 2). An der not[X.]digen Genehmigung der [X.] fehlt es (dazu unter 3). Auf die sonstigen von der Revision erhobenen [X.] kommt es somit nicht an.

8

1. Bei dem gepfändeten Guthaben des [X.]  handelt es sich um gemäß den Verordnungen eingefrorenes und damit nach den [X.] ohne vorherige Genehmigung der [X.] unpfändbares Vermögen. Die Klägerin ist daher materiell-rechtlich nicht Inhaberin eines Pfandrechts geworden. Der Anspruch aus § 1281 Satz 2 BGB steht ihr nicht zu.

9

a) Gelder im Sinne der Sanktionsbestimmungen sind gemäß Art. 1 [X.]. a Doppelbuchst. [X.] der Verordnungen Einlagen bei Finanzinstituten oder anderen Einrichtungen, Guthaben auf Konten, Zahlungsansprüche und verbriefte Forderungen. Einfrieren von [X.] bedeutet nach Art. 1 [X.]. b der Verordnungen die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Ver[X.]dung von [X.] sowie des Zugangs zu ihnen und ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen. Unter dem Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen verstehen die Verordnungen gemäß Art. 1 [X.]. d die Verhinderung der Ver[X.]dung für den Erwerb von [X.], Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das [X.] dieser Ressourcen einschließt, aber nicht darauf beschränkt ist. Abweichend hiervon können die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten - in [X.] gemäß der im [X.] der Verordnungen genannten Website die [X.] - unter bestimmten, in den einzelnen Bestimmungen der Verordnungen genannten Bedingungen die Freigabe von [X.] und Vermögenswerten genehmigen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die von der Klägerin gepfändete Forderung des [X.]  gegen die Beklagte nach Art. 5 Abs. 4 [X.]. [X.] ([X.]) Nr. 204/2011 und nach Art. 5 Abs. 4, Anlage VI Nr. 2 VO ([X.]) 2016/44 eingefrorenes Vermögen darstellt.

b) Auf eingefrorene Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen dürfen ohne vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde keine Sicherungsmaßnahmen angewandt werden, mit denen dem betreffenden Gläubiger das Recht eingeräumt wird, im Vergleich zu anderen Gläubigern vorrangig befriedigt zu werden, auch [X.]n derartige Maßnahmen nicht die Wirkung haben, Vermögensgegenstände aus dem Vermögen des Schuldners herauszulösen. Dies hat der [X.] in seinem Urteil vom 11. November 2021 ([X.]/20, [X.] 2022, 58) zur Verordnung ([X.]) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen [X.] ([X.]. [X.] L 103 S. 1) entschieden. Die ver[X.]deten Definitionen des Einfrierens von [X.] und wirtschaftlichen Ressourcen in Art. 1 [X.]. g Doppelbuchst. [X.], [X.]. h und [X.] ([X.]) Nr. 423/2007 sind mit Art. 1 [X.]. a Doppelbuchst. [X.], [X.]. b und d der Verordnungen wortgleich; Art. 7 VO ([X.]) Nr. 423/2007 entspricht sinngemäß Art. 5 der Verordnungen. Schließlich enthält Art. 9 VO ([X.]) Nr. 423/2007 eine Art. 8b Abs. 2 VO ([X.]) Nr. 204/2011, eingefügt durch Verordnung ([X.]) Nr. 965/2011 des Rates vom 28. September 2011 zur Änderung der Verordnung ([X.]) Nr. 204/2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in [X.] ([X.]. [X.] L 253 S. 8), und Art. 11 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 entsprechende Vorschrift. Die Rechtsprechung gilt auch für die hier einschlägigen Verordnungen.

