Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2023, Az. IV ZR 322/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9924

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Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] - 4. Zivilsenat - vom 9. August 2022 gemäß § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, soweit sie nicht die Verbraucherinformation über die Frist betrifft, während der ein Antragsteller an den Antrag gebunden ist, und sie im Übrigen gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. [X.]er Kläger begehrt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Renten- und eines Lebensversicherungsvertrages.

2

[X.]er Kläger beantragte - soweit für die Revision noch von Interesse - bei der [X.] am 30. [X.]ezember 2003 den Abschluss eines fondgebundenen [X.]. [X.]as Antragsformular enthielt unter anderem folgende Belehrung:

"Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Versicherungspolice zurücktreten kann. [X.]ie Frist beginnt erst zu laufen, wenn ich den Versicherungsschein und die Verbraucherinformationen für die [X.] erhalten habe."

3

In den "Vertragsunterlagen" findet sich außerdem folgende Belehrung:

"Sie können innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Abschluss des Vertrages (d.h. nach Erhalt der Versicherungspolice) vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. [X.]ie Frist beginnt erst zu laufen, wenn wir Sie über Ihr Rücktrittsrecht belehrt haben und Sie die Belehrung durch Ihre Unterschrift bestätigt haben. Wenn wir die Belehrung unterlassen haben, erlischt Ihr Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrages."

4

[X.]ie Beklagte nahm den Antrag des [X.] am 27. Januar 2004 an. Versicherungsbeginn war der 1. April 2004. Im [X.] 2015 kündigte der Kläger den Vertrag und erhielt einen Rückkaufswert. Mit Schreiben vom 16. März 2017 erklärte er den Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag. [X.]ie Beklagte wies den Widerspruch zurück.

5

[X.]er Kläger beantragte bei der [X.] außerdem am 24. September 2004 - bei der [X.] am 5. November 2004 eingegangen - den Abschluss eines fondgebundenen Lebensversicherungsvertrages. [X.]ie Belehrung in dem Antragsformular entsprach inhaltlich der oben bereits zitierten Belehrung. [X.]ie Beklagte nahm den Antrag des [X.] am 16. November 2004 an. Versicherungsbeginn war der 10. [X.]ezember 2004. Mit Schreiben vom 22. Mai 2017 erklärte er den Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag, den die Beklagte zurückwies.

6

[X.]er Kläger meint insbesondere, ihm stehe ein Widerspruchsrecht nach § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: [X.] a.F.) zu. [X.]ie Verträge seien mangels Angaben zu einer [X.] nicht im [X.], sondern im [X.] geschlossen worden. Über sein Widerspruchsrecht sei er nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Eine Widerspruchsbelehrung erhielt er nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mit den jeweiligen Versicherungsscheinen nicht.

7

[X.]er Kläger verlangt die Rückzahlung gezahlter Beiträge und die Herausgabe von gezogenen Nutzungen abzüglich unstreitig erhaltener Teilauszahlungen, des Rückkaufswertes sowie von Gebühren. Ferner begehrt er die Feststellung, dass der [X.] aus dem Lebensversicherungsvertrag keine Ansprüche gegen ihn zustehen.

8

[X.]as [X.] hat nur der ursprünglich auch auf Rückzahlung von Beiträgen eines dritten Versicherungsvertrages gerichteten Klage stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. [X.]as [X.] hat auf die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung des [X.] der Klage auch hinsichtlich der beiden weiteren hier noch streitgegenständlichen Versicherungsverträge ganz überwiegend und auch hinsichtlich des Feststellungsanspruchs stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung hinsichtlich der Ansprüche aus den zwei noch streitgegenständlichen Versicherungsverträgen weiter.

9

II. [X.]as Berufungsgericht hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - ausgeführt, die Versicherungsverträge seien nicht nach dem [X.], sondern nach dem [X.] geschlossen worden, weil die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: [X.] a.F.) erforderliche Verbraucherinformation wegen der fehlenden Information über die [X.] nicht vollständig erteilt worden sei. An dieser Information bestehe generell ein berechtigtes Interesse des Antragstellers. Insbesondere werde die unterbliebene Angabe nicht ex post unbeachtlich, weil der Versicherungsantrag vor Ablauf einer üblichen Frist vom Versicherer angenommen worden sei. Mangels Widerspruchsbelehrung habe das Widerspruchsrecht des [X.] im Zeitpunkt seiner Erklärung fortbestanden. [X.]er Feststellungsantrag sei begründet, weil der Widerspruch des [X.] zu dem Vertrag wirksam sei und der [X.] damit keine Ansprüche mehr aufgrund dieses Versicherungsvertrages zustünden.

III. [X.]ie Revision ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht einen Ausschluss des Widerspruchsrechts des [X.] nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verneint hat, und sie die Berechnung der Anspruchshöhe durch das Berufungsgericht angreift. [X.]ie Revision ist insoweit mangels Zulassung nicht statthaft, denn das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung entgegen der Auffassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte im Rahmen der Verbraucherinformation Angaben zur [X.] machen musste.

Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. [X.]ie Beschränkung der Revisionszulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.], dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. [X.]as ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt ([X.]sbeschluss vom 21. September 2022 - [X.], [X.], 1571 Rn. 15 m.w.N.).

