Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2021, Az. II R 1/19

2. Senat | REWIS RS 2021, 6100

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Gegenstand

Keine Erbschaftsteuerpause


Leitsatz

Die Regelungen des ErbStG i.d.F. des WBG 2009 betreffend den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz sind über den 30.06.2016 hinaus weiter anwendbar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 08.11.2018 - 7 K 3022/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrer am 28.08.2016 verstorbenen Tante. Der erbschaftsteuerpflichtige Erwerb bestand aus Privatvermögen (im Wesentlichen Bankguthaben sowie eine ausgezahlte Lebensversicherung). Mit Bescheid vom 01.06.2017 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) unter Anwendung eines Steuersatzes von 15 % für die Steuerklasse II nach § 19 Abs. 1 des [X.] ([X.]) i.d.F. des Art. 6 des [X.] vom 22.12.2009 --WBG 2009-- ([X.], 3950) Erbschaftsteuer fest.

2

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, dass am Stichtag, dem 28.08.2016, kein mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Einklang stehendes Erbschaftsteuergesetz mehr existiert habe, sodass der Erwerb nicht der Erbschaftsteuer unterliege. Das [X.] ([X.]) habe mit seinem Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 ([X.]E 138, 136, [X.], 50) dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 30.06.2016 eingeräumt, die nicht verlängert worden sei. Das [X.] wies den Einspruch am 16.10.2017 als unbegründet zurück.

3

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass mit dem rückwirkend zum 01.07.2016 in [X.] getretenen [X.] i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des [X.] an die Rechtsprechung des [X.] vom 04.11.2016 ([X.], 2464 --[X.] [X.]) --[X.] [X.] eine umfassende Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 01.07.2016 geschaffen worden sei. Die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich zulässig. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2019, 455 veröffentlicht.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen die Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG geltend.

5

§ 37 Abs. 12 Satz 1 [X.] 2016 sei nichtig, da er i.V.m. Art. 3 [X.] 2016 eine unzulässige Rückwirkung beinhalte. Es liege kein Fall einer ausnahmsweise zulässigen echten Rückwirkung vor, da die Klägerin aufgrund des verzögerten Gesetzgebungsverfahrens auf einen Wegfall der Erbschaftsbesteuerung vertraut habe. Wegen einer Verklammerung der den Erwerb von Betriebsvermögen betreffenden Regelungen mit der Tarifnorm des § 19 [X.] habe auch für solche Erbfälle, die nur Privatvermögen betrafen, nicht mehr mit einer Novellierung gerechnet werden müssen. Ab dem 01.07.2016 sei die Übergangsregelung beendet gewesen. Dies gelte auch für § 19 [X.], da die [X.] ab dem 01.07.2016 insgesamt blockiert gewesen sei.

6

Die Regelungen des [X.] 2016 seien auch aus anderen Gründen verfassungswidrig. Erwerber von Privatvermögen seien in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung verletzt. Die Bestimmungen zum Ausschluss des Verwaltungsvermögens aus dem [X.] verstießen zudem gegen das Gebot der Normenklarheit.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung, den Erbschaftsteuerbescheid vom 01.06.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 16.10.2017 aufzuheben,

hilfsweise das Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bis zu einer Neuregelung auszusetzen,

und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 139 Abs. 3 [X.]O für notwendig zu erklären.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Das [X.] trägt vor, die Fortgeltungsanordnung durch das [X.] sei ausdrücklich nicht befristet worden. Die Rückwirkung des [X.] 2016 sei zulässig, da angesichts der Entscheidung und der späteren Äußerungen des [X.], des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens und des begleitenden Verwaltungshandelns kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend habe entstehen können, dass es einen erbschaftsteuerfreien Zeitraum nach dem 30.06.2016 geben werde. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des [X.] 2016 sei zu berücksichtigen, dass das [X.] dem Gesetzgeber einen großen Spielraum eingeräumt habe, der auch eine enorme Bevorzugung von Unternehmenserben beinhalte.

Das [X.] ist dem Verfahren am 07.05.2020 nach § 122 Abs. 2 [X.]O beigetreten. Es unterstützt in der Sache das Vorbringen des [X.].

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Festsetzung der Erbschaftsteuer wegen des Erwerbs von Todes wegen gegen die Klägerin rechtmäßig und verfassungskonform ist. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 [X.]O ist nicht geboten.

1. Zur Beseitigung seiner Verfassungswidrigkeit wurde das bisherige Erbschaftsteuerrecht im November 2016 rückwirkend zum 01.07.2016 neu geregelt.

a) Das [X.] hatte mit Urteil in [X.]E 138, 136, [X.], 50 entschieden, dass § 13a [X.] und § 13b [X.] i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 ([X.], 3018 --[X.] 2008--) jeweils i.V.m. § 19 Abs. 1 [X.] i.d.F. der Bekanntmachung vom [X.] ([X.] 1997, 378 --[X.] 1997--), auch in den seither geltenden Fassungen, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind (vgl. Ziffer 1 des Tenors des Urteils in [X.]E 138, 136, [X.], 50).

