Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2017, Az. IX AR (VZ) 1/16

9. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16249

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Gegenstand

Justizverwaltung: Beteiligung des zuständigen Insolvenzrichters am Rechtsbeschwerdeverfahren über die Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter


Leitsatz

1. Der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Insolvenzgerichts zuständige Insolvenzrichter kann in einem gerichtlichen Verfahren, mit dem ein Bewerber die Aufnahme in die von dem Insolvenzrichter geführte Vorauswahlliste begehrt, nicht als Beteiligter hinzugezogen werden.

2. Eine in einem gerichtlichen Verfahren, mit dem ein Bewerber die Aufnahme in die von einem Insolvenzrichter geführte Vorauswahlliste begehrt, gegen das Amtsgericht als zuständiger Behörde ergehende Entscheidung hat der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Insolvenzgerichts zuständige Insolvenzrichter zu beachten.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 2. Zivilsenat - vom 2. August 2016 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin beantragte im Dezember 2013, in die [X.]n aller [X.] des [X.] für die Bestellung von Insolvenzverwaltern aufgenommen zu werden. Durch Bescheid vom 18. Februar 2014 lehnte der die Abteilung 67c des [X.] als [X.] führende Richter am [X.](fortan: [X.]) die Aufnahme der Antragstellerin in seine [X.] ab. Die Antragstellerin stellte vor dem [X.] Antrag nach §§ 23 ff [X.]. In diesem Verfahren hat das [X.] den [X.] als materiell-rechtlich zutreffenden Antragsgegner angesehen und ihn mit Beschluss vom 13. April 2015 verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]s hat der [X.] entschieden, dass zutreffender Antragsgegner das Amtsgericht ist, dem der [X.] angehört (Beschluss vom 17. März 2016 - [X.]([X.]) 3/15), und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

2

Der [X.] hat im wieder eröffneten Verfahren gegenüber dem [X.] die formelle Beiladung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beantragt. Das [X.] hat den Antrag des [X.]s, ihn als Beteiligten im Verfahren hinzuzuziehen, zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der [X.] verfolgt mit seiner Rechtsbeschwerde seinen Antrag weiter, am Verfahren beteiligt zu werden.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

4

1. Das [X.] hat angenommen, dass der [X.] am Verfahren nicht zu beteiligen sei. [X.] seien nur Behörden. Der [X.] entscheide über die Aufnahme eines Bewerbers in seine [X.] nicht als natürliche Person, sondern für die Justizbehörde. Der jeweilige [X.] gehöre damit zu keiner der von § 8 FamFG genannten Gruppen. Dass ein [X.] nach Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sei, führe nicht dazu, ihm außerhalb der gesetzlichen Regelung in § 8 FamFG eine [X.]keit zuzusprechen.

5

2. Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Der jeweilige [X.] ist an einem gerichtlichen Verfahren, mit dem ein Bewerber die Aufnahme in die von dem [X.] geführte [X.] begehrt, weder gemäß § 7 Abs. 2 FamFG noch gemäß § 7 Abs. 3 FamFG zu beteiligen.

6

a) Der einzelne [X.] ist nicht als Behörde am Verfahren zu beteiligen. Wie der [X.] mit Beschluss vom 17. März 2016 ([X.]([X.]) 1/15, [X.], 837 Rn. 14 ff) entschieden hat, ist der einzelne [X.] keine Behörde im Sinne des § 8 Nr. 3 FamFG. Richtiger Antragsgegner in diesen Verfahren ist daher gemäß § 7 Abs. 2 [X.] FamFG nur die Behörde ([X.], aaO Rn. 20).

7

b) Der einzelne [X.] ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht als natürliche Person am Verfahren zu beteiligen. Zwar sind natürliche Personen gemäß § 8 Nr. 1 FamFG beteiligtenfähig. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine natürliche Person die rechtliche Fähigkeit besitzt, an einem Verfahren beteiligt zu werden. Darum geht es nicht. Im Streitfall ist allein entscheidend, ob der jeweilige [X.] als natürliche Person gemäß § 7 Abs. 2, 3 FamFG als Beteiligter von Amts wegen oder auf seinen Antrag hinzuzuziehen ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.

8

c) § 7 Abs. 2, 3 FamFG gelten auch im Verfahren nach §§ 23 ff [X.]. Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Verweisung, weil das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 ([X.]) § 29 Abs. 2 [X.] aF ersatzlos gestrichen hat. Jedoch hat der Gesetzgeber nur beabsichtigt, den Rechtsmittelzug neu zu ordnen, ohne das Verfahren im Übrigen zu ändern (vgl. BT-Drucks. 16/6308, [X.] zu Art. 21 zu [X.]). Deswegen müssen auf das Verfahren vor dem Zivilsenat des [X.]s die Regelungen des FamFG weiterhin auch ohne ausdrücklichen Verweis ergänzend herangezogen werden ([X.], Beschluss vom 17. März 2016 - [X.]([X.]) 1/15, [X.], 837 Rn. 15, [X.]/[X.], 4. Aufl., Vorbemerkung zu den §§ 23 ff [X.] Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 29 [X.] Rn. 2).

