Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2023, Az. 28 W (pat) 21/23

28. Senat | REWIS RS 2023, 10116

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2022 011 751

(hier: Aussetzung des Widerspruchsverfahrens)

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 14. September 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen [X.] und Berner

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 37 des [X.] vom 7. Februar 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen die für die Beschwerdegegnerin am 30. August 2022 für Dienstleistungen der Klassen 37, 40 und 42 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragene Wortmarke „NÜTHEN“ hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben, gestützt auf ihre in grau im Register eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2020 113 915 Abbildung

2

Nachdem die Widersprechende ihren Widerspruch mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 begründet hatte, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit am 2. Februar 2023 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz beantragt, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem [X.] zwischen den Verfahrensbeteiligten anhängigen Verfahrens auszusetzen. Ihre beim [X.] eingereichte Klageschrift vom 15. November 2022 war dem Aussetzungsantrag als Anlage beigefügt. Zur Begründung hat die Markeninhaberin darauf hingewiesen, dass beide Widerspruchszeichen Gegenstand der vor dem [X.] anhängigen Verletzungs- und Löschungsklage seien. Der Ausgang dieses zivilrechtlichen Verfahrens sei für das Widerspruchsverfahren vor dem [X.] vorgreiflich i. S. v. §§ 32 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 148 ZPO.

3

Ohne der Widersprechenden vorab Gelegenheit gegeben zu haben, sich auf den Aussetzungsantrag der Markeninhaberin zu äußern, hat die Markenstelle beiden Verfahrensbeteiligten mit einem durch einen Tarifbeschäftigten verfassten, amtlichen Schreiben vom 7. Februar 2023, Folgendes mitgeteilt:

4

Sehr geehrte Damen und Herren,

5

auf das Schreiben vom [X.] (siehe Anlage) teilen wir Ihnen mit, dass das Widerspruchsverfahren bis zum rechtsfähigen Abschluss vor dem [X.] anhängigen Verfahrens ausgesetzt wird.

6

Mit freundlichen Grüßen

7

Markenstelle für Klasse 37“.

8

Das Schreiben vom 7. Februar 2023 war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und wurde beiden Verfahrensbeteiligten ohne [X.] formlos per Post übermittelt. Der Mitteilung an die Widersprechende war der Aussetzungsantrag der Markeninhaberin vom 2. Februar 2023 nebst Anlagen als Anlage beigefügt.

9

Gegen dieses Schreiben hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 23. Februar 2023 „sofortige Beschwerde“ eingelegt, mit der sie beantragt,

die Aussetzungsentscheidung der Markenstelle für Klasse 37 vom 7. Februar 2023 aufzuheben.

Ferner regt sie die Rückzahlung der von ihr am 25. Februar 2023 entrichteten [X.] in Höhe von 200 Euro an.

Zur Begründung führt sie aus, dass die Aussetzungsentscheidung der Markenstelle rechtsfehlerhaft sei. Weder habe die Markenstelle die Entscheidung begründet, noch sei die Widersprechende vor der Aussetzung des Verfahrens angehört worden. Im Übrigen sei der Ausgang des von der Markeninhaberin benannten zivilgerichtlichen Verfahrens für das hiesige Verfahren nicht vorgreiflich i. S. d. § 32 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 148 ZPO. In diesem Zusammenhang hat sie auf die der „sofortigen Beschwerde“ beigefügte und von ihr verfasste, beim [X.] eingereichte Klageerwiderung vom 6. Februar 2023 verwiesen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Urteil vom 10. Mai 2023 hat das [X.] die Klage der Markeninhaberin abgewiesen. Die Markeninhaberin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 31. Juli 2023 mitgeteilt, dass sie gegen das erstinstanzliche Urteil des [X.]s vom 10. Mai 2023 Berufung eingelegt habe. Ihre Berufungsschrift vom 29. Juni 2023 hat sie als Anlage beigefügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde führt in der Sache zur Aufhebung der in dem Schreiben des [X.] vom 7. Februar 2023 enthaltenen Aussetzungsentscheidung und zur Zurückverweisung an das [X.] zur erneuten Entscheidung über den Aussetzungsantrag (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.]). Ferner ist die [X.] aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen.

