Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2003, Az. 4 StR 385/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 437

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[X.] StR 385/03vom2. Dezember 2003in der [X.] versuchten Totschlags u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2003gemäß § 349 Abs. 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 27. Mai 2003 mit den [X.] Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere als Schwurgericht zuständige [X.] des[X.]s zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags [X.] mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von dreiJahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten gegendieses Urteil, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.Der [X.] hat in seiner Antragsschrift vom 17. Sep-tember 2003 hierzu ausgeführt:"Die Revision hat mit der in allgemeiner Form erhobenenSachrüge Erfolg. Die Würdigung des [X.]s zur sub-jektiven Tatseite begegnet durchgreifenden rechtlichen [X.] 3 -Die Kammer hat die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes [X.] von § 212 Abs. 1 StGB entscheidend auf die objektiveTatausführung gestützt: Der Angeklagte habe seine geschie-dene Ehefrau auch dann noch gewürgt, nachdem diese [X.] verloren hatte; dabei habe er gewusst, dass erdie Herrschaft über das Geschehen aufgegeben und [X.] in eine Situation zumindest abstrakter Lebensgefahrgebracht habe ([X.] 11).Der Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dannrechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter in seine Erwägungen alleUmstände einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in [X.] (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, [X.] 30 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das [X.] nicht gerecht, da es lediglich auf die abstrakteLebensgefahr des Würgeaktes für das Opfer ([X.] 9) ver-weist und allein aus der Kenntnis um diese Gefährlichkeit oh-ne Berücksichtigung der [X.] auf sein Wissen und Wollen zur Tatzeit schließt.Die Feststellung, der Angeklagte habe die - nur abstrakte -Lebensgefährlichkeit seines Vorgehens erkannt, belegt nurdas Wissenselement des Vorsatzes. Weshalb der [X.], der nach den Urteilsgründen mindestens eine Minute langnur mit [X.] gehandelt hat, während des [X.] seinen verbrecherischen Willen gesteigert undeinen (bedingten) Tötungsvorsatz gefasst haben sollte, [X.] ersichtlich. Jedenfalls sind dem Urteil weder äußerenoch innere Umstände zu entnehmen, die zu einer solchenÄnderung der Motivation des Angeklagten hätten Anlass ge-ben können, zumal offen geblieben ist, wie lange und wie [X.] er seine geschiedene Ehefrau nach deren Bewusstlo-sigkeit gewürgt hat, und Feststellungen über Art und Ausmaßvon eventuell im Halsbereich entstandenen Verletzungennicht mitgeteilt werden. Die [X.] hat es insbesondereverabsäumt, die schon für sich wenig lebensnahe Vorstellung,der Täter handele während eines einheitlichen [X.] teilweise mit Verletzungs- und teilweise mit Tötungsvor-satz (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 47),mit dem zur verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21StGB führenden Affekt des Angeklagten in Beziehung zu [X.] 4 -zen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in [X.] Ausnahmesituationen die Erkenntnisfähigkeit [X.] des [X.] beeinträchtigt sind. [X.] und affektive Erregung gehören deshalb zu [X.], die der Annahme eines Tötungsvorsatzes entge-genstehen können und deshalb ausdrücklicher Erörterung inden Urteilsgründen bedürfen (st. Rspr.; BGHR StGB § 212Abs. 1 Vorsatz, bedingter 6, 7, 9, 15, 40, 41, 48, 54). Das giltumso mehr, wenn - wie hier - ein einleuchtendes Motiv für ei-nen [X.] nicht ersichtlich ist, dem [X.] vergleichbares Vorverhalten des Angeklagten entspricht(vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54) und dieaffektive Erregung die Wahrnehmung selbst eigener körperli-cher Schmerzen des [X.] - der Angeklagte bemerkte [X.] eines Hundes in seine Wange nicht ([X.] 8) - verhin-derte.Solche Darlegungen waren auch nicht deshalb entbehrlich,weil der Angeklagte unmittelbar nach der Tat seine geschie-dene Ehefrau für tot hielt und selbst gegenüber den seineSelbstanzeige aufnehmenden Polizeibeamten auf [X.] Nachfrage bloße Bewusstlosigkeit ausschloss ([X.] 8,9). Diese Fehleinschätzung des [X.] ist für diesubjektive Seite des eigentlichen Tatentschlusses ohne trag-fähigen Beweiswert, da der Angeklagte nach den [X.] sich wegen seiner affektiven Erregung an das Tatge-schehen von Beginn bis zum Ende des [X.] glaubhaftnicht zu erinnern vermochte ([X.] 10, 13). Sie belegt ledig-lich seinen affektiven Zustand und erklärt seine panikartigeFlucht ([X.] 13) sowie seine "schwere Erschütterung [X.] körperlicher Reaktion" bei seiner ersten Vernehmung([X.] 8, 9, 13).Die unzureichende Erörterung der inneren Tatseite des [X.] führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils undzur Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entschei-dung an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.]. Diese wird unter Berücksichtigung - soweit feststellbar -der physischen Verletzungsfolgen und der Dauer des Würge-vorgangs, insbesondere nach dem Eintritt der [X.] 5 -keit, unter Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverstän-digen die Auswirkungen des [X.] auf den Vorsatz als [X.] und - für den Fall, dass wiederum von einem Übergehendes [X.] in einen (bedingten) [X.] auszugehen sein sollte - auf den [X.] zuprüfen und das Ergebnis in den Urteilsgründen darzulegenhaben. Wegen der Einheitlichkeit des Schuldspruchs erfasstdie Aufhebung auch die für sich genommen nicht zu bean-standende Verurteilung wegen gefährlicher Körperverlet-zung."Dem stimmt der Senat zu.[X.] Maatz Kuckein˜

Meta

4 StR 385/03

02.12.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2003, Az. 4 StR 385/03 (REWIS RS 2003, 437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 437

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