Es tenorierte außerdem "Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum [X.] zu treffen." (vgl. Ziffer 2 des Tenors des Urteils in [X.]E 138, 136, [X.], 50).

b) Nach § 37 Abs. 12 Satz 1 [X.] 2016 (eingefügt durch Art. 1 Nr. 10 [X.] 2016) finden die §§ 10, 13a bis 13d, 19a, 28 und 28a [X.] 2016 auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem [X.] entsteht. Das [X.] 2016 wurde am 04.11.2016 beschlossen und am 09.11.2016 verkündet. Gemäß Art. 3 [X.] 2016 trat es mit Wirkung vom 01.07.2016 in Kraft.

2. Stellt das [X.] die Verfassungswidrigkeit einer Norm fest, führt dies nicht zwangsläufig zur Nichtanwendbarkeit der Norm. Maßgeblich ist der Tenor der Entscheidung des [X.].

a) Stellt das [X.] die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest, folgt daraus in der Regel die Verpflichtung des Gesetzgebers, rückwirkend, bezogen auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten [X.]punkt, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten. Wird nicht zugleich eine Fortgeltungsanordnung getroffen, dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen ([X.]-Urteil vom 10.04.2018 - 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, [X.]E 148, 147, Rz 165, m.w.N.).

b) Aus besonderem Grund, namentlich im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für [X.]räume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung, hat das [X.] allerdings wiederholt die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für gerechtfertigt erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist eingeräumt, um binnen angemessener [X.] verfassungsgemäße Regelungen zu erlassen (Fortgeltungsanordnung, vgl. [X.]-Beschluss vom 23.06.2015 - 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, [X.]E 139, 285, [X.], 871, Rz 89; [X.]-Urteil in [X.]E 148, 147, Rz 170, m.w.N.). Bei einer derartigen im Tenor der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ausdrücklich getroffenen Anordnung steht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der weiteren Anwendung der betreffenden Rechtsnorm --im vom Verfassungsgericht angeordneten Umfang-- als solche außer Frage (vgl. [X.]-Beschluss vom 30.03.1998 - 1 BvR 1831/97, [X.] 1998, 422; Beschluss des [X.] --BFH-- vom 23.10.2000 - II B 157/99, [X.] 2001, 498).

Teilweise ordnet das [X.] die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen bis zu der dem Gesetzgeber für eine Neuregelung gesetzten Frist an (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91, [X.]E 93, 165, [X.] 1995, 671, und vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91, [X.]E 93, 121, [X.] 1995, 655; [X.]-Urteile vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, [X.]E 125, 175, und in [X.]E 148, 147, Rz 171 f.). [X.] ist jedoch nicht zwingend an die dem Gesetzgeber zur Neuregelung eingeräumte Frist gekoppelt. Sie kann auch --unabhängig von einer Verpflichtung des [X.] bis zu einem bestimmten Datum gelten (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05, [X.]E 123, 1, [X.] 2009, 1035, und in [X.]E 139, 285, [X.], 871, jeweils Ziffer 2 des Tenors).

c) Für den Fall, dass der Gesetzgeber die gesetzte Frist zur Neuregelung verstreichen lässt, stehen dem [X.] hinsichtlich der Fortgeltungsanordnung verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

Im Fall der verfassungswidrigen Bemessung der Regelleistungen nach dem [X.] führte das [X.] z.B. aus, dass bei einer Fristüberschreitung durch den Gesetzgeber dieser verpflichtet wäre, ein später erlassenes Gesetz mit Rückwirkung zu erlassen ([X.]-Urteil in [X.]E 125, 175, Rz 218). Dagegen traf es in den Beschlüssen vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 ([X.]E 99, 216, [X.] 1999, 182) und vom 13.02.2008 - 2 BvL 1/06 ([X.]E 120, 125) selbst eine Regelung, sollte der Gesetzgeber die Frist verstreichen lassen.