[X.]iese Voraussetzungen liegen hier vor. [X.]as Berufungsgericht hat die Zulassung ausschließlich damit begründet, dass die Frage der Bedeutung einer unvollständigen Information über die [X.] zwar höchstrichterlich schon entschieden worden sei, das Berufungsgericht aber von einer Entscheidung des [X.]s Jena (Urteil vom 31. Juli 2020 - 4 U 1245/19, juris Rn. 37) abweiche, das eine Entbehrlichkeit der Information im Fall der fristgerechten Annahme annehme. [X.]amit hat es die Zulassung ausdrücklich auf die Voraussetzungen des Abschnitts I Nr. 1 Buchst. f) der Anlage Teil [X.] zum [X.] a.F. beschränkt. [X.]ie Frage, ob die Beklagte in der Verbraucherinformation Angaben über die [X.] machen musste, kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig davon beantwortet werden, ob das Widerspruchsrecht des [X.] nach § 242 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist und in welcher Höhe ein Anspruch des [X.] besteht (vgl. auch [X.], Urteil vom 16. September 2009 - [X.], [X.]Z 182, 241 Rn. 11 m.w.N.).

IV. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. [X.]ie Frage, ob in der Verbraucherinformation Angaben zur [X.] auch dann enthalten sein müssen, wenn der Versicherer den Antrag fristgerecht annimmt, ist nunmehr geklärt. Mit Urteil vom 29. November 2023 ([X.]/22, juris) hat der [X.] entschieden und im Einzelnen begründet, dass bei einem beabsichtigten Vertragsschluss im [X.] die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. erforderliche Verbraucherinformation eine Angabe über die [X.] auch dann enthalten muss, wenn der Versicherer den Antrag des Versicherungsnehmers binnen der vertraglich vereinbarten oder der gesetzlichen [X.] (§ 147 Abs. 2 BGB) annimmt.

[X.]ie Informationspflicht des Versicherers über die [X.] aus Abschnitt I Nr. 1 Buchst. f) der Anlage Teil [X.] zum [X.] a.F. steht in Einklang mit unionsrechtlichen Vorschriften ([X.]surteil vom 29. November 2023 - [X.]/22, juris). Ein berechtigtes Informationsbedürfnis des Antragstellers an dieser Angabe entfällt durch die fristgerechte Annahme nicht. [X.]iese betrifft ausschließlich die Auswirkungen auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung kommt es auf derartige Kausalitätserwägungen aber nicht an. Ein nach dem [X.]surteil vom 18. Juli 2018 ([X.], [X.], 1113 Rn. 15-17) zu [X.] Informationsbedürfnis bezieht sich nicht auf den individuellen Einzelfall des konkreten Versicherungsnehmers, sondern auf Zweck und Zielrichtung der fehlenden [X.] ([X.]surteil vom 29. November 2023 aaO).

2. [X.]ie Revision hat - soweit sie eröffnet ist - auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) [X.]ie Klage ist insgesamt, auch hinsichtlich des [X.] zulässig. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse vor, weil die Beklagte die Wirksamkeit des Widerspruchs des [X.] in Abrede stellt und zumindest dessen Belastung mit Verwaltungskosten droht.

b) [X.]as Berufungsurteil steht in Einklang mit dem vorgenannten [X.]surteil vom 29. November 2023 ([X.]/22, juris). Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. [X.]er Versicherungsvertrag wurde mangels vollständiger Verbraucherinformation im [X.] abgeschlossen (vgl. [X.]surteile vom 18. Juli 2018 - [X.], [X.], 1113 Rn. 14 f.; vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 539 Rn. 11). [X.]er [X.] sieht auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine Veranlassung, von seiner Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit des [X.]s bei Fehlen einer [X.] in der Verbraucherinformation im Streitfall abzurücken. [X.]ie Beklagte hätte den Kläger daher jeweils über das ihm gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. zustehende Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehren müssen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F.). Wirksame [X.] hat sie indessen nicht erteilt. Selbst wenn die [X.], die sie dem Kläger übergeben hat, als [X.] ausgelegt würden, fehlte es dort jedenfalls an der Angabe der bei einem Widerspruch zu wahrenden Form, hier: Schriftform (vgl. [X.]surteil vom 15. März 2023 - [X.], [X.], 631 Rn. 13 ff.).

3. [X.]ie grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der Revision steht einer Revisionszurückweisung durch Beschluss nicht im Wege ([X.]sbeschluss vom 24. Januar 2023 - [X.], [X.], 719 Rn. 14 m.w.N.).

4. Eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Verpflichtung des Versicherers zur Angabe der [X.] ist nicht veranlasst (vgl. [X.]surteil vom 29. November 2023 - [X.]/22, juris). Ferner ist die Richtlinienkonformität des [X.]s im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Zum Einwand von [X.] und Glauben ist auch hier eine Vorlage nicht erforderlich (vgl. [X.]surteil vom 19. Juli 2023 - [X.], [X.], 1151 Rn. 13 ff.).

Prof. [X.]r. Karczewski     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

[X.]r. Brockmöller

      

[X.]r. Bußmann     

      

[X.]r. Bommel     

      

Hinweis: [X.]as Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt worden.

Meta

IV ZR 322/22

29.11.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 9. August 2022, Az: 4 U 21/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2023, Az. IV ZR 322/22 (REWIS RS 2023, 9924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9924


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 322/22

Bundesgerichtshof, IV ZR 322/22, 29.11.2023.


Az. 4 U 21/22

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 21/22, 24.05.2022.


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Referenzen
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Zitiert

IV ZR 268/21

IV ZR 18/22

IV ZR 40/21

IV ZR 179/14

IV ZR 68/17

IV ZR 117/22

IV ZR 300/20

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