Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2023, Az. IV ZR 117/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9030

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Gegenstand

Rückabwicklung eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrags nach Widerspruch


Leitsatz

1. Eine Verbraucherinformation ist unvollständig, wenn sie keine Angaben über die Frist, während der ein Antragsteller an den Antrag gebunden sein sollte, enthält. Das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers entfällt nicht deshalb, weil der Versicherer den Antrag innerhalb der vertraglichen oder gesetzlichen (§ 147 Abs. 2 BGB) Antragsbindungsfrist annimmt (Festhalten an Senatsurteil vom 18. Juli 2018 - IV ZR 68/17, VersR 2018, 1113).

2. Die Antragsbindungsfrist in Abschnitt I Nr. 1 Buchst. f) der Anlage Teil D zum VAG a.F. steht in Einklang mit der unionsrechtlichen Regelung des Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 25. Februar 2022, berichtigt durch Beschluss vom 22. Juli 2022, aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 9.459,81 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

[X.]er Kläger begehrt von dem beklagten Lebensversicherer die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines fondsgebundenen [X.] nach Widerspruch.

2

[X.]er Versicherungsvertrag wurde aufgrund Antrags des [X.] vom 27. Juni 2004 abgeschlossen. Auf dem Antragsformular befand sich folgende Belehrung:

"Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung der Versicherungspolice zurücktreten kann. [X.]ie Frist beginnt erst zu laufen, wenn ich den Versicherungsschein erhalten habe."

3

[X.]ie Beklagte nahm den Antrag des [X.] am 8. Juli 2004 mit Übersendung des Versicherungsscheins an.

4

[X.]er Kläger zahlte in der Folge die vereinbarten monatlichen Prämien. Auf die jeweiligen Anträge des [X.] änderte die Beklagte im Jahr 2006 das Bezugsrecht und im [X.] die Anlagestrategie. Einen Zahlungsrückstand im Jahr 2008 glich der Kläger nach einer Mahnung mit Kündigungsandrohung der Beklagten aus. [X.]er Kläger begehrte außerdem Ende des Jahres 2009 eine Reduzierung des monatlichen Beitrags und im November 2010, eine Einmaleinzahlung auf den Vertrag vornehmen zu dürfen. Anfang 2014 erhielt er auf seinen Antrag hin eine Teilauszahlung in Höhe von 14.481,87 €.

5

Im Januar 2014 kündigte der Kläger den Vertrag und die Beklagte zahlte ihm einen Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 12. Mai 2019 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages.

6

Er meint insbesondere, der Vertrag sei wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation hinsichtlich der [X.] nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. f) der Anlage Teil [X.] zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der damals gültigen Fassung (im Folgenden: [X.]) nicht im sogenannten [X.] des § 8 [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: [X.] a.F.), sondern nach dem sogenannten [X.] des § 5a [X.] a.F. abgeschlossen worden. Mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden.

7

Mit der Klage verlangt der Kläger Erstattung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge abzüglich der bereits ausgezahlten Beträge, ferner Herausgabe gezogener Nutzungen, insgesamt 9.459,81 € nebst Zinsen. [X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch zu. [X.]er Versicherungsvertrag sei im [X.] zustande gekommen. [X.]as Unterbleiben der Mitteilung einer [X.] sei im Streitfall ausnahmsweise unschädlich gewesen, weil dem Kläger daraus kein Nachteil im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Rechte entstanden sein könne. Eine solche Information hätte im konkreten Fall nicht einem berechtigten Informationsinteresse des [X.] gedient, weil die Beklagte den Versicherungsantrag binnen elf Tagen und damit vor Ablauf der [X.] des § 147 Abs. 2 BGB angenommen habe. Ein Informationsinteresse des Versicherungsnehmers hinsichtlich der [X.]auer der [X.] könne nur für den Fall bestehen, dass sein [X.]angebot nicht innerhalb der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Annahmefrist angenommen werde. Nur in diesem Fall ergäben sich für ihn Handlungsoptionen. [X.]ie Rücktrittsfrist sei bei [X.] seit Jahren abgelaufen gewesen. Auf die Frage der Verwirkung komme es damit nicht mehr an.

II. [X.]as hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. [X.]ie Revision, die sich nur gegen die fehlende Angabe der [X.] in der Verbraucherinformation wendet, ist im geltend gemachten Umfang zulässig. [X.]as Berufungsgericht hat ihre Zulassung wirksam auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte gemäß Abschnitt [X.]. f) der Anlage Teil [X.] zum [X.] im Rahmen der erteilten Verbraucherinformation Angaben zur [X.] machen musste. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die Zulassung der Revision einschränkt. [X.]ie Beschränkung der Revisionszulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.], dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. [X.]as ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt ([X.]beschluss vom 21. September 2022 - [X.], [X.], 1571 Rn. 15).

