Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.09.2018, Az. 27 W (pat) 551/17

27. Senat | REWIS RS 2018, 3462

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "herzo/HERNO (Unionsbildmarke)" - zur Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Weigerung des DPMA, einem ausgesetzten Verfahren Fortgang zu geben – Aussetzung des Verfahrens – Ermessensspielraum des DPMA hinsichtlich der Frage der Sachdienlichkeit der Aussetzung - eine verfahrensfehlerhafte Versagung des rechtlichen Gehörs führt per se zu einer ermessensfehlerhaften Entscheidung – Aufhebung - Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs – Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 005 515

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 25. September 2018 durch die Richterin [X.] als Vorsitzende, [X.] und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

[X.] Die Entscheidung des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 9. März 2017 über die Ablehnung der Wiederaufnahme des Widerspruchsverfahrens aus der Widerspruchsmarke [X.] 477 und dem Unternehmenskennzeichen der Beschwerdeführerin wird aufgehoben.

I[X.] Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

II[X.] Der Kostenantrag der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 6. August 2014 angemeldete Wortmarke

2

herzo

3

ist am 16. September 2014 unter der Nummer 30 2014 005 515 für diverse Waren der Klassen 3, 4, 14, 16, 18, 20, 21, 22, 24, 25, 28, 30, 32 und 33 sowie Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44 und 45 in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister eingetragen worden.

4

Gegen die Eintragung dieser Marke wurden insgesamt vier Widersprüche eingelegt. Neben zwei zuvor eingelegten Widersprüchen weiterer Widersprechender aus [X.] vom 17. Oktober 2014 (im Folgenden „Widerspruch eins“) und 19. Januar 2015 (im Folgenden „Widerspruch zwei“) hat die Beschwerdeführerin ebenfalls am 19. Januar aus ihrem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ (im Folgenden „Widerspruch drei“) und aus der am 31. Juli 2014 angemeldeten und am 22. Dezember 2014 eingetragenen Gemeinschaftsmarke [X.] 477

Abbildung

5

(im Folgenden „Widerspruch vier“), die für diverse Waren der Klassen 03, 09, 14, 18 und 25 sowie Dienstleistungen der Klasse 35 Schutz genießt, Widersprüche eingelegt.

6

Nach Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund teilweisen Verzichts durch die Beschwerdegegnerin im Bereich der Waren Klasse 30 wurde der Widerspruch zwei zurückgenommen. Die weiteren Widersprechenden haben erklärt, ihre Widersprüchen auch nach Teillöschung der angegriffenen Marke aufrecht zu erhalten.

7

Gegen die Widerspruchsmarke eins ist ein Löschungsverfahren anhängig. Gegen den in dem Löschungsverfahren ergangenen Beschluss des [X.] vom 27. August 2015 ist die Beschwerde beim [X.] anhängig (Az. 26  W (pat) 33/16). Das Verfahren ist laut elektronischer Verfahrensverwaltung terminiert, eine abschließende Entscheidung ist bislang nicht ergangen.

8

Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 hat die Beschwerdegegnerin beantragt, das Widerspruchsverfahren hinsichtlich sämtlicher Widersprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem gegen die Widerspruchsmarke eins gerichteten Löschungsverfahren auszusetzen, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Eine Zusendung dieses Schreibens an die Beschwerdeführerin ist nach Aktenlage nicht erfolgt.

9

Mit zwei formlosen Schreiben vom 15. Juli 2016 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 41, der Beschwerdeführerin jeweils mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren aus dem Unternehmenskennzeichen bzw. aus der Widerspruchsmarke [X.] 477 auf Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 32 Abs. 2 [X.] bis zur Erledigung des anhängigen Löschungsverfahrens gegen eine weitere Widerspruchsmarke ausgesetzt werde.

Auf Sachstandsanfrage der Beschwerdeführerin vom 21. Februar 2017 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 41, der Beschwerdeführerin mit einem weiteren formlosen Schreiben vom 9. März 2017 mitgeteilt, dass das anhängige Löschungsverfahren gegen die weitere Widerspruchsmarke (Widerspruchsmarke eins) nunmehr beim [X.] anhängig sei und dass das Widerspruchsverfahren somit weiterhin ausgesetzt bleibe.

Die Widersprechende hat am 12. April 2017 Beschwerde gegen die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens erhoben.