aa) Der Wortlaut der Definition des Einfrierens von [X.] ("Verhinderung jeglicher Form") oder wirtschaftlichen Ressourcen ("Ver[X.]dung […], die auch den Verkauf, das Vermieten oder das [X.] dieser Ressourcen einschließt, aber nicht darauf beschränkt ist") zeigt, dass Transaktionen, die mit eingefrorenem Vermögen abgeschlossen werden können, so weit wie möglich begrenzt werden sollen ([X.], Urteil vom 11. November 2021 - [X.]/20, [X.] 2022, 58 Rn. 45, 56). Auch bloße Sicherungsmaßnahmen, die im Ergebnis zu einer bevorrechtigten Befriedigung bestimmter Gläubiger führen, bewirken wegen dieses Ergebnisses eine Änderung der Zweckbestimmung der eingefrorenen Gelder und sind geeignet, eine Ver[X.]dung für den Erwerb von [X.], Waren oder Dienstleistungen zu bewirken ([X.], Urteil vom 11. November 2021, aaO Rn. 46). Der Generalanwalt hat in seinem Schlussantrag vom 17. Juni 2021 im Verfahren [X.]/20 ausgeführt (BeckRS 2021, 14549 Rn. 59 ff) und der [X.] hat sich zueigen gemacht ([X.], Urteil vom 11. November 2021, aaO Rn. 46), dass schon der Umstand, dass Gläubiger eine Vorzugsstellung bei der Befriedigung von Vermögen erlangen könnten, geeignet sei, die Effektivität der Sanktionen einzuschränken; denn Gläubiger könnten versucht sein, Geschäfte mit den Rechtsträgern der eingefrorenen Vermögensmassen abzuschließen, [X.]n ihnen eine Möglichkeit geboten würde, gegenüber anderen Gläubigern im Falle der Freigabe des Vermögens eine Vorzugsstellung zu erlangen. Es kommt nicht darauf an, ob die Maßnahme - etwa eine Sicherungspfändung - den Gegenstand schon aus dem Vermögen des Schuldners herauslöst. Die Verordnung umfasst ausdrücklich die Verpfändung von Gütern ([X.], Urteil vom 11. November 2021, aaO Rn. 49 f).

bb) Die genannten Erwägungen gelten nicht nur im spezifischen Rahmen der Verordnung ([X.]) Nr. 423/2007 gegen die Islamische Republik [X.], sondern auch im vorliegenden Fall der Sanktionen gegen [X.]. Auch hier verlangt der Schutzzweck der Verordnungen, die Begriffe des Einfrierens weit auszulegen, weil es darum geht, jede Ver[X.]dung der eingefrorenen Vermögenswerte zu verhindern, die es ermöglichen würde, die fraglichen Verordnungen zu umgehen und die Schwächen des Systems auszunutzen. Die Auslegung der Verordnungen muss - wie es Erwägungsgrund 2 der [X.] ([X.]) 2016/44 formuliert - eine Gefährdung berücksichtigen, die von Personen und Organisationen ausgeht, die staatliche Gelder [X.]s, die während des ehemaligen Regimes von [X.] in [X.] veruntreut wurden, besitzen oder kontrollieren und die dazu ver[X.]det werden könnten, den [X.], die Stabilität oder die Sicherheit [X.]s zu bedrohen oder den erfolgreichen Abschluss seines politischen Übergangs zu behindern oder zu untergraben. Dies gilt auch für den [X.] , der ausweislich der in der [X.] ([X.]) 2016/44 enthaltenen weiteren Angabe zu Nr. 2 des [X.] unter der Kontrolle von [X.] und seiner Familie stehe und eine potentielle Quelle der Finanzierung seiner Herrschaft darstelle. Sie muss ferner berücksichtigen, dass es Ziel der Verordnung und der hinter ihr stehenden Resolution Nr. 1970/2011 (dort unter Nr. 18) des [X.] ist, dafür Sorge zu tragen, dass das eingefrorene Vermögen nach Möglichkeit dem libyschen Volk zurückgegeben werden kann. Dies gebietet - nicht anders als im Falle der Verordnung ([X.]) Nr. 423/2007 - eine weite Auslegung.

cc) Vorstehendes schließt nicht aus, dass bestimmte Ver[X.]dungen der eingefrorenen Vermögenswerte mit dem Schutzzweck der Verordnungen und der hinter ihr stehenden Resolution des UN-Sicherheitsrates 1970/2011 im Einklang stehen. Eine solche Ver[X.]dung steht jedoch unter dem Vorbehalt einer Genehmigung der zuständigen Behörde (Art. 7-8b, 10 f VO ([X.]) Nr. 204/2011 sowie Art. 8-11, 13 f VO ([X.]) 2016/44), die ihrerseits eine Prüfung der Vereinbarkeit der Freigabe mit dem Zweck der Sanktionen und überdies Notifizierung der [X.] und/oder des [X.] voraussetzt. Für die Befriedigung von Forderungen gegen den [X.] , die vor dessen Sanktionierung begründet wurden, ist die Möglichkeit einer Genehmigung in Art. 8[X.] ([X.]) Nr. 204/11 und in Art. 11 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 geregelt. Ohne eine solche Genehmigung bleiben die Vermögenswerte eingefroren und ist die Pfändung unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 2021 - [X.]/20, [X.] 2022, 58 Rn. 58, 62 ff). Eine Genehmigung mit Rückwirkung ist mit Unionsrecht nicht vereinbar.