[X.]iese Voraussetzungen liegen hier vor. [X.]as Berufungsgericht hat die Zulassung ausschließlich mit einer abweichenden Auffassung einiger Oberlandesgerichte zur Frage der Unbeachtlichkeit des Fehlens der Information zur [X.] bei Annahme des Angebots vor Ablauf der [X.] begründet. [X.]amit hat es die Zulassung auf die Voraussetzungen des Abschnitts [X.]. f) der Anlage Teil [X.] zum [X.] beschränkt. [X.]iese Frage kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig davon beantwortet werden, ob die [X.] ordnungsgemäß sowie die Verbraucherinformation hinsichtlich weiterer Angaben vollständig war (vgl. [X.]beschluss vom 21. September 2022 - [X.], [X.], 1571 Rn. 15).

2. Ein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann dem Kläger mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

a) [X.]er Vertrag ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nach dem [X.], sondern nach dem [X.] geschlossen worden, weil die Beklagte bei Antragstellung die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderliche Verbraucherinformation wegen des Fehlens der Angaben über die [X.] nicht vollständig erteilt hat (vgl. [X.]urteile vom 18. Juli 2018 - [X.], [X.], 1113 Rn. 15, 17; vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 539 Rn. 11). [X.]iese Angaben waren hier nicht ausnahmsweise entbehrlich.

aa) [X.]ie gesetzliche Vorgabe an den Versicherer, dem (späteren) Versicherungsnehmer Angaben über die Frist mitzuteilen, während der Letzterer an seinen Antrag gebunden sein soll, steht in Einklang mit der unionsrechtlichen Regelung des Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2002/83/[X.] und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen ([X.]. [X.] L 345 S. 1). [X.]anach kann der Mitgliedstaat von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vorlage von Angaben zusätzlich zu den in [X.] der Richtlinie 2002/83/[X.] genannten Auskünften verlangen, wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig und - nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] - klar und genau genug sind, um dieses Ziel zu erreichen und insbesondere den Versicherungsunternehmen ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit zu bieten (vgl. [X.], Urteile vom 29. April 2015 - [X.]/13, [X.]:C:2015:286 = [X.], 702 Rn. 21; vom 5. März 2002 - [X.]/00, [X.]:C:2002:136 = [X.], 1011 Rn. 24 zu Art. 31 Abs. 3 [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung).

[X.]iese Voraussetzungen erfüllt die Vorgabe aus Abschnitt [X.]. f) der Anlage Teil [X.] zum [X.] [X.]ie nach dieser Norm dem Antragsteller vom Versicherer zu erteilende Angabe zur [X.]auer seiner Gebundenheit an einen gestellten Antrag auf Abschluss eines [X.] betrifft ein wesentliches Merkmal des ihm angebotenen Versicherungsprodukts (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2015 - [X.]/13, [X.]:C:2015:286 = [X.], 702 Rn. 27), nämlich das Zustandekommen des [X.] überhaupt. [X.]ie geforderte Angabe zur [X.] ist hinreichend klar und eindeutig; sie erfasst insbesondere auch die mangels vertraglicher Vereinbarung geltende gesetzliche [X.] des § 147 Abs. 2 BGB (vgl. [X.]urteil vom 18. Juli 2018 - [X.], [X.], 1113 Rn. 18 f.). Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist insoweit nicht veranlasst.

bb) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 18. Juli 2018 ([X.], [X.], 1113) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist eine Verbraucherinformation unvollständig, wenn sie keine Angaben über die Frist, während der der Antragsteller an den Antrag gebunden sein sollte, enthielt. Anderes gilt nur dann, wenn eine nach Abschnitt I der Anlage Teil [X.] zum [X.] vorgeschriebene [X.] im konkreten Fall nicht einem berechtigten Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers diente. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch bei einem (beabsichtigten) [X.]schluss im [X.] nicht vor. An der Information über die [X.] bestand für den Antragsteller in diesem Fall vielmehr ein berechtigtes Interesse (vgl. [X.]urteil vom 18. Juli 2018 aaO Rn. 16-19; vgl. auch [X.]urteil vom 11. [X.]ezember 2019 - [X.], [X.], 208 Rn. 27). Sie verdeutlichte ihm den zeitlichen Rahmen, in dem der Vertrag durch Annahme seines Antrags seitens des Versicherers zustande kommen konnte. [X.]er Antragsteller konnte dann abschätzen, ab wann er nicht mehr mit einer Annahme rechnen durfte und gegebenenfalls auf Produkte anderer Anbieter ausweichen musste ([X.]urteil vom 18. Juli 2018 aaO Rn. 19). [X.]ie Angabe des Zeitraums, in dem der Antragsteller an seinen Versicherungsantrag gebunden ist, war für ihn gerade auch während der andauernden Bindung von Bedeutung. In diesem Zeitraum brauchte er sich nicht um den Abschluss anderweitiger vergleichbarer Verträge zu bemühen, wenn er eine mehrfache Bindung vermeiden wollte, weil er davon ausgehen musste, dass sein Antrag seitens des Versicherers noch angenommen würde. [X.]aher musste ihm auch die gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB, innerhalb derer er den Eingang der Antwort des Versicherers unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte, vor Augen geführt werden (vgl. [X.]urteil vom 18. Juli 2018 aaO Rn. 19).