Zur Begründung ist ausgeführt, die Markenstelle habe mit Entscheidung vom 15. Juli 2016 das Verfahren ausgesetzt und mit Entscheidung vom 9. März 2017, der Beschwerdeführerin zugegangen am 14. März 2017, die Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens abgelehnt. Die Beschwerde richte sich gegen die letztgenannte Entscheidung vom 9. März 2017, die einen Beschluss i. S. v. § 66 Abs. 1 [X.] darstelle. Die Beschwerdefrist des § 66 Abs. 2 [X.] sei eingehalten. Die Beschwerdeführerin sei durch die Entscheidung, dass das Widerspruchsverfahren ausgesetzt bleibe, beschwert.

Das [X.] habe das ihm bei der Entscheidung über die Aussetzung eines Widerspruchsverfahrens zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Bereits die der Aussetzungsentscheidung zugrunde liegende Entscheidung des [X.], über die Widersprüche verschiedener Widersprechender gemeinsam zu entscheiden, sei ermessensfehlerhaft, da das Interesse der Beschwerdeführerin an einer Entscheidung in angemessener [X.] nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die Rechtswidrigkeit der Aussetzungsentscheidung folge bereits aus der dieser zugrunde liegenden rechtswidrigen gemeinsamen Behandlung aller Widersprüche, der Verfahren der Beschwerdeführerin einerseits und der Verfahren von [X.] andererseits. Die Rechtswidrigkeit der Verfahrensverbindung setze sich in der Anordnung sowie der Aufrechterhaltung der Aussetzung sämtlicher Widerspruchsverfahren fort.

Zudem habe die Markenstelle ihre Entscheidung nicht in einer ausreichenden Weise begründet, so dass nicht ersichtlich sei, dass sie ihr Ermessen bei der Entscheidung in sachgerechter Weise ausgeübt habe. Im Übrigen seien der Aussetzungsbeschluss bzw. die Ablehnung der Fortsetzung des Verfahrens auch bereits deswegen ermessensfehlerhaft, weil der Beschwerdeführerin nicht zuvor rechtliches Gehör gewährt worden sei.

Schließlich liege der Aussetzungsgrund des § 32 Abs. 2 Alt. 2 [X.] nicht vor, da gar kein Löschungsverfahren gegen ihre Widerspruchsmarke [X.] 477 anhängig sei, sondern gegen eine ihr, der Beschwerdeführerin, unbekannte [X.] eines [X.].

Die Beschwerdeführerin ist schließlich der Ansicht, dass sie durch eine solche Aussetzungsentscheidung bzw. die Entscheidung, das Verfahren nicht wieder aufzunehmen, in ihrem Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen [X.] unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer überlangen Verfahrensdauer verletzt werde.

Da die Entscheidung über die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens wesentlich auf einer Verletzung ihres rechtlichen Gehörs beruhe, entspreche eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr der Billigkeit.

Ferner bestehe Anlass zu einer Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 [X.].

Die Beschwerdeführerin und Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Entscheidung des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 9. März 2017 aufzuheben.

Sie regt ferner an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdeführerin anzuordnen und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Beschwerde sei bereits unzulässig, da sie nicht fristwahrend erhoben worden sei. Die Beschwerdeführerin habe erst am 12. April 2017 gegen den Beschluss des [X.] vom 15. Juli 2016 Beschwerde erhoben. Mit dem Schreiben vom 9. März 2017 habe das [X.] lediglich seinen Beschluss vom 15. Juli 2016 bestätigt. Die Beschwerdeführerin hätte somit binnen der Frist des § 66 Abs. 2 [X.] gegen den Beschluss vom 15. Juli 2016 vorgehen müssen.

Zudem sei die Beschwerde nicht begründet, da das [X.] den Beschluss ermessensfehlerfrei erlassen habe. Das [X.] habe seine Aussetzungsentscheidung auf § 32 Abs. 2 [X.] gestützt. Da das Löschungsverfahren, auf welches die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens gestützt worden sei, noch immer bei Gericht anhängig sei, sei es nicht sachdienlich, den Aussetzungsbeschluss nun aufzuheben. Die in dem Löschungsverfahren aufgegriffenen Rechtsfragen seien vorgreiflich für das vorliegende Widerspruchsverfahren, da es um die Beurteilung des Begriffs „HERZO“ im Lichte des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 [X.] gehe.

Eine vorzeitige Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdeführerin und eine Auferlegung der Kosten auf die Beschwerdegegnerin würden abgelehnt. Über die sachgerechte Verteilung der Kosten solle erst nach Entscheidung in Bezug auf das Löschungsverfahren ein Beschluss gefasst werden.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Die Beschwerde ist statthaft.