dd) Die Rechtslage ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé", vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.], NJW 1983, 1257, 1258; [X.], [X.], 52 Rn. 35; [X.], Beschluss vom 24. September 2019 - [X.] 39/18, [X.]Z 223, 168 Rn. 22). Einer Anrufung des Gerichtshofs der [X.] durch den Senat zu den hier einschlägigen Verordnungen bedarf es nicht. Anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend machte, stellt der [X.], wie sich aus seinem Urteil vom 11. November 2021 ([X.]/20, [X.] 2022, 58 Rn. 57, 59) ergibt, nicht entscheidend darauf ab, dass nach [X.] Recht die Pfändung die Wirkungen einer Hinterlegung hat, sondern auf die Begründung eines Vorzugsrechts für den betreffenden Gläubiger.

ee) Das (Sicherungs-)Pfandrecht der Klägerin verstößt gegen das Sanktionsregime der Verordnungen. Es begründet ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung gegenüber Gläubigern des [X.] , die erst später auf das gepfändete Vermögen zugreifen wollen (§ 804 Abs. 3 ZPO). Mit Erwirken eines Titels in der Hauptsache würde sich ein aus einstweiligem Rechtsschutz stammendes Pfandrecht in ein voll gültiges Vollstreckungspfandrecht mit dem Rang des Sicherungspfandrechts umwandeln ([X.], Urteil vom 9. Juni 1976 - [X.], [X.]Z 66, 394, 397).

c) Aufgrund des Verstoßes gegen Unionsrecht ist die Klägerin materiell-rechtlich nicht Inhaberin eines Pfandrechts geworden. Diesen Einwand kann die Beklagte auch im [X.] erheben. Dies folgt aus den Wirkungen, die der [X.] dem Einfrieren von Vermögenswerten beigemessen hat.

aa) Art. 1 [X.]. b und d der Verordnungen statuiert ein umfassendes Verfügungs- und Abtretungsverbot. Transaktionen mit eingefrorenen [X.] sollen soweit wie möglich unterbunden werden ([X.], Urteil vom 11. November 2021 - [X.]/20, [X.] 2022, 58 Rn. 43). Jede Form der Ver[X.]dung, des Zugangs und ihres Einsatzes einschließlich Verpfändung soll verhindert werden. Auch die Erfüllung von Ansprüchen ist verboten (Art. 12 VO ([X.]) Nr. 204/2011 und Art. 17 VO ([X.]) 2016/44). Der Sache nach möchte das Unionsrecht das eingefrorene Vermögen dem Rechtsverkehr möglichst vollständig entziehen, solange keine Freigabe erteilt ist. Das Verbot richtet sich nicht nur gegen den Sanktionierten, sondern auch gegen den vollstreckungsrechtlichen Zugriff eines [X.], selbst [X.]n dieser nur auf einen Vorrang bei einer späteren Befriedigung zielt. Eine nachträgliche Genehmigung mit ex-tunc-Wirkung ist somit ausgeschlossen. An (derart) unübertragbar gestellten Gegenständen kann ein Pfandrecht nicht begründet werden.