Hinsichtlich der Vermögensteuer hat das [X.] in seinem Beschluss in [X.]E 93, 121, [X.] 1995, 655 unter [X.] einer befristeten Fortgeltungsanordnung bereits in den Gründen eine Neuregelung lediglich als eine der Handlungsoptionen betrachtet und nur für diesen Fall vorgesehen, dass der Gesetzgeber Übergangsregelungen treffen darf, die eine teilweise Fortgeltung der bisherigen Vorschriften anordnen (unter [X.]). Aufgrund der Untätigkeit des Gesetzgebers trat mit Fristablauf jedoch eine Anwendungssperre der Vermögensteuer bezüglich der nach dem 31.12.1996 verwirklichten Tatbestände ein.

d) Entscheidet das [X.] hingegen, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar und der Gesetzgeber bis zu einem bestimmten [X.]punkt zu einer Neuregelung verpflichtet ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 07.11.2006 - 1 BvL 10/02, [X.]E 117, 1, [X.] 2007, 192), sind die verfassungswidrigen Regelungen entsprechend der [X.] unabhängig vom Fristlauf für den Gesetzgeber bis zu der tatsächlichen Neuregelung anwendbar (so auch [X.]/[X.], [X.] --ErbStB-- 2016, 146; Eichberger in 54. [X.] [X.] vom 09.02.2015; [X.]/[X.], [X.] 2015, 497, 499 f.; [X.]/[X.], Der Betrieb --DB-- 2016, 2016, 2018 f.; [X.] [X.]/[X.], 11. Ed. 01.04.2021, [X.] § 37 Rz 63; anderer Ansicht u.a. [X.], [X.]schrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2016, 367; Drüen, [X.], 643; [X.], [X.] --GmbHR-- 2016, 673; [X.], [X.], 1).

3. Die Regelungen des [X.] waren im Hinblick auf den Erwerb von Privatvermögen sowie den zugrunde zu legenden Steuersatz über den [X.] hinaus anwendbar, ohne durch eine spätere rückwirkende Regelung ersetzt zu werden.

a) Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob das [X.] nur die Regelungen über den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a [X.], § 13b [X.] 2008 i.V.m. der Tarifnorm des § 19 Abs. 1 [X.] 1997 für verfassungswidrig erklären wollte und § 19 Abs. 1 [X.] 1997 für den Übergang von Privatvermögen schon deshalb auch über den [X.] hinaus weiter anwendbar ist oder ob das [X.] aufgrund der Tatsache, dass § 19 Abs. 1 [X.] 1997 als Klammervorschrift auch auf den Erwerb von Privatvermögen Anwendung findet, ebenso die übrigen --auf den Erwerb von Privatvermögen anwendbaren-- Bestimmungen des [X.] für verfassungswidrig erklärt hat.

b) Die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 [X.] ergibt sich jedenfalls daraus, dass das [X.] in Ziffer 2 Satz 1 des Tenors seines Urteils in [X.]E 138, 136, [X.], 50 angeordnet hat, das bisherige Recht bleibe bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Diese Regelung stellt eine unbefristete Fortgeltungsanordnung dar (siehe oben unter II.2.d). Ziffer 2 Satz 1 des Tenors ist insoweit eindeutig. Die Frist in Satz 2 bezieht sich lediglich auf die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Neuregelung zu schaffen und ändert an der Wirksamkeit der Fortgeltungsanordnung auch dann nichts, falls die Neuregelung pflichtwidrig nicht oder verspätet geschaffen wird.

aa) Für diese Auslegung der Ziffer 2 des Tenors des [X.]-Urteils in [X.]E 138, 136, [X.], 50 spricht die oben dargestellte differenzierte [X.]spraxis des [X.], nach der das [X.] in den Fällen, in denen eine Anwendungssperre bei Untätigkeit des Gesetzgebers in der gesetzten Frist eintreten soll, unmissverständlich eine Fortgeltung nur befristet anordnet (vgl. z.B. [X.]-Beschluss in [X.]E 139, 285, [X.], 871) und dies teilweise auch ausdrücklich rechtfertigt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 148, 147, Rz 176). Das [X.]-Urteil in [X.]E 138, 136, [X.], 50 enthält hingegen keine Befristung.

bb) Diese Auslegung des Tenors steht zudem im Einklang mit den Entscheidungsgründen des [X.]-Urteils in [X.]E 138, 136, [X.], 50. [X.] wird damit gerechtfertigt, dass sonst eine regellose Übergangszeit bis zur Neugestaltung der Bestimmungen bestehe, in der Erb- und Schenkungsfälle steuerrechtlich nicht abgewickelt werden könnten (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 138, 136, [X.], 50, Rz 289).

cc) Dem steht nicht entgegen, dass das Verstreichen der für das Tätigwerden des Gesetzgebers angeordneten Frist ohne Sanktionen bliebe. Denn wie das [X.] in seiner Pressemitteilung Nr. 41/2016 vom 14.07.2016 (http://hbfm.link/859) unter Verweis auf ein Schreiben des Vorsitzenden des [X.] des [X.] vom 12.07.2016 an die Bundesregierung, den [X.] und den Bundesrat mitteilte, hatte das [X.] bestehende Handlungsmöglichkeiten --z.B. eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ([X.]G)-- erwogen, um seiner Entscheidung Geltung zu verschaffen.

