Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. V B 26/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 6954

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen; Verfahrensfehler durch unterlassene Aktenbeiziehung


Leitsatz

1. NV: Die Rechtsfrage, ob bestimmte Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung (nicht) ausreichen, ist nicht klärungsbedürftig.

2. NV: Zur schlüssigen Rüge einer verfahrensfehlerhaft vom FG unterlassenen Aktenbeiziehung ist darzutun, dass der Antrag auf Beiziehung entgegen der Würdigung des FG hinreichenden Anlass zur weiteren Erforschung des Sachverhalts gegeben hat.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) liegen entweder der [X.]ache nach nicht vor oder die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O.

3

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

4

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage:

"Reichen folgende Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 17 Abs. 2 U[X.]tDV nicht aus:
1. Doppel der Rechnung
2. Empfangsbestätigung durch den Abnehmer oder seinen Beauftragten
3. Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern?
4. Bestätigung des Frachtführers über die Verbringung ins [X.] Ausland"

ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärungsfähig.

5

a) Welche Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß "§ 17 Abs. 2 U[X.]tDV" [gemeint: § 17a Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) --U[X.]tDV--] ausreichen oder nicht ausreichen, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort hierauf ergibt sich bereits aus dem Gesetz und der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] (BFH).

6

aa) Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) wurden die Waren im [X.]treitfall durch das [X.]peditionsunternehmen [X.] versandt, sodass für die Nachweisvoraussetzungen § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. § 17a Abs. 2 bis 4 U[X.]tDV einschlägig ist.

7

Danach soll der Unternehmer den Nachweis wie folgt führen:

"1. durch das Doppel der Rechnung (§ 14, § 14 a des Gesetzes) und
2. durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1."

§ 10 Abs. 1 U[X.]tDV regelt, dass der Unternehmer in [X.] den Nachweis regelmäßig wie folgt führen soll:

"1. durch einen [X.], insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Postlieferungsschein oder deren Doppelstücke, oder
2. durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten [X.]pediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers. Der sonstige Beleg soll enthalten:
a) den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung,
b) den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,
c) die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstands,
d) den Ort und den [X.] oder den Ort und den [X.] in das [X.],
e) den Empfänger und den Bestimmungsort im [X.],
f) eine Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg auf Grund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind,
g) die Unterschrift des Ausstellers."

8

Von dieser Rechtslage ist das [X.] ausgegangen und hat festgestellt, dass ordnungsgemäße [X.]e des [X.]pediteurs nicht vorlagen, weil auf den Bescheinigungen der Firma [X.] weder der Auftraggeber der Versendung noch Zeit und Datum der Versendung enthalten sind.

9

bb) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den [X.] nach [X.]atz 1 zu führen, kann er den Nachweis gemäß § 17a Abs. 4 [X.]atz 2 U[X.]tDV auch nach den Absätzen 2 oder 3 wie folgt führen:

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes)
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

Die von der Klägerin in ihrer Rechtsfrage bezeichneten Belege reichen danach nicht zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Versendungslieferung aus. Es fehlt an einem handelsüblichen Beleg i.[X.]. des § 17a Abs. 2 Nr. 2 U[X.]tDV, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (Lieferschein).

cc) Ob die Versagung der [X.]teuerbefreiung allein auf einen Verstoß gegen formelle Nachweisvoraussetzungen gestützt werden kann, wenn aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, [X.], 264, [X.], 511; vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, [X.], 469, [X.], 57, vierter Leitsatz) ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da nach der nicht angegriffenen Würdigung des [X.] ([X.]. 10 des Urteils) nicht einmal feststeht, ob dem Grunde nach innergemeinschaftliche Lieferungen vorlagen. Es blieb vielmehr letztlich ungeklärt, was die Abnehmerin mit der verkauften Ware gemacht hat.

b) Darüber hinaus wäre die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht klärbar.

aa) [X.]tützt das [X.] seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.[X.]. des § 115 Abs. 2 [X.]O geltend gemacht werden und vorliegen (vgl. [X.] vom 5. Dezember 2013 XI B 17/13, juris; vom 21. Januar 2005 VIII B 163/03, [X.] 2005, 835; vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, [X.], 337, [X.] 1974, 524). Denn zulassungsrechtlich kann es keinen Unterschied machen, ob das [X.] seine Entscheidung nur auf eine tragende Begründung gestützt hat, die nicht zu einer Zulassung führen kann, oder ob es eine Begründung hinzugefügt hat, die an sich die Möglichkeit einer Zulassung eröffnete.

bb) Im [X.]treitfall hat das [X.] sein Urteil nicht nur damit begründet, dass bereits objektiv keine innergemeinschaftlichen Lieferungen vorliegen ([X.] des [X.]-Urteils) und der [X.] nicht erbracht wurde (II.2.c des [X.]-Urteils), sondern außerdem damit, dass die Klägerin den [X.] gemäß § 17c U[X.]tDV nicht geführt habe (II.2.c des [X.]-Urteils), da der [X.] (§ 17c Abs. 2 Nr. 5 U[X.]tDV) und die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet und der Bestimmungsort (§ 17c Abs. 2 Nrn. 8 und 9 U[X.]tDV) nicht aufgezeichnet wurden. Zu der Begründung des fehlenden [X.]es, die für sich genommen die Klageabweisung trägt, hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund dargelegt.