bb) Diesen Einwand kann der Drittschuldner im Einziehungsprozess geltend machen, selbst [X.]n der [X.] nicht nichtig sein sollte. Grundsätzlich hat das Gericht einen zwar anfechtbaren, aber nicht nichtigen [X.] bis zu seiner Aufhebung zu beachten ([X.], Urteil vom 16. Februar 1976 - [X.], [X.]Z 66, 79, 80 f; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - [X.], [X.], 2265 Rn. 7; vom 2. Juli 2020 - [X.] 3/19, [X.], 1548 Rn. 16). Für den auf das materielle Recht gestützten Einwand im Einziehungsprozess, die Pfändung sei unter Verstoß gegen die Verordnungen und das Verbot in § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.], die Zwangsvollstreckung erst nach Vorliegen der not[X.]digen materiell-rechtlichen Genehmigungen zu beginnen, erfolgt, trifft dies jedoch nicht ohne weiteres zu. Die mit dem Einfrieren von Vermögenswerten durch die Verordnungen und die Möglichkeit der Freigabe der Vermögenswerte für bestimmte zulässige Zwecke zusammenhängenden vielfach schwierigen Rechtsfragen betreffen den Inhalt der gepfändeten Forderung und die hiermit verbundenen Auswirkungen auf die Vollstreckung. Ihrer Natur nach gehören aber Einwände, die sich auf den Inhalt eines Anspruchs beziehen, in das Erkenntnisverfahren. Die Einhaltung der Zweckbindung betrifft dabei unmittelbar den [X.] der Beklagten gegenüber dem [X.]  aus der eingefrorenen Rechtsbeziehung, weil die Beklagte - unter Sanktionsbewehrung (§ 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) - Bereitstellungs- und Verfügungsverbote sowie Genehmigungspflichten aus [X.] hinsichtlich eingefrorener Vermögenswerte zu beachten hat. Folgehandlungen wie Ausschüttungen unterliegen ebenfalls [X.], welche die Beklagte auch bei unterstellter Wirksamkeit des Pfandrechts zu beachten hat. Das Pfandrecht bliebe im Verhältnis zur Bank gleichsam eine leere Hülle. Dies rechtfertigt es, der Beklagten vorliegend zu gestatten, sich im Einziehungsprozess unabhängig von einer etwaigen Nichtigkeit eines [X.]es auf die materiell-rechtliche Unwirksamkeit der Pfändung zu berufen.

2. Hinsichtlich des klägerischen Hauptantrags besteht darüber hinaus ein Genehmigungserfordernis durch die [X.], weil sich die Klägerin nicht darauf beschränkt, der Beklagten zu verbieten, an den Schuldner zu leisten (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO), also den status quo zu ihren Gunsten einzufrieren. Sie verlangt nach § 804 Abs. 2 ZPO, § 1281 Satz 2 BGB die Hinterlegung der gepfändeten Gelder bei einer Hinterlegungsstelle.

a) Die Übertragung der Gelder an eine Hinterlegungsstelle stellt eine "Bewegung" oder einen "Transfer" im Sinne von Art. 1 [X.]. b der Verordnungen dar. Der Transfer kommt, anders als das Berufungsgericht meint, dem [X.]  entgegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnungen zugute. Zum einen wird eine Forderung gegen die Beklagte durchgesetzt, die diese aufgrund der Auszahlung 2011 für erfüllt hält; zum anderen stellt die Besicherung und mögliche spätere Erfüllung einer Verbindlichkeit des [X.]  für diesen einen Wert dar.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Hinterlegung bei einem Gericht erfolgen soll. Das Unionsrecht differenziert nicht danach, an [X.] die Leistung erfolgen soll, sondern knüpft das Genehmigungserfordernis allein an die Durchbrechung des Einfrierens. Im Übrigen ist es sachgerecht, jedweden Transfer von [X.] von einem Kreditinstitut einer präventiven Kontrolle zu unterwerfen, weil Kreditinstitute, insbesondere international erfahrene Kreditinstitute, eine erhöhte Gewähr für die korrekte Umsetzung von Sanktionen bieten. Überdies bietet das Hinterlegungsrecht keine Handhabe und Gewähr für die korrekte Umsetzung der [X.]-Sanktionen, weil die Herausgabeanordnung rein formell an das Vorliegen übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten zur [X.] anknüpft (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 2 Nr. 1 des Hinterlegungsgesetzes des [X.], [X.]). Da die Hinterlegung auch zugunsten des [X.]  erfolgt, trifft überdies nicht zu, dass die Gelder diesem mit der Hinterlegung entzogen werden, wie das Berufungsgericht meint.

b) Mit der Klage auf Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme verlangt die Klägerin zugleich die Erfüllung der behaupteten Forderung des [X.]  gegen die Beklagte (vgl. § 378 BGB). Die Erfüllung von vertraglichen Ansprüchen des [X.]  ohne Freigabe für zulässige Zwecke ist der Beklagten verboten, Art. 17 Abs. 1 [X.]. [X.] ([X.]) 2016/44. Auch deshalb bedurfte es einer vorherigen Genehmigung.