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] findet die Beschwerde gegen Beschlüsse der Markenstellen und der [X.] statt. Dabei sind Beschlüsse im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] alle abschließenden Entscheidungen der Markenstellen und der [X.], die die Rechte von Verfahrensbeteiligten berühren können (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 66 Rn. 6).

Vorliegend hat die Markenstelle für Klasse 37 des [X.] den Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom 7. Februar 2023 mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren bis zum rechtsfähigen Abschluss des vor dem [X.] anhängigen Verfahrens ausgesetzt werde, wobei mit „rechtsfähig“ „rechtskräftig“ gemeint sein dürfte. Damit hat die Markenstelle eine abschließende Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Markeninhaberin vom 2. Februar 2023 getroffen. Dies gilt, obwohl die Mitteilung ihrer Form nach nicht als Beschluss ergangen ist, sondern als solche an die Beteiligten mit einfachem Brief versandt wurde.

b) Die Beschwerde wurde fristgerecht eingelegt und die [X.] gezahlt.

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Beschwerde nach §§ 66 Abs. 1, 66 Abs. 1 i. V. m. 64 Abs. 6 [X.] oder gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 252 ZPO statthaft ist (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom [X.], 27 W (pat) 551/17 unter Hinweis auf [X.], Beschluss vom 31.05.2011, 25 W (pat) 31/10 oder [X.], Beschluss vom 16.02.2023, 29 W (pat) 72/22). Denn die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in jedem Fall eingehalten. Insoweit bedarf es nicht der Entscheidung, ob die zweiwöchige [X.] gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. §§ 569 Abs. 1 Satz 1, 252 ZPO zur Anwendung kommt, oder ob die für die Beschwerdeeinlegung in [X.] grundsätzlich maßgebliche Monatsfrist des § 66 Abs. 2 [X.] gilt. Da das Scheiben der Markenstelle vom 7. Februar 2023 nicht gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 [X.]§ 61 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist die § 61 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist die einmonatige Beschwerdefrist nach § 66 Abs. 2 [X.] nicht in Lauf gesetzt worden (§ 61 Abs. 2 Satz 2 [X.]), so dass die Beschwerde nach § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.]§ 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] innerhalb eines Jahres eingelegt werden konnte. Da die § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] innerhalb eines Jahres eingelegt werden konnte. Da die angegriffene

Entscheidung des [X.] mit 7. Februar 2023 datiert ist und die „sofortige Beschwerde“ der Beschwerdeführerin am 23. Februar 2023 und die [X.] in Höhe von 200 Euro am 25. Februar 2023 eingegangen sind, ist vorliegend ohnehin innerhalb eines Monats die Beschwerde eingelegt und die Gebühr bezahlt worden. Selbst wenn man die Einhaltung der zweiwöchigen [X.] gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. §§ 569 Abs. 1 Satz 1, 252 ZPO, die eine rasche Klärung der Rechtmäßigkeit einer Aussetzung bewirken soll, für erforderlich hielte, so ist die Beschwerde nicht verfristet. Die [X.] beginnt gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst mit Zustellung des Beschlusses zu laufen, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses. Eine formlose Mitteilung setzt die Frist nicht in Gang; in diesem Fall ist die Beschwerde binnen fünf Monaten ab Bekanntgabe der Entscheidung an die Beteiligten einzulegen ([X.], Beschluss vom 25. September 2019, 27 W (pat) 551/17; [X.], Beschluss vom 16.02.2023, 29 W (pat) 72/22). Auch diese Frist ist bzw. wäre eingehalten.

c) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin ist gegeben, da der zwischen den Verfahrensbeteiligten in der zweiten Instanz anhängige Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig erledigt ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 121).

2. Die Beschwerde ist begründet, da das Verfahren vor dem [X.] an einem wesentlichen Mangel leidet, § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.].

a) Die angefochtene Entscheidung ist nicht begründet. Es liegt daher ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis nach § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor.