Über diese [X.] hat die Beklagte den Kläger hier bei Antragstellung unstreitig nicht informiert.

cc) [X.]ieses Informationsbedürfnis entfällt weder deshalb, weil der Versicherer den Antrag in der Folge binnen der - vertraglich vereinbarten oder, wie hier, der gesetzlichen (§ 147 Abs. 2 BGB) - [X.] annimmt, noch bleibt es dadurch - wie das Berufungsgericht meint - vergleichbar mit den Rechtsfolgen einer nicht eingetretenen Bedingung aus (vgl. [X.], 834 [juris Rn. 71 f.]; NJW-RR 2022, 1199 Rn. 40-42; [X.], Urteil vom 8. März 2022 - 4 U 51/21, juris Rn. 99 f.).

[X.]ie streitgegenständliche Verbraucherinformation war unvollständig, weil sie keine Angaben über die Frist, während der ein Antragsteller an den Antrag gebunden sein sollte, enthielt. [X.]ie vom Berufungsgericht angeführten Umstände zur Entbehrlichkeit der Fristangabe betreffen ausschließlich die Auswirkungen auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung kommt es auf derartige Kausalitätserwägungen aber nicht an (vgl. [X.]urteile vom 21. [X.]ezember 2016 - [X.], [X.], 130 Rn. 12 m.w.N.; vom 24. Februar 2016 - [X.], juris Rn. 12). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt etwas anderes auch nicht aus dem [X.]urteil vom 18. Juli 2018 ([X.], [X.], 1113 Rn. 16; vgl. insoweit auch [X.], 834 [juris Rn. 72]; [X.], Urteil vom 8. März 2022 - 4 U 51/21, juris Rn. 100; [X.] VuR 2021, 278 [juris Rn. 7]). Soweit der Senat dort ausgeführt hat, dass das Fehlen einer einzelnen Information in der Verbraucherinformation ausnahmsweise nicht zur Anwendung des [X.]s führt, wenn die [X.] im konkreten Fall nicht einem berechtigten Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers diente (aaO Rn. 15-17), bezieht sich das zu hinterfragende Informationsbedürfnis nicht auf den individuellen Einzelfall des konkreten Versicherungsnehmers, sondern auf Zweck und Zielrichtung der fehlenden [X.].

dd) [X.]ie Geltendmachung des Widerspruchsrechts des [X.] wegen der fehlenden Angabe über die [X.] mit der Folge, dass ein [X.]schluss im [X.] ausscheidet, ist auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

(1) [X.]iese Einwendung steht der Ausübung des Widerspruchsrechts zwar entgegen, wenn mit dem Widerspruchsrecht eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse des Versicherungsnehmers ausgenutzt wird (vgl. [X.]urteil vom 10. Februar 2021 - [X.], [X.], 437 Rn. 17). [X.]iese Voraussetzungen liegen aber, wie sich mangels Besonderheiten des Einzelfalls bereits aus den Ausführungen zum Informationsinteresse des Versicherungsnehmers an der Angabe der [X.] bei Abschluss des Versicherungsvertrages im [X.] ergibt, nicht vor.

(2) Ein die Ausübung des Widerspruchsrechts hindernder Rechtsmissbrauch liegt auch nicht nach den Grundsätzen vor, die der Gerichtshof der [X.] in seinem Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 ([X.] u.a., [X.]/18 bis [X.]/18 und [X.]/18, [X.]:[X.] = NJW 2020, 667) zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung über das [X.]lösungsrecht aufgestellt hat und denen der Senat folgt (Urteil vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 14). [X.]anach wäre es unverhältnismäßig, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wurde, sein Rücktritts- bzw. Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben ([X.], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 aaO Rn. 79; [X.]urteil vom 15. Februar 2023 aaO Rn. 14).