3. Gemäß Art. 8b Abs. 2 VO ([X.]) Nr. 204/2011 und Art. 11 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 kann die [X.] als zuständige nationale Behörde bei Fälligkeit von Zahlungen aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die von der betreffenden Person, Organisation oder Einrichtung vor dem Tag geschlossen oder übernommen wurden, an dem diese Person, Organisation oder Einrichtung vom Sicherheitsrat oder dem Sanktionsausschuss benannt wurde - wie hier aufgrund des [X.] zwischen der [X.]      und dem [X.]  aus dem [X.] -, abweichend von Art. 5 Abs. 4 der Verordnungen die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen unter ihnen geeignet erscheinenden Bedingungen genehmigen, [X.]n die betreffende zuständige Behörde festgestellt hat, dass die Zahlung weder sanktionierten Personen, Organisationen oder Einrichtungen zugutekommt und der betreffende Mitgliedstaat dem Sanktionsausschuss seine Absicht zur Erteilung der Genehmigung zehn Arbeitstage im Voraus notifiziert.

Eine Genehmigung der [X.] liegt bislang nicht vor. Zwar hat die [X.] am 23. Dezember 2011 die Freigabe von [X.] in Höhe von 16.002.664 US$ im Hinblick auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des [X.] ([X.]) vom 16. August 2011 zugunsten der Klägerin freigegeben. Auf diese Genehmigung kann das Klagebegehren nicht gestützt werden.

Die damalige Genehmigung betrifft einen anderen Sachverhalt. Ihr lag ein anderer Titel zugrunde als der hiesigen Klage. Dort handelte es sich um einen vermeintlich unstreitigen Vollstreckungsbescheid über einen vermeintlich eigenen Anspruch der Klägerin, hier um einen streitigen Schiedsspruch zugunsten der [X.]      . Auch die geltend gemachten Zahlbeträge waren andere (19 statt 3 Millionen Euro). Die Genehmigungsbehörde muss bei ihrer Entscheidung deshalb die Genehmigung unter anderen Voraussetzungen prüfen. Zweck der Sanktionen ist ausdrücklich, dass eingefrorene Gelder nach Möglichkeit dem libyschen Volk zurückerstattet werden sollen.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und weist die Klage ab.

1. Die Klage ist im Hauptantrag abzuweisen, weil ein Anspruch auf Hinterlegung mangels Genehmigung durch die [X.] nicht besteht.

2. Auch mit ihren Hilfsanträgen, über die das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig nicht entschieden hat, hat die Klage keinen Erfolg. Die Hilfsanträge wurden erstmals im [X.] geltend gemacht. Dies begegnet keinen Bedenken, da die Beklagte ihrer Erhebung vor dem [X.] nicht widersprochen hat (§ 533 Nr. 1, § 267 ZPO) und die Hilfsanträge auf Tatsachen gestützt sind, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO). Die Hilfsanträge erweisen sich jedoch als unbegründet.

a) Mit dem ersten Hilfsantrag erstrebt die Klägerin eine Verurteilung unter dem Vorbehalt, dass nach der Entscheidung des [X.] mit der [X.] eine Freigabeerklärung erforderlich ist und erteilt wird. Diesem Antrag bleibt der Erfolg versagt, weil der Senat die Frage der Genehmigungspflicht durch die [X.] als Vorfrage zu prüfen hatte und eine Genehmigungspflicht bejaht hat.

b) Mit dem zweiten und dritten Hilfsantrag begehrt die Klägerin eine Verurteilung unter dem Vorbehalt, dass die Finanzsanktionen gegen den [X.]  aufgehoben werden oder eine Freigabe durch die [X.] nach Art. 11 Abs. 2 VO ([X.]) 2016/44 erfolgt. Auch damit hat die Klägerin keinen Erfolg. Die Klägerin ist nicht in der Lage, gegen einen Drittschuldner einen Einziehungsprozess zu führen. Ihr fehlt mit dem Pfandrecht die not[X.]dige materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Verurteilung.

Schoppmeyer     

      

Schultz     

      

Harms 

      

Weinland     

      

Kunnes     

      

Meta

IX ZR 19/22

25.01.2024

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 17. Dezember 2021, Az: 7 U 23/18

§ 1281 S 2 BGB, § 804 Abs 1 ZPO, § 804 Abs 2 ZPO, Art 1 Buchst b EUV 2016/44, Art 1 Buchst d EUV 2016/44, Art 11 Abs 2 EUV 2016/44, Art 17 Abs 1 Buchst b EUV 2016/44

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2024, Az. IX ZR 19/22 (REWIS RS 2024, 1445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1445


Verfahrensgang

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Az. IX ZR 19/22

Bundesgerichtshof, IX ZR 19/22, 25.01.2024.


Az. 7 U 23/18

Oberlandesgericht Hamm, 7 U 23/18, 24.08.2018.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 7 U 23/18, 30.05.2018.


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VII ZA 3/19

VI ZB 39/18

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