Das Schreiben der Markenstelle vom 7. Februar 2023 enthält lediglich die Aussage, dass das Widerspruchsverfahren bis zum „rechtsfähigen“ Abschluss des vor dem [X.] anhängigen Verfahrens ausgesetzt werde. Es wurde keine Rechtsgrundlage für die Aussetzung genannt (z. B. § 43 Abs. 3 [X.], § 32 [X.]). Es ist auch sonst nicht ersichtlich, auf welche Gründe sich die Aussetzung stützt. Die Entscheidung der Markenstelle lässt in keiner Weise erkennen, dass die in den vorgenannten Normen genannten Voraussetzungen für eine Aussetzung berücksichtigt wurden.

b) Im Rahmen einer Aussetzungsentscheidung hat das [X.] unabhängig von der in Betracht kommenden gesetzlichen Grundlage im Rahmen seiner Entscheidung ein Ermessen auszuüben („kann“). Ob und wenn ja wie das Ermessen im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung vorliegend überhaupt ausgeübt worden ist, bleibt völlig offen. Es liegt damit ein Ermessensfehler vor.

c) Zudem ist den Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Widersprechenden, vorab keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Aussetzungsantrag und damit kein rechtliches Gehör gewährt worden. Eine Aussetzung ohne zuvor gewährtes rechtliches Gehör ist regelmäßig verfahrens- und damit auch ermessensfehlerhaft (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 119 [X.]; [X.], Beschluss vom 31.05.2011, 25 W (pat) 31/10 – [X.]; Beschluss vom 16.02.2023, 29 W (pat) 72/22).Denn die ordnungsgemäße ü setzt voraus, dass rechtliches Gehör gewährt wird, um die ermessensrelevanten Umstände überhaupt zutreffend ermitteln und berücksichtigen zu können.

3. Der Senat sieht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] von einer eigenen abschließenden Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Markeninhaberin ab und verweist die Sache an das [X.] zurück. Es liegt keine ausreichend überprüfbare Entscheidung des [X.] vor. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der [X.] im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung des Senats zukommt, ist in der angegriffenen Entscheidung keinerlei Begründung enthalten und somit nicht ersichtlich, welcher Sachvortrag bzw. welche Unterlagen bei dieser Entscheidung seitens der Markenstelle zur Kenntnis genommen wurden. Dies führt im Grunde genommen dazu, dass auch keine inhaltliche Befassung der Markenstelle vorliegt, was im Falle einer sofortigen gerichtlichen Entscheidung einem Instanzverlust gleichkäme.

4. Die Markenstelle für Klasse 37 des [X.] wird daher – sofern das zwischen den Verfahrensbeteiligten anhängige Verfahren vor den Zivilgerichten bis dahin nicht rechtskräftig abgeschlossen ist - nach Gewährung des rechtlichen Gehörs beider Verfahrensbeteiligten und unter Nennung der entsprechenden gesetzlichen Grundlage und erkennbarer Anwendung ihres Ermessensspielraums durch Beschluss über die Frage der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden haben.

5. Mit Einlegung der rechtswirksamen Beschwerde ist die gezahlte [X.] verfallen, so dass eine Rückzahlung wegen fehlenden Rechtsgrunds ausscheidet ([X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 71 Rn. 48, 49). Eine Rückzahlung der [X.] kommt mithin nur nach § 71 Abs. 3 [X.]§ 71 Abs. 3 [X.] aus Billigkeitsgründen in Betracht; eine solche ist vorliegend auch § 71 Abs. 3 [X.] aus Billigkeitsgründen in Betracht; eine solche ist vorliegend auch angezeigt. Denn die konkrete fehlerhafte Sachbehandlung der Markenstelle lässt es unbillig erscheinen, die [X.] einzubehalten.

6. Die zu treffende Entscheidung ist unanfechtbar, da sie eine Nebenfrage des Verfahrens betrifft (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 83 Rn. 6).

Meta

28 W (pat) 21/23

14.09.2023

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2023, Az. 28 W (pat) 21/23 (REWIS RS 2023, 10116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10116

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