Ob diese für die Widerspruchsbelehrung geltenden Grundsätze auf fehlende oder fehlerhafte Angaben im Rahmen der Verbraucherinformation übertragbar sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. [X.]enn es handelt sich bei der fehlenden Information über die [X.] jedenfalls nicht um einen nur geringfügigen Mangel (vgl. [X.]urteil vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 14-16). [X.]er Gesetzgeber hielt die Aufnahme der zuvor in geschäftsplanmäßigen Erklärungen vorgesehenen [X.]en in das Gesetz für geboten, "zumal die Vorschrift des § 10a nach § 110a auch für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten und [X.]staaten gelten soll, bei denen die Möglichkeit entfällt, im [X.] eine geschäftsplanmäßige Erklärung zu verlangen" (BT-[X.]rucks. 12/6959 S. 99 re. [X.]), bevorzugte mithin sogar eine aufsichtsrechtliche Genehmigung von Regelungen zur [X.], was für ein über die Schwelle der Geringfügigkeit hinausgehendes Gewicht der diesbezüglichen Information spricht. Zudem hat die Information jedenfalls während der [X.]auer der Bindungsfrist mehr als geringfügige Bedeutung für den Versicherungsnehmer, da er so erkennen kann, dass er zunächst davon absehen sollte, weitere [X.]ispositionen zu treffen, will er eine mehrfache (vorläufige) Bindung vermeiden.

b) [X.]a der Versicherungsvertrag mangels vollständiger Verbraucherinformation im [X.] abgeschlossen wurde, hätte die Beklagte den Kläger über das ihm gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zustehende Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehren müssen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.). Eine wirksame Widerspruchsbelehrung hat die Beklagte nicht erteilt. Selbst wenn die [X.]en, die sie dem Kläger übergeben hat, als Widerspruchsbelehrungen ausgelegt würden, fehlte es dort jedenfalls an der Angabe der bei einem Widerspruch zu wahrenden Form, hier der Textform (vgl. [X.]urteil vom 15. März 2023 - [X.], [X.], 631 Rn. 13 ff.). [X.]as Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung führt dazu, dass das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fortbestand. [X.]as ergibt sich aus der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. [X.]urteil vom 7. Mai 2014 - [X.], [X.], 101 Rn. 17 f.).

III. [X.]as angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung sowie zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sich dieses - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - mit dem Einwand der Beklagten, der Kläger könne sein Widerspruchsrecht nach Treu und Glauben wegen besonders gravierender Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.]urteile vom 19. Juli 2023 - [X.], [X.], 1151 Rn. 9; vom 15. März 2023 - [X.], [X.], 631 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.) nicht mehr ausüben, noch nicht befasst hat und gegebenenfalls auch die Höhe des Anspruchs noch klären müsste.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V zum Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist im Streitfall auch angesichts der neueren Entscheidungen des Gerichtshofs (Urteile vom 24. Februar 2022, A u.a. [[X.]], [X.]/20 und [X.]/20, [X.]:C:2022:118 = NJW 2022, 1513; vom 9. September 2021, [X.] u.a., [X.]/20, [X.]/20 und [X.]/20, [X.]:[X.] = NJW 2022, 40; vom 19. [X.]ezember 2019, [X.] u.a., [X.]/18 bis [X.]/18 und [X.]/18, [X.]:[X.] = NJW 2020, 667) und des [X.] vom 22. Juli 2022 ([X.], 1252) schon mangels abschließender Entscheidung des [X.] nicht veranlasst (vgl. [X.]urteil vom 15. März 2023 - [X.], [X.], 631 Rn. 25). Mit Urteil vom 19. Juli 2023 ([X.], [X.], 1151) hat der Senat in diesem Zusammenhang zudem entschieden und im Einzelnen begründet, dass auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] daran festzuhalten ist, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung ausnahmsweise Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und damit unzulässig sein kann, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind, und zu diesem Einwand eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nicht geboten ist ([X.]urteil vom 19. Juli 2023 aaO Rn. 9, 13 ff.).

Prof. [X.]r. Karczewski     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

[X.]r. Brockmöller

      

[X.]r. Bußmann     

      

[X.]r. Bommel     

      

Meta

IV ZR 117/22

29.11.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 25. Februar 2022, Az: 4 U 229/21

§ 147 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB, § 5a Abs 1 S 1 VVG vom 13.07.2001, § 10a Abs 1 S 1 VAG vom 21.12.2000, Art 36 Abs 3 EGRL 83/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2023, Az. IV ZR 117/22 (REWIS RS 2023, 9030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9030

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