2. Die Beschwerde ist nicht wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 [X.]O zuzulassen.

a) Zur schlüssigen Darlegung einer [X.] nach § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen (vgl. [X.] vom 21. Januar 2014 [X.]181/13, juris; vom 10. Mai 2012 [X.]57/11, [X.] 2012, 1307, m.w.N.).

Die Klägerin hat zwar das BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06 ([X.], 264, [X.], 511) als Divergenzentscheidung bezeichnet und dessen Leitsatz ("Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des [X.] zählt nicht zu den Erfordernissen für einen im [X.]inne des § 17a Abs. 1 und 2 U[X.]tDV ordnungsgemäßen [X.]. Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das Finanzamt bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall") als tragenden Rechtssatz zitiert. [X.]ie hat diesem Rechtssatz aber keinen Rechtssatz aus dem Urteil des [X.] gegenübergestellt, der diesem Rechtssatz widersprechen würde.

b) Mit ihrem Vortrag, wonach die vom [X.] vertretene Auffassung, dass aus den vorliegenden Bescheinigungen nicht eindeutig eine Beauftragung der Firma [X.] durch die Firma [X.] erkennbar sei, nicht zutreffe, wendet sich die Klägerin im [X.] gegen die Würdigung des [X.] zum Vorliegen des [X.]es und rügt damit eine vermeintlich unrichtige Rechtanwendung durch das [X.]. Ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Rechtsanwendung kann aber nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 [X.]O zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene [X.]-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. [X.] vom 25. März 2010 [X.]176/08, [X.] 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Rechtanwendungsfehler des [X.] hat die Klägerin indes nicht dargelegt.

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O zuzulassen. Das Vorbringen der Klägerin, das [X.] habe zu Unrecht ihren Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten abgelehnt und dadurch die Pflicht zur [X.]achaufklärung (§ 76 [X.]O) verletzt, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O.

a) Zur schlüssigen Rüge einer verfahrensfehlerhaft vom [X.] unterlassenen Aktenbeiziehung ist darzutun, dass der Antrag auf Beiziehung entgegen der Würdigung des [X.] hinreichenden Anlass zur weiteren Erforschung des [X.]achverhaltes gegeben habe. Hierzu ist im Einzelnen darzulegen, welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den [X.] Akten hätten ergeben sollen und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf der unterlassenen Aktenbeiziehung beruhen kann (vgl. [X.] vom 1. [X.]eptember 2006 VIII B 81/05, [X.] 2006, 2297).

b) Das [X.] hat den Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten eines angeblichen [X.]chadensersatzanspruches der [X.] gegen die Firma [X.]. mangels konkret benannter Tatsachen als Ausforschungsbeweisantrag behandelt und deshalb unbeachtet gelassen. Die Klägerin hätte insoweit ausführen müssen, aus welchen Gründen ihr Beweisantrag trotz fehlender Angabe des Gerichts und des Aktenzeichens als hinreichend substantiiert hätte beurteilt werden müssen und aus welchen Gründen unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.] ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre (vgl. [X.] vom 26. Oktober 2011 IV B 139/10, [X.] 2012, 263; vom 8. Juni 2011 I[X.]157/10, [X.] 2011, 1510). Daran fehlt es im [X.]treitfall. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die bloße Behauptung, dass eine Aktenbeiziehung das von der Klägerin gewünschte Ergebnis eines Nachweises der Voraussetzungen von umsatzsteuerfreien Lieferungen an die Firma [X.]. gebracht hätte.

4. Von der Darstellung des [X.]achverhaltes und einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 [X.]atz 2 Halbsatz 2 [X.]O abgesehen.

Meta

V B 26/13

19.03.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 31. Januar 2013, Az: 5 K 17/11 U, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 6a UStG 1999, § 10 UStDV 1999, § 17a UStDV 1999, § 17c UStDV 1999, § 6a UStG 2005, § 10 UStDV 2005, § 17a UStDV 2005, § 17c UStDV 2005, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. V B 26/13 (REWIS RS 2014, 6954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6954

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