Die Beschwerdeführerin richtet sich mit ihrer Beschwerde ausdrücklich gegen die mit Schreiben vom 9. März 2017 mitgeteilte Entscheidung des [X.], es bei der am 15. Juli 2016 getroffenen Entscheidung der Aussetzung des Verfahrens zu belassen und das Verfahren nicht wieder aufzunehmen. Neben der ursprünglichen Aussetzungsentscheidung vom 15. Juli 2016 ist auch die hier verfahrensgegenständliche Entscheidung vom 9. März 2016 mit der Beschwerde angreifbar. Dieser kommt insoweit Regelungsgehalt zu, als das [X.] ausdrücklich entschieden hat, das Verfahren auch auf Sachstandsanfrage der Beschwerdeführerin und trotz der seit der Entscheidung vom Vorjahr verstrichenen [X.] nicht wieder aufzunehmen. Auch die Weigerung, einem Verfahren Fortgang zu geben, muss im Wege der Beschwerde angreifbar sein (vgl. [X.] in: [X.] Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 252 Rn. 13, 14; [X.], NJW-RR 1996, 228).

Der [X.] der Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Entscheidung – ebenso wie die Aussetzungsentscheidung vom 15. Juli 2016 – ihrer Form nach nicht als Beschluss ergangen ist, sondern eine Mitteilung an die Beteiligten mit einfachem Brief erfolgte. Es handelt sich dennoch um eine Entscheidung, die die Fortdauer der Aussetzung bewirkt, egal in welcher Form sie ergangen ist. Im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes als Teil des Rechtsstaatsprinzips ist die Ablehnung, ein Verfahren fortzusetzen, mit der Beschwerde angreifbar, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung in Beschlussform ergangen ist (vgl. [X.] in: [X.]/[X.], ZPO, 15. Auflage 2018, § 252 Rn. 2; [X.] in: [X.] ZPO, 29. Edition, Stand: 01.07.2018, § 252 vor Rn. 1).

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Beschwerde nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 [X.] oder gem. § 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. § 252 ZPO statthaft ist (vgl. die Entscheidung BPatG 25 W (pat) 31/10 – [X.], in der die [X.] der Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss sowohl unmittelbar gem. § 66 Abs. 1 S. 1 [X.] als auch gem. § 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. § 252 ZPO bejaht wurde; s. auch [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 43 Rn. 116). Denn die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in jedem Fall eingehalten.

b) Die Beschwerde wurde fristgerecht eingelegt.

Insoweit bedarf es nicht der Entscheidung, ob die zweiwöchige [X.] gem. §§ 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. §§ 569 Abs. 1 S. 1, 252 ZPO zur Anwendung kommt, oder ob die für die Beschwerdeeinlegung in [X.] grundsätzlich maßgebliche Monatsfrist gem. § 66 Abs. 2 [X.] gilt (so BPatG 25 W (pat) 31/10 – [X.]: Anwendung von § 66 Abs. 2 [X.] in Bezug auf eine Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss). Denn die Frist ist in jedem Fall gewahrt.

Die Frist des § 66 Abs. 2 [X.] beginnt gem. § 61 Abs. 2 S. 2 [X.] nur zu laufen, wenn eine Belehrung über das Rechtsmittel erfolgt ist. Dementsprechend hat im vorliegenden Fall eine Beschwerdefrist bereits deswegen nicht zu laufen begonnen, weil eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht erteilt wurde. Die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 S. 3 [X.] wurde eingehalten. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen die der Beschwerdeführerin am 14. März 2017 zugegangene Entscheidung sogar binnen der Monatsfrist des § 66 Abs. 2 [X.] eingelegt.

Selbst wenn man die Einhaltung der zweiwöchigen [X.] gem. §§ 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. §§ 569 Abs. 1 S. 1, 252 ZPO, die eine rasche Klärung der Rechtmäßigkeit einer Aussetzung bewirken soll, für erforderlich hielte, so ist die Beschwerde nicht verfristet. Die [X.] beginnt gem. § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO erst mit Zustellung des Beschlusses zu laufen, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses. Eine formlose Mitteilung setzt die Frist nicht in Gang; in diesem Fall ist die Beschwerde binnen fünf Monaten ab Bekanntgabe der Entscheidung an die Beteiligten einzulegen (vgl. [X.]  in: [X.] Kommentar zur ZPO; 5. Auflage 2016, § 569 Rn. 6). Die Beschwerde wurde vorliegend innerhalb dieser Fünfmonatsfrist ab Bekanntgabe der Entscheidung an die Beschwerdeführerin eingelegt.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Aussetzung von Widerspruchsverfahren ist zum einen in § 43 Abs. 3 [X.] geregelt. Nach dieser Vorschrift kann, wenn gegen eine Marke mehrere Widersprüche erhoben wurden, für den Fall, dass einer oder mehrere Widersprüche begründet sind und daraus die Löschung der Marke angeordnet werden kann, das Verfahren über die weiteren Widersprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Eintragung der Marke ausgesetzt werden. Daneben ist eine Aussetzung des Widerspruchsverfahrens gem. § 32 Abs. 1 [X.] möglich, wenn dies sachdienlich ist. Gem. § 32 Abs. 2 [X.] kommt eine Aussetzung insbesondere in Betracht, wenn dem Widerspruch voraussichtlich stattzugeben wäre und der Widerspruch auf eine angemeldete Marke gestützt worden ist oder vor dem [X.] ein Verfahren zur Löschung der Widerspruchsmarke anhängig ist.