c) § 19 [X.] ist damit, soweit die Vorschrift der Besteuerung der Klägerin zugrunde gelegt wird, nicht Gegenstand einer Rückwirkung durch das [X.] 2016, sondern Gegenstand der Fortgeltungsanordnung. Der Gesetzgeber hat mit dem [X.] 2016 lediglich die den Übergang von Betriebsvermögen betreffenden Regelungen des [X.] (§§ 10, 13a bis 13d, 19a, 28 und 28a [X.] 2016) neu geregelt und insoweit in § 37 Abs. 12 Satz 1 [X.] 2016 Rückwirkung angeordnet. Die im Streitfall angewendeten §§ 1, 2, 3, 9 ff., 13, 16, 19 [X.] wurden durch das [X.] 2016 inhaltlich nicht geändert. Sie waren deshalb auch nicht Gegenstand einer rückwirkenden Neuregelung, sondern blieben unverändert erhalten.

4. Der Senat ist --wie das [X.]-- nicht von der Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen des materiellen Rechts überzeugt. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 [X.]O i.V.m. einer Vorlage des Rechtsstreits an das [X.] nach Art. 100 Abs.  1 Satz 1 GG i.V.m. §§  13 Nr.  11, 80 [X.]G kommt daher nicht in Betracht. Insbesondere ist die im Streitfall vorgenommene [X.] des Privatvermögens nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben [X.]raum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre.

a) Die vom [X.] festgestellten Verfassungsverstöße betrafen § 13a [X.] und § 13b [X.] 2008 in den in Rz 278 ff. des Urteils (in [X.]E 138, 136, [X.], 50) aufgeführten Teilbereichen. Es waren steuerliche Gestaltungen eröffnet worden, die zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen führen konnten. Diese erfassten

-

die Bestimmungen über die Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs begünstigten Vermögens, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen,

-

die Freistellung von der Pflicht zur Einhaltung der Lohnsummenregelung nach § 13a Abs. 1 Satz 4 [X.] als Voraussetzung der Verschonung, soweit sie für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten galt,

-

die Regelung über das Verwaltungsvermögen in § 13b Abs. 2 Satz 1 [X.] 2008, soweit sie bei Vorliegen der übrigen Förderbedingungen begünstigtes Vermögen (vgl. § 13b Abs. 1 [X.] 2008) selbst dann insgesamt in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen lässt, wenn es bis zu 50 % aus vom Gesetz als grundsätzlich nicht förderungswürdig angesehenem Verwaltungsvermögen besteht, sowie

-

die Möglichkeit exzessiver Ausnutzung der Befreiung von der Lohnsummenpflicht durch die Aufspaltung in Besitz- und Betriebsgesellschaft,

-

die einfach gestaltbare Umgehung der 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 [X.] 2008 für Verwaltungsvermögen durch Nutzung von Konzernstrukturen und die Begünstigung von Geldvermögen durch die Schaffung von "Cash-Gesellschaften".

b) Der Gesetzgeber hat mit dem [X.] 2016 Nachbesserungen vorgenommen. Ungeachtet einer nach wie vor sehr großzügigen Begünstigung des Betriebsvermögens ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Regelungen gegen Art. 3 GG verstoßen. Das gilt auch deshalb, weil das [X.] die Begünstigung des Betriebsvermögens für kleinere und mittlere Unternehmen bis hin zur Vollverschonung für zulässig erachtet hat.

c) Das [X.] verstößt nach Ansicht des Senats auch nicht insgesamt gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit (vgl. kritisch z.B. [X.], [X.], 2312; Söffing, ErbStB 2016, 339; [X.]/[X.], [X.], 609; [X.], Steuer und Wirtschaft 2021, 111). Dabei kann dahinstehen, ob dies möglicherweise für einzelne Normen der Verschonung des Betriebsvermögens zutrifft. Diese erfassen grundsätzlich nicht die Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von nicht begünstigtem (Privat-)Vermögen.

5. Das [X.] hat vor diesem Hintergrund jedenfalls im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Die [X.] war unter Anwendung des über den [X.] hinaus [X.] [X.] einschließlich der Tarifvorschrift des § 19 [X.] vorzunehmen. Weitere Parameter der Besteuerung stehen zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

6. Der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 [X.]O).

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig, da die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 [X.]O sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren gehört. Zuständig ist insoweit das [X.] als das Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.05.2018 - IX R 8/17, [X.] 2019, 386, Rz 16).

Meta

II R 1/19

06.05.2021

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 8. November 2018, Az: 7 K 3022/17, Urteil

§ 19 ErbStG 1997 vom 22.12.2009, Art 3 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 S 1 GG, § 74 FGO, Art 20 Abs 3 GG, § 37 Abs 12 S 1 ErbStG 1997 vom 22.12.2009, Art 80 Abs 1 S 2 GG, § 13 Nr 11 BVerfGG, § 80 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2021, Az. II R 1/19 (REWIS RS 2021, 6100)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3550 REWIS RS 2021, 6100

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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