9

aa) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 [X.] FamFG liegen ebenso wenig vor wie die des § 7 Abs. 3 FamFG. In beiden Fällen ist erforderlich, dass aufgrund eines Gesetzes vorgesehen ist, dass eine Person zum Verfahren hinzuziehen ist oder hinzugezogen werden kann. Es handelt sich um besondere gesetzliche Regelungen, welche die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG enthaltene Generalklausel überlagern (MünchKomm-FamFG/[X.], 2. Aufl., § 7 Rn. 8, 14). Entscheidend ist die ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu, dass eine Person an einem Verfahren zu beteiligen ist (BT-Drucks. 16/6308, [X.] f; vgl. [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 7 FamFG Rn. 10, 12). Die Frage, welche Personen nach § 7 Abs. 2 [X.] [X.] oder nach § 7 Abs. 3 FamFG zu einem Verfahren hinzugezogen werden können, ist im Gesetz abschließend geregelt. Ohne eine gesetzliche Anordnung kommt eine Hinzuziehung nicht in Betracht (MünchKomm-FamFG/[X.], aaO, § 7 Rn. 18). Eine solche Regelung besteht nicht für den [X.] als natürliche Person.

bb) Der [X.] ist auch nicht nach der Generalklausel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Beteiligter hinzuzuziehen. Voraussetzung für eine Beteiligung des jeweiligen [X.]s als natürlicher Person an dem Verfahren nach §§ 23 [X.] ist, dass der [X.] gerade als natürliche Person in seinen Rechten durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Dies ist nicht der Fall.

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG enthält eine Generalklausel. Als Beteiligter hinzuzuziehen ist, wessen Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Das Kriterium der Unmittelbarkeit verlangt, dass der Verfahrensgegenstand direkte Auswirkungen auf das subjektive Recht des Einzelnen haben muss (BT-Drucks. 16/6308, [X.]; MünchKomm-FamFG/[X.], aaO, § 7 Rn. 7). Es geht also um eigene materielle, nach öffentlichem oder privatem Recht geschützte Positionen (BT-Drucks. 16/6308, [X.]). Eine Rechtsbeeinträchtigung im genannten Sinne liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, es also aufhebt, beschränkt, mindert, ungünstig beeinflusst oder gefährdet, die Ausübung dieses Rechts stört oder die mögliche Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält oder erschwert ([X.], Beschluss vom 8. Oktober 2014 - [X.] 406/13, [X.], 42 Rn. 14 mwN; vom 28. September 2016 - [X.] 251/16, [X.], 50 Rn. 18). Solche subjektiven Rechte des [X.]s sind in einem Verfahren nicht betroffen, in dem seine in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Entscheidung über die Aufnahme eines Bewerbers in eine [X.] gerichtlich überprüft wird.

cc) Soweit der [X.] meint, seine Bindung an die im Beschwerdeverfahren ergehende Sachentscheidung könne nicht gesichert werden, wenn er nicht als natürliche Person am Verfahren beteiligt werde, geht dies fehl. Es ist vielmehr stets so, dass - soweit Verwaltungsakte einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen - die Behörden und ihre unselbständigen Teile an die im jeweiligen konkreten Fall ergangenen gerichtlichen Entscheidungen gebunden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, wer als unselbständiger Teil der Gesamtbehörde intern entscheidungsbefugt ist. Dies ist gerade Sinn der gerichtlichen Kontrolle und gilt auch für in richterlicher Unabhängigkeit erlassene [X.]. Eine gegen das Amtsgericht nach § 28 [X.] ergehende Entscheidung des [X.]s zur Führung der [X.] hat der jeweilige [X.] daher - wie der Senat bereits mit Beschluss vom 17. März 2016 ([X.]([X.]) 1/15, [X.], 837 Rn. 19) entschieden hat - stets zu beachten; einer Weisung des [X.] bedarf es nicht.

Bei der Führung der [X.] wird vollziehende Gewalt in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt ([X.], [X.], 1649, 1651). Dies ändert aber nichts daran, dass sie der gerichtlichen Kontrolle unterliegt ([X.] aaO; [X.], 1355 Rn. 23, 46) und die im Zuge der gerichtlichen Kontrolle getroffenen Entscheidungen bindend sind. Dies folgt schon aus § 28 Abs. 2 [X.]. Im Übrigen entspricht es einem allgemeinen Grundsatz, dass gerichtliche Entscheidungen im konkreten Fall die unteren Instanzen auch dann binden, wenn diese zuvor in richterlicher Unabhängigkeit entschieden haben (arg. § 563 Abs. 2 ZPO; [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1968 - [X.], [X.]Z 51, 131, 135). Nichts anderes gilt für den jeweiligen [X.] als unselbständigem Teil der Behörde. Die von der Rechtsbeschwerde befürchtete [X.] zwischen der Behörde und dem jeweiligen [X.] besteht im gerichtlichen Verfahren nach §§ 23 ff [X.] daher nicht. Auf welche Weise die Behörde im gerichtlichen Verfahren nach §§ 23 ff [X.] die dem jeweiligen [X.] als ihrem unselbständigen Teil (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2016, aaO Rn. 17) bei seiner Entscheidung über die Aufnahme in die [X.] zukommende richterliche Unabhängigkeit berücksichtigt, ist nicht Gegenstand des Verfahrens nach §§ 23 ff [X.].

Kayser      

        

Lohmann      

        

Pape   

        

Schoppmeyer      

        

Meyberg      

        

Meta

IX AR (VZ) 1/16

02.02.2017

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 2. August 2016, Az: 2 VA 4/14

§ 7 Abs 2 FamFG, § 7 Abs 3 FamFG, § 23 GVGEG, §§ 23ff GVGEG, § 28 Abs 2 GVGEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2017, Az. IX AR (VZ) 1/16 (REWIS RS 2017, 16249)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1110 REWIS RS 2017, 16249

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 406/13

XII ZB 251/16

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