Hier liegt ein Fall des § 43 Abs. 3 Marken nicht vor, da das [X.] bislang jedenfalls nicht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Widerspruch eins begründet sei. Auch § 32 Abs. 2 [X.] ist nicht einschlägig, da ein Löschungsverfahren nur gegen die Widerspruchsmarke eins anhängig ist und dieses die von der Beschwerdeführerin erhobenen Widersprüche drei und vier nicht unmittelbar betrifft.

Die Aussetzung richtet sich daher vorliegend nach § 32 Abs. 1 [X.]. Bei der Frage, ob die Aussetzung des Verfahrens bzw. die Fortsetzung der Aussetzung sachdienlich sind, steht dem [X.] ein Ermessensspielraum zu. Diese Ermessensentscheidung ist in der Beschwerdeinstanz lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar (vgl. [X.] in: [X.]/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 116).

Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob die Aussetzung eines Widerspruchsverfahrens im Hinblick auf ein Löschungsverfahren gegen eine [X.] als sachgerecht angesehen werden kann. Der [X.] lässt jedoch offen, ob das [X.] inhaltlich die Grenzen seines Ermessens überschritten hat, da die Entscheidung über die Ablehnung der Wiederaufnahme bereits aus sonstigen Gründen aufzuheben war.

Vorliegend war nicht nur die ursprüngliche Entscheidung des [X.] über die Aussetzung des Verfahrens vom 15. Juli 2016, sondern auch die beschwerdegegenständliche Entscheidung vom 9. März 2017 schon deswegen fehlerhaft, weil die Markenstelle der Beschwerdeführerin kein rechtliches Gehör gewährt. Sie hat ihr weder den Antrag der Beschwerdegegnerin auf Aussetzung des Verfahrens zukommen lassen, noch hat sie ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage der Aussetzung bzw. der Fortdauer der Aussetzung gegeben. Damit hat sie bereits nicht die Tatsachen ermittelt, die für die Ermessensausübung relevant sind, wie beispielsweise das Interesse der Beschwerdeführerin an einem zügigen Fortgang des Verfahrens. Die verfahrensfehlerhafte Versagung rechtlichen Gehörs führt somit per se zu einer ermessensfehlerhaften Entscheidung (vgl. auch BPatG 25 W (pat) 31/10 – [X.]).

Im Hinblick auf die Versagung rechtlichen Gehörs kommt es auf die weitere Frage nicht mehr an, ob auch ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs vorliegt vor dem Hintergrund, dass die Markenstelle ihre Entscheidung nicht begründet hat und daher nicht ersichtlich ist, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen.

Gem. § 71 Abs. 3 [X.] kann das Patentgericht anordnen, dass die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz zurückgezahlt wird. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar von dem Grundsatz der vom Ausgang des Verfahrens unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde (vgl. [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 71 Rn. 50). Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfolgt aus Billigkeitsgründen. Vorliegend beruht die Entscheidung auf einer Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs, so dass im Hinblick auf diese Verletzung eines gewichtigen Rechts die Einbehaltung der Beschwerdegebühr als unbillig anzusehen wäre.

4. Demgegenüber erfolgt keine Auferlegung der Kosten des vorliegenden Verfahrens zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

Gem. § 71 Abs. 1 S. 2 [X.] tragen die Beteiligten die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten grundsätzlich selber; eine Kostenauferlegung erfolgt gem. § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] nur in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen ([X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 6). Dazu bedarf es besonderer Umstände, die sich beispielsweise aus einem Verhalten eines Beteiligten ergeben können, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl. [X.] in: [X.]/[X.]/ [X.], Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage 2014, § 71 Rn. 5). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben, zumal die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin für den Beschwerdegegner bis zur Einlegung der Beschwerde nicht ersichtlich war.

5. Die Entscheidung ist unanfechtbar, da sie eine Nebenfrage des Verfahrens betrifft (vgl. [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 83 Rn. 6).

Meta

27 W (pat) 551/17

25.09.2018

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 252 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.09.2018, Az. 27 W (pat) 551/17 (REWIS RS 2018, 3462)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3462

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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